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Mehrfachbeauftragung | 10/2022

Quartiersentwicklung Kepler-Areal in Ludwigsburg

2. Rang

Freivogel Mayer Architekten

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Erläuterungstext

Konzept

Grüner Sockel – Nutzungs- und Erschließungsschwerpunkt auf Bahnhofsseite - Ein kompakter, effizienter Hochpunkt

Mit der Begrenzung auf einen Hochpunkt, einen intensiv begrünten Sockelbereich und der Verortung des Nutzungsschwerpunkt am nördlichen bahnhofszugewandten Quartierszugang entsteht eine robuste und identitätsstiftende städtebauliche Grundfigur. Sie bietet ein hohes Maß an Kompaktheit, eine umfangreiche grüne Infrastruktur, variable Gebäudequerschnitte mit Umnutzungs-Flexibilität und definiert somit bereits im städtebaulichen Maßstab wichtige Nachhaltigkeitskriterien. Modifikationen aufgrund gegenwärtig noch nicht bekannter funktionaler Anforderungen sind im Rahmen der späteren Hochbauplanung problemlos möglich - ohne das städtebauliche Gesamtkonzept zu gefährden.



Baumassenverteilung und Erschließung
Geschlossene jedoch niedriggeschossige Bebauung Richtung Keplerstraße als städtebaulicher Schallschutz und maßstäbliche Reaktion zu kleinteiliger Bestandsbebauung Keplerstraße. Nutzungsschwerpunkt mit Hochhaus und zentralem Zugangsplatz unmittelbar am nördlichen Hauptzugang aus Richtung Bahnhof und Nestle-Areal. Hochhaus-Verschattung vorwiegend auf unbebautes Bahngelände. Neue durchgängige Fuß- und Radwegeverknüpfungen auch in Süd-, Ost- und West-Richtung.



Das Hochhaus und der viergeschossige nördliche Gebäudesockel werden auf der bahnhofszugewandten Seite angeordnet. Der Baumassenschwerpunkt sowie die besonders öffentlichkeitswirksamen Nutzungen befinden sich somit am neuen zentralen Quartierplatz in nächster Nähe zum Bahnhof und zum neuen Entwicklungsgebiet Nestle-Areal. Hierdurch entsteht aus Richtung der Keplerstraße eine maßstäbliche Höhenstaffelung und die Eigenverschattung wird im Vergleich zu einer Anordnung des Hochhauses an der Quartiers-Südseite deutlich reduziert. Das in Richtung Innenstadt freistehende Hochhaus wird für Bahnreisende und vom Stadtzentrum zum neuen Merkzeichen für Ludwigsburg.

Zugleich führen an diesem Verdichtungsschwerpunkt auch alle neuen Wege für Fußgänger und Radfahrer zusammen: Aus westlicher Richtung durch den bestehenden Park, in südlicher Richtung über die Keplerstraße sowie die neue Fuß- und Radwegverbindung über die erweiterte Keplerbrücke Richtung Innenstadt - auch als attraktive Alternativradroute zum Schillerdurchlass. Der zentrale Standort für eine ebenerdige, öffentliche Bike-Sharing-Station wird ebenfalls am zentralen Zugangsplatz vorgeschlagen.

Zur weiteren Stärkung des nördlichen Quartierszugangs wird die Tiefgaragenzufahrt bereits am Ende der Franckstraße angeordnet. Die neue, baumbestandene Zugangsallee entlang der Bahngleise kann somit trotz der hier begrenzten Grundstücksbreite attraktiv und frei von PKW-Verkehr gestaltet werden und befindet sich auf der Überdeckelung der Tiefgaragenzufahrt.



Grüner Sockel
Ein grünes Quartier als neuer Stadteingang entlang Bahn und Straße: Umfangreiche Grüne Infrastruktur durch neuen grünen Saum zwischen Straße und Neubebauung, vom öffentlichen Raum erlebbare Baumpflanzungen auf Sockelbebauung und grüner Quartiersinnenbereich.
Der wertvolle Baumbestand wird komplett erhalten und entlang der Keplerstraße als grüner Saum bis zur Keplerbrücke fortgesetzt. Die Zugangsallee entlang der Bahnanlagen ermöglicht dagegen mit punktuellem Grün Blickbezüge in Richtung und aus Richtung der Innenstadt zur neuen Bebauung. Auf den Dachflächen der 3-4-geschossigen Sockelbebauung wird die intensive Begrünung mit Baumpflanzungen fortgesetzt. Im Unterschied zu vertikalen Fassadenbegrünungen sind die Dachflächen für Pflege und Unterhalt einfacher zugänglich und eine gute Besonnung aller Pflanzbereiche sichergestellt. Sie bieten auf dem straßenabgewandten nördlichen Gebäuderiegel eine attraktive baumbestandene Terrassenfläche für das hier angrenzende Hochhaus und können ein Markenzeichen des neuen Kepler-Areals werden.

Der zentral zugängliche nördliche Gebäudesockel bietet sich für publikumsintensive Nutzungen an, beispielsweise ein Kundenzentrum der Pflugfelder Unternehmensgruppe oder ein Café mit Außenbewirtung. Bereiche für die Kinderbetreuung mit geschütztem Außenspielbereich werden ebenfalls hier in Ebene 0 angeordnet. Für weitere Bereiche in diesem Bauteil wird ein Ärztehaus mit Tagesklink und ein Konferenzzentrum als Business- und Event-Location vorgeschlagen. Für das tiefere südöstliche Gebäudeteil bietet sich die Nutzung als Co-Working-Area mit flexibel nutzbaren Grundrisszuschnitten an.



Hochpunkt
Bündelung in einem Hochhaus unter der 60m-Grenze gewährleistet hohe Kompaktheit und langfristige Umnutzungsflexibilität bei gleichzeitiger Begrenzung. Die baukörperliche Maßstäblichkeit entsteht im städtebaulichen Maßstab durch den zurückgesetzten Sockelbereich, polygonalen Querschnitt und Trauflängen, die mit dem MH-Plus-Hochhaus korrespondieren.

Mit der Bündelung der hochgeschossigen Bebauung in einen Bauteil wird im Vergleich zur Aufteilung in mehrere kleinere Einzelbaukörper der Hüllflächenanteil signifikant minimiert. Dies führt nicht nur zu deutlich niedrigeren Herstellungskosten. Mit der vorgeschlagenen Gebäudehöhe kann die Vertikalerschließung über nur einen Sicherheitstreppenraum erfolgen. Es ergibt sich eine hohe Energieeffizienz im Winter- und Sommerbetrieb und es entstehen gut nutzbare und flexibel anpassbare Grundriss-Querschnitte. Diese langfristige Um-Nutzungsflexibilität ausreichend groß dimensionierter Geschossebenen erhöht aufgrund des bei Hochhäusern überproportionalen Erstinvests die Wirtschaftlichkeit über die gesamte Betriebsdauer.

Zur hohen Nutzungsflexibilität und daraus resultierendem langen Gebäude-Lebenszyklus trägt auch die Bauweise mit nur einem Aussteifungskern und punktgestützten Flachdecken bei. Die vorgeschlagene kompakte Bebauung trägt entscheidend zur ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit des Hochhauses in Erstellung und Betrieb bei.

In den Sockelgeschossen und dem an die Dachterrasse des angrenzenden Bauwerks anschließenden Geschoss werden Räume des Konferenzzentrums vorgeschlagen, darüber die Räumlichkeiten der Pflugfelder-Unternehmensgruppe und in den obersten Ebenen Wohneinheiten. Mit deren Anordnung in den obersten Geschossen wird akustisch und vor allem visuell der größtmögliche Abstand zur Lärmquelle der Keplerstraße hergestellt. Außerdem ergibt sich so eine vertikale Schichtung der Personen-Nutzungsfrequenz und Publikumsintensität von sehr hoher Frequentierung im Sockel, mittlerer Frequentierung in den Mittelgeschossen und geringster Frequenz in den obersten Geschossen. Diese Nutzungsschichtung ermöglicht eine besonders schlanke und somit weniger flächenintensive Auslegung der kostenintensiven Vertikalerschließungselemente Treppe und Aufzuganzahl.

Beurteilung durch das Preisgericht

Arbeit 1 überzeugt mit einem klar strukturierten Ansatz. Aus einem niedrigen Sockel erhebt sich ein einzelner Hochpunkt. Dieser Hochpunkt nahe der Bahn im Nordosten des Plangebietes ist in direkter Nachbarschaft zum Hochhaus von mhplus und abgerückt von der kleinteiligeren Bestandsbebauung entlang der Keplerstraße gut positioniert. Der Gesamtkomplex ist konsequent zum Hauptzugang von Norden Richtung Bahnhof ausgerichtet. Auch die Verteilung der Nutzungen und die Ausbildung der Grundrisse ist schlüssig auf den Kontext abgestimmt. Wohnen ist in den von den Verfassern vorgeschlagenen Bereichen jedoch lärmschutztechnisch nicht oder nur mit erheblichem Aufwand möglich.

Die angedachte übergeordnete Verbindung zwischen Franckstraße und Keplerbrücke wird als Ansatz gewürdigt. Der hierfür vorgeschlagene Fuß- und Radweg entlang der Bahn wird jedoch kontrovers diskutiert, weil er in der momentanen Situation keine übergeordneten Anknüpfungspunkte in die Umgebung aufweist.

Die unterirdische Zufahrt zur Tiefgarage direkt an der Franckstraße befreit den östlichen Teil des Kepler-Dreiecks vom motorisierten Individualverkehr. Allerdings ist diese Lösung im Verhältnis zu den zusätzlich gewonnenen Freiraumqualitäten in der Umsetzung sehr aufwendig und kostenintensiv. In diesem Bereich wird ein überschaubarer Zielverkehr zum Kepler-Areal erwartet. Zudem führt diese Lösung zu einer unattraktiven Zufahrt für Fahrradfahrer zu den ebenfalls in der Tiefgarage untergebrachten Stellplätzen.

Der Hof wirkt insgesamt zu introvertiert und eng. Er sollte stärker zur Adressbildung herangezogen werden. Die Zugänge zum Hof sind sehr schmal. Ein stärkerer Bezug des Innenbereichs zur Zugangsseite von Norden wäre wünschenswert. Trotz der Öffnung des Hofs nach Westen wirkt die Geste des Sockelbereichs zum Park durch die Ausbildung von Stirnseiten nicht einladend.

Die Ableitung der Proportionen des Hochpunkts aus dem städtebaulichen Kontext ist nachvollziehbar. Die Proportion der Grundfläche des Hochpunkts lässt ein wirtschaftliches Flächenverhältnis erwarten. Allerdings erscheint der Turm in seiner stadträumlichen Wirkung aus einzelnen Richtungen etwas wuchtig. Insbesondere die Auskragung in den Innenbereich des Hofes führt zu einer unattraktiven Verengung des Platzangebots in diesem Bereich.

Die Sockelbebauung entlang der Keplerstraße entwickelt Richtung Keplerbrücke keine ausreichende Präsenz. Durch die abfallende Böschung verschwindet sie zu stark im Erdreich. Zudem wird ihre lärmabschirmende Wirkung für den Innenhofbereich damit unnötigerweise geschmälert.