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Award / Auszeichnung | 03/2023

Aus­zeich­nung Vor­bild­licher Bauten im Land Hessen 2023

Turm mit Boulderwand

Turm mit Boulderwand

Sport- und Bildungscampus Bürstadt

DE-68642 Bürstadt, Nibelungenstraße 199

Auszeichnung im Bereich sozialer Infrastrukturen

prosa Architektur + Stadtplanung | Quasten Rauh PartGmbB

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Sport und Freizeit

  • Projektgröße:

    1.020m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 07/2019
    Fertigstellung: 07/2023

Projektbeschreibung

Grundlagen
Das Bildungszentrum fügt sich eingeschossig in den Freiraum des neuen Gesamtsportareals ein. Einzig der Aussichtsturm auf das Dach gesetzt, wird als Landmark zum Orientierungspunkt für das gesamte, weitläufige Gelände.
Das Sport- und Bildungsgebäude Bürstadt hat eine vielfältiges Raumprogramm. Es soll Versammlungsort, Aufenthaltsbereich und Rückzugsort für die NutzerInnen sein. Barrieren werden vermieden, die Positionierung und Durchdringungen im Gebäude ermöglichen eine Durchwegung gleichberechtigt für alle Sportstätten und Nutzergruppen. Das Gebäude ist zu allen Richtungen geöffnet: egal von welcher Seite man sich nähert ist ein Zugang möglich.
Der markante Turmbereich lässt einen hohen Turnraum im Erdgeschoss zu und ermöglicht den Überblick über alle Sportflächen.

Energie und Nachhaltigkeit
Das Gebäude ist nach einem anspruchsvollen energetischen Konzept entwickelt und damit in Erstellung und Betrieb langfristig komplett klimaneutral.
Die Bodenplatte ist aus recyceltem Beton hergestellt, um den Einsatz von zementgebundenen Baustoffen und damit die CO2-Emission zu reduzieren. Alle tragenden und aussteifenden Teile sind aus Brettsperrholz gefertigt. Vor den Aussenwänden ist eine hinterlüftete, unbehandelte Holzschindelfassade mit Einblasdämmung aus recyceltem Altpapier ausgeführt.
Die Schindeln sind langlebig und wartungsarm, ihre Kleinteiligkeit lässt auf lange Sicht zu, auch einzelne Schindeln bei Bedarf auszutauschen ohne die vollständige Fassade zu sanieren. So wird das Gebäude mit der Zeit in Würde altern können.
Die Bauteile sind größtenteils ohne Klebe- und Verbundmittel montiert, so dass eine reversible Konstruktion entstanden ist, die in der ferneren Zukunft als gut nutzbares Rohstofflager verfügbar ist.
Im Innern, ohne Anforderung an Dämmung oder Wetterschutz, verläuft zentral eine massive Stampflehmwand. Sie trennt den Flur- von den Nutzungsbereichen. Sie wirkt als thermischer Klimapuffer um Temperaturspitzen zu minimieren. Temporäre Überhitzung und Auskühlung durch nicht optimales Nutzerverhalten kann so ohne den Einsatz von Technik verhindert werden.
Große Photovoltaikflächen auf dem intensiv begrünten und nutzbaren Dach bieten Verschattung und erzeugen regenerative Energie zum Betrieb.

Passive Methoden
Das Gebäude reduziert durch geschickten Einsatz baulicher Mittel die Notwendigkeit aufwändiger technischer Anlagen. Im Sommer macht das Gebäude durch seine Struktur aktive Kühltechnik unnötig. Alle großen Glasflächen liegen zurückgesetzt unterhalb einer großen Auskragung des Daches. Die Fassade wird so bei steil stehender Sommersonne optimal verschattet. Insgesamt vier Zugänge, die sich gegenüberliegen ermöglichen sehr effiziente Querlüftung mit der optimal positionierten Lehmwand. Im Winter dient diese als Wärmespeicher. Die hohe thermische Speicherkapazität des Lehms ermöglicht Wärme im Gebäude zu halten, auch wenn - bei hoher Nutzerfrequenz - die ein oder andere Tür unbeabsichtigt lang offen steht.

Vernetzung
Über das eigentliche Gebäude hinaus wurde das Areal langfristig vernetzt um heute schon Synergien für morgen zu ermöglichen. Alle neuen und auch Bestands-Gebäude werden an ein kalten Nahwärmenetz angeschlossen. Dieses wird von einer Grundwasserwärmepumpe gespeist. In den nächsten Jahren werden immer mehr Gebäude immer effizienter an die Nahwärmeversorgung komplett regenerativ angeschlossen werden können. Der Gesamtcampus ist damit auf eine vollständige Klimaneutralität ausgelegt.



Beurteilung durch das Preisgericht

Im gelungenen Zusammenspiel zwischen Bauherr*in, Nutzer*innen und Planer*innen können unerwartet große Synergien freigesetzt werden, aus denen etwas Besonderes entsteht. Dabei bedarf es oft nicht der großen Idee eines Einzelnen, sondern des scheinbar naheliegenden, wechselseitigen Zuspiels der Bälle wie in einem Team, das ein laufendes Projekt mit einer konsequenten Umsetzung zum großen Ziel vorantreibt.

Der Sport- und Bildungs­campus Bürstadt kann insofern neben dem ar­chi­tek­to­nischen Projekt als solches auch für seinen gesamten Entstehungsprozess Vorbild für zukünftige Projekte sein.

Auf dem ehemaligen Gelände einer eingezäunten und nur für Vereine zugänglichen Großsportanlage ist ein neuer Treffpunkt für die Gemeinschaft entstanden. Die Einrichtung für Sport und Bildung verbindet die angrenzenden Wohnsiedlungen nachbarschaftlich und wertet den Ort insgesamt wesentlich auf, in dem auf verschiedensten Ebenen neue Wege des Lernens und des Zusammenseins angeboten werden. In einem beispielhaft partizipativ angelegten Prozess mit der Bürgermeisterin wurden unter Einbeziehung von Vereinen, Jugendlichen, Lehrer*innen und Senior*innen die Bedarfe und Bedürfnisse aller herausgearbeitet. So waren neben der rein auf Sport ausgerichteten Nutzung auch andere soziale und gemeinschaftliche Funktionen, wie Räume für Jugendtreffs, zur Nachmittagsbetreuung, für Sprachkurse und vieles mehr unterzubringen. Durch die Verortung der unter­schiedlichen Nutzungen gelingt die gesunde Belebung des Areals wie von selbst und eine soziale Kontrolle und ge­mein­schaft­liches Ver­ant­wor­tungsbewusstsein machen Umzäunungen und Öffnungszeiten obsolet.

Mit prosa Ar­chi­tek­tur + Stadt­planung wurde ein Büro mit der Planung beauftragt, um die vorangegangene Analyse mit einem engen Budget in eine qualitativ ansprechende Ar­chi­tek­tur zu formen. Der Erhalt der in die Jahre gekommenen Tribüne wurde verantwortungsvoll untersucht, ließ sich aber wegen der eingebauten ökologisch bedenklichen Materialien nicht umsetzen. Hieraus wurden die richtigen Schlüsse gezogen und beim Neubau des Bildungszentrums sowohl bei der Wahl der Materialien als auch bei der Ent­wick­lung und Umsetzung der Details darauf geachtet, die Reparierbarkeit, Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit der Baustoffe sicherzustellen.

Mit dem durchdachten Entwurf werden alle konstruktiven und funktionalen Anforderungen gestalterisch unaufdringlich und dennoch spielerisch gelöst. Besonders ins Auge stechen hierbei die Innenwände aus Stampflehm, die das Raumklima ohne technischen Aufwand regulieren.

So ist ein in allen Belangen nach­haltiges Gebäude entstanden, das mit Hilfe von Photovoltaik zur Energieautarkie des gesamten Sport- und Bildungs­campus beiträgt.
Holz und Lehm

Holz und Lehm

Zugang zum Seminarbereich vom Sportplatz

Zugang zum Seminarbereich vom Sportplatz

Flur mit Stampflehmwand

Flur mit Stampflehmwand

aktive und passive Methoden

aktive und passive Methoden

Materialkonzept

Materialkonzept

kurz vor Fertigstellung

kurz vor Fertigstellung

Schindelfassade

Schindelfassade

Treppe auf die offene Dachlandschaft

Treppe auf die offene Dachlandschaft

Sitzstufen zum Sportplatz

Sitzstufen zum Sportplatz

Baustelle

Baustelle