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Ideenwettbewerb | 02/2023

Innenhofgestaltung Petershof in Köln

Perspektive

Perspektive

grün-blau-bunt

Gewinner

LILL + SPARLA Landschaftsarchitekten Partnerschaft mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Competionline
grün-blau-bunt

Der Petershof
Das Projekt Petershof ist ein solidarisches Quartiersprojekt und der Anfang einer sozialen und regionalen Wertschöpfungskette. Im Konzeptverfahren der Stadt Köln hat der Verein Machbarschaft e.V. in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Schaller 2021 den Zuschlag von der Stadt bekommen. Das Konzept sieht eine Kita, eine publikumsbezogene soziokulturelle und gewerbliche Nutzung sowie bezahlbares Wohnen für etwa 40 Personen vor.
2022 wurde ein freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb für den derzeit überwiegend asphaltierten Innenhof durchgeführt. Diesen hat das Büro LILL + SPARLA mit dem Konzept grün-blau-bunt für sich entscheiden. Unser Entwurf aktiviert eine grün-blau-bunte Infrastruktur in einem sanften Übergang vom waldigen Herrenhaus zum offenen Platz, voll von unter- bis ober- (und über-?)irdischen Vernetzungen. Unsere Gestaltung für den Petershof ist ein erster Impuls, ein Baukasten, ein solider Anfang mit offenem Ende. Die entworfenen Flächen erfüllen Funktionen, deuten Nutzungen an und laden zu individuellen Interpretationen und kollektiven Eingriffen ein.

Das Konzept
Für viele freiraumplanerische Bauvorhaben werden Böden zu großen Teilen ausgetauscht und mit wertvollen Ressourcen, wie fruchtbarem Oberboden oder Pflanzsubstraten, ersetzt, um standardisierte Bedingungen für Pflanzen zu schaffen. Aber auch Keramik-, Beton- oder Klinkerbruch eignen sich für Pflanzungen. Damit ergibt sich eine spannende Synergie zwischen Abbruch aus Architektur und Freiraum und neuen strukturreichen Landschaften.

Wir generieren ungewöhnliche Vielfalt in Flora und Fauna, indem wir Strukturen verfügbar machen, die in städtischen Landschaften oft nur temporär auftreten: Schutt aus verschiedenen Materialien, in verschiedenen Körnungen. Mit dem grün-blau-bunt Konzept wird im Petershof ein Pionierprojekt ins Leben gerufen, das einen bisher selten ausgeführten Materialkreislauf implementiert: unbelastetes Bestandsmaterial aus Haus und Hof wird vor Ort als Bruch wiederverwertet, um eine diverse Topographie und damit eine für Biodiversität notwendige Strukturvielfalt zu schaffen. Grün-blau-bunt vereint die sozialen und ökologischen Ziele des Petershofs mit Nist- und Nahrungsangeboten für Tiere und einem gleichzeitig offenen und einladenden Raum für Begegnungen zwischen Bewohner*innen und Besucher*innen.

Unsere Gestaltung schafft eine weiche Zonierung. Ein gepflasterter öffentlicher Bereich erzeugt einen Spielraum für intensive Nutzung: Café, Laden, Werkstatt und Kita. Ein Platz in der Mitte zentriert das Zusammenkommen mit einem Tisch, einer Zisterne und einer Feuerstelle. Ein breiter Weg führt zum Herrenhaus.
In dem Ort dazwischen, zwischen Platz und Herrenhaus, unter Eichen, Kastanien und Linde ergeben sich Nischen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Holzstege leiten zu den Wohnhäusern. Gepflasterte Terrassen liegen an den Eingängen, für gemeinsames Frühstück oder ein Glas Wein am Abend in Gesellschaft aber mit Abstand zu dem geselligen Leben im Hof. Eingepackt von grün liegen verborgen geborgen kleine Austritte aus den Erdgeschoss Wohnungen.
Hier wird der Asphaltbelag nicht entfernt, sondern behutsam aufgebrochen, um Bepflanzung und den Austausch von Luft und Wasser zu ermöglichen: Wir gehen davon aus, dass unter dem Asphalt bereits wertvolle Gemeinschaften vorhanden sind. Diese bestehenden Systeme von Wurzeln, Geröll und Mauerfundamenten und dem sich konstant entwickelnden Mikrobiom in der Erdkruste möchten wir intakt halten und fördern. Mit einem Aufbruch wird eine sanfte Regeneration angestoßen und ein kühlendes Mikroklima unter den Baumkronen ermöglicht. Projekte von dem Pariser Studio Wagon Landscaping und dem Britischen Büro Grassroofcompany stellen unsere Inspiration für diesen Ansatz der Materialwiederverwendung im konkreten Zusammenspiel mit Pflanzplanung dar.

Wie es weitergeht
Eine Auseinandersetzung mit der gezielten Verwendung von unbelasteten Schuttmaterialien in öffentlichen Landschaften ist angesichts der Ressourcenknappheit und Biodiversitätskrise dringend notwendig. Wir möchten ein Verständnis für das funktionale und gestalterische Potential von Abbruchmaterial entwickeln, behördliche Hürden angehen und unsere Erfahrungswerte teilen. In Fachkreisen, aber auch für Privatmenschen. Wir verstehen unser Konzept als eine Einladung für alle, sich weiter aktiv mit der Frage von Materialität und dem Wert von Baustoffen zu beschäftigen.

Mit der Planung stellen wir uns Fragen: Was passiert im (Ab)Bruch? Wie entwickelt sich der Boden, welche Gemeinschaften kommen zusammen? Neben den gewöhnlichen Auseinandersetzungen, sind Neugier und offenbleibende Fragen Teil des Konzeptes und ein wesentlicher Motor der Entwicklung. Die Vision ist die Schaffung einer größtmöglichen ökologischen Vielfalt auf kleinstem Raum unter wirtschaftlich begrenzten Bedingungen.

Mit grün-blau-bunt bieten wir eine neue Landschaft an. Wir bewegen uns auf ein neues Terrain und das ist nur möglich, da auch unsere Auftraggebenden für eine prozesshafte und forschende Gestaltung offen sind. Mit dem konzeptbedingten Aufbruch der befestigten Flächen im baumnahen Kronentraufbereich, ist der Grundstein für die Entwicklung gelegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Überzeugt hat uns im Konzept von Lill + Sparla der Fokus auf und die Verbindung von Biodiversität, Recycling, Wasserkreislauf und Mikroklima im Entwurf von Lill+Sparla. So beispielsweise die Wiederverwendung („Downcycling“) von Bestandsmaterialien (wie Pflaster, Klinker, Keramik) als vielfältige Bodenstruktur für bereits vorhandene und explorativ anzusiedelnde Flora & Fauna.
Positiv fiel auch die nutzungsoffene Fläche vor dem öffentlichen Teil des Hofes ins Gewicht, die eine direkte Verbindung und ein Zusammenkommen zwischen allen Hofteilen und Nutzungen ermöglicht. Auch einen fließenden Übergang von öffentlichem zu tendenziell privatem Raum sehen wir im Entwurf durch das Anlegen von Sitznischen und Elementen des Urban Gardening im Bereich vor der Bestandsmauer gelungen umgesetzt. So entsteht gleichzeitig eine Kontaktzone zwischen Bewohnerinnen und Besucherinnen des Hofes und ein Rückzugsraum für Erstere. Diese besondere Herausforderung – die Verbindung von öffentlichem und privatem Raum – wurde in diesem Konzept mitgedacht und überzeugend umgesetzt.
Die Begeisterung, Kreativität und Experimentierfreude im Entwurf von Lill & Sparla wie auch in der Darstellung waren für uns sehr greifbar und lassen uns vorfreudig auf die kommende Zusammenarbeit – in mehreren Etappen – blicken.
Technische Schnittzeichnung

Technische Schnittzeichnung

Lageplan

Lageplan

Dachaufsicht

Dachaufsicht