modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Neues Wohn­ge­biet Lange Re­kes­weg in Göttingen-Gro­ne

3. Preis

studiopenta

Stadtplanung / Städtebau

fehlig moshfeghi architekten BDA

Stadtplanung / Städtebau

gartenlabor bruns

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Komplizendörfer für Grone
Städtebauliche Idee
Die Herausforderungen für künftige Stadt- und Wohnquartiere gehen weit über die effiziente Anordnung von Nutzungen mit rein renditeorientierten Zielen hinaus. Es müssen vielmehr Antworten auf die anstehenden dringenden Fragen nach Klimagerechtigkeit und Klimaresilienz, Nachhaltigkeit und Suffizienz, aber auch nach stärkerer Ortsidentität beantwortet werden. Jede Siedlung braucht eine Seele, als ein Gefühl der Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit. Dieses gestärkte Wir- Gefühl bezeichnen wir hier als „Komplizen“ des Zusammenlebens.
Entsprechend der Lage und der synthetischen Verbindung von Siedlung und Landschaft, verfolgt die Grundidee eine maßstabsgerechte Anordnung von fünf Wohnquartieren mit Community-Hub um einen Quartiershof sowie ein Auftaktbaufeld mit Kita, Sondernutzung und den Bestandsbauten. Eingebettet bleiben die einzelnen Bausteine in einen umfließenden Quartierspark als omnipräsenten Landschafts- und qualitativen Naherholungsraum. Hierbei verteilen sich die sechs Baufelder gleichmäßig nördlich und südlich des zentralen Quartiersparks als Frischluftzone und geben dieser eine räumliche Fassung.
Die fünf kleinen "Komplizendörfer“ funktionieren in ihrem leichten topografischen Spiel zur Mitte hin wie eine natürliche Warft, sodass auch bei Hochwasserereignissen keine Gefahr besteht. Alle Baufelder werden durch ein übergeordnetes Fuß- und Radwegenetz untereinander und darüber hinaus mit der Nachbarschaft und dem überregionalen Radwegenetz verbunden.
Die Komplizen und ihre Typologien
Mit einem dorfähnlichen Charakter und einem zentralen autofreien Gemeinschaftshof, von dem alle Häuser ringförmig erschlossen werden, entsteht innerhalb der Nachbarschaften ein Ort der Begegnung mit Flächen für Austausch, Spiel und gemeinsame Feste. Der zentrale Hof ist das „Lagerfeuer“ jedes Komplizen, bietet eine klare eine Orientierung sowie Adressierung und verhindert Segregation und Vereinzelung. Gleichzeitig erhalten alle Häuser und Wohnungen einen unbebauten Blick ins Grüne und einen direkten Zugang zum umgebenden Naturraum.
Im süd-östlichen Auftaktbaustein werden die beiden Bestandsbauten mit dem Denkmal durch einen Ergänzungsneubau gefasst und schaffen einen einladenden Quartiersauftaktplatz mit einer öffentlichen Sondernutzung. Dahinter befindet sich, gut erreichbar, die Kita mit großzügiger Außenfläche.
Jede der Komplizen erhält unmittelbar am Eingang einen Community-Hub in der zusätzlich zu dem ruhenden Verkehr auch Räumlichkeiten für gemeinschaftliche Nutzungen eingeplant sind. Zudem beherbergt das Community-Hub die zentrale Energieversorgung. Im weiteren Verlauf kann durch die modulare Bauweise, je nach Vorlieben und Raumbedarf der Bewohnerschaft eines Komplizendorfes, der Schwerpunkt des Community-Hubs verlagert werden. Mehr Carsharing und somit weniger Stellplätze schaffen mehr Gemeinschaftsraum – eine größere Fahrradwerkstatt, eine Tischlerei, oder flexible Arbeitsplätze, um aus dem Home-Office rauszukommen. Durch diese Individualisierung wird eine eigene Identität der einzelnen Quartiere gefördert.
Jeder künftige Bewohner soll an seiner gebauten Umwelt mitgestalten können. Alle Bewohner werden an einem Partizipationsverfahren beteiligt und können inhaltliche und gestalterische Ideen mit einbringen, sodass am Ende jede Komplizenschaft eine eigene individuelle Identität erhält. Die überschaubare Komplizengröße pro Baufeld erlaubt eine umsetzbare Entscheidungsfähigkeit.
Die Quartiersidentität wird zusätzlich mit dem Gedanken der Selbstversorgung gestärkt. Zwischen den einzelnen Bausteinen werden Flächen für Urban Farming geschaffen, in der die Bewohner Platz für ihre individuelle Entfaltung erhalten. Die Erzeugnisse können dann im zentralen Community-Hub im Auftaktbaufeld veräußert werden. Somit wird der Gemeinschafts- und Produktionsgedanke auch nach außen getragen und sichtbar.
Die nicht unterkellerten Bausteine der neuen Quartiere werden in modularer Bauweise errichtet und bestehen weitestgehend aus nachwachsenden Rohstoffen und sind überwiegend rückbaubar. Der Community-Hub ist ebenfalls in modularer Bauweise konzipiert und erlaubt durch sein flexibles Konstruktionsraster eine ressourcenschonende Transformation von einem oberirdischen Parkhaus zu einem Gemeinschaftshaus. Auftakt hierfür ist der am Community-Hub zum zentralen Quartiersplatz orientierte Kopfbau, welcher Gemeinschaftszonen, Co-Working Spaces und die zentrale Energieversorgung beinhaltet. Die Idee ist eine nutzungsoffene Struktur im Besitz der Gemeinschaft, als Möglichkeitsraum kollektiver Projekte.
Die ringförmig um den zentralen Platz angeordneten Bausteine sind in ihrer Gebäudetiefe so gewählt, dass auch problemlos zwischen den Typologien Reihen- oder Mehrfamilienhaus getauscht werden kann, ohne dass es Auswirkungen auf das anstehende Bauleitverfahren hat. Die Gebäudehöhen variieren zwischen zwei bis drei Vollgeschossen. In wenigen Punkten werden viergeschossige Bauten zwecks Akzentuierung angeboten. Ziel der kompakten Bauweise ist eine geringstmögliche Versiegelung des Baulandes zu erzielen. Gleichzeitig jedoch flexible und qualitativ hochwertige Wohnungen zu garantieren.
Die insgesamt 6 Baufelder können durch ihre autarke Erschließung von Norden bzw. Süden unabhängig voneinander zeitlich und logistisch realisiert werden. Somit ist die Differenzierung zwischen privater Bauträger, Baugemeinschaft oder stätischer Realisierungsträger flexibel und auch nach Zuschlag anpassbar. Zudem sind die Baufelder so angeordnet, dass das Auftaktbaufeld mit der Kita und der Sondernutzung zunächst als Reiterhof verbleiben kann.
Ein zentraler Quartierspark
Der großzügige zentrale Grünraum dient als Spange zwischen den südlichen und nördlichen Baufeldern. verbindende Wege als „grüne Pfade“ ausgebildet, kreuzen den von Westen nach Osten verlaufenden Radwanderweg. Unterstützt wird der Übergang vom Bestand zum neuen Quartier durch eine großzügige Wegeverbindung vom Bestand zum zukünftigen Siedlungsquartier in die umgebende Landschaft.
Naturnahes Grün als belassene Wiesenflächen mit großer Artenvielfalt für die Pflanz- und Tierwelt prägen den zentralen Raum. Eine geringe und behutsame Mahd der Flächen ist Voraussetzung für das gute Gelingen.
Die Regenrückhaltung ist im leichten topografischen Spiel erkennbar und erlaubt großzügige naturnahe Rückhalteflächen. Eingebunden wird diese in den von Norden nach Süden verlaufenden schon bestehenden Graben und seinem Überflutungspotential.
Sauberes Regenwasser versickert vor Ort ins Grundwasser und kommt so der nachhaltigen Regenwasserbewirtschaftung zugute. Sowohl bestehende als auch neu entstehende Flutrasen sowie Baumbestände, werden in das Gesamtkonzept integriert. Umsichtig gesetzte heimische Gehölze stehen hierbei nicht im Widerspruch zur gewünschten Kaltluftzone, sondern stärken vielmehr die grün - blaue Infrastruktur, zu der neben aller bepflanzten Bereiche auch Bäume gehören.
Verträgliche Nutzungen Spazieren, Sport treiben und Spielen sind Teil des zentralen Landschaftsraume und durch eingemähte Flächen und Pfade zoniert. Die Verortung für Aktivitäten sowie eine Ergänzung durch Weitere können mit Hilfe dieses Gestaltungsprinzips je nach Bedarf flexibel angepasst werden. Durch das nur leichte topografische Spiel ist die Barrierefreiheit auf dem gesamten Gelände gegeben und die Geländesituation im Gebiet auf die nahezu eben.
Quartierhöfe als Treffpunkt für „Komplizen“
Das Grün in den Quartiershöfe ist geprägt durch viel Freiflächen mit eingemähten
Flächen für Spiel, Liege- und Sitzbereiche. Obstgehölze und prägnante Solitärgehölze
strukturieren den Raum und spenden zudem Schatten für die heißen Sommer. Der intimere interne Grünraum bleibt von allen Wohngebäuden einsehbar und auch für kleine Kinder damit übersehbar.
Gemeinschaftsplätze sind den Gemeinschaftshäusern zugeordnet und bilden den Mittelpunkt der Quartiere, mit allen Nutzungen und Themen die dazugehören. Die befestigten Flächen sind aus wasserdurchlässigem Material mit hohem Fugenanteilen und bleiben damit versickerungsoffen.
Neben den Wohnhäusern sind zahlreiche umgebende Flächen für Gemeinschafts- und Mietergärten geplant. Es wird die Idee eine Verpachtung von Nutzgärten angestrebt, in der jeder einen Garten pachten und ihn nach seinem Geschmack gestalten und pflegen kann. Hierbei wird die Idee der Selbstversorgung erprobt und gemeinschaftlich im Komplizen umgesetzt. Im Fokus stehen das Pflanzen von heimischen Stauden, Blumen und Gräsern und dabei die Förderung einer resilienten Biodiversität. Anfallendes Regenwasser wird hierfür in gespeichert und zur Bewässerung der Gärten weitergenutzt. Streuobstbäume wie heimische Äpfel- und Kirschsorten sind zum gemeinschaftlichen Ernten jeweils vor den Baufeldern zum Quartierspark angeordnet und stellen gleichzeitig in den Früh- und Sommermonaten eine blütenreiche Kulisse als Auftakt zu den Komplizendörfern dar.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen schlagen ein Konzept von sechs als „Warften“ bezeichneten Wohnhöfen mit gemischten Wohnungstypen vor. Die Wohninseln fügen sich maßstäblich und selbstverständlich in den Landschaftsraum ein. Jeder Wohnhof bietet ein großes Potential an Identifikationskraft, Eigenständigkeit und Nachbarschaft ihrer Bewohner*innen. Die Introvertiertheit der Wohnhöfe lässt jedoch die Verbindung zum Ortskern vermissen.

Die Kaltluftschneise ist als Grüne Mitte und Retentionsfläche mit dem angrenzenden Freiraum des Friedhofes gut verknüpft. Sie zeigt die Möglichkeiten intensiver Nutzung trotz vielfältiger Bepflanzung in einer offenen Wiesenstruktur. Auch aus Sicht der Wasserwirtschaft funktioniert das Freiraumkonzept ideal.

Eine Nord-Süd-Verbindung durch das Quartier, z.B. entlang des Graben,s ist nicht dargestellt. Die dezentrale Anordnung der Quartiersgaragen in „Communityhubs“ steht dem Anspruch an ein auto- und verkehrsarmes Modellprojekt nach Meinung der Jury entgegen. Die dargestellte bauliche Entwicklung auf dem Gelände des Reiterhofes überzeugt nicht.

Die Jury würdigt den Ansatz der Ortserweiterung mittels dorftypischer Wohninseln und offener Freiraumgestaltung bei überdurchschnittlich hoher Gesamtwohnfläche.
Lageplan M 1:1000

Lageplan M 1:1000

Gestaltungsplan M 1:500

Gestaltungsplan M 1:500