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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Interimsstandort Württembergische Staatstheater Stuttgart / Maker City Stuttgart

Interimsspielstätte

Interimsspielstätte

3. Preis

Preisgeld: 48.000 EUR

KSP ENGEL

Architektur

Weiske und Partner GmbH Beratende Ingenieure VBI

Tragwerksplanung

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Buro Happold

TGA-Fachplanung

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

Theater Engineering Ingenieurgesellschaft mbH

Sonstige

bloomimages

Visualisierung

Prof. Dr. Rudolf Eger

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Städtebauliche Leitidee
Unser Entwurf beinhaltet die Planung und Umsetzung eines Interimsstandortes für das Württembergische Staatstheater auf dem Areal C1 der Entwicklungsfläche Maker City im Norden Stuttgarts. Dabei liegt ein starker Fokus auf der Schaffung eines Kulturzentrums mit kreativen Begegnungsräumen im Innen- und Außenbereich. Nachhaltigkeit, ökologische Ziele und vielfältige Nutzungsmöglichkeiten durch eine effiziente und gleichzeitig flexible Flächennutzung sind Kernelemente unseres Entwurfs. Er sieht die Entwicklung dreier Baukörper vor: Bauteil 2 und 3 werden als dauerhafte Gebäude errichtet, Bauteil 1 beinhaltet Haupt-, Seiten- und Hinterbühnen, den Zuschauersaal mit Orchestergraben und das Foyer. Bauteil 1 ist als temporäre Gebäudestruktur vorgesehen und kann nach Beendigung der Renovierungsarbeiten am Staatstheater Stuttgart vollständig rückgebaut werden.
Unsere städtebauliche Leitidee umfasst die Anlegung eines kommunikativen Begegnungsortes bestehend aus den neu errichteten Baukörpern, der für Kunstbetrieb und Kunstverein genutzten Wagenhallen und des vorgelagerten Wagenhallenplatzes. Entsprechend der Entwicklung des neuen Stadtquartiers entsteht ein lebendiges und kreatives Forum, das auch in ökologischer und energetischer Hinsicht überzeugt. Der Wagenhallenplatz wird zum prominenten Antritt angehoben, um den Haupteingang der Spielstätte räumlich zu fassen und ihn in direkter Blickbeziehung zu den ankommenden Besucher*innen zu stellen. Die Dimensionierung und barrierefreie Erschließung des Platzes erlaubt ein hohes Aufkommen an Besucher*innenströmen und bietet gleichzeitig Verweilmöglichkeiten entlang der Sitzstufenanlage zum Kulturhub und der westlich angrenzenden Veranstaltungshalle. Nach Rückbau der Interim Spielstätte ist durch eine angemessene Geländemodellierung ein schwellenloser Übergang vom angehobenen Platz bis hin zu den neuen Wohngebäuden angedacht. Anstelle der Interim Spielstätte entsteht in der Folgenutzung ein grüner Park, der den Wagenhallenplatz zum Norden hin begrenzt und zuteilen als Versickerungs- und Verdunstungsfläche als auch als multifunktionale Spielwiese genutzt werden kann. Der neu entstehende Wagenhallenpark kann als geschützter Rückzugsort fungieren, welcher im Kontrast zum exponierten Wagenhallenplatz diesen sinnvoll komplementiert. Der Platz formt eine Erweiterung des Eingangsbereiches und generiert eine hohe Aufenthaltsqualität, die auch durch die umliegenden Kulturstätten begünstigt wird.

Architektonisches Gestaltungskonzept
Bauteil 1 setzt sich aus verschiedenen baulichen Elementen zusammen: Haupt-, Seiten- und Hinterbühne sowie Kulissenlager und Vormontagefläche sind von Bühnentürmen umschlossen, die an das Foyergebäude anschließen. Der quaderförmige Baukörper mit seiner gläsernen Front beherbergt einen weitläufigen Empfangsbereich, in dem sich auch die Abendkasse und eine Bar befindet. Der transparente Eingang betont die optische und räumliche Transparenz zwischen Innen und Außen und schafft einen kontinuierlichen Lichteinfall. Großflächige Drehflügel in der gläsernen Front schaffen einen schwellenlosen Übergang zwischen dem lebendigen Platz und dem Interimsgebäude.
Der Innenraum des Foyers überzeugt durch schlichte Eleganz, die durch natürliche Farben und Materialien erreicht wird. Eine Besonderheit stellt die Sichtbarkeit der Deckenkonstruktion und die Kuben mit Holzverkleidung im rückwärtigen Abschnitt des Foyers dar. Sie beherbergen die Zugänge zu Parkett und Rängen des Zuschauersaals. Über eine breite, U-förmig verlaufende Treppe können Galerien auf höheren Niveaus erreicht werden, von denen außergewöhnliche Sichtachsen auf den Wagenhallenplatz und die umliegende Bebauung generiert werden. Auch die Ränge des Zuschauersaals werden über die Treppe und die Galerien erschlossen. Ein barrierefreier Zugang ist durch Aufzüge auf der Rückseite der Abendkasse gewährleistet. Die Bauteile 1, 2 und 3 sind räumlich miteinander verknüpft. Zwischen den Bühnentürmen und Bauteil 2 befindet sich zudem nördlich eine großzügig angelegte Anlieferungszone. Eine weitere Zone zur Anlieferung des Bühnenprospekts befindet sich westlich von Bauteil 2. Das Niveau zwischen dieser Zone und der Hinterbühne ist um einen Meter angehoben um einen reibungslosen und unkomplizierten Transport der Prospekte und sonstiger Requisiten zu ermöglichen. Bauteil 2 und 3 sind als dauerhafte Baukörper vorgesehen und durch eine gläserne Brücke im 1. Obergeschoss miteinander verbunden. Sie beinhalten neben Räumlichkeiten für das Staatstheater auch Wohneinheiten in den Obergeschossen. Bauteil 2 besitzt die Form eines liegenden Cs und schließt einen begehbaren und begrünten Innenhof im Zentrum ein. Im 1. Obergeschoss finden sich hier die Bereiche für Garderoben, Schminkräume, Werkstätten, Stimmzimmer, Lagerräume und Büros. Sowohl in Bauteil 2 als auch in Bauteil 3 sind das 3. bis 5. Obergeschoss der Wohnnutzung vorbehalten. Bauteil 3 bildet die Form einer 8. Durch diese Struktur ergeben sich auch hier im Süden und Norden zwei Dachterrassen, die vom 2. Obergeschoss begehbar sind. Hier entstehen grüne und angenehme Außenbereiche mit hoher Aufenthaltsqualität. In diesem Bauteil befinden sich im Erdgeschoss die Ballettsäle, der Orchesterprobenraum mit einer Höhe von 10 Metern und ein rückwärtig anschließender Chorsaal, der mit dem Orchesterprobenraum verbunden werden kann. Auf dieser Ebene sind zudem weitere Lagerräume, kleinere Probenräume und die Gastronomie angelegt. Durch die Orientierung der Gastronomie zu den Wagenhallen und den umliegenden Plätzen trägt auch diese zur Bespielung und zur Lebendigkeit des Außenbereichs bei. Im 1. Obergeschoss von Bauteil 3 befindet sich das Repertoirelager für Oper und Ballett, Büros und Räumlichkeiten für den Bühnenbetrieb, Trainingsgarderoben und weitere Probesäle. Die Erschließung der verschiedenen Bereiche erfolgt in Bauteil 2 über jeweils mittig positionierte Treppenhäuser mit Aufzügen im Süden und Norden des Komplexes. In Bauteil 3 finden sich die vier Erschließungskerne in den Ecken und mittig auf den Längsseiten des Baukörpers. Durch innenliegende Flure und die gute Erreichbarkeit der Kerne werden kurze Wege und eine effiziente Erschließung gewährleistet. Bei der Wohnnutzung wird ein starker Fokus auf modulare Anordnungen mit hoher Flexibilität gelegt. Die Wohnungen sind durch Laubengänge miteinander verbunden und orientieren sich mit ihren Grundrissen an dem festgelegten Rastermaß des Entwurfs von 5,40 m. Jede Wohneinheit verfügt über einen privaten Außenbereich, der Blicke auf die Umgebung generiert. Durch den vorgeschlagenen Entwurf entsteht im Kontext der hochbaulichen Strukturen ein kultureller Hotspot. Es entstehen Räume der Begegnung, des Austausches und der Kommunikation, Flächen zum Flanieren, für darstellende Kunst und freie Aneignung.

Fassadengestaltung
Bauteil 1, 2 und 3 ähneln sich in ihrer Fassadengestaltung hinsichtlich des gewählten Materials. Eine rostrote, Metallhülle bildet die Fassade des Interimsgebäudes, die Bühnentürme sind mit einer Metallhaut derselben Farbe versehen. Durch die gläserne Front des Interimsgebäudes entstehen einzigartige Blickbeziehungen zwischen dem vorgelagerten Platz und dem großzügigen Foyer im Innenraum. Der Eingangsbereich mit den schwellenlosen und transparenten Toren zum Platz hebt die besondere Funktion des Baukörpers hervor und verleiht ihm Identität und Individualität. Die Fassaden von Bauteil 2 und 3 ähneln sich sowohl in ihrer Struktur als auch ihrem Aussehen. Der industrielle Charakter der Gebäude wird durch die Kombination aus rostroten Stahlelementen, zahlreichen Fensteröffnungen und Trennelemente aus Glas hervorgehoben. Die sichtbare hybride Holzstruktur der modularen Wohneinheiten verleihen den Baukörpern äußerlich Identität und Wiedererkennungswert und unterstreichen die nachhaltige Leitidee unseres Entwurfs.

Wirtschaftlichkeit und Betrieb
Im Fokus unseres Entwurfes steht das Thema Nachhaltigkeit. Die neuen Gebäude werden richtungsweisend für einen CO2-neutralen Betrieb ausgerichtet und verfolgen verschiedene Prinzipien einer zirkulären und ressourcenschonenden Gestaltung. Im Interimsgebäude erfolgt die Klimatisierung des Zuschauersaals über eine mechanische Lüftungsanlage mit hoch effizienter Wärmerückgewinnung. Die Belüftung in diesem Bereich wird über Quellluftauslässe generiert, die in den Stuhlfüßen integriert sind. Zur Heizung und Kühlung der Nebenräume dienen Flächenheiz-/Kühlelemente, welche nach Interimsnutzung einfach demontiert und wiederverwendet werden können. Die Betriebsenergie wird reduziert, indem für Bauteil 2 und 3 vorrangig passive Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählen eine natürliche und mechanische Belüftung (hybrid) mit hocheffizienten Wärmetauschern sowie die Abschwächung des Hitzeinsel-Effekts auf den Freiflächen und Flächen in den Sommermonaten durch Grünanlagen und Wasserelemente in den Außenanlagen. Die aktiven Maßnahmen beinhalten die Wärme- und Kälteübergabe über Heiz-/Kühlsegel, die Be- und Entlüftung der Büroräume über Lüftungsanlagen mit hoch effizienter Wärmerückgewinnung und einer integrierten Wärmepumpe sowie die Lufteinbringung über Luftauslässe im Bodenbereich zur Erreichung geräuscharmer und gleichmäßiger Belüftung im Aufenthaltsbereich. Dach- und Fassadenbegrünung (30%) an Bauteil 2 und 3, sowie zahlreiche hocheffiziente PV-Paneele auf dem Dach von Bauteil 1 zur Stromerzeugung sind ebenfalls Teil des nachhaltigen Entwurfs. An die Gebäude angrenzende Aurazonen schaffen grüne Erholungsbereiche und sorgen für eine angenehme Atmosphäre auf dem gesamten Areal.

Tragwerk und Statik
Aus Gründen des bewussten ökologischen Umgangs mit Baustoffen und Lastkapazitäten, soll ein hybrider Holzbau eine leitende Rolle in der Planung von Bauteil 2 und 3 einnehmen und nur in statisch notwendigen Bereichen durch Stahl- und Stahlbetonbauelemente ergänzt werden. Die Holzstruktur der neuen Gebäude bieten im Vergleich zu einer reinen Beton- oder Stahlkonstruktion einen deutlich geringeren Kohlenstoffausstoß.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Lösung bildet eine gelungene und angemessene Gebäudekonfiguration mit drei unterschiedlichen Baukörpern aus, die sich differenziert, gemäß ihren Nutzungen, ausformen. Wobei der westliche dauerhafte Baukörper auf einem zweigeschossigen Sockel mit großen Probesälen bzw. späteren Gewerberäumen im Mittelbereich und kleineren Funktionsräumen an den Rändern, in den Obergeschossen einen klaren und schlanken zweihüftigen Wohnungsbau, um eine große begrünte Dachterrasse anordnet. Hier entstehen gute Maisonette-Wohnungen, teilweise mit Laubengangerschließung und außenliegenden eigenständigen Fluchttreppenhäusern.

Der mittlere, dauerhafte Baukörper ordnet die Nutzungen ab dem 4. Obergeschoss u-förmig um einen begrünten Innenhof mit Wohnungen an. Die drei unteren Geschosse sind mit Nebennutzungen des Interimbetriebs und später mit Gewerbe belegt. Über einen Verbindungssteg sind alle drei Baukörper miteinander verbunden.

Der östliche Baukörper mit der Spielstätte und dem Bühnenturm hebt sich durch seine Architektursprache klar von den anderen Baukörpern ab. Das Foyer öffnet sich einladend in voller Höhe zum Platz und zeigt bereits im Hintergrund den Zuschauerraum als hölzernen Einbau. Die harte Schale aus einer rostfarbenen Metallfassade ist gänzlich geschlossen und zeigt den weichen hölzernen Kern nur über die große Glasfassade nach Süden. Hier werden Sonnenschutzelemente erforderlich. Der Kontrast zwischen offenen Fassaden bei den zwei Gebäuden mit Gewerbe- und Wohnräumen und der gut strukturierten geschlossen Fassaden der Spielstätte bildet ein reizvolles und gut proportioniertes Ensemble aus.

Der Freiraum wirkt formal überfrachtet mit wenig Bezug zu den Baukörpern. Die Terrassierung mit einem Plateau, welches sich gegenüber der Wagenhalle absetzt, bietet zwar Aufenthaltsmöglichkeiten auf Sitzstufen, kann jedoch als eine Art Barriere zwischen Wagenhalle und Interimsspielstätte nicht nachvollzogen werden. Die Wohnungen werden durch intensiv begrünte Freiräume aufgewertet.

Die funktionalen Anforderungen sind in wichtigen Teilen nicht erfüllt, nicht nur dass der Zuschauerraum und Bühnenraum von Proportion und Breite nicht den Anforderungen entspricht, darüber hinaus werden auch die weiten Wege aus den Stimmräumen zur Bühne bemängelt.

Die Flächenwerte und Kubaturen liegen unter den Mittelwerten, was jedoch auch mit teilweiser fehlender Programmerfüllung erkauft ist. Insgesamt lässt das Projekt eine Wirtschaftliche und nachhaltige Umsetzung erwarten. Die Konstruktion ist hybrid mit Stützen aus Stahlbeton, Decken und Wände aus Brettsperrholz. So bieten sie die geforderte Robustheit und Flexibilität für unterschiedliche Nutzungen. Photovoltaik wird auf den Flachdächern nachgewiesen. Nachhaltigkeitsaspekte sind so vollends erfüllt.

Die Rückbaubarkeit und Nachnutzung des nördlichen Teils der Interimsspielstätte zum Kulturhub ist sinnvoll aufgezeigt. Die Gastronomie ist gut zur Wagenhalle hin angeordnet.

Insgesamt zeigt sich das Projekt als zielführende und angemessene Lösung, die mit ihrem containerartigen Charakter durch Anordnung, Material, Form und Farbigkeit, sowohl zu dem temporären Anspruch der Spielstätte wie auch zu dem Charakter des Areals mit den Wagenhallen sehr gut passt. Ungewöhnlich ist sicher der ästhetische Ausdruck für eine Opern- und Ballett Spielstätte. Aber das ist ja auch die große Chance auch bei anderen Bevölkerungsgruppen unserer Gesellschaft anzukommen.
Bauteil2 2& 3 - Räumlichkeiten des Staatstheaters und Wohnnutzung

Bauteil2 2& 3 - Räumlichkeiten des Staatstheaters und Wohnnutzung

Foyer

Foyer

Lageplan

Lageplan

Begrünung

Begrünung

Ausrichtung Wohneinheiten

Ausrichtung Wohneinheiten