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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Neues Wohn­ge­biet Lange Re­kes­weg in Göttingen-Gro­ne

2. Preis

pape+pape architekten

Stadtplanung / Städtebau

Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner

Stadtplanung / Städtebau

plandrei Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

modellwerk weimar | Architekturmodelle, Modellbau, Frässervice, Laserservice

Modellbau

Erläuterungstext

Leitgedanke - grünes Herz

Das Konzept bildet die Grundlage für ein neues Stadtquartier, welches zum einen den Abschluss des Ortsteils Grone erweitert, zum anderen eine bauliche und freiräumliche Mitte für das Wohnquartier und seine Umgebung generiert. Der innenliegende parkähnliche Grünzug bildet das „Grüne Herz“ und übernimmt wichtige Vernetzungsfunktionen in die angrenzenden Stadt- und Landschaftsräume. Er verbindet sich freiräumlich mit dem angrenzenden Friedhof und den umliegenden Acker- und Wiesenflächen und gewährleitstet den notwendige Frischluftaustausch. Diese freiräumlichen Qualitäten einer zentralen Grünfläche bilden das Alleinstellungsmerkmal des neuen Quartiers. Durch eine hohe Freiraumqualität werden Gemeinschaft und Kommunikation gefördert, die das Wohnquartier besonders familienfreundlich und naturbezogen macht und die Voraussetzung für eine hohe Wohn- und Lebensqualität für alle Bewohnenden des Stadtteils schafft.

Grüner Wegestern

Die bestehenden Wege werden, wie selbstverständlich, in das Plangebiet verlängert und bis an die „Grüne Mitte“ herangeführt. Hierdurch entsteht ein durchlässiges grünes Wegenetz, welches das neue Quartier allseitig verwebt.
Aus diesen Wegeachsen heraus leiten sich die neun einzelnen Baufelder ab, die der Grünen Mitte ihre Raumkante verleihen und sich gleichzeitig an der Kaltluftschneise orientieren. Rücksprünge und Aufweitungen bilden unterschiedliche räumliche Situationen aus und lassen ein spannungsvolles Gefüge entstehen. Alle Baufelder grenzen an den gemeinschaftlichen Innenbereich und erhalten dadurch ihre Adresse.
Spielflächen für alle Generationen werden integriert und schaffen einen kommunikativen gemeinschaftlichen Freiraum.

Plätze für Kommunikation

Den Auftakt zum neuen Stadtquartier bildet ein urbaner Quartiersplatz am Lange Rekesweg - ein zentraler Ort der Begegnung und Kommunikation.
Der räumliche Mittelpunkt wird durch ein direkt am Platz gelegenes Solitärgebäude markiert, in dem sich ein Quartierstreff und die Kita befinden, welche als Magneten fungieren und den Platz beleben. Überdies wird ein kleine Ladennutzung mit Orientierung zum Platz vorgeschlagen.
Locker gestellte Bäume auf einer wassergebundenen Fläche sorgen für eine schattenspendende Wirkung und schaffen eine angenehme Aufenthaltsqualität. Große Bänke laden zum Verweilen ein und geben dem Platz den Charakter eines Wohnzimmers für die Nutzenden. Als urbaner Platzraum lässt er vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu und integriert zentrale Spiel- und Aktionsflächen.
Weitere kleine Platzsituationen als Entreeplätze befinden sich in den Randbereichen des Grünzugs (Nordwest und Ost) und markieren durch eine wiederkehrende Formsprache und Materialität die Zugänge zum Quartier und die „Grüne Mitte“.

Entwicklung „aus dem Ort heraus“

Das neue Quartier entwickelt sich strukturell aus dem Ortskern Grones heraus, konstruiert diesen weiter und schließt ihn nach Nordwesten mit der Quartiersgarage zum Platz hin ab. Es entsteht eine ortskerntypische Bebauung mit einer kleinen Mitte, die den bestehenden Reiterhof und das Ferienhaus bis zu seiner späteren Wandlung selbstverständlich integriert.

Die Hofstelle als Vorbild - Hausgruppen an der Grünen Mitte

Neun individuelle Wohnhöfe orientieren sich zur grünen Mitte. Als Vorbild hinsichtlich ihrer Zusammensetzung dient den Baufeldern inhaltlich und gestalterisch die klassische „Hofstelle“. Diese charakterisiert sich durch Raum für unterschiedliche Bewohner*innenstrukturen und gemeinschaftlichen Nutzungsangebote. Die Gestalt der Gebäude leitet sich aus historischen Motiven und Begrifflichkeiten wie „Scheune“, „Wohnhaus“ und „Gererationenhaus“ ab, die in eine moderne und zeitgemäße Architektursprache gewandelt werden.
Geschoßwohnungsbau, Reihen- und Doppelhäuser bilden eine ausgewogene Mischung mit unterschiedlichen Wohnungstypen, deren bauliche Dichte an den Rändern am höchsten ist und sich zur Grünen Mitte auflockert.
Die Wohnhöfe bilden kleine Nachbarschaften aus, die mit einer Mischung aus unterschiedlichen Gebäudetypen bebaut werden können. Sie gruppieren sich um kleine Spiel- und Kommunikationsflächen, wodurch das nachbarschaftliche Zusammenleben gestärkt wird.
Offen für alle Mietendengruppen, teilen sich die Bewohnenden gemeinschaftlich nutzbare Räume wie ein Waschcafé, Kinderspielraum, Gästezimmer, Veranstaltungsraum und Fahrradwerkstatt ebenso wie den Gemeinschaftshof in der Mitte der Häuser. Zum Konzept gehören gleichermaßen Angebote zum Car- und zum Lastenradsharing.
Die kompakten Wohnhöfe am Quartiersplatz besitzen die höchste Dichte und nehmen gemeinschaftliche Wohnformen für besondere Zielgruppen auf. Die angrenzenden Hausgruppen sind für Baugruppen und Familienwohnen vorgesehen. Durch diese differenzierte Bebauung mit unterschiedlichen Gebäudetypen werden Raumkanten mit abwechslungsreicher Architektur generiert.
Die Baufelder besitzen jeweils einen klaren und robusten Rahmen und schaffen die Voraussetzung für eine kleinteilige bauliche Realisierung mit einem Höchstmaß an individueller Freiheit und bilden damit eine planerische Grundlage für die Konzeptvergabe.

Typologie

Das neue Quartier führt mit seiner Typologie die ortstypische Bebauung Grones fort und liefert dadurch einen Beitrag zum urbanen Wohnen im ländlich geprägten Raum.

Verkehrsfreies Wohnumfeld

Die Erschließung des Gebietes erfolgt hauptsächlich von Nordosten über die Erweiterung der Lichtenwalder Straße und im Süden über den Lange Rekesweg, die über eine das Gebiet umgebende Mischverkehrsfläche miteinander verknüpft werden. Durch die Wegeführung wird das Wohnumfeld weitestgehend frei von Verkehr gehalten und ist nur eingeschränkt für die Anwohnenden und Rettungsfahrzeuge oder den Bus (Linie 41/ 42) im Bedarfsfall befahrbar. Primär dient das erweiterte Wegenetz als Verbindung für Fußgänger*innen und Radfahrende, die durch diese Maßnahmen in die umliegenden Bezirke kommen.

Direkt am Quartiersplatz befindet sich die Mobilitätsstation, die alle Funktionen für das Konzept der „sanften Mobilität“, wie Carsharing-Stellplätze und Leihfahrräder, sowie die Ladestationen der Elektromobilität offeriert. Durch die Etablierung vielseitiger Mobilitätsangebote, soll der Individualverkehr langfristig verringert werden, um Grone langfristig verkehrlich zu entlasten. Um An- und Ablieferung oder Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden, befinden sich innerhalb der Wohnbaufelder oberirdische Stellplätze mit außenliegenden Zufahrten, wodurch die Möglichkeit geschaffen wird, auch in geringer Zahl auch an den Wohnhäusern zu parken. Neben diesen befinden sich Müllsammelstellen und Abstellflächen für Fahrräder. Die jeweiligen Stellplätze werden durch eine Baumformation gedeckelt und von Hecken umsäumt, um ihre Präsenz zu minimieren.

Durch diese Konzeption entsteht ein komplett verkehrsfreier Innenbereich mit einer hohen Nutzungsmöglichkeit der Freiräume, was ein pulsierendes Quartiersleben mit einer hohen Lebensqualität fördert.

Regenwasserkonzept / Nachhaltigkeit
Der Großteil der Bestandsbäume (Obstbäume, Kiefer, etc.) bleibt erhalten und wird durch eine Vielzahl von Baumneupflanzungen ergänzt. Das Quartier liegt in einer wichtigen Kaltluftschneise der Stadt, die durch die großzügige Freiflächengestaltung für die Durchlüftung und den Kaltluftaustausch der benachbarten Quartiere sorgt.
In der Grünen Mitte sind eine große und einzelne kleine Retentionsflächen sowie dem Flutrasen verortet, die sensibel auf das Schichtwasser und die Entwässerung des Quartieres reagieren und verhindern, dass das Gebiet und die umliegenden Grundstücke bei (Stark-)Regenereignissen überfluten. Der in der Mitte des Gebietes verlaufende Bestandsgraben, wird sowohl in nördliche als auch südliche Richtung an Bestandsgräben des Umlandes angeschlossen und in seiner Ausprägung erweitert. Damit reagiert das Konzept auf die umliegende Grabenlandschaft und schließt an den Flößergraben und dessen Freiraum im Norden des Gebietes an. Weiteres Regenwasser wird durch Dachbegrünung aufgenommen und in ein erweitertes Entwässerungssystem geleitet, gespeichert und genutzt.
Durch die aufgelockerte Bauweise und die damit einhergehende großzügige Freiflächengestaltung, wird ebenfalls eine bioklimatische Entlastung und Verbesserung der Durchlüftungsverhältnisse erreicht.
Um eigene Energie für Gemeinschaftsprojekte im Quartier zu generieren, sind auf einzelnen Dachflächen großflächig Solaranlagen vorgesehen.

Freiraum

Die Gestaltung des Freiraumes bietet die Chance, eine „Grüne Mitte“ für das Quartier zu entwickeln, dass Aspekten der Nachhaltigkeit und der Namensgebung Grones gerecht wird.
Die Einhaltung der Kaltluftzone und weitestgehende Freihaltung von Bäumen bietet die Gelegenheit, eine zentrale Mitte auszubilden, die durch ihre Weitläufigkeit besticht. Ihr zentraler Punkt ist die Retentionsfläche, die sowohl den Graben vereint als auch eine signifikante Aufenthaltsqualität für Fauna und Mensch schafft. Diese Mitte wird durch einen Weg erschlossen, der an die Umgebung anknüpft und durch klare Abzweigungen die Baufelder umfänglich untereinander und auf kurzem Wege vernetzt. Entlang des Weges befinden sich Bänke und eine Wetterhütte, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Zur weiteren besonderen Erlebbarmachung der Feuchtwiesenfläche und Vernetzung der Nachbarschaft dienen Trampelpfade, Setzsteine und Stege über Wasserflächen. Diese bieten die Chance, so wenig wie möglich des Gebietes durch Wegeverbindungen stark zu versiegeln und eine große Fläche zur Versickerung offen zu halten.
Die Kaltluftschneise wird im Norden und Süden ihres Randes von Baumneupflanzungen gesäumt, die auf die Baumformation des Friedhofes reagiert und diese fortführt.
Im Gegensatz zu der weitläufigen Gestaltung der Mitte, schaffen die Freiflächen zwischen der Bebauung ein differenziertes Angebot, das sich durch seine Nischen auszeichnet und den Dorfcharakter widerspiegelt. Der Übergang zur „Grünen Mitte“ ist fließend, lediglich der Baumsaum und seitlich begrenzende Heckenpflanzungen deutet auf einen Übergang hin.
In den Wohnhöfen befindet sich mittig jeweils eine Platzfläche, die von einer Bank halbseitig gerahmt ist und durch Baumpflanzungen zum Aufenthalt und Zusammenkommen einlädt. Gerahmt sind die Höfe durch Staudenbepflanzungen, die den Hof charakterisieren.
Die kleinen Plätze als Entree schaffen durch ihre Gestaltung und Lage eine besondere Verknüpfung zu den Bestandsgebieten und ziehen die Bewohnenden und Besuchenden in die Grüne Mitte.
Die Vielzahl Bestandsbäume und deren Ergänzung mit Baumneupflanzungen erhöht die Klimaresilienz des Gebietes. Ausgewählt wurden für die Pflanzung neuer Bäume solche, die sich besonders an unterschiedliche Wetterlagen anpassen und gleichermaßen zu einer Reduzierung des Lärmes von der Otto-Brenner-Straße und A7 beitragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit entwickelt einen großzügigen Grünzug, der sich in Ost-West- sowie in Südrichtung ausstreckt. Dadurch entstehen drei Flächen unterschiedlicher Größe für eine neue Bebauung. Die städtebaulichen Setzungen ermöglichen eine abschnittsweise Entwicklung und funktionieren auch unabhängig voneinander, ohne auseinander zu fallen. Die einzelnen Quartiere werden als nutzungsflexible Wohncluster entwickelt. Die vorgeschlagene Dachlandschaft gibt dem Quartier eine Signifikanz und wirkt identitätsstiftend.

Im Bereich des Lange Rekesweges wird die vorhandene Körnung überzeugend aufgegriffen. Es entsteht ein Gegenüber zu der vorhandenen Siedlungsstruktur, das angemessen auf das bestehende Quartier reagiert.

Der neue Quartiersplatz wird mittig am Lange Rekesweg situiert und schafft dadurch eine gute Verbindung zwischen neuem Quartier und der vorhandenen Ortskante. Der Platz ist dreiseitig gefasst und bindet an der offenen Seite an den prägenden Grünzug der Kaltluftschneise an. Die am Platz verorteten Funktionen von Kita und Quartiersgarage beleben den Ort und werden als richtige Setzung gesehen, um einen Platz mit hoher Nutzungs- und Aufenthaltsqualität entstehen zu lassen. Die zu gering bemessenen Kitaflächen könnten im Bereich der Gewerbeflächen ausgeglichen werden.

Das Wegesystem im Grünzug greift die vorhandenen Freiräume auf und vernetzt diese untereinander. Dadurch werden auch die angrenzenden Stadtquartiere einbezogen und gestärkt.

Die Arbeit schafft mit Ihren Setzungen eine hohe Lagegunst unmittelbar an der grünen Mitte. Das Freiraumkonzept entwirft insgesamt sinnfällige Lösungen im Umgang mit der Wasserproblematik. Die Arbeit überzeugt mit ihren städtebaulichen Setzungen. Der gewünschte Wohnungsschlüssel wird mit dem Beitrag erreicht. Lediglich der südöstliche Bereich im Übergang zum Reiterhof wird kritisch gesehen.

Insgesamt würdigt die Jury die überzeugenden städtebaulichen Setzungen, die Großzügigkeit der Freiflächen und die Angemessenheit der vorgeschlagenen Flächenfunktionen.