modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 04/2023

Ersatzneubau Neue Gertraudenbrücke Berlin Mitte

Perspektive von Osten (stromabwärts)

Perspektive von Osten (stromabwärts)

1. Preis

Preisgeld: 64.500 EUR

schlaich bergermann partner - sbp SE

Tragwerksplanung

Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG

Verkehrsplanung

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

Enguita & Lasso de la Vega

Architektur

Erläuterungstext

Durch einen elegant-zurückhaltenden Brückenneubau entstehen neue grüne Stadträume am Spittelmarkt als Gelenk zwischen historischer Mitte und dem Städtebau der DDR-Moderne.

Die prämierte Lösung wurde gemeinsam mit schlaich bergermann partner, Berlin, OBERMEYER Infrastruktur GmbH & Co. aus Dresden sowie ENGUITA & LASSO DE LA VEGA aus Madrid erarbeitet. Der vorgeschlagene Ersatzneubau für die 1978 errichtete Brücke nimmt die Brückenmaße von 35 auf 24 Meter Länge zurück. Die Widerlager fallen so mit der Uferböschung des Spreekanals zusammen. Damit befreit der Entwurf den angrenzenden Bereich von Böschungen, Treppen, Rampen und Unterführungen, die die Niveauunterschiede des bisherigen Brückenbauwerks ausgleichen mussten. Es entsteht ein komplett neuer, barrierefreier Stadtraum mit Gartenplätzen am Wasser zwischen Leipziger Straße, Fischerinsel und der historischen Gertraudenbrücke, der diesen hybriden Raum somit überhaupt erst definiert.

Mitarbeitende: Katja Schneider

Beurteilung durch das Preisgericht

Gesamtkonzept:
Die Aufgabenstellung zielt darauf, mit dem Brückenneubau auch die Freiflächen und Verkehrsanlagen am Spittelmarkt klima- und verkehrswendetauglich umzugestalten. Die Verfasser präsentieren dazu auf schlüssige Weise die These, dass dies nur durch eine Wiederherstellung einer Topographie ohne zerschneidende Rampen und beengte Unterführungen gelingen kann. Sie schlagen deshalb die Wiederherstellung höher gelegter Uferwege, die Anpassung der Freiflächen an deren Niveau und die Verschiebung der Tramhaltestelle zum Ufer hin vor. Verloren gingen dabei zwar die Möglichkeiten, die neue Brücke ohne Beachtung einer Lichtsignalanlage zu queren und sich sehr nah am Wasserspiegel aufzuhalten. Sehr hoch sind dagegen die Vorteile der Niveauangleichung aus der Sicht des Städtebaus, der Denkmalpflege, des Öffentlichen Nahverkehrs sowie der Barrierefreiheit und der subjektiven Sicherheit.

Durch niveaugleiche Uferwege, verbunden mit einer Querungsmöglichkeit über die Straße an der Haltestelle, wird die stadträumliche Orientierbarkeit stark verbessert. Umsteigewege zwischen Tram und U-Bahn werden zugleich verkürzt. Alle Rampensituationen für den Fuß- und Radverkehr entfallen. So ermöglicht der Beitrag als einziger eine vollständige Barrierefreiheit im Planungsbereich. Wiederhergestellte Ufermauern nehmen den neuen Brücken die unangemessene Dominanz, die alle mit langen Rampen und einer Unterführung versehenen Brücke gegenüber der historischen Brücke haben. Die denkmalgeschützte Brücke wird zugleich wieder in ganzer Breite an das Uferniveau angebunden und verliert die ungünstige balkonartige Wirkung nach Süden, die heute besteht. Überzeugen kann auch der Vorschlag, die Platzflächen weitgehend durch Baumdächer an den Klimawandel anzupassen. Der Vorschlag, viele Pflanzinseln auszubilden, ergibt ein plausibles Maß an Entsiegelung, erscheint aber formal etwas unruhig. Eingriffe in vorhandene Vegetation bei einer Anhebung von Freiraumbereichen erscheinen vertretbar, weil ohnehin durch Baustelleneinrichtungen zeitweise Vegetationsverluste erforderlich sein werden.

Die Radwegführung wird plausibel zunächst über die Gertraudenbrücke und langfristig über die neue Brücke vorgeschlagen. Der Materialeinsatz auf der denkmalgeschützten Brücke erscheint optimierungsbedürftig.

Die Gesamtlösung für den Freiraum ermöglicht einen Befreiungsschlag, der wesentliche Defizite, die beim autogerechten Ausbau des Spittelmarktes entstanden sind, behebt und nicht nur dekorativ überspielt. In diesem Kontext erscheint die zurückhaltende Gestaltung der Brücke sehr schlüssig.

So kann sie sich typologisch stark der „Brückenfamilie“ annähern, die an der West- und Südseite der Spreeinsel den Kupfergraben überspannt. Diese Wirkung wird durch einen Lichtschlitz in der Brückenmitte unterstützt, der zudem auf dem Wasserniveau die Verschattungszone reduziert.

Brückenbauwerk:
Es handelt sich um ein Rahmentragwerk mit Spannbetonüberbau und Stahlbetonwiderlagern in minimal möglicher Stützweite, was statisch und wirtschaftlich günstig ist, da es eine schlanke Überbaukonstruktion ermöglicht und den geringsten Materialverbrauch darstellt.

Der Überbau besteht aus einzelnen Spannbetonträgern mit Plattenbalkenquerschnitt und horizontal gevouteten Stegen sowie einer Ortbetonergänzung als Fahrbahnplatte. Die Spannbetonträger können im Bauzustand als Fertigteile eingehoben werden, was eine Verkürzung der Bauzeit ohne Traggerüst bedeutet.

Die Stege, die zur Mitte hin schmaler werden, vermitteln durch die leichte Krümmung optisch einen eleganten Schwung.
Die Überbauhöhe ist konstant. Durch die Einbindung des in der Ansichtsfläche schmal wirkenden Überbaus in die Widerlagerwände, die eine Fortführung der Uferwände darstellen, erscheint die Konstruktion wie eine schlanke, dezente Platte, welche sich gegenüber der alten Gertraudenbrücke stark zurücknimmt, ohne langweilig auszusehen.

Dass die Widerlagerwände sich als Teil der Uferwände abbilden, kann natürlich nur durch den recht aufwendigen Umbau des Uferwegs entstehen. Das Bauwerk soll auf Bohrpfahlwänden gegründet werden unter einer relativ schlanken Widerlagerwand. Dadurch wird die Konstruktion eines massiven Kastenwiderlagers vermieden.

Vorteilhaft am Überbauquerschnitt ist auch, dass diese in Projektphase 1 und 2 ohne Umbaumaßnahmen genutzt werden kann. Nachteilig ist zu sehen, dass zwischen den Spannbetonbalkenstegen aktuell zu wenig Platz für Leitungsführungen besteht. Hier ist die Stegbreite vor dem Widerlager noch anzupassen. Die Natursteinverblendung vor den Widerlagern wird aufgrund der fehlenden Prüfbarkeit der Stahlbetonkonstruktion als kritisch angesehen.

Insgesamt kann die Brückenkonstruktion als gelungen gelten, da sie durch die Schlankheit optisch ansprechend ist und durch ihre Schlichtheit angemessen reduziert wirkt, um auch die alte Gertraudenbrücke zur Geltung kommen zu lassen.
Vogelperspektive Gartenplätze

Vogelperspektive Gartenplätze

Lageplan M 1:500

Lageplan M 1:500

Stadträumlicher Kontext

Stadträumlicher Kontext

Schnitt West-Ost

Schnitt West-Ost

Schnitt Süd-Nord

Schnitt Süd-Nord