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Mehrfachbeauftragung | 03/2023

Wohnquartier Arthurstraße Seniorenzentrum in Stuttgart-Rohr

1. Rang

Bilger Fellmeth Architekten

Architektur

BIERBAUM. AICHELE. landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Der Quartiersentwurf fügt eine familiäre Gruppe von Solitären in die bewegte Topografie des Roherer Parks ein. Das Ensemble möchte sich dabei sowohl als lesbare Einheit von formal verwandten und aufeinander bezogenen Bauten darstellen, gleichzeitig die Kleinteiligkeit von lose angeordneten Punkthäusern im Sinne der Umgebung ausspielen. Die 2-Teilung des Grundstückes kann durch die geometrische Ähnlichkeit der Ensembles (Pflegehaus und Wohnbauten) überwunden werden, es entsteht auch bildlich ein Quartier, das alle Bewohner mit Ihren spezifischen Bedürfnissen integriert.
Sowohl zum Park als auch zur Artikulierung der stadtseitigen Adresse an der Arthurstrasse ordnen sich die Gebäude in leicht zueinander verkippten Positionen in das bewegte Gelände ein. Die Anlage reagiert somit gestisch auf die prägenden Bedingungen der Umgebung und definiert im gleichen Zuge einen spezifischen Binnenraum. Dieser ist ein gefasster Platzbereich, eine gemeinschaftliche Mitte mit Bezügen zum öffentlichen Teil des Pflegehauses und einer „Quartiersterrasse“ mit Blick in die Parklandschaft.
Die Geometrien der Gebäude, ihre rationalen Strukturen stehen in grafischem Kontrast zur bewegten Natur, den fließenden Höhenlinien und umliegenden Vegetationen. Hieraus entsteht das Bild von kräftigen und gestalterisch eindeutigen Kubaturen, die sich in der Summe zu einem lesbaren Quartier fügen, das sich sowohl zur Stadt als auch zur Landschaft öffnet.
Zur Arthurstraße zeigt sich das Quartier als eine Bebauung, die zunächst hinter dem Saum des bestehenden Grüns aufragt und erst durch ein definiertes Entree als Adresse inszeniert wird. Neben der erforderlichen Zone für Andienung und die TG-Zufahrt werden zwei attraktive fußläufige Zugänge für Bewohner und Besucher geschaffen. Ein barrierefreier Wohnweg von Norden, sowie eine Treppenanlage in Verlängerung des Festwaldstraße führen zum zentralen Quartiersplatz, von dem aus alle Hausadressen gut auffindbar sind.






Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Grundidee, fünf kubische Bauvolumen aus der Orthogonalität herausgedreht in die Topografie einzustreuen, kann sowohl in ihrer maßstäblichen Körnung als auch in ihrer präzisen Höhensetzung umfassend überzeugen.

Das leichte Überschreiten der Baugrenze in die Pflanzstreifen, die dem Herausdrehen der Baukörper geschuldet sind, werden als im verträglichen Maß bewertet.

Zwischen den beiden ineinander verschnittenen, um je einen inneren Lichthof organisierten Pflegehäusern und den drei solitären Wohnpunkten wird eine zentrale Quartiersmitte aufgespannt, die sowohl barrierefrei von der Arthurstraße aus erreichbar ist als auch über die thematisch ausgearbeitete Idee der „Stäffele“ eine gute Verbindung von der Arthurstraße über den Quartiersplatz zum Rohrer Park schafft. Sowohl die Höhenlage das Platzes als auch der direkte, nicht verstellte Blickbezug zur Arthurstraße lässt eine gute Anbindung der Neubauten zum bestehenden Wohnquartier erwarten.

Der „öffentlichere“ Quartiersplatz, an dem sinnfällig auch der Multifunktionsbereich der Pflege liegt, kann aufgrund der nicht vollflächigen Unterbauung mit der Tiefgarage auch mit großkronigen Schattenspendern bepflanzt werden. Eine Gemeinschaftsterrasse, die den Wohnhäusern und deren Gemeinschaftsraum zugeordnet ist, wird zum attraktiven Aussichtsbalkon.

Die leichte Verdrehung der Häuser zueinander bildet im städtebaulichen Rahmen äußerst differenzierte Freiräume. Gebäude und Außenräume treten in einen spannenden Dialog. Es entstehen räumliche Bezüge, die sowohl im Verlauf der Kaltluftschneise als Wege, Treppen und kleine Plateaus als auch zur umgebenden Bebauung attraktive Raum- und Blickbezüge anbieten.

Die fußläufige Erschließung wird folgerichtig aus der Mitte des Quartiers heraus vorgeschlagen, wobei eine separate Erschließung von Pflegeheim und pflegenahem Wohnen funktional notwendig wäre. Der Zugang zur Pflege näher an der Arthurstraße könnte die Zuwegung etwas verkürzen.

Die Tiefgaragenzufahrt an der Nordseite des Grundstücks in Verbindung mit einer ins Gebäude integrierten Ver- und Entsorgungstasche liegt funktional richtig, der Nachweis von ausreichender Dimension der Anlieferung wäre noch zu überprüfen. Der nördliche Anbau der Tiefgaragenzufahrt überzeugt baukörperlich nicht. Seine erdgeschossige Dachfläche könnte jedoch noch die Funktion eines beschützten Gartens, der bisher vermisst wird, erfüllen.

Die Aufteilung von pflegenahem Wohnen im Erd- und Dachgeschoss und der Anordnung je zweier Wohngruppen auf den Geschossen dazwischen kann nachvollzogen werden.

Die Anordnung der Wohngruppen um ein inneres Atrium schafft gut belichtete Flurzonen, vergrößert jedoch auch den Anteil der Verkehrsflächen zu erhöhten Werten. Die Pflegezimmer selbst liegen in ihrer Dimension allerdings knapp unter den gewünschten Raumgrößen. Auch wenn die Back-to-Back-Anordnung der Gemeinschaftsräume und Küchen der Pflegegruppen räumlich ansprechend ist, ist deren Abtrennung im Sinne der HeimbauVO notwendig. Die Ausrichtung der Gemeinschaftsterrasse in der Fuge der beiden Gebäudeteile ist denkbar, eine stärkere Orientierung der Terrassen nach Osten könnte bezüglich Belichtung und Blick spannender ausgebildet werden.

Die Ausbildung eines Dachgartens mit unterschiedlichen Nutzungsangeboten ergänzend zu den pflegenahen Wohnbereichen stellt ein gutes, zusätzliches Freiraumangebot dar.

Die Wohnbauten für Servicewohnen und Betreutes Wohnen werden als klar geschnittene, kompakte Solitäre als bauliches Ensemble arrangiert, wobei die geforderte Wohnfläche jedoch deutlich unterschritten wird. Das Beurteilungsgremium sieht hier die Möglichkeit z. B. durch Reduzierung der übergroßen Geschosshöhen und Ergänzung eines Geschosses bei einem der Baukörper dieses Manko wenigstens teilweise zu kompensieren. Dies erscheint im Hinblick auf den Entwurf mit seinem geringen Fußabdruck im Grünraum mit geringer Versiegelung durchaus vertretbar und bedarf der Prüfung.

Die größtenteils zweiseitig orientierten Wohnungsgrundrisse sind gut organisiert. Die eingeschnittenen Loggien sind ruhig in die Gebäudevolumen integriert.

Die Anmutung der Neubauten als in Gestalt ähnlicher, aber in Materialität und farblicher Gestaltung differenzierter Baukörper wird gewürdigt. Das Spiel von hochstehenden, geschlossenen und verglasten Fassadenelementen erzielt einen angemessenen Fassadenausdruck. Allerdings wird der Vorschlag von z.T. unökologischen und ins Banale abrutschen Materialien (WDVS mit Kunststofffenstern) absolut kritisch bewertet. Auch werden weitergehende ernsthafte Aussagen zu glaubhaften nachhaltigen und ökologischen Ansprüchen und Zielen vermisst.

Bezüglich der Kennwerte liegt die Arbeit in der Gesamtbilanz im durchschnittlichen Bereich, die etwas erhöht angebotenen Raumhöhen führen zu einem etwas größeren BRI und bieten im Raumvolumen noch Einsparpotential.

Insgesamt stellt die Arbeit aufgrund ihrer herausragenden städtebaulichen und freiräumlichen Qualität einen sehr guten Beitrag zur gestellten Aufgabe dar, die bezüglich ihrer inneren Funktionalität und zukunftsfähigen Bauweise in Teilen noch einer deutlichen Verbesserung bedarf.