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Städtebauliches Werkstattverfahren | 03/2023

Neckarspinnerei - Quartier in Wendlingen

Visualisierung

Visualisierung

1. Rang

Preisgeld: 35.000 EUR

Rustler Schriever Architekten PartG mbB

Stadtplanung / Städtebau

GDLA I GORNIK DENKEL landschaftsarchitektur partg mbb

Landschaftsarchitektur

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Visualisierung

Erläuterungstext

Rustler Schriever Architekten
Pia Maier Schriever, Dipl.-Ing. Architektin BDA, Prof. Juergen Rustler, Dipl.-Ing. Architekt BDA
Mitarbeiter/innen: Manuel Glemser MSc.Arch, Eva Girschik B.Eng.Arch, Marius Druyen B.Eng.Arch, Justus Tannhof, Nicolas Janning

Landschaftsarchitektur
GDLA Gornik Denkel Landschaftsarchitektur
Daniel Lindemann, Achim Denkel
Mitarbeiter/innen: Isabella Peri


Struktur für Vielfalt - Transformation zum produktiven Stadtquartier

Städtebauliches Konzept
Die klare Struktur des historischen Spinnereiquartiers mit seiner orthogonalen Grundgeometrie wird aufgegriffen und mit der städtebaulichen Setzung der Quartierserweiterung fortgeführt. Der städtebauliche Charakter des Bestehenden wird somit im neuen Quartier weitergebaut und ein zeitgemäßes Gesamtquartier mit der Identität des Historischen geschaffen.

Die strenge Orthogonalität löst sich im Inneren immer stärker auf, die Setzung der Baukörper verschieben sich zueinander und bilden vielseitige Außenräume mit unterschiedlicher Qualität, deren Platzkanten bewusst nicht präzise gefasst sind. Es entstehen fließende Räume, die ineinander übergehen und die Gewerbetreibenden und Anwohner*innen einladen das Areal immer wieder neu zu erkunden - multicodierte Orte laden zum Verweilen und Entdecken ein.

Im Inneren des Quartiers sind die ineinander übergehenden Plätze und Außenräume zum Neckar verkehrsberuhigt, hier erleben die Besucher*innen zu Fuß und mit dem Fahrrad den visionären Charakter der „produktiven Stadt“ mit ihrem multicodierten Nutzungsmix von industrieller Produktion, Gewerbe wie Schreinerei und Schlosserei, Forscher*innen, Start- up-Unternehmen, Druckerei, neben Manufakturen, Quartierscafé, Co-working und Wohnen, Sport, Erholung am Neckar und Gastronomie, alles liegt in unmittelbarer Nähe, die Ernteäcker, urban farming und das Quartiersgewächshaus.

Die Grundstruktur der Baukörper ist robust und gleichzeitig anpassungsfähig für weitere Transformation und zukünftige Veränderungsprozesse (großformatige flexible Erdgeschoß-Zone). Die hohe bauliche Dichte, konzentriert die Baukörper bewusst auf einen „footprint“ und ist stärker in die Vertikale gebaut.

Auftakt
Das dominierende Spinnereihauptgebäude von Philipp Jakob Manz ist prägend für den neuen Baukörper an der Heinrich-Otto-Straße. Der langgestreckte Baukörper mit Büroturm ist adressbildend und zeigt die Transformation des Quartiers bereits nach Außen. Der Vorplatz mit der großflächig aufgeglasten Erdgeschoß-Zone lässt die ansässigen Firmen ihre Produkte bereits nach Außen präsentieren (Schaufenster, Showrooms, Büroturm mit großer Fernwirkung). Der weiträumige Haupteingangsbereich leitet in das innere Herz des Quartiers und lädt mit der Gartenvilla, den Seminargebäuden im Park und dem neuen Quartierbiergarten unter den historischen Bäumen auch externe Besucher in das Quartier ein.

Struktur
Die Erdgeschoß-Zonen der Gebäude werden als robuste, großmaßstäbliche Struktur mit breiten Spannweiten aus Beton ausgebildet (östliche und mittlere Spange), hier kann großflächig produziert oder mit flexiblen Trennungen jederzeit kleinere Einheiten geschaffen werden. Auf dieser robusten Erdgeschoß-Zone sind alle Obergeschoße in Holzbauweise geplant. Das 1.Obergeschoß bietet Gewerbeflächen mit maximaler Flexibilität, darüber sind Wohnbaustrukturen mit großzügigen Laubengang-Erschließungen, Balkonen und gemeinschaftlichen Dachgärten vorgesehen. Die Bebauung im Westen zum Neckarufer ist in reiner Holzbauweise geplant.
Das Konzept des Zusammenfließens der unterschiedlichen Nutzungen wird auch in der Ausbildung der Einzelgebäude in der vertikalen Schichtung spürbar.

Eine filigrane leichte Holzstruktur wird wie eine Filterschicht vorgestellt. Innerhalb der Holzstruktur werden die Treppen geführt, verteilen sich die Laubengänge und tragen die integrierten Balkone zur Westseite. Gleichzeitig dient die Holzstruktur als Berankung für Pflanzen (Wilder Wein, Efeu) und bietet somit eine natürliche Verschattung der Obergeschosse nach Süden und Westen.

Erschließung
Von der Bundesstraße führen zwei Einfahrten in das Neckarspinnerei-Quartier (LKW-Zufahrt, MIV zu Quartiersgarage). Das Erschließungskonzept folgt der klaren orthogonalen Grundstruktur und führt den Anlieferverkehr nur in einer stringenten Hierarchie ins Quartier, LKW-Zufahrt (40 t) dient in einem Loop (eine Anliefergasse) alle wesentlichen Produktionsgebäude des neuen Quartierbereichs an (im Bestand ist die LKW-Anlieferung östlich der Shedhallen bis zum Pentagon vorgesehen). Orthogonal zur Heinrich-Otto-Straße führen Stichzufahrten für den MIV und Kleintransporter zu den Nutzungen. Der gesamte westliche Quartiersbereich, einschließlich der Quartiersplätze ist von motorisiertem Verkehr vollständig befreit.

Mobility Hub
Direkt nach der Einfahrt entlang der Heinrich-Otto-Straße entsteht ein neuer Mobility Hub als zentrale Anlaufstelle für das gesamte Quartier, hier können Fahrräder auf großzügigen Velostellplätzen geparkt werden, Lastenfahrräder geliehen werden und die shared E-Auto-Flotte direkt geladen werden.

Verkehr
Der ruhende Verkehr wird zentral in einer Quartiersgarage untergebracht, der robuste Baukörper im Norden ist als Mischgebäude konzipiert. Neben einer klaren Gewerbenutzung über alle vier Geschosse nach Süden ins Stadtfeld gerichtet, stellt das Bauvolumen nach Norden gerichtet 210 Stellplätze für das gesamte Quartier zur Verfügung. Das Gebäude ist großzügig an den Fassaden begrünt, auf dem Dach sind Gewächshäuser für die Direktversorgung der Quartierskantine geplant.

Lärmschutz
Das hohe Schallaufkommen von Seiten der angrenzenden ICE-Trasse und der Autobahn Stuttgart-Ulm wird durch die kompakten und hohen Bauvolumen im Norden entscheidend gedämpft.

Transformation
Das historische Spinnereigebäude wird in seiner großflächigen Grundstruktur belassen, der Charakter der großformatigen, für seine Zeit innovativen Industriearchitektur, mit den feingliedrigen Stützenstrukturen bleibt erhalten und auch weiterhin in seinem Wesen erlebbar.

Im Erdgeschoss ist die Aufteilung großmaßstäblich und bietet Veranstaltungs- und Seminarräume, die Quartierskantine mit Küchentrakt und Café-Bar mit Blick nach Süden zum Neckar. Im 1. Obergeschoss ist die Inklusions-Werkstatt mit schallgeschützten Werkstattbereichen und freien Gemeinschaftsbereichen als flexible Substruktur eingerichtet.
Im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss wird die Substruktur kleinteiliger zu Wohnungsstrukturen mit großzügigen Gemeinschaftsbereichen mit Blick auf das Areal bis vor zum Neckar.

Die bestehende Erschließungsstruktur (Treppenkerne / Aufzug) wird gestärkt und um weitere Aufzüge / Lastenaufzug ergänzt. Beide Fassadenbereiche (Ost und West) werden über eine innere Schicht / Wandaufdoppelung ergänzt, diese Schicht enthält die Wärmedämmung, ergänzt die Bestandsfenster mit einer neuen inneren Fensterschicht (Umbau zu Kastenfenster), für den untergliederten Wohnungsbau im 2. Obergeschoss und im Dachgeschoss wird in dieser Aufdoppelung die Infrastruktur / der Leitungsverzug vertikal geführt. Ergänzend wird an der Westseite des Spinnereihochbaus ein Aufzug in den kleinen vertikalen Bestandsanbau geplant und ein zusätzlicher Treppenturm additiv vorgestellt. Über diese insgesamt drei Erschließungsstrukturen wird der gesamte Spinnereihochbau erschlossen.

Freianlagen
Die Neckarspinnerei hat das Privileg direkt am Wasserufer des Neckars seine Heimat gefunden zu haben. Am Wasser gelegen, streckt sich das Gebiet in eine grüne Landschaft hinein und entfaltet seinen industriellen Charme. Diesen besonderen Charakter und die Linearität der bestehenden Architektur werden bei der Neuplanung des Städtebaus und des Freiraumes aufgenommen und gestärkt. Die ineinander fließenden verkehrsberuhigten Außenräume und Plätze werden durch die großen Grünflächen (Hochbeete, Stauden, schattenspendende Bäume) zoniert. Dem Konzept der Schwammstadt folgend werden im gesamten Quartier große Grünflächen für Versickerung und oberflächennahe Entwässerung mit hohem Verdunstungspotential ausgebildet. Versickerungsfähiges Pflaster (in Teilbereichen rotes Mauerwerk als Bodenmaterial) und Grünflächen mit Trockenbachläufen (reinigende Pflanzen) zeichnen den Außenraumcharakter des gesamten Quartiers aus.
Drei große Grünbereiche sind grüne Lunge im Quartier (Biotop, historischer Wald, verdichteter Grünzug um die historische Gartenvilla).

Wassergebundene Wegedecken sind zwischen den historischen Bäumen (historischer Wald dient als Starkregenpuffer) und im gesamten Vorplatzbereich vorgesehen. Großzügige Muldenbereiche und neue Baumpflanzungen (Retentionsflächen, Gräser- und Staudengärten) werden im Bereich der Gartenvilla um den neuen Biergarten angelegt. Die Parkplatzflächen werden mit Rasenlinern und grünen Fugen zur Förderung der Regenwasserversickerung angelegt. Aus allen Neubauten wird das Regenwasser aus Zisternen wiederverwendet. Die Dächer sind als Intensive Gründächer (mit Topografie und Biodiverser Bepflanzung), als Extensive Gründächer, Gründächer mit Solar und als Dachgärten (urban farming, Gewächshaus) ausgebildet, der Großteil der Fassaden wird begrünt. Zwischen den Baukörpern zum Neckar bieten Ernteäcker und aufgelockertes Grün den natürlichen Übergang zum Biotop (Biodiversität, Mikroklima, Förderung Renaturierungsbereiche). Eine direkt Verbindung zum Neckarufer wird über sanfte Terrassierungen und Böschungen mit Sitzgelegenheiten geschaffen.

Energiekonzept
Durch die Gesamtquartierbetrachtung (Neubauten versorgen Bestand, reduzierter Energieverbrauch, optimierte Stoffkreisläufe, dezentrale Energieversorgung - Photovoltaik auf den Dächern - dezentrale Kleinkraftwerke) kann das Neckarspinnerei Quartier mit dem vorliegenden Gesamtkonzept nationale und internationale Klimaziele erreichen.

Vision – Die produktive Stadt
Das neue Stadtfeld verbildlicht die Vision der produktiven Stadt mit seiner Nutzungsvielfalt, in der zeitgemäß produziert, gearbeitet und in Einklang mit der Natur gelebt wird.
Mit dem Charme und der Identität des industriellen Erbes verbunden entsteht ein pulsierendes Gesamtquartier mit hoher Arbeits- und Lebensqualität.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau:
Die Bestandsstruktur/-figur wird auf klare Art und Weise aufgegriffen und fortgeführt. Dies erscheint auf eine angenehme Art und Weise selbstverständlich und entspricht dem Credo des Weiterbauens als Bekenntnis zum Respekt des historischen Bestandes.

Darüber hinaus bietet diese klare und einfache Struktur eine große Vielfalt an Gebäudetypologien und Flexibilität der Nutzungen.

Die Konfliktthemen (Lärm, Erschließung) werden durch eine kluge Positionierung der Quartiersgarage an der Autobahn/ Bahntrasse und des störenden Gewerbes an der Heinrich-Otto-Straße geschickt gelöst.

Freiraum:
Die städtebauliche Figur schafft angemessene hierarchisch klare Räume, welche die Bestandstrukturen fortsetzen, aus denen sich unterschiedliche Aufenthaltsräume entwickeln. Der Fußgänger- und Erschließungsverkehr wird auf intelligente Art und Weise in Einklang gebracht und entspricht somit dem hybriden Charakter des Quartiers.

Darüber hinaus entsteht entlang des Neckars eine großzügige Grünstruktur, die durch zusätzliche Baumpflanzungen an Qualität gewinnt.

Programmierung:
Die Nutzungsmischung im Sinne der produktiven Stadt wird nicht nur städtebaulichen sowohl im Bestand als auch im Neubau gelöst, sondern auch integrativ in den jeweils einzelnen Gebäuden. Dies schafft flexible und zukunftsfähige Typologien.
Etappierung / Realisierbarkeit / Wirtschaftlichkeit: Die Körnung aus klein, mittelgroßen und großen Gebäuden ermöglicht eine große Bandbreite an Nutzungen und schafft damit eine flexible Etappierung. Dies begünstigt die Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Projektes.
Modellfoto

Modellfoto

Städtebauliches Konzept

Städtebauliches Konzept

Lageplan

Lageplan

Grundrissstruktur

Grundrissstruktur

Quartiersplatz

Quartiersplatz

Querschnitt

Querschnitt

Nutzungsverteilung

Nutzungsverteilung

Bauweise

Bauweise

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 1

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 2

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 3

Präsentationsplan 4

Präsentationsplan 4