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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2023

Neugestaltung Neue Schlossgärten Illertissen

Terassengarten mit Schlossblick

Terassengarten mit Schlossblick

Engere Wahl

NMM [Nicole M. Meier] LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

PERMANENZ & PALIMPSEST
Der Entwurf für die neuen Schlossgärten in Illertissen gründet auf den Theorien von Permanenz und Palimpsest. Die Schlossanlage mit ihren erhaltenen baulichen Strukturen überdauerte in der Vergangenheit mehrere Nutzungsänderungen, blieb aber als funktionierender Raum erhalten und soll auch weiterhin so bestehen bleiben. Andere Bereiche hingegen erfordern das Lesen von Spuren, um den Ort zu verstehen. Gepaart mit einem subtilen Nachzeichnen dieser sowie einer feinfühligen Überlagerung mit neuen Elementen und Nutzungen ergibt sich ein vielschichtiges Palimpsest, das die Vergangenheit des Ortes respektiert, sich auf Verschwundenes bezieht und gleichzeitig neu interpretiert, um den heutigen Anforderungen an den Ort gerecht zu werden.
Ziel des Entwurfs ist es nicht zu rekonstruieren, sondern geschichtliche Spuren ausfindig zu machen und neu zu interpretieren und im Kontext gegenwärtiger kultureller, sozialer und ökologischer Gegebenheiten das Palimpsest um eine neue Schicht zu ergänzen. Dabei ist die Bewahrung des Genius Loci ebenso entscheidend, wie das heutige Freizeitverhalten sowie ökologische Herausforderungen hinsichtlich Klimawandel und Biodiversität.
Die neuen Schlossgärten als Ruhepol und Ort des Müßiggangs, erlauben, entrückt von unserer schnelllebigen und hektischen Welt, die unmittelbare Erlebbarkeit von Geschichte, Gesellschaft und Natur gleichermaßen.
SPURENLESEN
Wenige Zeitzeugen finden sich als subtile Spuren auf dem Gelände, andere kann man nur mit Hilfe historischer Aufzeichnungen ausfindig machen. Alle gemeinsam stärken sie den Genius Loci und bilden eine neue Grundlage für die Stadtgesellschaft von heute. Ein seit jeher wichtiger Bau-stein für die Beziehung zwischen Stadt und Schloss ist das Entrée am Fuße des Schlossbergs in der Vöhlinstraße, das Passanten und Besucher dazu einlädt, den Schlossberg zu erklimmen. Als Pendant zum inneren Schlosshof wird der ehemalige äußere Schlosshof neu skizziert und bildet zusammen mit dem Belvedere und dem Eingangsbereich zum Schlossgarten das Herzstück der Schlossanlage. Die Relikte der historischen Mauer werden erhalten und die Lücken geschlossen. Der Terrassengarten wird analog zu seiner historischen Bestimmung als unterer Grasgarten extensiv gestaltet und subtil überformt und nutzbar gemacht. Schlossgarten und Belvedere beziehen sich auf die historische Positionierung der Gärten, nehmen Bezug auf deren Epoche und erlauben zugleich eine Neuinterpretation des Raumes.

WEGE & BLICKE
Zwei Loops erlauben die ausgiebige Erkundung des Schlossareals und seiner vielseitigen besonderen Orte. Entlang dieser Loops gibt es zahlreiche Blickbeziehungen zu entdecken, die immer wie-der neue Aspekte erlebbar machen.

BESONDERE ORTE
Der Schlossberg mit dem Vöhlinschloss ist schon aus der Ferne sichtbar und ein besonderes Landmark für die Stadt Illertissen. Innerhalb des Schlossareals setzen wiederum einzelne Orte besondere Akzente mit abwechslungsreichen Atmosphären: das Entrée an der Vöhlinstraße als Auftakt am Hangfuß, der Terrassengarten mit Pomarium und Belvedere, der äußere Schlosshof mit Schlossbalkon und Pergola, der Schlossgarten mit Vidarium, Grotte und Café, sowie die beiden Terrassen des Belvederes mit Blick ins Illertal.

VEGETATION
Die bestehenden Bäume werden weitestgehend erhalten. Raumstrukturen und Blickbezüge wer-den durch gezielte Entnahme oder Ergänzung gestärkt. Sowohl artenreiche Blumenwiesen mit Obstbäumen als auch vielfältige Staudenpflanzungen erhöhen den ökologischen Wert des Areals, dienen als wichtige Bienenweide und bieten interessante Aspekte, die sich im Jahreszeitenverlauf stetig wandeln. Besonders im Schlossgarten spielen Hecken ein wichtige strukturgebende und raumbildende Rolle. An den Mauern des Terrassengartens ranken Kletterpflanzen und die Pergola am äußeren Schlosshof erhält durch die Berankung mit Kletterrosen eine märchenhafte Anmutung.

ENTREE VÖHLINSTRASSE
Ein neuer Platz mit Aufenthaltsqualität, visueller Beziehung zur Stadt und Informationstafel zur Geschichte des Vöhlinschlosses lädt zum Verweilen und zur Erkundung des Schlossberges ein. Durch eine kleine Stufenanlage, die sich mit der bestehenden Topografie verschneidet, entsteht eine ebene Platzfläche. Ein Sitzelement unter einem ortsprägendem Solitärbaum erlaubt es, den Ausblick auf das Schloss zu genießen. Eine Informationstafel erzählt die Geschichte des Vöhlinschlosses und Illertissens. Als Übergang zum Nachbargrundstück wird die Bepflanzung auf dem oberen Geländeniveau erneuert und aufgewertet. Weiterhin wird sichergestellt, dass die Grundstücke auch weiterhin angefahren werden können. Der Weg bis zur Stufenanlage wird im Passé-Pflasters des Platzes weitergeführt. Die Stufenanlage selbst wird saniert. An ihrem oberen Austritt entsteht ein kleiner Ankunftsort mit Sitzbank zum Ausruhen. Gegenüberliegend an der Schlossallee, am Kreuzungspunkt zur Zufahrt Parkplatz, erlauben Fahrradbügel das Abstellen des Fahrrades. Auch hier wird der Besucher über die Geschichte als auch über den Illertissener Bienenlehrpfad informiert, ehe er der aus Passé-Pflaster gebauten Schlossallee in Richtung Terrassengarten und äußerem Schlosshof folgt.

TERRASSENGARTEN & POMARIUM
Historische Karten verweisen an den nördlichen Hängen des Schlossbergs auf den unteren Gras-garten. Heute finden sich in der wild überwucherten Fläche einige malerische Eichen und an der Grenze zum Wildgehege ein ungestörter weitläufiger Blick auf das Schloss und den inneren Schlosshof. Der natürliche Charakter des Ortes soll bewahrt bleiben und trotzdem am steilen Hang Aufenthaltsorte geschaffen werden. Hierzu werden drei Ebenen in den hang geritzt, die über Stufen als auch über einen Wiesenpfad miteinander verbunden sind. Die Mauern in Stampf-beton-Optik erlauben eine Assoziation mit der Geologie der Illerleite, welcher der Schlossberg zugeordnet wird. Teilweise von Kletterpflanzen berankt verleihen sie dem Ort eine wild-romantische Anmutung. Entlang der Mauern, eingebettet in eine artenreiche Blumenwiese und überstanden von Obstbäumen laden Liege- und Sitzmöbel zum Verweilen ein. Die unterste Terrasse weitet sich nach Westen hin zum Belvedere auf, von welchem das Schloss mit seinem vor-gelagerten Wildgehege in seiner Gänze erfasst werden kann. Zwischen Terrassengarten und Schlossallee wird die Fläche über dem Wasserspeicher als Picknickfläche mit zugeordnetem Spielbereich genutzt. Auch von hier gibt es einen Blick auf das Schloss sowie vom Balkon am Pumpenhaus auf die wunderschön gewachsenen Eichen an der nördlichen Grundstücksgrenze.

SCHLOSSGARTEN & VIRIDARIUM
Bewegt man sich entlang der Schlossallee auf dem in ein Passé-Pflaster eingebetteten Band aus großen Granit-Platten auf das Schloss zu, weitet sich im Bereich des Hotels der Raum auf. Auf der Fläche der ehemaligen Pkw-Stellplätze entsteht der Schlossbalkon, der sich als ebene Fläche aus dem Gelände in Richtung Osten herausschält. Auf ihm wird eine Pergola platziert, die mit Kletterrosen berankt nicht nur Aufenthaltsqualität an einer Stelle generiert, die bislang lediglich der Erschließung gewidmet war. Auch bezieht sich seine Platzierung auf die historische Situation und bildet eine räumliche Fassung des wiederentdeckten äußeren Schlosshofes, der mit dem kleinen Café im alten Garagengebäude mit bespielt wird. An seiner westlichen Fassade befindet wird ein großzügiger Zugang zum Schlossgarten hergestellt, indem ein kurzes Stück der Mauer rückgebaut wird. Der Schlossgarten selbst nimmt mit seiner formalen Struktur Bezug auf den ehemaligen barocken Garten, kommuniziert mit seiner Asymmetrie jedoch eine Neuinterpretation. Der Hauptweg führt von der historischen Maueröffnung im Süden auf das Schloss zu und schafft so-mit eine wichtige Verbindung zwischen Garten und Schloss. Die Gartenparterres sind von großzügigen artenreichen Staudenflächen umgebene Rasenflächen, die zur freien Aneignung zur Verfügung stehen und so die Bedürfnisse der heutigen Stadtgesellschaft mit den historischen Raumstrukturen in Berührung bringt. Die beiden südlichen Baumreihen werden „aufgeräumt“ und durch Neupflanzungen komplettiert. Ein Heckenlabyrinth bietet Kindern und Erwachsenen zugleich einen Spielplatz. Am topografisch tiefsten Punkt entsteht mit Grotte und Skulpturen ein Sehnsuchtsort vor der dem Hintergrund der historischen Mauer. Dieser abgesenkte Garten ist nicht zugänglich und nur visuell für den Betrachter erlebbar, der sich entlang der heran- und vorbeiführenden Wege auf Bänken und Sitzstufen niederlassen darf. Im nördlichen Teil des Schlossgartens befindet sich unter den alten Bestandsbäumen die Außenterrasse des Cafés und eine Fläche mit Liegestühlen, von welchen aus man den Blick über die bunten, von Hecken umrahmten Staudenflächen schweifen lassen kann.

BELVEDERE
Das Ensemble von Schlossgarten und äußerem Schlosshof wird ergänzt durch das Belvedere, welches von zwei Ebenen aus den Blick frei gibt auf Illertissen sowie das sich dahinter erstreckende Illertal. Die beiden Terrassenbereiche ergeben sich aus der bestehenden Topografie, welche sich kurz vor der Hangkante leicht absenkt, sowie dem Wunsch einen von Brüstungen ungestörten Weitblick zu erlauben. Der Höhenunterschied wird ausgeglichen durch dazwischen angeordneten Sitzstufen. Das untere Belvedere empfängt die neue von Nordwesten ankommende Treppenverbindung. Diese wird als Stahltreppe gebaut und muss somit nur punktuell mit Fundamenten zwischen den Bestandsbäumen verankert werden. Das obere Belvedere bietet neben dem Blick ins Illertal auch einen weiteren Blick aufs das unmittelbar angrenzende Schloss auf der anderen Seite des Schlossgrabens. Dessen Böschung erlaubt die Integration einer Hangrutsche, die Kindern das Spielen erlaubt während die Eltern sich auf den Bänken und Sitzstufen niederlassen können und untermalt vom Geplätscher der Wasserdüsen den Blick schweifen lassen können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf arbeitet die räumliche Situation klar heraus und nimmt Bezug auf historische Elemente. So sind der Auftakt von der Vöhlinstraße, die Schlossallee, der Terrassengarten, der Schlossgarten und der Aussichtspunkt am Ende des Staffelwegs im Entwurf räumlich gut ablesbar. Alle Bereiche sind nur mit relativ hohem Aufwand zu realisieren und zu unterhalten.

Dies gilt für den mit einer Stufenanlage attraktiv gestalteten Zugang an der Vöhlinstrasse, wie insbesondere auch für die Terrassengärten mit zahlreichen Stützmauern. Die Picknickwiese mit Spielbereich ist hier gut situiert, das Belvedere mit Blick auf das Schloss sehr attraktiv. Die Barrierefreiheit ist nur zum Teil gegeben.

In der Schlossallee ist die Lage der Stellplätze richtig gewählt. Der vordere Schlossplatz ist sowohl räumlich als auch gestalterisch sehr gut gelöst. Insbesondere der höher gelegte Schlossbalkon mit einer berankten Pergola fokussiert einen ungestörten Blick in das Wildgehege. Allerdings wurde hier der Wettbewerbsumgriff nicht eingehalten.

Das Belvedere bildet einen eigenen, vom Schlossvorplatz leider eher abgehängten Bereich. Insbesondere das untere, abgesenkte Tableau schlägt einen schönen Aussichtspunkt vor, der aber nicht barrierefrei erreichbar ist und nur einen Blick in den geschlossenen Baumbestand bietet. Aus denkmalpflegerischer Sicht wird die Rutsche in den Burggraben kritisch gesehen.

Der Zugang zum Schlossgarten ist aus der Achse des Schlosshofs bis zum Ausgang zum Panoramaweg richtig entwickelt. Leider wurde hierfür ein Teil der historischen und denkmalgeschützten Mauer im Anschluss an das ehemalige Garagengebäude abgebrochen und durch ein Tor ersetzt.

Der Schlossgarten selbst wirkt etwas angestrengt in seiner historisierenden und intensiv ausgefüllten Struktur und wäre dadurch auch künftig mit hohem pflegerischen Aufwand verbunden. Die Umnutzung der ehemaligen Garage zu einem Café mit öffentlich zugänglichen Toiletten mit kleiner vorgelagerter Terrasse wird positiv beurteilt.

Der Entwurf bietet neben den räumlich besonders gelungenen Situationen mit dem Belvedere im ehemaligen Grasgarten und dem Schlossvorplatz mit dem Schlossbalkon eine ansonsten unverhältnismäßig aufwendige und kostenträchtige Lösung.
Entrée an der Vöhlinstraße

Entrée an der Vöhlinstraße

Blick auf Belvedere

Blick auf Belvedere

Schlossgarten mit Blick auf Schlossturm

Schlossgarten mit Blick auf Schlossturm

Lageplan

Lageplan

Pikto . Historische Bezüge

Pikto . Historische Bezüge

Pikto . Visuelle Bezüge & Wegeverbindungen

Pikto . Visuelle Bezüge & Wegeverbindungen

Pikto . Besondere Orte

Pikto . Besondere Orte

Pikto . Umgang mit Vegetation

Pikto . Umgang mit Vegetation

Terrassengarten . Plan und Schnitt

Terrassengarten . Plan und Schnitt

Schlossgarten . Schnitt

Schlossgarten . Schnitt

Entrée . Plan

Entrée . Plan

Schlossgarten + Belvedere . Plan und Schnitt

Schlossgarten + Belvedere . Plan und Schnitt