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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2023

Quartiersentwicklung Stapfel in Balingen

1. Preis

Preisgeld: 29.500 EUR

WICK + PARTNER ARCHITEKTEN STADTPLANER PARTNERSCHAFT mbB

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Schuler und Winz Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Herausforderung
Dem städtebaulichen Paradox, einerseits die Flächenversiegelung durch Aufgabe der Außenent-wicklung reduzieren zu wollen, jedoch angesichts der enormen Wohnbauflächennachfrage diese durch Innenentwicklung nicht ausreichend realisieren zu können, müssen neue Leitzeile einer Gebietsentwicklung am suburbanen Siedlungsrand folgen. Durchgrünung und Vernetzung unver-siegelter Flächen als klimaaktive Komponenten stehen im Dialog mit angemessen dicht genutzten Baufeldern. Flexible Strukturen, multicodierte Flächen und typologische Durchmischung fördern urbane Qualitäten einer langfristig nachhaltigen Entwicklung.
Das städtebauliche Konzept orientiert sich am Charakter des vorgefundenen Orts – Stadt- und naturräumliche (Sicht-)Beziehungen – unterschiedliche Lagesituationen der Topografie – Erhalt und Integration bestehender Gehölzstrukturen – Vernetzung über bestehendes Wegekreuz – Identitätsstiftende Freiflächen.

Leitgedanke
Die Grundstruktur definiert sich aus kompakt besetzten Baufeldern und großzügigen Freiräumen. Leitgedanke des Entwurfs ist dabei die Gliederung des Plangebiets in Teilquartiere, die sich ei-nerseits aus der Berücksichtigung und Integration der Ort prägenden und Orientierung gebenden linearen Feldgehölze ergibt und darüber hinaus durch einen grünen Keil als gemeinschaftliche und verbindende Mitte gestärkt wird.
Die Siedlungsstruktur öffnet sich über ihre Freiräume, um den optischen, räumlichen und funktio-nalen Bezug von der Kuppenlage einerseits nach Nordosten zur Ortslage Heselwangen und dem Quartierszentrum Neige herzustellen. In der Blickachse entlang der Straße ‘Lauhwasen‘ bleibt die Burg Hohenzollern panoramaprägend im Focus. Der ost-west-verlaufende Grünkeil verbindet an-dererseits mit einem sanften Übergang in die Streuobstwiesen und öffnet den Blick zur Stadtsil-houette Balingens.

Bauliche Grundstruktur
Ein Quartier mit differenzierten Nachbarschaften: die Nachbarschaften setzen sich aus unter-schiedlichen Wohnbautypologien zusammen und bilden so ein vielfältiges Angebot für unter-schiedliche Lebens- und Wohnbedürfnisse in einem abwechslungsreichen Wohnumfeld ab. Ange-lehnt an dörfliche Hofstrukturen gruppieren sich die individuellen Gebäude um eine gemeinschaft-lich-nachbarschaftliche Mitte.
Reihen-, Ketten- und freistehende Häuser bilden je Nachbarschaftshof ein Cluster, in dem die-nende Quartiersinfrastruktur wie Parkierung, Energieversorgung und Regenwasserzisterne ge-meinsam und damit flächen- und ressourcenschonend genutzt werden. Diese Funktionen über-nimmt jeweils das sogenannte “Huckepackhaus T1“ im Sinne eines “NeighbourHUB“. Die freiste-henden Einzelhäuser entwickeln sich flächensparend auf kleiner Grundfläche dreigeschossig. Als Einwohnungshaus, mit zwei Wohnungen als Generationenhaus oder mit drei kleinen Wohneinhei-ten als Baugruppe sind flexible Wohnkonstellationen in diesem “JoJoHaus“ möglich. Damit soll dem “Lebenslauf der Einfamilienhausgebiet“ mit Generationenblase und Überalterung durch Viel-falt und Mischung entgegengewirkt werden.
Das Thema Nachbarschaft und Hof wird je nach räumlicher und topografischer Lage im Plange-biet mit differenzierten Gebäudesetzungen und -typologien variiert.
• Im nahezu ebenen östlichen Gebietsbereich erstrecken sich die Nachbarschaftscluster nördlich und südlich des Gehölzstreifens entlang der neuen Erschließungsstraße, an die jeweils die NeighbourHUBs mit Parkierung orientiert sind.
• Parallel zum Gehölzstreifen an der Hangkante zum Etzelbach bilden vier Nachbarschaftshöfe unterschiedlicher Bautypologien das südliche Baufeld.
• Am nördlichen Baufeld zur Hirschbergstraße staffeln sich Ketten- und freistehende Häuser jeweils entlang eines langestreckten Hofs, der zum Grünkeil mit Punkthäusern gefasst und zum Weg entlang der Hirschbergstraße in Retentionsflächen übergeht.

Aus der Sicht des Wohnens soll ein ländlich geprägtes, lebendiges Wohnquartier entstehen. Er-gänzende Nutzungsbausteine wie Kita und Gemeinschaftliches Wohnen oder alternativ das Pfle-geheim mit kleiner Versorgungseinheit im EG sind am Quartiersplatz verortet.

Mobilität und Erschließung
Verkehrsreduzierte Erschließungsräume bieten hohe Aufenthalts- und Bewegungsqualität für alle Verkehrsteilnehmer und binden in alle Richtungen gen Innenstadt und Landschaft an das beste-hende Fuß- und Radwegenetz an. Die Anbindung für den MIV an die Hirschbergstraße erfolgt an nahezu höhengleicher Stelle und erschließt die beiden westlichen Baufelder entlang des Grün-keils. Eine zweite Anbindung von der Straße Richtung Streichen erschließt den östlichen Gebiets-teil und verknüpft als SharedSpace über die Quartiersmitte an das westliche Erschließungssystem an.
Private Stellplätze sind gemeinschaftlich auf den jeweiligen Nachbarschaftsclustern ausgelegt und sollen durch ergänzende Mobilitätsangebote in ihrer erforderlichen Anzahl kompensiert werden. Die Huckepackhäuser können durch solare Energiegewinne auf den Dachflächen die E-Mobilitätsstandorte auf kurzem Wege mit Eigenenergie versorgen.
Über individuelle PKW-Stellplätze hinaus, verfügt jedes der Teilquartiere über einen zentralen Standort für E-Bikes und Carsharing-Angeboten. Durch Wege, die kaum länger als zur privaten Stellplatzanlage sind, ist eine hohe Akzeptanz zu erwarten.

Freiräume und Ökologie
Die wichtigen linearen Gehölzbestände in ihrer topografischen Einbindung und teilweisem Hohl-wegcharakter bleiben mit Abstand zu den Baufeldern erhalten. Das südliche Heckenbiotop am oberen Rand des Etzelbachtals wird von einem Naturkorridor begleitet und bleibt frei vom Besu-cherdruck. Mit den Qualitäten der Baufeldsetzung entwickelt der Entwurf ein zusammenhängen-des, grünes Raumnetz aus mehreren räumlich differenziert gestalteten und dabei multicodierten Freiflächen und Wegeverbindungen.
Zentraler Anlauf- und Orientierungsraum des Freiraumgefüges ist der Quartiersanger, als grüner Baumhain mit großen schattenspendenden Bäumen ein Treffpunkt für alle Generationen. Der naturnah gestaltete Außenraum der Kita verbindet als Teil der Grünfuge zum Gehölzbestand am Wegekreuz.
Der grüne Keil fällt mit der Topografie nach Westen und öffnet zur Landschaft. Aktiv nutzbare Flächen zur Freizeitnutzung wechseln mit locker bestandenen Gehölzflächen für erholsamen Auf-enthalt. Am weichen Übergang in die Landschaft verbindet ein Weg und führt nach Süden zum Naherholungsraum Etzelbach/Binsenbol und weiter in die Innenstadt.
Siedlungsökologische Ansprüche zwischen Stadt und Landschaft! Das landschaftsökologische Grundgerüst baut neben seiner ökologischen und mikroklimatischen Funktion die weitere Bio-topvernetzung auf und bildet identitätsstiftende Verbindungsräume für die zukünftige Quartiers-landschaft zu den benachbarten Quartiersbausteinen.

Integriertes Oberflächenwassermanagement
Die Rückhaltung, Speicherung, Verdunstung und Versickerung des Oberflächenwassers erfolgt vergleichbar eines Kaskadensystems. Begrünte Dachflächen, Baumrigolen in den Erschließungs-räumen und Retentionsmulden und -flächen unterstützen den kleinräumigen Wasserkreislauf und verbessern das lokale Klima. Sowohl im Erschließungs- als auch im Freiraum dienen die Regen-wasseranlagen auch der prägenden Gestaltung dieser Flächen. Über die topografische Ausbil-dung wird ein Retentionsvolumen erreicht, das auch die Wassermengen bei Starkregenereignis-sen schadenfrei aufnimmt.
Gemeinschaftliche Zisternen in den Nachbarschaftsclustern sammeln zur Brauchwassernutzung und führen damit zur Einsparung von Frischwasser in Trockenzeiten.


Beurteilung durch das Preisgericht

Der Leitgedanke des Entwurfs liegt in der Idee das Quartier in kompakt besetzte, gut proportionierte und ausdifferenzierte Baufelder und einen großzügigen zweiseitig bespielten Freiraum zu gliedern.

Die den Hangkanten folgenden Bebauungsfelder definieren dabei einen grünen Keil, der die Mitte des neuen Quartiers mit einer identitätsstiftenden Spiel- und Retentionsfläche belegt und Sichtbezüge in den erweiterten Stadtraum bietet.

Es entsteht eine aus dem Ort entwickelte und sensibel in die Topografie gesetzte städtebauliche Figur, die glaubhaft den Rahmen für ein nachbarschaftlich durchmischtes Wohnen aufspannt.

Im Zentrum liegt der Platz am Quartiersanger mit den übergeordneten Funktionen Kita, Café und Ernährung. Der besondere Baukörper des Kindergartens betont die charakterbildende Rolle dieser Bauaufgabe im Herzen des neuen Quartiers.

Der bis zu 6-geschossige Wohnungsbau befindet sich als weithin sichtbarer Ankerpunkt am Anger der neuen Nachbarschaft. Es ist eine schöne Geste dem kompaktesten Wohnraum damit das großzügigste Freiraumangebot zu machen.

Ob die zentrale PKW-Erschließung am Fuß der Kindergartenfreifläche allerdings richtig platziert ist, wird im Preisgericht kritisch hinterfragt, da eine räumliche Fassung fehlt und die Adressbildung daher schwierig erscheint.

Ziel der Entwurfsverfassenden ist es, die bestehenden Wege und Grünräume zu erhalten und sensibel zu ergänzen. Die Gebäudestruktur nimmt ausreichend Abstand von den Hangkanten, um die das Gebiet prägenden Offenlandbiotope zu erhalten.

Die Höfe und Teilgebiete sind in ihrer Maßstäblichkeit gut entwickelt und schaffen glaubhafte, nachbarfördernde räumliche Bezüge um die so genannten jeweiligen Neighbourhood Hubs.

Kritisch wird dabei die den Innenhof prägende Fassade des Parkgeschosses gesehen.

Noch etwas unentschlossen erscheint die Anbindung der beiden nordöstlichen Baufelder. Ob der Auftakt in diese Bereiche über einen Parkplatz dem Charakter des restlichen Quartiers entspricht, wird vom Preisgericht bezweifelt.

Eine abschnittsweise Realisierung des Quartiers erscheint mit der gewählten verkehrsreduzierten Erschließungsstruktur allerdings gut umsetzbar.

Insgesamt bietet der Entwurf ein sehr fein durchdachtes Konzept, ein zukunftsfähiges Gerüst für eine dem Ort angemessene Stadtraumentwicklung, allerdings liegt er in den Kennzahlen im unteren Bereich der Wirtschaftlichkeit und müsste deutlich verdichtet werden.