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Einladungswettbewerb | 05/2023

Neugestaltung Fuß- und Radwegbrücke über den Leitenbach in Gundelsheim

1. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

Gustav Düsing

Architektur

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

studio erde_office for anthropocene landscapes

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Gemeinde Gundelsheim plant, einen bestehenden Holzsteg über den Leitenbach abzubrechen und durch eine neue Fuß- und Radwegeverbindung zu ersetzen. Die neue Brücke wird das Ortsbild prägen und ist ein wesentlicher Baustein im Bau-Ensemble mit Spezerei, Altem Rathaus, Kirche St. Markus einerseits und Bücherei mit Vorplatz andererseits.

Mehr als eine Brücke für Gundelsheim
Der Entwurf sieht vor den Norden und Süden von Gundelsheim durch ein neues, multifunktionales Stadtmöbel zu verbinden. Dem Entwurf wurde die Frage zugrunde gelegt, welche Funktion eine Brücke einnehmen kann, wenn der landschaftliche Gemeindemittelpunkt ein Bach ist. Dieser identitätsstiftende Naturraum verbindet und teilt den Ort gleichermaßen, kann diese Brücke also so gestaltet werden, dass dort ein über dem Naturraum fast schwebender, neuer Treffpunkt für alle entstehen kann?
Es wird eine vielfältig nutzbare Brücke vorgeschlagen, die durch ihre Breite und topografische Eingliederung in den Stadt- und Naturraum das Potential hat,
Gundelsheim näher aneinander zu bringen und gleichzeitig den Bach zum Erleben und Plantschen besser zugänglich zu machen. Die diagonale Orientierung der beiden Ufertreppen verbindet thematisch und räumlich die Spezerei mit der Bibliothek und bildet einen kontinuierlichen öffentlichen Bereich zwischen diesen wichtigen öffentlichen Orten. Die Gestaltung der Ufertreppen und Sitzbänken sind jeweils so angelegt, dass die Menschen einander zugewandt sitzen können, um die Idee eines Ortes des Austausches und des öffentlichen Lebens zu unterstreichen.
Bei der Wahl der Materialen wurde Wert auf langlebige und pflegeleichte Oberflächen gelegt, der Belag der Brücke versteht sich als Fortführung der
Bestandsoberflächen und wird aus lokalem Naturstein hergestellt. Die Brücke mit Ihren vielen Sitzgelegenheiten kann bei Festlichkeiten wie z.B. dem Bachfest, für Märkte oder Aufführungen, zusätzlich mit einem temporären Dach überspannt werden und als zentraler, zwischen den beiden Ufern gelegener Begegnungsraum genutzt werden.
Die neue Brücke wird immanenter Teil und Herz der aufgewerteten Dorfmitte von Gundelsheim. Es wird hier das große Potential gesehen, eine zusammenhängende Gestaltung und Re-Strukturierung der Freiräume von der neu gestalteten Spezerei über das bestehende Freiraumband entlang des Baches zur Kirche und über die neue Brücke zur Bibliothek, zu entwickeln. Ausgehend von der neuen Brücke werden daher Maßnahmen vorgeschlagen, die die bestehenden Freiräume requalifizieren, klimaangepasst aufwerten und miteinander verknüpfen.
Durch die Bündelung der Aktivitäten am Fluss um die Brücke herum, wird konsequenterweise auch vorgeschlagen, dass die bestehende und in ihrer Nutzung wenig angenommene Treppenanlage, rückgebaut wird und durch Recycling und Weiterbearbeitung der bestehenden Beton-Stufen, in eine neue, ortsspezifische und maßstäblich angemessene Gestaltung überführt wird.
Es wird zudem für die konsequente Umwandlung der angrenzenden Straßenräume in Begegnungsräume (Shared Space) plädiert. Die Bachstraße kann sich zu einer großzügigen Fuß- und Radgängerpromenade, der Bachpromenade, entwickeln und damit die Bibliothek elegant integrieren. Die Freiräume entlang der Hauptstraße werden als Perlenkette verstanden und aufgewertet. Der bestehende Hainbereich wird als Hain-Garten ökologisch aufgewertet. Die Kirche wird durch qualitative Freiräume gerahmt und bekommt einen respektvollen Vorbereich durch die Anlage eines Wasserspiels/Brunnen. Auf der ehemaligen Parkplatzfläche wird ein Kirchengarten vorgeschlagen, der den Abschluss des Freiraumbandes bildet. Zum Fluss hinunter entwickeln sich zwei Bach-Balkone, die den Fluss optisch erfahrbar machen. Durch die Aufwertung der Uferbereiche und die sanfte Integration von Stufenelementen wird der Fluss erfahrbar gemacht, aber vor allem in seinen Uferstrukturen gestärkt. Durch die Maßnahmen werden wichtige aquatische und semi-aquatische Lebensräume geschaffen.

Konstruktion und Gestalt
Der tragende Brückenkörper trägt den über das Wasser erweiterten Stadtraum und wird zum Katalysator für die Entwicklung der Gundelsheimer Mitte.
Das Tragwerk bleibt dabei im Hintergrund: mit leichtem Schwung überspannt der statisch effiziente Stahlhohlkasten den Leitenbach und verbindet die Stadtpromenaden. Die sehr schlanke Konstruktion bleibt hoch über dem Leitenbach, am Bachufer Flanierende können weit unter die Brücke sehen, das Spiel des fließenden Wassers wird von den leicht geneigten Unterseiten reflektiert. Der Raum unter der Brücke ist gut einsehbar, die helle, glatte Unterseite ist leicht zu pflegen und zu warten und durch abgerundete Kanten wird eine Nutzung für die großen und kleinen Nutzer selbst unter der Brücke gefahrlos möglich.
Konstruktiv sinnvoll und praktisch, erheben sich an beiden Enden der Brücke durch eine Einspannung der Brücke, zwei Auflagerhöcker, die als Bänke genutzt werden können. Durch zusätzliche Elemente kann die Bank zu einer Bar oder einem Tisch aufgebaut werden. Eingebaute Vorrichtungen in den Brückenkörper, ermöglichen die einfache Montage eines temporären Zeltdaches, welches bei Festen und Feiern eine neue Ortsmitte bildet. Eine Lampe stärkt den offenen Wohnzimmercharakter. Die Stahlbrücke ist eben nicht nur ein Infrastrukturbauwerk, sondern wird ein in die Landschaft integriertes Stadtmöbel und eine Erweiterung des Stadtraumes um einen Freiraum über den Fluss.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Idee, mit einer Plattform auf dem Leitenbach einen neuen Ortsmittelpunkt zu schaffen, entspricht genau der Idee der Gemeinde Gundelsheim: Mehr als eine Brücke!
Die Brücke wirkt optisch leicht und fügt sich selbstverständlich in die Umgebung ein. Dabei schafft das Bauwerk einen neuen, vielfach nutzbaren Platz und erweitert zudem die Verkehrsflächen sinnvoll. Fahrradfahrer, Fußgänger, spielende Kinder, Jugendliche und Senioren haben gleichermaßen Verkehrs- und Aufenthaltsflächen. Auch bietet die temporäre Zeltdachkonstruktion einen echten Mehrwert für Gemeindefeste, Weihnachtsmarkt, Flohmarkt oder einfach nur spontane Treffen an lauen Sommerabenden.
Die Wegeführung zwischen Bücherei und Spezerei ist so mit einfachen Mitteln gekonnt aufgegriffen und zusätzlich über die beiden Eckpunkte mit Tritt- und Sitzsteinen aufgelöst. Diese führen in den Bachlauf und werden zusätzlich zu einer „informellen spielerischen Verbindung“, was ebenfalls sehr positiv gesehen wird.
Entlang der Hauptstraße neu vorgeschlagene Elemente wie Brunnen, Bachbalkon und Kirchengarten bringen hingegen keinen Mehrwert, ebenso wie das Ersetzen von funktionierenden, gestalterischen Elementen wie den Sitzstufen vor dem Bachgartenhain nicht als nachvollziehbar gesehen wird.
Die vorgeschlagene Konstruktion samt Nutzung der Auflagerhöcker als Sitzbänke oder Tische ist innovativ. Das integrale Brückentragwerk ist statisch gut durchkonzipiert und dessen Machbarkeit nachgewiesen. Bei konstruktiver Optimierung ist ein Unterhaltsaufwand in üblichem Bereich zu erwarten, obwohl die angeschraubten Kragarme für die Dauerhaftigkeit auf Grund möglicher Spaltkorrosion doch ungünstig erscheinen. Die verzinkte Konstruktion ist im Hinblick auf „Verzug“ ungünstig.
Auch ist nach Ansicht der Jury der gestalterische und konstruktive Ansatz, Hauptstraße, Bachstraße und die Brücke mit gleicher Materialität anzupassen, hinterfragenswert.
Insgesamt bietet der dargestellte neue Aufenthaltsbereich über den Leitenbach für die Gemeinde ein einzigartiges Angebot mit neuen Erlebnis- und Nutzungsmöglichkeiten.