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Konzeptvergabeverfahren | 07/2023

Quartier 2020 - Rattenäcker in Gottmadingen

Perspektive

Perspektive

1. Preis

Preisgeld: 19.460 EUR

KTL Architekten | Koczor Teuchert Lünz GbR | Architekten BDA Ingenieure

Architektur

freisign Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Maria Kollmann Architekten BDA Stadtplaner

Stadtplanung / Städtebau

OEKOGENO eG

Projektentwicklung

Erläuterungstext

Städtebau
Der Entwurf übernimmt mit seiner Blockrand- und Hofbebauung die städtebauliche Struktur des südlich der Hardstraße gelegen Wohnquartiers. Damit werden die Identität und der Charakter des bestehenden und neuen Areals aufgewertet und gestärkt. Die aufgelöste Blockrandbebauung greift die Maßstäblichkeit der gegenüberliegenden Siedlungshäuser aus den 50er und 60er Jahren auf. Dadurch entsteht ein ruhiger, geschützter grüner Innenhof. Durch die Hofbebauung, bestehend aus versetzt angeordneten 1-4-geschossigen Punkthäusern, die über einen gemeinsamen Laubengang erschlossen werden, entstehen maßstäbliche Nachbarschaften und interessante Platzfolgen mit hoher Aufenthaltsqualität. Das bestehende Hauptschulgebäude wird in diese Struktur integriert. Eine 4-geschossige Hochgarage und eine maßvoll dimensionierte Tiefgarage fangen an der Fliederstraße den ruhenden Verkehr am Rand des Areals ab und ermöglichen ein weitgehend autofreies Quartier mit schönen Freiraumbezügen und den Erhalt des bestehenden wertvollen Baumbestandes. Die Zeilenbebauung am Blockrand, welche unterschiedliche Wohntypologien von Etagen-, Maisonettewohnungen über Stadt- und Reihenhäusern aufnimmt sowie die Hochgarage erhalten Sheddächer. Die Sägezahn-Dachlandschaft ist eine Reminiszenz an die Geschichte der historischen Fabrikbauten der Stadt Gottmadingen.

Erschließung
Die Haupterschließung erfolgt über die Hardstraße. Dort führt ein Eingangstor, in der Achse der Zufahrt der gegenüberliegenden Bebauung, direkt auf den Quartiersplatz, an dem eine Bäckerei, soziale Sondernutzungen wie eine Seniorentagespflege und die beiden Caritas-WG‘s, die Kindertagespflege und Gemeinschaftseinrichtungen wie das Quartierscafe liegen. Weitere Zugänge führen von Norden nach Süden und Osten nach Westen entlang der Laubengänge sowie über die Platzfolgen durch das Quartier. Es entsteht ein Straßen- und Wegenetz, welche die bestehende Erschließung aufnehmen und Transparenz, Offenheit und Leben in das Areal bringen.

Architektur
Flexibilität und Vielfalt in allen Bereichen sind die architektonischen Leitideen des Entwurfs. Hierzu gehört die Konzeption neuer Gebäude und auch der Umgang mit bestehender Bausubstanz. Das bestehende Hauptschulgebäude soll zukünftig als „neues Zentrum“ des Quartiers dienen. Hier befinden sich verschiedene Nutzungen wie Kita, Quartierstreff, Gästeappartements, Co-Working Spaces und eine Caritas WG. Durch die Lage im Quartier und am neu geplanten Quartiersplatz wird diese Rolle gestärkt. Eine sehr gute Erreichbarkeit ist gewährleistet. Die Laubengänge verbinden die unterschiedlichen Gebäude im Quartier und bieten durch ihre Ausformulierung und Gestaltung die Möglichkeit diese nicht nur als reines Erschließungsbauwerk zu nutzen. Zusammen mit der Fassade der Parkgarage sollen diese strukturellen Bauteile mit vertikalen Rankbepflanzungen ergänzt werden. Schrägdächer werden als PV-Flächen genutzt, Flachdächer als Dachgärten und -terrassen. Hier befinden sich auch Aufenthaltsbereiche für die Caritas- WG’s und den Quartierstreff. Unzugängliche Flachdächer werden intensiv begrünt. Durch all diese Maßnahmen kann trotz der baulichen Dichte optimal durchgrüntes Wohnquartier entstehen. Die Gestaltung der Fassaden ermöglicht anhand der vorgeschlagenen Materialisierung eine deutliche Ablesbarkeit der Baukonstruktion. Die Dachaufbauten sind in Anlehnung an die industriell geprägte Vergangenheit von Gottmadingen als technische Aufbauten gestaltet. Die zentrale Parkgarage ist so geplant, daß sie sich zukünftig den sich etwaig ändernden Anforderungen anpassen und umgenutzt werden kann.

Wohnungstypologien und -formen
Das von der Stadt Gottmadingen gewünschte Konzept stellt in puncto Inklusives Wohnen besondere Anforderungen an die Architektur, an die zusammenarbeitenden Partner und Institutionen sowie an die Ausgestaltung des Zusammenlebens. Menschen mit Behinderung haben einerseits den Wunsch nach weitgehend selbstbestimmtem Wohnen, andererseits aber Bedarf an unterstützender Pflege und Assistenz in unterschiedlichem Grad. Daraus ergeben sich i.a.R. besondere Anforderungen an das Wohnkonzept. Der Entwurf bietet hierbei eine Vielzahl von Möglichkeiten, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. Ein Höchstmaß an Flexibilität ist gewährleistet. Der Zuschnitt von Wohnungen, Pflegebereichen und Gemeinschaftsflächen ist so gewählt, dass die Bedürfnisse nach Privatheit, Öffentlichkeit und Pflegebedürftigkeit erfüllt werden. Die Gebäude und geplanten Sonderwohnformen wie Betreuungsformen schaffen in der Innengestaltung und bei der Gestaltung der Außenanlagen Räume der Begegnung und Kommunikation. Die Flächen sind so ausgestaltet, dass ihre Nutzerinnen und Nutzer in allen Lebensphasen Teilhabe ohne Ausgrenzung genießen können. Das Motto „Vielfalt im Quartier“ wird nach außen hin architektonisch sichtbar und für Dritte erkennbar. Die Funktionalitäten im Quartier sowie die Raumplanungen fokussieren sich auf Integration und Partizipation statt Separation. Das städtebauliche Konzept befördert die Prozesse der Nachbarschaftsbildung aktiv, indem es nachbarschaftliche Kommunikation ermöglicht und inkludiert Öffentlichkeit und Nachbarschaft. Das Quartier ist durch allgemeine Durchgangswege oder Angebote nach allen Seiten hin offen und lädt damit auch die Nachbarschaft zur Teilhabe ein. Das Verkehrskonzept bevorzugt umweltverträgliche Verkehrsmittel, wie Fahrrad, Leaserad, Car-Sharing etc.. Die Parkplatzsituation wird durch eine grüne Hochgarage aufgefangen.

Nachhaltigkeit, Konstruktion und Wirtschaftlichkeit
Zielsetzung des Wohnprojekts ist es nicht nur sozial, sondern auch energetisch Vorbild und damit federführender Anbieter einer Quartierslösung zu sein. Deshalb ist geplant, den Energiebedarf im Quartier durch eigene zentrale Erzeugung von Strom und Wärme bereitzustellen und dabei ökologisch einwandfreie Techniken einzusetzen. Angestrebt wird eine, zu der Region passende, besonders ökologische Bauweise mit nachwachsenden Rohstoffen sowie recycelten Baustoffen. Geplant ist dabei eine Bauweise in Vollholz oder als Holz-Hybrid-Bauweise. Für das neue Quartier wird ein Mobilitätskonzept erarbeitet, welches unter Anderem einen Mobilitätshub mit diversen Leihangeboten im Zweiradbereich beinhaltet. Auch sind einige Mobility-PKW als Carsharingangebot vorgesehen.

Energiekonzept
Unter dem Eindruck der derzeitigen Energiepreise, wird dem Energiekonzept für das Quartier ebenfalls große Bedeutung zukommen. Es wird ein hybrides Heizsystem unter Einbindung der bestehenden Hackschnitzelheizung der Hauptschule zur Spitzenlastabdeckung vorgesehen. Das primäre Heizsystem erfolgt über Luft-Wasser-Wärmepumpen, die durch den von der PV-Anlagen auf den Shed- und Satteldächern gewonnenen Strom betrieben werden. Zudem soll dieser bei einer etwaigen Überproduktion mittels Akkus zwischengespeichert werden. Auch ist die Nutzung des Stroms für vergünstigte Miet-Strommodelle vorgesehen.

Barrierefreiheit
Durch die geschickt platzierten und integrierten vertikalen Erschließungen kann mit einem Minimum an Erschließungskernen gearbeitet werden. Sämtliche Wohnungen mit Ausnahme der Reihenhäuser können barrierefrei erreicht werden. Je nach Ausbildung der Nasszellen kann somit auch eine größtmögliche Anzahl an barrierefreien Wohnungen realisiert werden. Sämtliche Höhendifferenzen im Außenbereich können entweder mit Rampen oder Liften überwunden werden.

Rettungskonzept
Aus sämtlichen Einheiten, egal ob Wohnungen, Gewerbe oder Gemeinschaftseinrichtungen kann direkt nach Außen ins freie geflüchtet werden. Die geforderten Fluchtwege können durch die Platzierung der Treppenhäuser gewährleistet werden. Eine notwendige Zugänglichkeit für die Feuerwehr zum Quartiersplatz ist gegeben.

Freiraumkonzept
Das neue Quartier präsentiert sich nach innen und außen Grün. Vorhandene Straßenbäume werden mit neuen ergänzt und rahmen es an drei Seiten ein. Ein Vegetationsfilter aus Kleissträuchern bildet eine einheitliche Vorzone zum Straßenraum. Der zentrale Quartiersplatz öffnet sich zur Hardstraße und nimmt Bezug zur gegenüberliegenden Bebauung. Die Bestandsbäume werden in das neue Baumdach aus Kiefern einbezogen. Pflanzstreifen aus Ziergräsern verbessern die Baumstandorte, in dem sie für lockeren, feuchten Boden sorgen. Außerdem gliedern sie den Platz und lassen Aufenthaltsnischen entstehen. Das Grüne Band schlängelt sich durch das Quartier und bringt ein Stück Natur ins urbane Gebiet. Ausgebildet wird das Band durch einen Graben, der zur Retention und Versickerung des Regenwassers dient. Eine dichte Vegetation aus mittel- und kleinwüchsigen Weiden sowie Wildstauden sorgt schon bald für ein üppiges Bild.

Obstbäume begleiten die kleinen Wege und können durch Patenschaften gepflegt werden. Neben dem Quartiersplatz entstehen immer wieder kleine Plätzchen als Treffpunkte und Zonen für die Gemeinschaft. Hier kann gespielt, gegärtnert oder gefeiert werden. Wo es möglich ist, erhalten die EG-Wohnungen durch Holzzäune abgetrennte private Gärten. Die Gärten für spezifische Nutzungen werden einheitlich mit Hecken eingefasst. Für die Beläge wird mit gebrauchten Materialien gearbeitet, wie Platten und Pflaster. Beton- und Naturstein kann z.B. je nach Menge in Streifen verlegt werden und erzeugt ein lebendiges, vielseitiges Bild. Die Hardstraße wird zur neuen Spielstraße. Die Fahrbahn wird partiell durch Grünstreifen verschmälert. So wird gleichzeitig der Verkehr entschleunigt und das Straßenwasser im Sinne der Schwammstadt versickert. Geparkt wird im Parkhaus und entlang der Nelken- sowie Fliederstraße. Dies entlastet die neue Spielstraße die dann als solche genutzt werden kann. Neben den großzügigen Fahrradstellplätzen im Parkhaus, finden sich immer wieder Fahrradräume in den Gebäuden, sowie Besucherstellplätze im Freien. Abfallstationen werden in Form von zukunftsorientierten Unterflurcontainer an den Ein- bzw. Ausgängen des Quartiers vorgeschlagen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Dem neuen Quartier 2020 Gottmadingen gelingt es souverän mit seiner Blockrand- und Hofbebauung die städtebauliche Struktur des Nachbarquartiers an der Hardstrasse aufzunehmen, angemessen weiterzuführen und gekonnt mit neuer Architektursprache aufzuwerten. Besonders hervorzuheben ist die Maßstäblichkeit der Gebäude, die die Körnung der umliegenden Wohngebäude widerspiegelt. Die angedachten Dachlandschaften mittels Sheddachs, Satteldachstrukturen und Flachdächern verbindet einerseits mit dem Kontext und liefert andererseits eine Vielfältigkeit, die wohltuend ist.

Die Haupterschließung erfolgt über einen gut proportionierten Quartiersplatz, der mit seinen anschließenden spannungsvollen Platzabfolgen überzeugt und wie selbstverständlich am umgenutzten Hauptschulgebäude als neue Quartiersmitte vorbeiführt. Flankiert wird folgerichtig diese neue Mitte von öffentlichen Nutzungen wie Bäckerei, soziale Sondernutzungen und Gemeinschaftseinrichtungen. Lediglich der große Fahrradabstellbereich am neuen Platz wirft Fragen auf und hier wäre eine Nutzung für die Gemeinschaft besser.

Im neuen Quartiershaus werden selbstbewusst Nutzungen wie Kita, Co Working-Spaces, Quartierstreff, Gästeappartements und Caritas angeordnet. Der neue Treff auf dem Dach mit großzügiger Dachterrasse lässt eine hohe Aufenthaltsqualität erwarten, allerdings sollte dieser Treffpunkt im Erdgeschoss mit direktem Zugang für alle angeordnet sein. Der ruhende Verkehr für das neue Areal wird konsequent in der neuen Sammelgarage angeordnet, die sich im Norden platziert. Dieser Vorschlag überzeugt hinsichtlich der Idee aber nicht hinsichtlich der Organisation. Die Anordnung der Parkplätze und Zuwegung könnten effektiver sein und die Ausweitung des Tiefgaragengeschosses Richtung Osten wird kritisch gesehen.

Die Entscheidung zwei Townhouse Spangen am nördlichen Quartiersrand anzuordnen und den Wohnungsgeschossbau als Laubenganghäuser in unterschiedlichen Körnungsgrößen auszubilden, überzeugt nur teilweise. Kritisch diskutiert wird die konsequente Anbindung aller Häuser an das Laubengangsystem und kleinere Einheiten wären hier wünschenswert. Besonders sensibel sind hier die Schnittstellen zwischen öffentlichen Erschließungszonen und Individualbereiche der Wohnungen. Die Idee den Laubengang als Kommunikationszone auszubilden, wird einerseits positiv bewertet, anderseits sind nicht alle Übergangsbereiche konfliktfrei ausgebildet. Zusätzlich wird das direkte Verbinden des Laubengangs von Sammelgarage und Wohnungsbau kritisch gesehen und die hier entstehende Lärmbelastung für alle muss geprüft werden.

Das Freiraumkonzept mit seiner starken Durchgrünung, dem Erhalt des Baumbestandes und der Idee des Grünen Bands überzeugt. Die rigide Abtrennung der im Erdgeschoss angelagerten privaten Außenbereiche mittels Einfriedung ist nicht zwingend nachvollziehbar.

Die hier vorgeschlagenen gut ausgearbeiteten Wohnungstypologien überzeugen und bieten ein attraktives Angebot für vielfältige Lebenssituationen. Mit klar organisierten Grundrissen werden die unterschiedlichen Wohnansprüche erfüllt. Diese klare Organisation von Räumen wird in allen Wohnformen, den Sozialeinrichtungen inklusive Kita und Krippe konsequent und ruhig weitergeführt und somit ist ein gemeinschaftliches und inklusives Wohnen für alle möglich.

Die Haltung „Vielfalt im Quartier“ wird in der Ausformulierung der Fassaden fortgeschrieben und überzeugt durch eine ruhige, aber differenzierte Handschrift im Erscheinungsbild. Die präzise Ausarbeitung von Tragwerk und Fassade in Holz überzeugt und punktet hinsichtlich der Nachhaltigkeit.

Die vorgeschlagene Grundstücksaufteilung trifft leider nicht den gewünschten Schlüssel und auch die Anzahl der Wohneinheiten ist im unteren Bereich.

Die energetischen Anforderungen sind durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung und die Holzhybridbauweise weitgehend eingehalten. Die Nutzung der Solarenergie auf den Dächern ist noch nicht optimal. Ein Aspekt ist die Weiternutzung der Holzheizung und der vorhandenen Technikräume der Hauptschule. Die Kombination mit Wärmepumpen wird kritisch gesehen, eine Verbindung mit dem Nahwärmenetz sollte alternativ geprüft werden. Insgesamt ein guter Beitrag zum Erreichen der Nachhaltigkeitsanforderungen.

Das neue „Wohnquartier für Alle“ in Gottmadingen überzeugt mit angenehmer Maßstäblichkeit, präziser städtebaulicher Setzung grünen Innenhöfen und souveränen Übergängen an den Quartiersrändern. Den Verfasserinnen gelingt es vielfältiges Wohnen mit Identität zum Ort anzubieten, bestimmte Bereiche bieten noch Potential einer näheren Betrachtung und Überarbeitung.
Perspektive

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Lageplan

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Modellfoto

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