Einladungswettbewerb | 03/2023
Städtebauliche Entwicklung Siedlung Ludwigsfeld München
©PALAIS MAI Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH, grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb
Quartiersplatz
1. Preis
Preisgeld: 60.000 EUR
PALAIS MAI Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH, BDA
Stadtplanung / Städtebau
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb
Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau
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Verfasser:
Erläuterungstext
ORT
Die Siedlung Ludwigsfeld nimmt eine besondere, ja etwas sonderbare Position am Stadtrand Münchens ein. Einer Insel gleich bildet sie, von Feldern und Grünräumen umgeben, direkt in der Nachbarschaft eines großen Industriegebietes, das baumdurchwirkte Zuhause für die heutigen Bewohner.
Nicht als Wohnsiedlung geplant, sondern als isolierte, schwer gesicherte, leicht zu überwachende Ordnung von Baracken, nahe einer Fabrik, für die die Menschen die hier gefangen waren, Zwangsarbeit verrichten mussten. Nicht die Gunst einer landschaftlich eindrucksvollen, durchgrünten Wohnlage führte also zu den ersten Gebäuden des bestehenden Nukleus, sondern die pragmatische Verwahrung von Gefangenen. Und doch erfuhr die Siedlung Ludwigsfeld im Laufe ihrer Geschichte schließlich eine nach und nach vollzogene Umwidmung zu einem Wohngebiet, zur landschaftlich geprägten, geschätzten Siedlung am Rand der Stadt. Typologisch näherte man sich an Siedlungen der 50er Jahre an, die in den Nachkriegsjahren zahlreich als neu Wohnstandorte entwickelt wurden. Aber auch diese Siedlung wurde an den Rändern auf relativ „zupackende“ Weise um eine Schicht von, zum Teil kleinteiliger Wohnhäuser ergänzt.
Die Aufgabe fordert nun eine Perspektive für die weitere Entwicklung der Siedlung, jedoch heute nicht wegen, sondern trotz der Nähe zu den Fabriken und den Straßen der Stadt.
Ein scheinbarer Paradigmenwechsel. Der genannte Pragmatismus in der Fortschreibung der Siedlung liefert dabei aber ein Motiv. Das Entwurfskonzept ergänzt weiter die gewachsene Siedlung und formt neue, städtische Räume, die zusammen mit den bestehenden Siedlungsteilen ein zukunftsfähiges, robustes Zusammen von Anwohnern und den neu Hinzugezogenen, zwischen Park und der offenen Flur ermöglichen.
BESTAND
Zunächst gilt es im bestehenden Siedlungskörper die vorgefundenen Qualitäten zu stützen und zu sichern. Diese sind vor allem die einfachen Typologien der Bestandsgebäude und das stadträumliche Gesamtensemble, dass sich vor allem aus Zusammenspiel dieser Gebäude mit den stattlichen Bäumen ergibt. Gleichzeitig prägt die offene Zeilenbauweise und deren teilweise geschwungene Anordnung eine dynamische Offenheit in der Siedlung. Dieses Gefüge wird durch präzise gesetzte und dimensionierte Ergänzungen eines neuen Typus gestärkt. Kompakte Atrienhäuser und offene Laubenhöfe lassen aber eine, den Bestand ergänzende Wohnungsmischung und abwechslungsreichere Wohnlagen entstehen. Diese Neubauten nehmen auch die, für ein zukunftsorientiertes Bestandsquartier notwendigen sozialen und öffentlichen Nutzungen auf. Zwei neue Kitas sollten im Bestand verortet werden.
Der neu gestaltete, vom Auto Durchgangsverkehr befreite Onyxplatz wird als lokales Zentrum der bestehenden Siedlung erkannt und sanft durch eine kleine Ladeneinheit und eine KITA gestärkt.
Entlang der Karlsfelder Straße bedingen zwei entscheidende Parameter eine nordseitige Arrondierung des Quartiers. Zum einen legt der nicht zu verändernde Verlauf eines bestehenden Kanals eine Art räumlich öffnende Trasse durch Setzung der Gebäude nahe, zum anderen gilt es den bestehenden Baumbestand nicht übermässig zu reduzieren. Ein Ensemble von sich gedreht reihenden, IV-XII geschossige Häuser und räumlich öffnende Passagen sind das Resultat dieser Überlegungen.
Ähnlich einem schützenden Vorhang reihen und raffen sich die Geschosswohnungsbauten entlang der Straße. Die Freiräume entlang dieser Bauteile ergeben neue, grüne Bereiche für die Anwohner. Im Erdgeschoße finden sich nämlich auch hier zu diesen Grünräumen orienteierte Hochparterre Wohnungen. Der Nordwestliche Baustein schafft gleichzeitig einen Abschluss für den Grünraum am Schwabenbächl. Im Osten wird das neue Ensemble um eine Quartiersgarage ergänzt, die bestehende Stellplatzdefizite der Bestandssiedlung ausgleicht und solche für die neuen Baukörper bietet. Sharing Angebote und Fahrradräume sind im Erdgeschoß der so genannten Mobilitätshäuser geplant.
Im Süden und Osten, zur jetzt freien Landschaft hin, finden sich kompakte und doch offene Höfe, die einerseits die definierten Schallschutzziele zur im Süden verlaufenden Autobahn sicherstellen können, aber auch ein alternatives, das Siedlungsmodell des Bestandes ergänzendes hochwertiges O/W orientiertes Angebot des städtischen Wohnens liefert. Überschaubare Quartiersbausteine vermitteln zwischen der freien Landschaft und dem Quartier, öffnen sich zum jeweiligen Nachbarn und definieren räumlich gefasst öffentliche Räume die der Verknüpfung der bestehenden Siedlung und den neuen Strukturen dienen. Ein solcher Stadtraum als Quartiersplatz gestaltet, wird im Norden aus den öffentlichen Bausteinen der Schule, des großen Einzelhandels und ergänzenden Nutzungen wie Kita und Läden geformt. Ein urbanes Maß an Bewegung und eine einfache Erschließung der Nutzungen wird gewährleitet. Der Standort der Grundschule ist entsprechend der Anforderungen an Erschließung, der geforderten Nähe zu den bestehenden Sportflächen, sowie den Potentialen der Schulgebäude als schallschützenden Volumen zum Sportpark gesetzt. Die Freiflächen des Schulstandorte werden wiederum durch das vorgeschlagene Wohnensemble entlang der östlichen Straße vor Verkehrslärm geschützt. Nach Süden wird der Quartiersplatz über eine autofreie Gasse mit einem weiteren, kleineren Platz verbunden, der als Nachbarschaftszentrum den möglichen ÖPNV Haltepunkt birgt und als Bezugsraum der neuen Reihe von Quartiersbausteinen, mit städtischen Nutzungsangeboten wie einem Nachbarschaftstreff bildet. Insgesamt wird im Erdgeschoss überwiegend auf öffentliche und gemeinschaftliche Nutzungen sowie auf wohnungsergänzende Nutzungen und nur in geeigneten Lagen auf Wohnen in Hochparterre gesetzt.
Die beiden beschriebenen öffentlichen Räume dienen auch als stadträumliche Trittsteine entlang der Verbindung der angrenzenden offenen Landschaft, durch das Gefüge der beschriebenen Wohnhöfe zur Gedenkstätte und weiter, quer durch den neuen Park ins Innere des bestehenden Ludwigsfeldes. Die so verbundenen, beschriebenen Bausteine bilden eine Ergänzung zur geforderten wohntypologischen Vielschichtigkeit des Quartiers.
An den prägenden Orten des neuen Quartiers, an der Einfahrt im Südwesten, am Quatiersplatz und am südlichen Ende der inneren Gasse findet sich jeweils ein konturüberragender Hochpunkt, der dem Landschaftlich geprägten, offenen Charakter des Ludwigsfelds entspricht. Dem Wunsch nach Schaffung eines differenzierten Wohnungsangebots für eine ausgewogene Bewohnerstruktur wird damit weiter entsprochen. Diesen Dominanten gegenüber werden die Bauteile im Übergang zum Ringpark also auch vis a vis der Bestandbauten im südlichen Ludwigsfeld als V-geschossige Bauten in ihrer Höhe moderiert.
Der neue Stadtteil zeigt also ein Gefüge aus unterschiedlichen neuen und bestehenden Stadträumen, Maßstäben und Typologien, die die Idee einer Gliederung des Plangebiets in überschaubare Einheiten entsprechen und dem Wunsch nach Entwicklung einzelner Bauabschnitte erfüllen.
Die Wohnhöfe staffeln sich von V über VI geschossigen Gebäudeteilen, auf VIII stöckige Hochpunkte, die stadträumlich Akzente definieren. Die Innenräume der Wohnhöfe verknüpfen sich über versetzt angeordnete Öffnungen zu den Grünen Passagen. Gebäudetiefen und Bauteillängen lassen unterschiedliche Wohnungstypen und Fördermodelle entstehen. Die geschlossene Bauweise sorgt für ein Höchstmaß an schallgeschützten Lagen. Die dem Schall ausgesetzten Flanken der Wohnhöfe sind von durchgesteckten Wohnungen oder einseitig zum Hof gerichteten Wohnungen geprägt. Die Wohnhöfe werden vom öffentlichen Stadtraum aus adressiert.
FREIRAUM
Der Ringpark als Verbindung und Rahmung der Bestandssiedlung, als auch als Anknüpfung an die neuen Quartiere, ist der übergeordnete Entwurfsansatz zur Sicherung, Förderung und Entwicklung der vorhandenen Freiraumqualitäten. Dieser schafft auch die Identität für die neuen städtebaulichen Erweiterungen. Übergeordnete Wegeverbindungen in die umliegenden landschaftlichen Naherholungsgebiete werden an diesen öffentlich Park herangeführt.
Neue fußläufige Verbindungen schaffen eine gute Vernetzung nach innen und Nachbarschaften zwischen bestehendem und neuem Wohnen.
Die Siedlung Ludwigfeld erhält zwei neue öffentlich nutzbare Freiräume im Zentrum, verknüpft mit dem Ringpark. Der Grünraum entlang des Schwabenbächles und der Freiraum an der Gedenkstätte, bilden in Nord-Südrichtung übergeordnete Frischluftbahnen als auch die Klammer und Anknüpfungspunkt für die bestehende Siedlung und die Erweiterung. Diese werden aufgewertet, erlebbar und zugänglich gemacht und in ein am Bestand orientierten Fußwegenetz in Ost-West-Richtung miteinander verbunden. Unterstützend wirken hier auch Hinweise auf die unterschiedlichen Gedenkorte innerhalb des neuen Stadtquartiers. Neue öffentliche Freiflächen werden unter Einbeziehung des Baumbestandes und bestehenden Nutzungsangeboten, erweitert und bilden Trittsteine und Orientierung auch im Bestand. Dieser wird klarer in seiner Trennung von Privat und Öffentlichen Nutzungsmöglichkeiten des Freiraums ausgeformt. Der bestehende Onyxplatz, wird durch die zu erwartende deutliche Reduzierung des Durchgangsverkehrs als Quartiersplatz aufgewertet. Ein neuer Platzraum an der Schule und dem Supermarkt stellt die Verbindung zum öffentlichen Grünzug und der Bestandssiedlung her.
Durch die Erweiterung wird der Charakter der Siedlung mit starkem Freiraumbezug erhalten und auch in der Bilanzierung die quantitativen Forderungen an öffentlicher und privater Freifläche erfüllt.
Die privaten Freiräume erhalten Strauch und Gräsersäume als Schutz der privaten EG-Zone
und zur Verbesserung der Nutzung von gemeinschaftlichen Bereichen. Spiel- und Gemeinschaftsplätze werden punktuell baumschonend und unter Beibehaltung der fließenden Raumzonen, eingefügt. Der quartiersprägende Baumbestand bestimmt auch die Qualität und Atmosphäre der sensiblen neuen Entwicklungsschritte.
Ein Wechsel aus grünen und urbanen Gassen vernetzt, frei von Individualverkehr, das neue Quartier mit ÖPNV-Haltepunkten und Mobilitätszentren. Geschützte Wohnhöfe und intensive Dachnutzungen ergänzen das vielschichtige Freiraumangebot.
Das neue Quartier setzt auf eine zukünftig starke Anbindung an das ÖPNV Netz der Stadt. Dafür wird, zusätzlich zur umlaufenden Straße mit Busverkehr und zahlreichen Haltepunkten im ganzen Quartier, eine Trasse nördlich der Wohnhöfe freigehalten. Zusätzlich bilden die autofreien Gassen und attraktiven Grünräume eine große Motivation, Wege des täglichen Bedarfs mit dem Fahrrad zurück zu legen. Durch das neue Angebot an Schule, KITAS und Nahversorgern minimieren sich zusätzlich die Wege.
Alle geforderten PKW Stellplätze werden zum einen in eingeschossigen Tiefgaragen, die in Teilen unterhalb der Höfe platziert werden, verortet. Zum anderen bilden drei Quartiersgaragen an den verkehrlich entscheidenden Stellen gelegen, Mobility Hubs, die, über das Parken hinaus ein Umsteigen auf Fahrrad und Carsharingangebote liefern und als autonome Einheiten, bei nachlassendem Parkraumbedarf, rückgebaut werden können.
RETTUNGSWEGE
Zufahrten und Flächen für Feuerwehr und Rettungsdienste sind entlang der Straßen vorgesehen. Entsprechende Wechsel in der Wohnungsorientierung oberhalb der Grenzen der Steckleiterrettung, Sicherheitstreppenhäuser bzw. ein zweiter baulicher Rettungsweg ermöglichen es alle Hofräume frei von Rettungswegen und Aufstellflächen zu halten.
Beurteilung durch das Preisgericht
©PALAIS MAI Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH, grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb
Lageplan
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Modell (von Süd-Ost)
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Grünplan