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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Umgestaltung der Fußgängerzone in Marl-Hüls

3. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Erlebe die Stadt auf neuen Wegen
KONZEPT
Die Fußgängerzone Marl-Hüls ist ein wichtiger, historisch gewachsener Baustein im räumlichen Gefüge des Stadtteils. Durch altersbedingte Mängel und die überholte Gestaltung des Bestands bietet sich im Rahmen der geplanten Sanierungsmaßnahmen eine wichtige Chance, den öffentlichen Raum nachhaltig und zukunftsorientiert auszurichten. Durch die gestalterische Einbeziehung der Trogemannstraße wächst die Fußgängerzone zukünftig stärker mit dem Markt- und Veranstaltungsplatz an der Herz Jesu Kirche zusammen und bietet zusätzliche, öffentliche Freiräume getreu dem Titel „Erlebe die Stadt auf neuen Wegen“.
Das Grundkonzept sieht eine differenzierte, dem Ort entsprechende Aufteilung der Teilbereiche vor. Die Hülsstraße bildet dabei die städtische Veranstaltungs- und Bummel Meile, wo Einzelhandel auf konsumfreie Aufenthalts- und Grünräume trifft. Durch die Oberflächengestaltung in Form des von Fassade zu Fassade verlaufenden „Stadtpflasters“ und den Rückbau der Arkaden werden die teils gründerzeitlichen Fassaden nach über 45 Jahren wieder sichtbar in die Fußgängerzone integriert. Die logische Neugliederung in einen zentralen Laufbereich, ein jeweils begleitendes Grün- und Multifunktionsband sowie eine großzügige Schaufensterzone ermöglicht es die unterschiedlichen funktionalen Ansprüche an die Fußgängerzone in Einklang zu bringen. Innerhalb des 5,50 m breiten Laufbereichs nimmt die Oberflächengestaltung Bezug auf den historischen, eng an die Zeche Victoria Auguste geknüpften Werdegang des Stadtteils. Ein zentrales Band, bestehend aus Rinne und taktilen Leitelement, wird wechselseitig von Bodenintarsien begleitet – den sogenannten „Zeitzeigern der Stadtgeschichte“. An den Endpunkten verweist der „Stadtkompass“ als gestaltete Bodenintarsie bzw. Sockel der Statue Auguste Victoria auf Stadt- und Stadtteilspezifische Orte. Das beidseitige Grün- und Multifunktionsband bietet eine Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten. Neben Aufstellflächen für die Außengastronomie finden sich Hochbeete mit Sitzmöglichkeiten und üppiger Begrünung. Die Pflanzgruben der neuen Gehölze werden nach dem Stockholmer Modell ausgeführt, sodass die Bäume sich optimal entwickeln können und gleichzeitig ein möglichst zirkuläres Entwässerungskonzept im Zusammenspiel mit der zentralen Rinne umsetzbar wird. Die Bereiche zwischen den Hochbeeten können bei Veranstaltungen beispielsweise als Flächen für Marktstände oder kleinere Bühnen genutzt werden. Ergänzend gibt es zwei bodengleiche Spielflächen. Im Sinne einer zukunftsorientierten Gestaltung wird die nördliche Fläche als „Digital Playground“ ausformuliert. Diese Spiel- und Infotainmentfläche kann durch eine angrenzende Sondermastleuchte (mit steuerbaren Gobo-Strahlern, z.B. per App) individuell bespielt werden. In den Schaufensterzonen können Besucher entlang der Fassaden bummeln und der Einzelhandel Auslagen anbieten.
Am südlichen Kreuzungspunkt der Hülsstr. und des Lipperwegs, dem „Stadtentrée Süd“ weitet sich die Fußgängerzone platzartig auf und bildet das Gelenk zur Trogemannstr. und dem Marktplatz an der Herz Jesu Kirche. Ein Wasserspiel und entsprechend orientierte Holzdecks bilden einen lebendigen Treffpunkt und stärken die Adresse zusätzlich.
Die Trogemannstraße wird als wohnliche, grüne Meile begriffen und gestalterisch in das Gesamtkonzept eingegliedert. Das „Stadtpflaster“ wird auch hier von Fassade zu Fassade verlegt und durch eine zentrale Rinne, den „Stadtkompassen“ an den Endpunkten und die offenen, begrünten Baumscheiben geordnet. Die Bestandsgehölze sollen hier konsequent erhalten werden. Die Baumscheiben werden ebenfalls nach dem Stockholmer Modell umgesetzt und ggf. durch Wurzelbrücken ergänzt, sodass eine Anhebung des Pflasters zukünftig verhindert werden kann. Kleinere Spielangebote und Bänke zwischen den Bäumen laden zum Verweilen ein.

MATERIALITÄT & AUSSTATTUNG
Das „Stadtpflaster“ bildet den Grundbelag der Fußgängerzone und wird aus changierenden, hellen Formaten im Reihenverband gepflastert. Durch die hellen Farben wird zusätzlich der Entstehung von Hitzeinseln entgegengewirkt. Als Material wird ein Recycling-Betonstein verwendet und das Bestandspflaster wird im Sinne der Nachhaltigkeit gebrochen und im Unterbau wiederverwendet. Die Fahrbahn im Bereich Lipperweg/Hülsstr. wird ebenfalls gepflastert, um den Bereich zum einen gestalterisch einzubinden und zum anderen die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Auf Grund der höheren Verkehrsbelastung im Querungsbereich der Berg- und Victoriastraße wird dort ein farblich angepasster Asphalt verbaut.
Das zentrale Leitelement wird für eine individuelle Qualität ergänzend mit Natursteinvorsatz gepflastert. Die begleitenden Belagsintarsien bestehen aus aufbereiteten, gravierten Stahlträgerfragmenten der ehemaligen Arkaden.
Wie bei den Oberflächen wird auch in der allgemeinen Ausstattung von Anfang an Wert auf einen ressourcenschonenden, kreislaufwirtschaftlichen Umgang mit den benötigten Rohstoffen gelegt. Das einheitliche Standardmobiliar (z.B. Abfallbehälter, Radbügel und Mastleuchten) wird aus wiederverwertbarem, feuerverzinktem Stahl gefertigt. Die Hochbeete in der Fußgängerzone werden aus Recycling-Beton und FSC-zertifiziertem Holz hergestellt.

ÖKOLOGISCHE NACHHALTIGKEIT
Neben der Verwendung möglichst nachhaltiger Materialien wird auch auf die ökologische Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit der neuen Begrünung geachtet. Als starkfrequentierter Stadtraum muss der Entstehung von Hitzeinseln entgegen gewirkt werden und die Verbesserung der Luft- und Freiraumqualität im Vordergrund stehen. Aus diesem Grund werden insgesamt 17 neue Gehölze entlang der Hülsstr. gepflanzt und die Bäume in der Trogemannstr. erhalten. Die Pflanzgruben werden dabei nach dem Stockholmer Modell gebaut. Das heißt den Bäumen wird ein möglichst optimaler Standort gegeben, welcher ausreichend Belüftung und Raum für das Wurzelwerk bietet.
Als zukunftsfähiger und attraktiver Stadtbaum wird Gleditsia triacanthos ‚Skyline‘ gepflanzt. Diese dornenlose und nur sehr selten Früchte bildende Sorte besitzt eine luftige Krone, welche aus gefiederten Blättern gebildet wird. Eine schöne Herbstfärbung und interessantes Schattenspiel geben der Fußgängerzone zukünftig eine angenehme Atmosphäre.
Anfallende Niederschläge werden entweder direkt in den Grünflächen versickert, verdunstet oder aber von den Oberflächen hin zu der zentralen Rinne geführt. Das so gesammelte Wasser wird durch eine Verbindung mit den Pflanzgruben zur Bewässerung der Gehölze genutzt, was die öffentlichen Kanäle zusätzlich entlastet.
Ergänzend zu den neuen Baumstandorten werden die Hochbeete mit einer intensiven Mischung aus Stauden und Gräsern bepflanzt, wodurch zusätzliche grüne Akzente gesetzt werden können, die das Mikroklima weiter positiv beeinflussen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag steht unter dem Titel „Erlebe die Stadt auf neuen Wegen“. Die Fußgängerzone erhält eine einheitliche Oberflächengestaltung von Fassade zu Fassade. Eine Zonierung und Gliederung erfolgen durch eine wechselseitige Anordnung von Bäumen und Baumgruppen in Hochbeeten. Dadurch entsteht ein zentraler Laufbereich, der sich in abwechslungsreicher Folge zu kleineren und größeren Flächen aufweitet, die sich mit den schmaleren Laufbereichen vor den Geschäften verbinden und dann von Fassade zu Fassade reichen. Dem Entwurf gelingt es, in vergleichsweise unaufgeregter Weise den Straßenraum grüner zu gestalten und dabei durch die geschickte Setzung von Baumpaketen den Raum zu rhythmisieren. Der Vorschlag der baulich eingefassten und bepflanzten sowie nach dem Stockholmer Modell bewässerten Baumstandorte als robustes Gestaltungselement zur Konzentration von qualitätsvollen Aufenthaltsbereichen wurde in der Jury kontrovers diskutiert, zumal Hochbeete heute am Ort sehr kritisch gesehen werden. Besonders überzeugend ist die Arbeit in ihrer Haltung zum Bestand, was sich auch im Respekt vor den Bäumen in der Trogemannstraße zum Ausdruck bringt und in dem Bemühen, die vorhandenen Materialien soweit möglich zu recyclen. Insgesamt stellt die Arbeit einen in hoher Qualität durchgearbeiteten, schönen Entwurf dar, der aber vergleichsweise konventionell bleibt. Zukunftweisende Aspekte finden sich in der Erfüllung von Nachhaltigkeitsfragen und zeitgemäßen Nutzungsangeboten, wie den „Digital Playground“ mit per App steuerbaren Gobo-Strahlern.