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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Interimsstandort Württembergische Staatstheater Stuttgart / Maker City Stuttgart

Blick auf den Haupteingang der Oper

Blick auf den Haupteingang der Oper

4. Preis

Preisgeld: 32.000 EUR

GINA Barcelona Architects

Architektur

DGI Bauwerk Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Werner Sobek AG

Tragwerksplanung

Akustik-Ingenieurbüro Moll GmbH

Akustikplanung

Erläuterungstext

Haltung – Ein Gebäude als Manifest
Sollte ein Gebäude ewig halten? Wenn ein so zeichenhaftes Projekt wie ein Opernhaus, oft Symbol oder gar Ikone unserer Städte, ein vergängli-ches Gebäude sein kann, dann kann sicherlich jedes (zukünftige) Gebäude es ihm gleichtun.
Das Projekt für den neuen Interimsstandort Württembergische Staatstheater in Stuttgart bietet eine erstklassige Gelegenheit, die Art und Weise, wie wir planen und bauen, neu zu überdenken. Aus der Not, eine komplexe Gebäudestruktur für eine nur begrenzte Zeit erstellen zu müssen, eine Tugend machend wird die ephemere Eigenschaft dieses Projekts in einer neuen, modularen Architektur erforscht, die zu großen Teilen wiederverwendbar sowie in anderen Teilen (nahezu) vollständig recycelbar ist – ein Opernhaus gewissermaßen als Manifest, mit einem immens reduzierten CO2-Fußabdruck als Vorbildwirkung für unsere gebaute Zukunft.
Städtebauliche Einbindung
Der Entwurf orientiert sich in Ausdehnung und Höhe an den Gegebenheiten des Orts, der bestehenden sowie der geplanten Umge-bungsbauten, und bewegt sich innerhalb der jeweiligen Grenzen der beiden Ausbaustufen des festgesetzten Bebauungsplanes. Die zukünftig angedachte Umwandlung nach der Interimsnutzung wird so deutlich erleichtert. Behutsam in der Höhe gestaffelt, zeigt die volumetrische Ausgangskonfiguration von Beginn an die drei Hauptvolumen entsprechend der zweiten Ausbaustufe, welche während der Interimsphase räumlich miteinander verbunden sind: Vom nordöstlich gelegenen, temporären Volumen des eigentlichen Opern-hauses am Wagenhallenplatz hin zu den beiden dauerhaften Gebäuden im Südwesten, welche vom Erdgeschoss (EG) bzw. Unterge-schoss (UG) bis zum 3. bzw. 4. Obergeschoss (3./4. OG) weitere Teile des Opernbetriebs sowie, in den darüberliegenden Geschossen, die Wohnnutzung beherbergen.
Der Komplex ist entlang seiner Ost-West-Achse in einen öffentlichen sowie einen privaten Bereich zoniert: Nach Norden ist die private Zone der Zufahrt des Logistikbereichs, dem Parkverkehr als auch den Eingängen für Musiker, Künstler und weitere Mitarbeiter der Oper vorbehalten. Nach Süden hin öffnen sich die Gebäude durch großzügige Verglasungen zum öffentlichen Raum. Die Verglasungen wer-den durch konkave, wellenförmige "Metallsegel" geschützt, die an den Vorhang eines Opernhauses erinnern und dem Ensemble eine elegante und leichte Erscheinung verleihen. Vom Wagenhallenplatz aus nimmt die Höhe des Ensembles sukzessive zu: Die Höhe der Wagenhallen wird durch eine Reihe von nach Süden ausgerichteten grünen Terrassen aufgenommen und vermittelt über die bis zu zusammengenommen siebengeschossigen Bebauung mit den Wohneinheiten auf dem Dach der Opern-Funktionsflächen hin zum Büh-nenturm der Oper, der höchsten Erhebung.
Zwei einladende Freitreppen, eine im Opernfoyer und eine als externer Zugang der Kantine, ermöglichen eine großzügige Erschließung der oberen Etagen und der Panoramaterrassen innerhalb und außerhalb des Gebäudes. Etwa auf halber Höhe, zwischen den Opern-funktionen und der Wohnnutzung der oberen Geschosse, ist ein halböffentliches „Puffergeschoss“ mit vorgelagerten Panoramaterras-sen Richtung Süden vorgesehen: Die Opernterrasse, die für die Öffentlichkeit bestimmt und direkt mit dem Foyer verbunden ist, wird als Balkon mit Blick auf den Wagenhallenplatz interpretiert. Die Kantinenterrasse mit direkter Anbindung durch die großen Außentreppe bietet den MitarbeiterInnen und der Öffentlichkeit Platz zum Verweilen beim gemeinsamen Essen. Die Nachbarschaftsterrasse mit direkter Anbindung an den zentralen Innenhof des Wohngebäudes ist der privateren, gemeinschaftlichen Nutzung durch die Wohnnachbar-schaft vorbehalten, steht aber dennoch in unmittelbarer Wegeverbindung zur Kantine und deren Außenbereich.
Oper – Erschließung, funktionale Organisation und Bühnenkonzept
Ein Opernhaus eröffnet stets ein außergewöhnliches und einzigartiges Zusammentreffen einer heterogenen Gruppe aus KünstlerInnen, Mitarbeitenden und Publikum, das einer sorgfältigen Organisation und Optimierung von verschiedenen Nutzungsebenen und -hierarchien bedarf. Entsprechend werden drei Betrachtungsebenen der funktionalen Organisation unterschieden:
"Ready, Set, Go!" – “Auf die Plätze, fertig, los!”
Das Raumprogramm der Oper wird, von Südosten nach Nordwesten gelesen, entsprechend der Abfolge der drei Gebäudekörper des Bebauungsplans sowie den Anforderungen an die Nähe zur Bühne organisiert: Vorhaltung, Vorbereitung und Vorstellung – Ready, Set, Go! So können die unterschiedlichen Bedürfnisse im Betrieb des Opernhauses berücksichtigt werden, je nachdem, ob es sich um alltäg-liche Vorbereitungen und Proben oder einen Aufführungstag handelt. Gleichermaßen liegt der Anordnung der Opernfunktionen in den beiden permanenten Gebäudeteilen die Überlegung zugrunde, Räume und Funktionseinheiten zu schaffen, die für die künftige Umnut-zung dieser Bereiche für andere kulturelle, kommerzielle und tertiäre Zwecke geeignet sind, sobald der Opernbetrieb eingestellt wird.
"Ready": Das am weitesten von der Bühne entfernte, südwestliche Volumen ist vornehmlich für die Vorbereitung und Produkti-on der Kulissen und des weiteren Theaterbedarfs vorgesehen. Hier befinden sich ein Großteil der Werkstätten, die Lager und Magazine sowie die Hauptzugänge für Logistik und Müllentsorgung. Der große offene Raum des Kulissenlagers muss aus Sicht der VerfasserIn-nen nicht zwingend direkt mit der Bühne verbunden sein, da die Produktion im Laufe von Wochen oder gar Monaten erfolgt. Eine hoch-funktionale, unmittelbare Beziehung über die üppig dimensionierte Magistrale besteht indes. Die verhältnismäßig laute und „schmutzige“ Produktion, wird so von den sensiblen Proben- und Aufführungsräumen weitestgehend ferngehalten.
"Set": Im zentralen Volumen befinden sich die Garderoben und Proberäume im UG, 1. und 2.OG mit kurzen Wegen zu Bühne und Orchestergraben, um optimale Voraussetzungen für den Bühnenbetrieb vorzuhalten. In zeitlicher Sicht sind dies die Räume, die bereits in den Stunden vor und auch während der Aufführung stark frequentiert sind.
"Go": Neben der obligatorischen Bühne beherbergt das Hauptvolumen alle daran direkt angrenzenden Räume, den szenischen Turm, den Orchestergraben und die weiteren Technikräume, die für die Darbietung der Szenen erforderlich sind. Kurz vor und während der eigentlichen Vorstellung geht es im Backstage-Bereich des Öfteren relativ chaotisch zu. Die Räume und Abläufe auf den Hinter- und Seitenbühnen wurden folglich so fließend und direkt wie möglich ausgelegt, um das Zusammenspiel von Künstlern, Musikern, Sängern und Technikern zu optimieren.
Eine horizontal verlaufende Magistrale mit einer lichten Höhe von 8,5 m und 5,4 m Breite verbindet alle drei Gebäudekörper, von den Lagern und Produktionswerkstätten hin zur Bühne, physisch miteinander. Es erscheint sinnvoll, die Trassen und Funktionsweise der Opernwaggons bis hin zum Kulissenlager und den Werkstätten vorzuhalten. Im nordwestlichen Bereich verläuft die Magistrale an der Fassade und erlaubt so interessante (partielle) Einblicke in das Operngeschehen. Aufgrund ihres dreigeschossigen Foyercharakters ist für die Nachintermszeit zum Beispiel vorstellbar, das dritte Volumen mit seinen Werkstätten und Produktionslagern in einen Kultur- und Veranstaltungsort mit direktem Zugang vom Platz im Zwischenbereich zu den Wagenhallen umzuwandeln. So kann die vorhandene Struktur größtenteils beibehalten werden – weniger notwendige Umbauten sparen Geld und Ressourcen.
Organisation der Produktion vs. Proben
Parallel zu der im vorigen Punkt beschriebenen Logik werden die Raumprogrammaspekte des Produktions- und Aufführungsgesche-hens vom täglichen Proben- und Verwaltungsprogramm räumlich vertikal getrennt. So werden in den oberen Stockwerken, die mehr Privatsphäre und bessere Lichtverhältnisse bieten, die meisten Proberäume für Musiker, Künstler und Tänzer und die Büros der Opern-verwaltung untergebracht. Lediglich der Orchesterprobensaal wurde im UG und EG des mittleren Gebäudekörpers untergebracht. So verfügt er über eine direkte Anbindung an den Orchestergraben und die weiteren Orchesterräume. In den Pausen steht den Oper-MitarbeiterInnen die Kantine auf dem Geschoss der Probenräume zur Verfügung. Die Platzierung der Kantine mit der vorgelagerten Terrasse an der Schnittstelle zum Wohnen macht es attraktiv, in der Nachnutzungszeit dort z. B. ein Restaurant in prominenter Lage unterzubringen.
Öffentlich vs. privat
Den dritten Parameter stellt die Differenzierung von öffentlich und privat dar. In der Beziehung zwischen dem internen Personal, den Stars der Bühne und dem Publikum wird dies deutlich. Bereits beim Zugang sind den Nutzergruppen unterschiedliche Eingänge zuge-ordnet. Alle öffentlichen Eingänge sind in dem temporären Volumen zum Wagenhallenplatz hin konzentriert. Das Opernfoyer kann über zwei Eingänge betreten werden: Direkt vom Platz aus befindet sich der Haupteingang, der nur an Vorstellungstagen genutzt wird. Ein zweiter Eingang für den Kartenverkauf befindet sich im Zwischenraum neben der Außentreppe. Auf diese Weise kann das Hauptfoyer für die Öffentlichkeit bei Bedarf geschlossen bleiben oder anderweitig genutzt werden, während der Zugang zum Foyer der Oper tagsüber für Informationssuchende und den Ticketverkauf erhalten bleibt. Im Hauptfoyer neben dem Platz und unter der Terrasse sind die Garde-robe, das Lager und die Zugänge zum Saal auf verschiedenen Ebenen untergebracht. Rückwärtig befinden sich, jeweils an den Zwi-schenbereichen der drei Gebäudekörper, der MitarbeiterInnen-Zugang und die Einfahrt der wettergeschützten, innenliegenden Anliefer-zone. Die in größtmöglicher Nähe zur Bühne als auch dem Foyer befindlichen Einzelgarderoben der Opernstars erhalten auf der Ostsei-te einen separaten Eingang.
Gemeinschaftswohnen – Funktionale Organisation und Architektur
Das Projekt umfasst das Gemeinschaftswohnen auf zwei bzw. vier Geschossen, welche sich über den Funktionsbereichen der Oper im westlichen und mittleren Teil des Komplexes befinden. Dabei folgen die modulare Holzkonstruktion, die wiederverwendbaren Fassa-denbekleidungsmodule und die daraus resultierende Grundtypologie der Wohneinheiten der konstruktiven und nachhaltigen Logik des Gesamtprojekts bis hinein in die Oper.
Das viergeschossige, größere Volumen der Wohnnutzung gruppiert die Wohnungen um einen großen begrünten Innenhof zur gemein-samen Nutzung. Die über einen partiell aufgeweiteten Laubengang zugänglichen Wohnungen sind mit ihren Wohnzimmern und Küchen zum Hof ausgerichtet, um das Gemeinschaftsleben zu stärken. Die privateren Räume werden an den Außenfassaden mit Blickbeziehun-gen in die Umgebung angeordnet. In der Erdgeschosszone öffnet sich der Innenhof zu den ausladenden Panoramaterrassen im Süden. In den südwestlichen Ecken der beiden Wohnbebauungen finden jeweils gemeinschaftliche Einrichtungen wie ein Gemeinschaftsraum, Sporteinrichtungen, Fahrradabstellplätze u. Ä. ihren Platz.
Die kleineren Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen sind im schmaleren, mittigen Gebäudekörper auf zwei Geschossen gruppiert. Diese Wohnungen können etwa für (temporär anwesende) Opernkünstler gedacht sein, was auch der stärkere Bezug zu Oper und Kantine nahelegt. Im Gegensatz dazu lässt das großzügigere westliche Volumen eine größere Vielfalt an Wohnungstypologien mit mehr Wohn-fläche zu, die potenziell interessanter für den Verkauf oder mögliche Investoren sind.
Modulare Konstruktion, Materialität und Nachhaltigkeit
Der Entwurf interpretiert den semitemporären Charakter als formale Identität des Gebäudes. Die im Inneren stets wahrnehmbare Materia-lität basierend auf einem Ein-Stabprinzip aus Schichtholz wird in der äußeren Erscheinung durch eine robuste, weiße Streckmetallfassade geschützt. Zum öffentlichen Raum und den Panoramaterrassen hin großflächig verglast, legt sich ein konkaves Metallgewebe als eine Art schwebender Schleier davor, welcher Assoziationen an einen Opernvorhang evoziert. Das Vorhangthema wird im Inneren über das Foyer bis in den Opernsaal getragen.
Die neue temporäre Spielstätte stellt, wie bereits erwähnt, eine relativ ungewöhnliche Typologie dar, deren materielles Leben sich in zwei Phasen entfaltet. Das Opernhaus und die Verbindungsbauten zwischen den Gebäudevolumen werden mittelfristig wieder verschwinden, was für die beiden dauerhaften Gebäudekörper nicht gilt. Anstatt auf ein Konzept der Wiederverwendung auf rein primärer Materialebene zu setzen, nutzen wir radikal die Synergie der Typologien: Das Opernhaus und das Wohngebäude basieren auf demselben 5,4 x 5,4 m großen Stabgittermodul, das wirtschaftliche Spannweiten für den Holzbau bietet. Das Holztragwerk und anteilig die Fassaden der Oper, temporär als Spielstätte zusammengefügt, werden nach Spielende zerstörungsfrei abgetragen und möglichst an gleicher, gegebenen-falls auch an anderer Stelle, als Wohnsonderbau wieder aufgebaut. Diese Art der Wiederverwendung ist keine Fiktion, sondern wird bereits als Prototyp in Form der Wohngebäude neben der temporären Spielstätte selbst gebaut. So kann das zukünftige zweite Leben der Materialkonfiguration Oper direkt vor Ort erprobt und erlebt werden. Das Material wird somit nicht downcycled, "thermisch verwertet" oder Ähnliches, sondern direkt und vordefiniert wiederverwendet – mit einem äußerst positiven Einfluss auf das Treibhauspotenzial und auf die Lebenszykluskosten, da sich ein Teil des Opernhauses in Zukunft direkt als neues Objekt amortisiert. Die einzelnen Stabwerke und Brettsperrholztafeln der Holzkonstruktion sind einzig über Schraub- oder Kontaktverbindungen zusammengefügt und können ohne großen Aufwand in ihre Einzelteile zerlegt werden. Es wird etwa darauf geachtet, dass der Bodenaufbau schwimmend und rückbaubar errichtet wird. Ebenso wird auf Holzschutzmittel verzichtet. Ein vordefinierter Querschnitt von 20 x 44 cm lässt sich in unterschiedlichen Längen entweder zu einer mehrteiligen Stütze oder einem mehrteiligen Träger zusammensetzen. So können Querschnitte je nach An-wendung vergrößert oder verkleinert werden. Die Querschnitte weisen immer die Einhaltung der Abbrandrate und somit Gewährleistung der Feuerwiderstandsklasse R90 auf. Die weitgespannten Tragwerke des Opernhauses bestehen aus Fachwerkbindern, die durch Tri-angulierung desselben Brettschichtholz-"Ein-Stabprinzips“ in Kombination mit Stahlzugstäben gebildet werden. Die erforderlichen Be-tonbauteile (Gründung/Stützung) werden entweder sortenrein verwendet, sodass eine Wiederverwendung als Betonzuschlag nach dem Rückbau möglich ist, oder sie bestehen aus Fertigteilen, die eine Wiederverwendung ermöglichen. Insgesamt ist eine klare rasterorien-tierte, vertikale Lastabtragung gegeben. Horizontale Kräfte werden über Kerne und zusätzliche Kreuzverbände abgetragen. Die Fassade hat ein typisches Standardraster von 1,35 m. Deren Elemente werden nach Rückbau der Oper im Wohnungsbau eingesetzt und durch ergänzende Bestandteile komplettiert.
Die Elementbauweise erlaubt eine schnelle und einfache Montage und Verbindung mit dem Tragwerk. Generell wird ein sehr hoher Vorfertigungsgrad erzielt, der einen sauberen und schnellen Baufortschritt sicherstellt sowie Lager- und Vorhalteflächen auf der Baustel-le reduziert. In Verbindung mit dem auf die Bauaufgabe zugeschnittenen Energiekonzept wird eine wirtschaftliche Errichtung sowie Un-terhaltung des Gebäudekomplexes in Aussicht gestellt.
Energie und Lebenszyklus
Energetisch setzt sich diese gedachte Lebensabschnittsteilung konzeptionell fort. Der Wohnbau wird vollelektrisch-geothermisch ver-sorgt, mit langer Lebensdauer. Die Oper wird mit modularen Luft-Wasser-Wärmepumpen versorgt, die nach Lebensende des Opernbaus direkt anderorts weiterverwendet werden können. Hochspezifische TGA, wie sonst in Opernbauten üblich, wird vermieden, und Systeme aus dem Bürobau (Heiz-/Kühldecken, RLT etc.) finden Verwendung, mit direkter Kreislaufwiedereingliederbarkeit.
Klimatisch wird die Oper anteilig natürlich belüftet und in Nebenbereichen in Niedrigenergiestandard ausgeführt, passend bzgl. der wiederzuverwendenden Fassadenmodule zum Niedrigenergie-Wohnneubau. Eine bioklimatische Außenraumgestaltung unterstützt das positive Quartiersklima und die Umsetzbarkeit natürlicher Konditionierungsmaßnahmen.
Das radikale Nachhaltigkeitskonzept setzt auf Modularität in allen Betrachtungsebenen und wird, im Gegensatz zu reinen Material-Recycling-Ansätzen, eine echte, vordefinierte und auch ökonomisch sinnvolle Lebenszyklusgestaltung der Typologien sicherstellen. In den dauerhaften Gebäuden sind auch die technischen Anlagen entsprechend langlebig ausgelegt.
Akustik Auditorium
Ansteigende Sitzreihen des Parketts und der Balkone schaffen nicht nur gute Sichtbeziehungen, sondern zugleich sehr gute Hörbedin-gungen insbesondere für den Direktschall. Das Hören der ersten Wellenfront ist ja unmittelbar verknüpft mit dramatischem „Involve-ment“ – im Unterschied zum ideal klangvollen „Envelopments“ des Konzertsaales. Ein Schwerpunkt der akustischen Planung zielt daher auf eine möglichst hohe Diffusität des Hallfeldes in allen Wellenlängenbereichen, z.B. durch möglichst schallbrechende Oberflächen. Die flinken und kurzzeitigen konsonantischen Anteile von Sprache und Musik werden hierdurch zerstreut und aufgelöst, wohingegen die klangtragenden vokalen Komponenten auf der längeren Zeitachse erhalten bleiben. Diffusitätsbildung des Schallfeldes entsteht u. a. durch streuend reflektierende Oberflächen, außerdem im breitbandigen Spektrum durch Beugung und Brechung an Raumstrukturen und Einbauten, z.B. der Balkone. Die Formung eines gut austarierten spektralen Nachhallzeitverlaufs wird erleichtert durch die Materialwahl der Holz-Wandflächen. Hiermit kann wichtige Tiefenabsorption vergleichsweise einfach durch Holz- und Helmholtzresonatoren reali-siert werden. Ein weiterer Schwerpunkt der akustischen Planung besteht in der besonderen „Behandlung“ tiefer, langer Wellen im Hall-feld, mit dem Ziel, eine möglichst gute Deutlichkeit des musikalischen und sprachlichen Geschehens sicherzustellen.
Wir legen zudem Wert auf gutes Selbsthören bzw. die Raumwahrnehmung auf der Bühne durch möglichst viele Direkt-Rückwürfe aus dem Raum. Der Zeitbereich < 200 ms ist hörphysiologisch primärer, und Retroreflektoren der Raumecken sowie einer Rasterdecke oberhalb der akustisch transparenten Deckensegel können Musikern und Akteuren auf der Bühne ideale Hörbedingungen schaffen. 3D-Winkelspiegel (Retroreflektoren) senden – unabhängig von ihrer Orientierung im Raum – direkte Rückwürfe zu jedem beliebigen Aus-gangspunkt im Raum zurück. Die Decke kann oberhalb der akustisch transparenten „Sichtblenden“ auf ideale Weise für weitere akusti-sche Gestaltbildungen optimiert werden (Absorption, Schalllenkung, Diffusitätsbildung).
Brandschutz
Notwendige Treppenräume und die Außentreppen am Baukörper der Oper ermöglichen kurze Rettungswegdistanzen. Außerdem wird das Gebäudeensemble in die erforderliche Anzahl an Brandabschnitten, z.B. zwischen Zuschauer- und Bühnenhaus, unterteilt. Die ober-irdischen Baukörper haben, abgesehen vom verbindenden Mittelteil, einen grundsätzlichen Abstand von mindestens 5 m zueinander und beugen so grundsätzlich der Brandausbreitung vor. Auf notwendige Flure soll durch die Bildung von Teilnutzungseinheiten bis 400 m² verzichtet werden. Die drei, während der Opernphase, miteinander verbundenen Hauptgebäudekörper befinden sich auf einem ge-meinsamen Teilkellergeschoss, welches u. a. auch eine unterirdische Großgarage aufnimmt. Die geschlossene, unterirdische Großga-rage, die Versammlungsräume, das Bühnenhaus sowie einzelne Teilbereiche, wie z. B. Atrien, erhalten Sprinkleranlagen. Bei geschoss-übergreifenden Raumsituationen, wie Atrien, soll die lokale Sprinkleranlage über die Großgarage und Versammlungsräume hinaus kom-pensatorisch ausgeweitet werden, um höhere Anforderungen an Bauteile und Abschlüsse schutzzielorientiert reduzieren zu können.
Die Räumlichkeiten der Versammlungsstätte erhalten Brandmelde- und Sprachalarmierungsanlagen. Die Aufzüge im Bereich des Thea-ters sind mit einer Brandfallsteuerung ausgestattet. Die notwendigen Treppenräume werden mit trockenen Steigleitungen ausgestattet, um der Feuerwehr den Innenangriff zu ermöglichen und Feuerwehrflächen auf dem Grundstück so weit wie möglich vermeiden zu kön-nen. Es werden nur drei separate Feuerwehrbewegungsflächen vorgesehen, welche leicht zu erreichen sind.
Außen- und Freiraumgestaltung
Die Freiraumgestaltung übersetzt die begonnenen Aktivitäten der Maker-City in eine dauerhafte Form, die ökologische Ziele und Teilha-beprozesse integriert.
Opernplatz: Der Entwurf stärkt den im "B-Plan" vorgeschlagenen öffentlichen Raum als zukünftigen großen zentralen Opernplatz östlich der Wagenhallen. In seiner endgültigen Fassung (2. Nutzungsphase) könnte dieser Platz den Gebäudeteil des neuen Opernfoyers etwa als Veranstaltungs-Pavillon partiell integrieren. Wir sind der Überzeugung, dass dieser Platz ein maßgeblich freier und gepflasterter Außenraum sein sollte, um so flexibel und vielseitig nutzbar zu sein.
Begleitende Freiräume: Die Räume rund um die Wagenhallen und ihre Nebengebäude sind gegenüber dem neuen Opernplatz als grüne und informelle Stadträume mit einem intimeren Charakter als der zentrale Platz angedacht. Verschiedene Freizeitaktivitäten, Kinderspiel-anlagen und Sportmöglichkeiten werden dort installiert. Es entstehen Orte gemischter Nutzung.
Pufferzone/Wohnen – Terrassen und Innenhöfe: Die dachseitigen Außenanlagen werden umfänglich begrünt und mit einer dezidierten Außenraumgestaltung geordnet. Bei Erfordernis von größeren Substratschichten werden Pfanztröge eingebracht.
Bepflanzung: Lineare Baumsetzungen mit klimaadaptiven Bäumen entlang der Südwest-Nordost-Achsen entsprechen den geplanten, zukünftigen Straßenzügen des festgesetzten Bebauungsplanes. Urbane Korridore gliedern das neue Stadtviertel und vernetzen die neu-en Gebäude der Pioniere Urbaner Produktion und des Quartiershubs hin zu den Bahngleisen westlich der Wagenhallen. Quer zu diesen Achsen lockern baumbestandene Platzräume den öffentlichen Räumen auf.
Regenwassermanagement: Die angrenzenden Freiflächen wurden mit einem mineralisierten Mischpflaster versehen, das den Boden für Regenwasser durchlässig macht und Hitzeeffekte abschwächt. Diese Strategie hat sich als geeignet erwiesen, etwa in Form von Kinder-spielplätzen oder Wasserfontänen, um mikroklimatisch zur Befeuchtung und Abkühlung im Geviert beizutragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfassenden schlagen für die Interimsspielstätte ein gesamtheitliches Konzept über die drei zur Verfügung stehenden Baufelder vor. Dabei homogenisiert ein Fassadenmaterial die Baukörper und macht die Interimsspielstätte zu einem wahrnehmbaren Ganzen!

Über die Staffelung der Baukörper durch die Ausbildung von verschiedenen Terrassen, insbesondere auf der 3.Ebene, welche durch eine größere Freitreppe zugänglich ist, entsteht eine sehr selbstverständliche städtebauliche Setzung, die in ihrer Höhenentwicklung sehr gut mit den benachbarten Wagenhallen und den beiden Bestandswohngebäuden harmoniert und gute Freiräume erzeugt.

Die angebotenen Plätze bieten das Potential für eine gute Aufenthaltsqualität und eine positive stadtklimatische Wirkung. Die grünen Innenhöfe der Wohnbauten bieten angemessene Spiel- und Aufenthaltsmöglichkeiten.

Kontrovers wird im Preisgericht bei diesem ganzheitlichen Konzept allerdings auch die spätere Segmentierung bzw. der Rückbau in die einzelnen Baufelder diskutiert, die die durchgängigen Terrassen zerschneiden würden bzw. alternative Steglösungen erfordern würden. Auch die Bespielung und Frequentierung der öffentlichen Terrassenebene an diesem Standort wird kritisch bewertet. Dass die Nutzung der Spielstätte als Interim nicht augenscheinlich in seiner Gestalt ersichtlich wird, wurde ebenfalls kontrovers diskutiert.

Die Interimsspielstätte wird frontal über den Wagenhallenplatz erschlossen. Das großzügige, 2- geschossige Foyer mit vielfältigen Blickbezügen ist einladend konzipiert. Der Theatersaal ist gut proportioniert, jedoch funktioniert die Parkettebene aufgrund einer zu geringen Fußbodenneigung in dieser Form nicht.

Die durchlaufende Magistrale für die Kulissen als Verbindung der einzelnen Lager zur Bühne wird den funktionalen Anforderungen gerecht und kommuniziert über die Glasfassade nach außen, was positiv gesehen wird. Der im Untergeschoss verortete Orchestersaal, der über seine 2-Geschossigkeit ebenfalls mit dem Außenraum interagieren soll, wird ebenfalls positiv gesehen.

Alle Gebäude sind extrem klar strukturiert und ordnen sich konsequent einem Achsraster unter. Mit der vorgeschlagenen Modulbauweise ist auch ein nachvollziehbarer Rückbau der Interimsspielstätte und deren Umwandlung in einen neuen Baustein in der Maker-City gewährleistet. Bzgl. der Wirtschaftlichkeit liegt der Entwurf im oberen Bereich.

Die Fassade aus vorgehängten Streckmetallpaneelen in unterschiedlichster Form wirkt noch sehr schematisch, besitzt aber durchaus großes Potential, auch in Hinblick auf immer wichtig werdende Themen des sommerlichen Wärmeschutzes. Die Verfassenden schlagen in Analogie zu Theatervorhängen eine großflächig ondulierte Fassade hoher Plastizität nach Süden vor, welche der Interimsspielstätte eine adäquate, identitätsstiftende Adressbildung gibt. Die vorgeschlagene Qualität der Südfassaden sollte sich umlaufend bei den Baukörpern wiederfinden, sodass keine Rückfassaden entstehen.

Die Wohnnutzungen sind in den oberen Geschossen um einen großzügigen Innenhof über Laubengänge organisiert und lassen gute Wohnqualitäten erkennen.

Insgesamt stellt der Beitrag einen sehr interessanten und klar strukturierten Lösungsansatz für die gestellte Aufgabe dar, der jedoch hinsichtlich seiner kritisch gesehenen Nachnutzung nach dem Rückbau der Interimsspielstätte nicht voll überzeugen kann.
Blick in das Auditorium

Blick in das Auditorium

Blick auf die dauerhaften Gebäude im Vordergrund

Blick auf die dauerhaften Gebäude im Vordergrund

Lageplan Interimszustand

Lageplan Interimszustand

Lageplan Folgenutzung

Lageplan Folgenutzung

Ansicht Süd-West

Ansicht Süd-West

Schnitt AA

Schnitt AA

Lageplan Folgenutzung

Lageplan Folgenutzung

Lageplan Interimszustand

Lageplan Interimszustand

Grundriss EG

Grundriss EG

Schnitt BB

Schnitt BB

Außenperspektive - Haupteingang

Außenperspektive - Haupteingang

Innenperspektive - Auditorium

Innenperspektive - Auditorium

Außenperspektive - dauerhafte Gebäude

Außenperspektive - dauerhafte Gebäude