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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Neue Quartiersmitte Klettham-Nord in Erding

Lageplan

Lageplan

3. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Stadtplanung / Städtebau, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept | Drei Aspekte prägen den vorliegenden Entwurf:
• Konturierter Stadtraum - Das ursprüngliche städtebauliche Konzept der Friedrichstrasse mit den geschlossenen Raumkanten und den dahinter liegenden geschützteren Gartenhöfe wird vervollständigt. Eine kraftvolle Nischenbank greift die Höhe der Kirchen umfassenden Mauer auf und schließt begrenzt den Platzraum nach Norden.
• Offener Quartiersplatz - ein neuer U-förmiger Platz umfasst die das Zentrum markierende mittig liegende Kirche. Ein einheitlicher, hochwertiger Stadtboden betont den verbindenden Platz, der eine offene, flexibel nutzbare Fläche als Ort für Begegnung und Veranstaltungen bietet.
• Gestärkte Klima-Resilienz – mit dem Umbau geht eine Aufwertung der Klima-Resilienz einher. Der Platz wird von „Klimakissen“ flankiert – technisch komplexe Retentionsbecken mit klärender Vegetationsschicht, darunter liegenden Rigolen und angeschlossenen Zisternen und Durchstich durch die undurchlässigen Bodenschichten, funktionell Regenwasserspeicher und kühlende Transpiration - optisch erfahrbar kraftvolle wie blütenreiche Hochstaudenkissen.
Das „Erlebnis Stadt“ mit Menschen und ihrer Interaktion, dem öffentlichen Raum, den Läden und der Gastronomie bildet die konzeptionelle Grundlage. Der Straßenraum ist so betont fußgängerorientiert konzipiert und verkehrsrechtlich als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich bzw. verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen.
Ein einheitlicher Pflasterbelag erstreckt sich über den zentralen Perimeter. Rinnen, Ausstattung und Einbauten gliedernd dabei subtil den Raum und geben den Verkehrsteilnehmern die erforderliche Sicherheit und Orientierung. Die Besonderheiten des jeweiligen Teilraumes – die Kirche, das Solardach, der Bürgercafé – werden inszenierend Mittelpunkt gesetzt, die erforderlichen festen Einbauten auf ein Mindestmaß reduziert – öffentlicher Raum zur individuellen Aneignung, als gemeinschaftliche Bühne urbanen Lebens.

Verkehrskonzept | Dieses intendierte urbane Leben brauch Platz, der nur durch eine Reduzierung des MIV auf die funktionell tatsächliche Erforderliche zur Verfügung gestellt werden kann.
Die neue Quartiersmitte wird als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich bzw. als Verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Die Karlstrasse wird Einbahnstraße ergänzt mit gegenläufig integriertem Radeverkehr. Dauerparker werden reduziert ausgewiesen und durch ein erweitertes, dezentral verteiltes Sharing-Angebot mit E-Cars, Lastenrädern und E-Bikes ergänzt.

Stadtboden | Ein einheitliches Belagsprinzip erstreckt sich über die zukünftige Quartiersmitte. Hochwertiger Ganitstein wird kostenoptimiert aus nur zwei Formaten zum richtungslosen Komposit-Fischgrät zusammengefast.
Der neue Bodenbelag entwickelt sich aus Granitsteinen mit einer Beimischung von ca. 10 % hell/weißen Quarzsteinen. Der so entstehende abgedunkelte melangierte Farbton bildet eine ruhige Rahmung für die vielfältige Farbigkeit der umgebenden Fassaden. Die Oberflächen sind gesägt und geflammt. Die Seitenflächen sind gebrochen, sodass ein lebendigeres Fugenbild entsteht.
Für die befestigten Flächen werden die Belastungsklasse BK 1,8 nach RStO 2012 sowie eine ungebundene Bauweise zugrunde gelegt. Sollte eine höhere Belastungsklasse erforderlich werden – oder ein schlechterer Baugrund anzutreffen sein -, so könnte dies durch eine wasserdurchlässige Asphalttragschicht (Drainasphalt) bei gleicher Oberflächen-Optik erreicht werden.

Quartiersplatz | Die neue Quartiersmitte wird durch eine skulpturale Nischenwand im Norden gefasst und durch ein Solardach mittig akzentuiert. In Höhe und Fluchten werden Bezüge zum Kirchenkomplex aufgenommen, mit abstandsbildender Fuge und der zurückhaltenden Materialität Holz jedoch respektvoller Abstand zum Denkmal gewahrt.
Die Nischenbank bietet geschützt einen einladend lebendige Sitz- und Trefflandschaft mit integrierten Bücherschränken und Ausstellungsvitrinen. Hier werden auch die besonderen Bezüge zu der Heimatvertreibung inszeniert – in Erzählbank, Statue, Bildern und ergänzenden Büchern.
Das Solardach bietet wettergeschützten Platzbereich, integriert Bushaltestelle, Trinkbrunnen und leicht zugänglich die erforderliche Markttechnik und produziert zudem den erforderlichen Strom für das mittige Fontänenfeld

Klimakissen | Der steinerne Platz wird durch grüne, von blütenreichen Hochstauden geprägten „Klimakissen“ gefasst. Die eingesenkten Pflanzflächen dienen der Platzentwässerung, weisen erweiterten Retentionsraum für Starkregen aus und beschicken durch belebten Oberboden geklärt die zentrale Zisterne für sommerliche Kühlung, Bewässerung und Wasserspiel.
Mit der dichten Vegetationsschicht der „Hochstaudenkissen“ wird Verdunstungsfläche deutlich gesteigert und so zusammen mit dem zerstäubenden Wasser des Fontänenfeldes sommerliche Kühlung entwickelt.

Vegetationskonzept | Der vorhandene Baumbestand bildet das vegetative Grundkonzept, das durch klimaresiliente Arten ergänzt wird. Grässer bilden die Basis der Hochstaudenkissen, die alternierend durch Blütenstauden ihren jeweiligen individuellen Charakter erhalten. Hainbuchenhecken hinter den Hochstauden schaffen räumlich wirksam dem erforderlichen Distanzbereich für die EG-Nutzer. Rasenflächen werden zu bienengerecht zu blütenreichen Wiesen umgewandelt. Besonderer floraler Reiz bilden die Vielzahl an Rank – und Kletterrosen, die entlang der EG -Fassaden mittels Spaliere aufgespannt einen blühenden Sockel ausbilden.

Ausstattung | Ergänzend zu der prägnanten Nischenbank werden schlichte Bänke aus unbehandeltem Lärchenholz und Fahrradständer aus dunklem Stahl dezentral über den Perimeter hinweg verteilt. In der Karlstrasse findet sich zudem ein bei Starkregen flutbarerer „Wadi-Spielplatz“ mit naturnahmen spiel.

Lichtkonzept | unscheinbar entlang der Platzränder werden dezent dekorative, Leuchten mit gutem Lichtkomfort eingesetzt, um die Verkehrsflächen gut auszuleuchten und dabei blendungsfrei für Passanten und Anwohner zu bleiben. Das Kirchenensemble wird durch dezent konturierendes Beleuchten der umfassenden Mauer und durch ein zurückhaltendes Glimmen der Gasfassade seiner besonderen Rolle im Platz mit einer deutlich wärmeren Lichtfarbe (2200 Kelvin) akzentuiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag zeichnet sich durch einen hohen Anteil an klimawirksamen Grünflächen aus, welcher durch das geschickte Ergänzen von Vegetationsflächen sowie der Vergrößerung von bestehenden, offenen Flächen erzielt wird. Diese sind teilweise als Retentionsflächen ausgebildet und durch partiell versickerungsoffene Belagsflächen wird der Abfluss von Regenwasser in die Mulden verzögert.
Durch insgesamt 22 Neupflanzungen von Bäumen werden insbesondere die Südseite der Friedrichstraße und der Norden des sonst weitgehend freigehaltenen Quartiersplatzes mit Schattenspendern ergänzt. Durch diese Maßnahmen wird das Stadtklima in der Bilanz (insg. 5 Bestandsbäume werden gefällt) positiv beeinflusst.

Als prägende Freiraumelemente auf dem Quartiersplatz wird ein Fontänenfeld vorgeschlagen, welches nachhaltig mit Regenwasser und der Energie aus dem im Osten das Platzes angedachten Solardaches betrieben werden kann. Dadurch erhält der Platz ein verbessertes Mikroklima und eine höhere Aufenthaltsqualität.
Der offene, ansonsten wenig möblierte Platz dient als Plattform für die Feste und das Marktgeschehen, bietet über die Solarüberdachung hinaus im alltäglichen Gebrauch ein nüchternes Erscheinungsbild und nur wenige Verweilmöglichkeiten.
Das Solardach wird äußerst kontrovers diskutiert, da es durch seine prominente Situierung und dem architektonischen Ausdruck stark mit der denkmalgeschützten Kirche konkurriert.
Die sonstigen Blickbeziehung und Sichtachsen bleiben frei, was aus Sicht des Denkmalschutzes positiv zu bewerten
ist.
Der vom Denkmalschutz geforderte GrĂĽnstreifen entlang der Kirchenmauer wird in seiner bestehenden Dimension
erhalten, es werden aber keine darĂĽber hinausgehenden Freiraumangebote an dieser Stelle vorgeschlagen.

Der Anger an der Karlstraße wird punktuell mit Pflanzungen ergänzt, dient aber in weiten Teilen der Aufnahme von Parkplätzen, welche trotz des südlich vorgeschlagenen Spielplatzes keine hohe Aufenthaltsqualität erwarten lassen. Die Erschließung für Fußgänger entlang der Karlstraße wird relativ nahe an den im Erdgeschoss befindlichen Wohnungen vorbeigeführt, was kritisch bewertet wird.
Stellplätze für PKW und Fahrräder können in ausreichender Anzahl nachgewiesen werden.

Die Kirche erhält einen umlaufenden, homogenen Belag aus Naturstein, welcher bis auf die Entwässerungsrinnen keine weitere Zonierung erhält, und an der Südseite der Kirche linear zwischen der östlichen und westlichen Platzsituation vermittelt.
Zusätzliche Baumpflanzungen sind hier nicht vorgesehen, wodurch die Kirche zwar freigestellt ist, allerdings auch ein relativ ungegliederter Freiraum entsteht, dessen Dimension als maßstäblich schwierig bewertet wird. Funktional wird die um die Kirche umlaufende Belagsfläche auch im Bereich der Fahrbahnen höhengleich ausgebaut und nur im Bereich der Bushaltestellen die nötigen Sonderborde vorgesehen, wodurch ein barrierefreies Queren im Sinne eines „Shared Space“ (verkehrsrechtliche Widmung als solches nicht möglich) funktioniert.
Ob die indirekte Verkehrsverlangsamung durch die lineare und wenig attraktive Gestaltung der Bewegungsfläche funktioniert, ist fraglich.

Der Wettbewerbsbeitrag beschreibt vor dem Quartiersmanagement und dem Gebäude von St. Prosper kleine Vorplätze zur Belebung des Quartiers, dies wird positiv bewertet.
Das Regenwasser soll in einer Sickermulde sĂĽdlich der FriedrichstraĂźe erfolgen, ob dieser Retentionsraum ausreichend ist, kann auf Grund der sonst vagen Aussagen zum Regenwassermanagement nicht bewertet werden.

Wegen dem hohen Anteil an Grünflächen und derer geringeren Kosten im Vergleich zu Belagsflächen (Naturstein), sowie auf Grund der spartanischen Freiraumausstattung lässt der Beitrag eine wirtschaftliche Umsetzbarkeit möglich erscheinen. Diese ist jedoch im Vergleich und aufgrund der ausschließlichen Verwendung von Naturstein für sämtliche
Belagsflächen durchaus als hoch einzustufen.

Insgesamt zeichnet sich die Arbeit durch ihre klare städtebauliche Grundkonzeption aus, die Kirche freigestellt auf eine Platzfläche zu setzen. Die Ortsangemessenheit dieses Postulats wird jedoch durchaus auch kritisch in Bezug auf diese rigorose Entwurfshaltung gesehen.