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Award / Auszeichnung | 06/2023

Hugo-Häring-Auszeichnung 2023 BDA Kreisgruppe Neckar-Alb

Die ehemalige Zehntscheuer in der historischen Umgebung (alte Schule, Backhaus).

Die ehemalige Zehntscheuer in der historischen Umgebung (alte Schule, Backhaus).

Zehntscheuer Tübingen-Derendingen

DE-72072 Tübingen, Sieben-Höfe-Str. 147

Preis

Architekturbüro Manderscheid

Architektur

Felix Mildner Tragwerksplanung

Bauingenieurwesen

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    865m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2018
    Fertigstellung: 01/2020

Projektbeschreibung

Die 1500 erbaute ehemalige Zehntscheuer bildet zusammen mit der spätgotischen Galluskirche, dem ehemaligen Dorfschulhaus und dem Wasch- / Backhaus den Ortskern von Derendingen. Dieses ursprüngliche Straßendorf mit vielfältigen historischen Wurzeln ist heute Teil der Universitätsstadt Tübingen.
Eine Gruppe von drei Familien erwarb das Gebäude und ließ sich auf das Wagnis einer Baugemeinschaft in einem Kulturdenkmal ein. Es entstanden zwei Familienwohnungen, eine vermietete kleine Wohnung und Räume für unser Büro.
Bei der grundlegenden Umnutzung der Scheune, die keine nennenswerten Veränderungen im 20. Jahrhundert erfahren hatte, war der überlieferte Bestand die entscheidende Leitschnur. Dabei ging es neben dem Erhalt der Substanz des bauzeitlich Eichenfachwerks (inkl. seiner diversen historischen Reparaturen) genauso um die Erlebbarkeit der alten Raumwirkung.
Die spiegelsymmetrischen Tennen sind mit ihrer Höhe in den Wohnhallen erhalten und die ehemaligen Scheunentore erlauben eine großzügige Belichtung.
Im Büro und den Dachräumen der Wohnungen erkennt man, dank einer Aufsparrendämmung, den großzügigen Lagerraum unter dem historischen Dachstuhl. Die Dachfensterbänder, die über den erhaltenen Sparren durchlaufen, geben zu erkennen, dass das Gebäude nachweisbar nie Dachgauben hatte.
Das Sichtfachwerk bleibt durch einen kapillar aktiven Innendämmputz und eine angepasster Baukonstruktion im Ortsbild sichtbar. Neue Fassadenöffnungen sind zurückhaltend in rechteckige Gefache eingefügt. Die Sonderkonstruktion der Fenster liegt versteckt hinter den Balken in der Dämmputzebene.
Unter den gegebenen Randbedingungen wurde energetisch ein KFW-Denkmal-Niveau erreicht. Grundlage waren die denkmalpflegerisch und baukonstruktiv intensiv abgestimmten Maßnahmen wie eine Dach- und Bodenplattendämmung in Neubauqualität, eine bauphysikalisch maximierte Innendämmung, hochgedämmte 3-Scheiben-Wärmeschutzfenster, eine kontrollierte Belüftung und eine Flächenheizung mit niedrigem Vorlauf und Vorrichtung zum Anschluss an zukünftige Fernwärme.
Ergänzend sind der Erhalt der grauen Energie der erhaltenen Konstruktion und die intensive Verwendung von neuem Holz zu beachten.
An heißen Sommertagen gewährleistet eine Nachtlüftung, auf Basis von thermischer Höhenunterschiede, ein sehr angenehmes Raumklima.
Es wäre wünschens wert, wenn diese Sanierung Anregung zur Umnutzung anderer Scheunen ist, anstatt diese durch ortsbildzerstörende Neubauten zu ersetzen, was zu oft geschieht.

Beurteilung durch das Preisgericht

So schwierig es ist, eine einträchtige Baugemeinschaft zu bilden, so kompliziert klingt es, dafür auch noch ein über 500 Jahre altes Kulturdenkmal zu nutzen – hier die Zehntscheuer im Tübinger Stadtteil Derendingen. Sich ihrer anzunehmen, barg Risiken, was nur mit herausragender Kenntnis alter Bausubstanz, klug durchdachten räumlichen und konstruktiven Konzepten sowie kenntnisreicher Detaillierung gelingen kann. Die Scheune lässt außen deutlich erkennen, dass pragmatisch in die Substanz eingegriffen werden musste – etwa bei der Öffnung der Fassade für die Belichtung der Tennen. Innendämmung und neue Fenster in rechteckigen Gefachen bewahren den Charakter des Gebäudes. Dass es aber deutlich verändert werden muss, um bewohnbar und ein Effizienzhaus weit über Normen zu werden, wird nicht verhehlt. Der Architekt wohnt mit Familie in einem Teil der Scheune – und wie hier die Wohnansprüche der Substanz angepasst wurden, zeigt eine architektonische Klasse, die zeitgenössisches Wohnen abseits aller Moden überraschend und beneidenswert interpretiert.
Die ehemaligen Scheunentore belichten die Wohnräume der beiden Familienwohnungen.

Die ehemaligen Scheunentore belichten die Wohnräume der beiden Familienwohnungen.

Die kleine Wohnung wird über den Fahrradschuppen erschlossen.

Die kleine Wohnung wird über den Fahrradschuppen erschlossen.

Nachtansicht

Nachtansicht

Die Familienwohnungen haben einene Ausgang in den rückwärtigen Garten.

Die Familienwohnungen haben einene Ausgang in den rückwärtigen Garten.

Der Eingang in die kleine Wohnung.

Der Eingang in die kleine Wohnung.

Ein Wohnraum in der ehemaligen Tenne.

Ein Wohnraum in der ehemaligen Tenne.

Ein Steg erschließt die Kinderzimmer.

Ein Steg erschließt die Kinderzimmer.

Einbaumöbel sorgen für Stauraum.

Einbaumöbel sorgen für Stauraum.

Die Fliesen wurden von der Bauherrin selber glasiert und nach selber gestaltetem Fliesenspiegel verlegt.

Die Fliesen wurden von der Bauherrin selber glasiert und nach selber gestaltetem Fliesenspiegel verlegt.

Im Büro, im Dachstuhl, kann man gut den ehemaligen großflächigen Lagerraum erleben.

Im Büro, im Dachstuhl, kann man gut den ehemaligen großflächigen Lagerraum erleben.

Die Treppe ist abgehangen...

Die Treppe ist abgehangen...

...und hängt frei über dem geglätteten Estrich.

...und hängt frei über dem geglätteten Estrich.

Die senkrechte Holzschalung streckt die Räume im historischen Eichendachstuhl.

Die senkrechte Holzschalung streckt die Räume im historischen Eichendachstuhl.