modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 05/2023

Quartiersentwicklung Stapfel in Balingen

Lageplan

Lageplan

Anerkennung

Preisgeld: 9.500 EUR

rheinflügel severin

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Hannes Hörr Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Verbindung_Mit der Bebauung der bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen südlich der Hirschbergstraße wird Balingen auf seiner Ostseite zentrumsnah ergänzt. Durch eine Gliederung in 5 Nachbarschaften fügt sich die Bebauung des neuen Quartiers selbstverständlich in den Landschaftsraum nördlich des Etzelbachs ein. Die bestehenden Biotope werden geschützt und miteinander vernetzt. Um der Besonderheit der Randlage Rechnung zu tragen, fächert sich die Struktur leicht auf, wodurch eine Verzahnung mit der Landschaft gelingt. Hierdurch erfolgt eine selbstverständliche Einbettung des neuen Quartiers in die gleichwohl von Besiedlung und Land- bzw. Forstwirtschaft geprägte Hügellandschaft der Zollern-Alb.

Identität_Die im dörflichen Maßstab entwickelten Wohncluster schmiegen sich in ihrer Geometrie den Höhenlinien der bewegten Topografie an und bilden in der Mitte jeweils einen kleinen Nachbarschaftsplatz unter Bäumen aus. Durch die unterschiedliche Geometrie der Cluster entsteht ein abwechslungsreiches Quartier mit eindeutigen Adressen, aber zusammenhängender Identität. Die Gliederung in 5 überschaubaren Einheiten fördert das gemeinschaftliche Wohnen und die Ausbildung von Nachbarschaften. Das neue Quartier zeichnet sich insgesamt durch eine wohldosierte Urbanität aus, welche die Komponenten Landschaftsbezug, Adressbildung, Gemeinschaft, typologische Vielfalt und Vernetzung miteinander verknüpft und hieraus eine unverwechselbare Identität entwickelt.
Organisation_ Die Mischung der verschiedenen Wohntypologien, Eigentumsformen und Finanzierungsmodelle erfolgt innerhalb der Nachbarschaften, um eine soziale Segregation zu vermeiden. Über die Einbeziehung von Baugruppen- und Mehrgenerationenprojekten wird der Zusammenhang des gemeinschaftlichen Wohnens weiter begünstigt. Die typologische Diversität erzeugt hinsichtlich der Geschossigkeit ein Spektrum von 1,5 – 3,5. Angeboten werden Eigenheime als Reihen-, Doppel- sowie freistehende Einfamilienhäuser und Geschosswohnungsbau. Beabsichtigt ist eine offene Bebauung aus Zeilen- und Punkthäusern, deren Fassaden von großzügigen Fensteröffnungen und im Falle des Geschosswohnungsbaus auch von Loggien gegliedert werden. Die Erdgeschosswohnungen verfügen über umlaufende Gärten mit Hecken zur signifikanten Trennung der privaten Freiflächen. Der Übergang zu den öffentlichen und halböffentlichen Grünflächen geschieht in einer gestaffelten Zonierung, sodass ein übergeordneter Zusammenhang entsteht.
Phasierung_Die Realisierung des neuen Quartiers lässt sich in 2-5 zeitlichen Abschnitten gliedern. Grundsätzlich sind alle Bauabschnitte zeitlich unabhängig voneinander zu realisieren. Um Störungen der Bewohner durch Baulärm und Lieferverkehre zu vermeiden, wird die westliche Nachbarschaft ggf. zusammen mit der östlich angrenzenden Einheit als erster Bauabschnitt favorisiert. Das Quartier lässt sich später optional nach Nordosten erweitern.

Erschließung_Ausgehend von der Zufahrt an der Hirschbergstraße im Nordwesten ergibt sich ein zentraler Erschließungsbogen bis zur Hofäckerstraße im Nordosten. Die Haupterschließung stellt zugleich den Linienweg der Busverbindung dar, sodass hier ein Trennprofil vorgeschlagen wird, welches im Bereich der Nachbarschaftsplätze zugunsten einer Mischverkehrsfläche wechselt und sich dort feinmaschig verzweigt. Der ruhende Verkehr wird je Cluster zentral in einer Remise untergebracht. Für Fußgänger und Radfahrer wird ein dichtes Wegenetz mit optimalen Anschlüssen an die Bestandsgebiete im Norden und das Stadtzentrum im Westen angeboten, aber auch an die überregionalen Wege im Landschaftsraum.

Freiraum_Das Wegenetz für Fußgänger und Radfahrer ist in ein vielfältiges System von Freiräumen eingebunden. Zentrale Bedeutung kommt dem Bereich um das Feldkreuz zu, dessen Qualität als Landschaftsraum verbleibt, aber eine Umwidmung erfährt. Es handelt sich um den zentralsten Ort des neuen Quartiers, sowohl an der Schnittstelle zum bestehenden Wohngebiet Schlichte, als auch zum äußeren Landschaftsraum. Aus diesem Grunde wird hier ein Pavillon vorgeschlagen, der zugleich als Hofladen, wie als Besen betrieben werden könnte. Auf den Platzflächen und in den aussichtsreichen Lagen des Landschaftsraums sind Langbänke verortet, die zur Rast und zum Aufenthalt einladen. Die Freiräume verfügen über eine wegebegleitende offene Regenwasserführung einschließlich Versickerungsmulden.

Smart City_ Der Entwurf reagiert auf die veränderten Lebensbedingungen durch den Klimawandel und hat gleichzeitig zum Ziel, klimaneutral zu sein. Das Konzept greift die Herausforderungen der Energiewende auf und setzt auf eine sektorenübergreifende Vernetzung der Gebäude- und Mobilitätsinfrastruktur. Ziel ist das „Smarte Quartier“, das eine effiziente Energieversorgung, einen ressourcenschonenden Umgang mit Baumaterialien und die Integration von Mobilitätsdienstleistungen in die digitale Haustechnik beinhaltet. Hierzu werden möglichst viele Neubauten in Hybrid- oder Holzbauweise gemäß KfW Effizienzhaus 55 Standard oder besser errichtet. Für einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz werden alle Dachflächen konsequent mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die Wärmeversorgung erfolgt über ein Nahwärmenetz, welches über ein Blockheizkraftwerk gespeist wird.

Ökologie_Die weitgehende Begrünung schafft ein angenehmes Mikroklima und ist in Kombination mit den vorgesehenen Versickerungs- und Retentionsflächen ein Beitrag zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Die Freiflächen sind mit klimaverträglichen Baumarten bepflanzt. Eingestreute Obstgehölze erhöhen die Biodiversität und leisten einen Beitrag zur „essbaren Stadt“. Die offenen Grünflächen sind zu einem großen Anteil als artenreiche Blühwiesen angelegt die Bienen und Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Die Multikodierung der Flächen fördert Naturerfahrung und Naturverständnis und das gleichberechtigte Nebeneinander von Mensch und Natur.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die konzeptionelle Idee der Entwicklung eines neuen Wohngebietes als 5 inselartige Nachbarschaften, die in ihrer Ausbildung an landwirtschaftliche Gehöfte erinnern, wird grundsätzlich als eigenständige Antwort auf die gestellte Aufgabe bewertet. Ermöglicht werden soll ein Wohnen am Stadtrand in dörflicher Umgebung. Die baulichen Volumina erscheinen in ihrer Körnung grundsätzlich angemessen und fügen sich selbstverständlich in die bestehende Topografie ein. Die Setzung der Einzelhäuser zueinander wird bezüglich Stellung, Besonnung, Zwischenräumen und Abstandsflächen jedoch teilweise sehr kritisch bewertet und zeigt zwischen Geschosswohnungsbau und Einfamilienhäusern deutliche Maßstabssprünge.

Die Durchmischung der Wohnformen und Typologien in den Clustern lässt jedoch eine gute soziale Durchmischung erwarten.

Auch wenn die Gestaltung der einzelnen Gebäude ausschließlich mit unterschiedlich geneigten Satteldächern als identitätsstiftendes Merkmal nachvollzogen werden kann, wirkt sie in ihrer Skalierung von kleinen Reihenhausdächern zu großen scheunenartigen Dächern in der Addition doch etwas überzogen. So wird kontrovers diskutiert, ob das Bild des Gehöftes eher den ländlichen Charakter von Nachbarschaften abbildet oder aber als ironisches Abbild dieser interpretiert werden muss.

Die Erschließung der 5 Cluster über eine zentrale Verbindung zwischen Hirschbergstraße und der Straße nach Streichen als zentraler Dorfstraße ermöglicht eine wirtschaftliche Erschließung mit einfacher Orientierung, zerschneidet die Cluster jedoch auch mittig, wodurch sich die autofreien Bereiche immer nur auf eine Clusterhälfte erstrecken. An jeder Clustermitte ist als zentrale Funktion die gemeinschaftliche Parkscheune angeordnet. Der Vorschlag des zentralen gemeinschaftlichen Parkierens wird positiv bewertet und ermöglicht in zukünftigen Szenarien auch eine Umnutzung für andere Nutzungen. Die angedeuteten, nicht dem Wohnen zugeordneten EG-Nutzungen, werden aufgrund der Clustergröße in ihrer Tragfähigkeit hinterfragt. Dem Konzept der 5 Nachbarschaften geschuldet kann ein zentraler Quartiersplatz nicht angeboten werden. Dass diese Funktion der im Grünen eingebettete Biergarten mit Hofladen übernehmen kann, scheint fraglich. Die Lage der Kita am südwestlichen Rand ist landschaftlich reizvoll positioniert, überzeugt bezüglich Erschließung und Hol- und Bringverkehr jedoch nicht vollumfänglich.

Die Entwurfsverfassenden integrieren das freiräumliche Konzept in den umgebenden Landschaftsraum und führen diesen in und durch das neue Quartier und seine Cluster. Eine Vielzahl an extensiven Bereichen umfließt die gestalteten und bebauten Flächen und bietet unterschiedliche Räume für Biodiversität und Artenreichtum. Auf Grund der ausgeprägten extensiven Freiraumhaltung finden sich im Konzept wenig Flächen, die der Gemeinschaft zur Verfügung stehen oder die multifunktional und wetterunabhängig nutzbar sind. Eine Vielzahl an Wegen durchzieht das Quartier, die teilweise etwas undifferenziert ausgeprägt sind. Die Zuordnung der Freiräume lässt schwer abgrenzen, welche Flächen in einer späteren Umsetzung privat, gemeinschaftlich oder öffentlich gewidmet werden. Die schematisch aufgezeigten, als Quartiersplätze titulierten Clustermitten, können in Ausprägung und Qualität nicht überzeugen und bieten kein alternatives Angebot zu den landschaftlich geprägten Freiräumen.

Bezüglich ihrer wirtschaftlichen Kennwerte liegt die Arbeit im unteren Bereich, was Wohneinheiten, Geschoßflächen und Nettobauland angeht.

Grundsätzlich leistet die Arbeit durch eine eigenständige Interpretation eines dörflich angelegten Wohngebietes am Stadtrand mit intensivem Bezug zur umgebenden Landschaft einen interessanten Beitrag zur gestellten Aufgabe, deren Ausarbeitung im Detail und Realisierbarkeit jedoch kontrovers diskutiert wird.
Schwarzplan

Schwarzplan

Blick vom Feldkreuz

Blick vom Feldkreuz