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Offener Wettbewerb | 07/2023

Erinnerungs- und Zukunftsort der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Erlangen

perspektive hain

perspektive hain

ein 2. Preis

Preisgeld: 14.000 EUR

dressler mayerhofer rössler architekten und stadtplaner

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

liebald+aufermann landschaftsarchitekten und stadtplaner PartG mbB

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

unodue{ architektur

Szenographie

Erläuterungstext

die leitidee
unser forum der erinnerung und zukunft setzt sich aus folgenden sehr einfachen komponenten zusammen:

„zwei bestehende gebäude werden durch einen weg verbunden“.

- MAX: als begegnungsort für bürger*innen, zufällig vorbeikommende, für besucher*innen des forums und für mitarbeiter*innen der nachbarinstitute.
- SCHWABACH: als museum, gedenkort und institutsgebäude
- WEG: der vebindende weg unter einem baumdach fĂĽhrt besucher durch geschichte und zukunft

„alle drei elemente werden durch ein natürliches haindach verbunden“

- HAIN: das baumdach als heilsame spange zwischen vergangenheit und zukunft

an den jeweiligen orten und schnittstellen entstehen berĂĽhrungspunkte fĂĽr die themen:
- treffen…begegnen…austauschen
- erinnern…mahnen
- forschen…dokumentieren…zukunft gestalten
- bilden…lernen
- erholen

der HAIN
in seiner mehrfachen lesart stellt das verbindende element dar zwischen vergangenheit und zukunft und zwischen dem didaktischen charakter des ortes und seiner funktion als erholungsort fĂĽr die umgebenden institute.
der hain
der klar abgegrenzte hain mit seinem grossen baumdach aus bestehenden und neu angepflanzten bäumen bildet das bindeglied des neuen erinnerungs- und zukunftortes. die alten bäume dürfen bestehen bleiben. die neuen bäume ergänzen den hain und wachsen in die zukunft. sie entsprechen nicht der wuchs-norm einer baumschule. der heimische baumbestand wird erweitert mit „eingebürgerten, standortgerechten, gebietsfremden, fremdländischen“ baumarten. gastbaumarten, die ein wichtiger baustein einer klimaanpassungsstrategie sein können. markante baumbefestigungen an den kleinen neupflanzungen definieren bereits zu beginn den raum des hains. die bäume können sich ihrem natürlichen potential entsprechend frei entfalten. auf metaphorischer ebene stehen sie für vielfalt und diversität…dem gegenteil des nationalsozialistischen aussortierungswillens.
der hain ist neben seiner symbolischen lesart aber auch als grüner aufenthaltsraum für die umliegenden institute und für die gesamte öffentlichkeit nutzbar. er ist schattiger rückzugsort, klimawald, lebensraum und wird durch die naturnahe gestaltung ein wichtiger freiraum im kontext der stadt. die freiflächen stehen allen – pflanze – mensch – tier - zur aneignung zur verfügung..
hier kann auf einer zweiten ebene erholt, gespielt, diskutiert oder einfach nur ein spaziergang gemacht werden. der hain ausserhalb der norm schafft einen ungewöhnlichen ort. der mahn-, dokumentations- und erholungsraum in einem sein kann.

maximilianplatz 2
das besucherzentrum am maximiliansplatz schafft als landmark – textmark den künstlerischen einstieg zur HUPFLA. als im stadtraum gut sichtbares gebäude wird es als für die stadt neu gewonnener ort zum gesicht des forums.
hier werden ein inklusives cafe mit inklusiver kaffeerösterei, eine galerie für inklusive kunst (ähnlich dem museé d’art brut in lausanne), begegnungsräume im 1. OG für seminare (bildung und lernen) und ein multimedialer veranstaltungsraum/multifunktionshalle angeordnet. begegnung, kunst, klulinarik schaffen hier den einstieg. es dient als niederschwelliger für jeden offener attraktor… einfach nur als begegnungsort zum kaffeetrinken oder als auftakt des musealen weges.
im neu angefügten erweiterungsbau beginnt der museale weg. hier gibt es aufenthaltsmöglichkeiten für gruppen. man wird als besucher*in mit ersten informationen, einem modell der historischen anlage, filmischem prolog empfangen und mit einem audioguide auf den weg geschickt.

der weg
auf einem leicht erhöhten band kann man sich als besucher*in mit audioguide in mehreren sprachen auf den weg machen – vom maximilian durch den „hain der zukunft und des erinnerns“ bis zur schwabachanlage. dort endet das wegeband im historischen gebäude. auf ihrem spaziergang erfahren die besucher*innen wissenswertes zur entstehungsgeschichte, zur reformpsychatrie, zur geschichte wie auch zur weiteren entwicklung auf dem heutigen areal. interviews mit zeitzeugen aus der vergangenheit oder heutigen forschern zur ethikthematik machen somit den ort hautnah erlebbar. der audioguide ermöglicht so den akustischen parkour immer wieder an neue forschungsergebnisse anzupassen.
das bodenrelief mit den gebäudegrundrissen aus originalem abbruchmaterial macht die historische HuPfla vor ort sichtbar und damit die nicht mehr spürbare dimension der anlage. für die betrachter*innen wird geschichte verortbar. die kargen abbruchflächen bieten platz für sukzession, pflanzengemeinschaften siedeln sich an und verändern sich, leben und zeit werden sichtbar, grenzen verwischen.
an einzelnen stellen können vor ort über den audioguide in einfacher sprache informationen abgerufen werden. so wird geschichte aus der zeit der reformpsychatrie (z.b. lage der nutzgärten), aus der zeit der opfer und täter (patienten- oder behandlungszimmer) oder die entwicklung der nachkriegszeit (umliegende instituts- und forschungsgebäude) sichtbar gemacht.
der ort soll seinem anspruch gerecht werden, einen aufklärerischen/diskursiven charakter auszubilden denn reiner gedenkort zu sein.

die schwabachanlage
am ende des weges gelangt man zur schwabachanlage. als authentischer dokumentations- und gedenkort beherbergt sie verschiedene teile des campus der erinnerung und der zukunft.
die schwabachanlage ist als wichtiger authentischer ort in folgende topoi geteilt:
- der didaktisch museale ort: hier werden timeline und geschichte der HUPFLA in authentischen räumen als dauerausstellung visualisiert
- der erinnerungsort: hier wird den tragischen schicksalen in form von persönlichen geschichten raum gegeben.
- der spirituelle ort: ein gedenkraum als individueller rĂĽckzugsort fĂĽr die besucher*innen der auf kĂĽnstlerische weise vergangenheit und zukunft thematisiert.
- der ort fĂĽr sonderausstellungen: forum fĂĽr aktuelle themen aus geschichtsforschung und medizinethik
- der wissenschaftliche ort: bĂĽros fĂĽr die dokumentationsstelle und lehrtstuhl fĂĽr medizinethik mit eigener bibliothek.

architektonisch sollen sich die räume des forschens und dokumentierens möglichst niederschwellig und gläsern in das ausstellungskonzept einfügen. die abgeschnittenen gebäudekanten als „gebäudewunden“ lassen sowohl von aussen als auch von innen die ursprüngliche dimension der anlage erahnen. im untergeschoss werden einige räume der hungerkost rekonstruiert.

ausserhalb der norm
das übergeordnete gestalterische thema unseres konzpets für den campus ist „ausserhalb der norm“. seien es die auswahl der materialien oder die auswahl der ungewöhnlich „ausserhalb der norm“ gewachsenen bäume. vielfalt und diversität sollen überall spürbar sein. das thema soll als versöhnung und erlebbarmachen von einer welt „ausserhalb der eigenen norm“ verstanden werden, als integration von diversität in den eigenen lebenszusammenhang anstelle von ausgrenzen von allem, was „ungewöhnlich“ ist. die besondere auswahl der pflanzen, die ausformulierung der wegeoberflächen oder die anmutung der neuen und alten gebäude erzählt davon.

die gebäudewunde
die verbleibenden historischen gebäude sollen möglichst im bestandzustand mit einzelnen ablesbaren rekonstruktionen erhalten werden. an den abgeschnittenen gebäudekanten entstehen neue abstrakte gebäudevolumen, die sich an den abgebrochenen historischen volumen orientieren. sie erweitern bestehende räume (schwabachanlage) oder errichten einen neuen musealen raum (maximilianplatz 2). abstrakt, objekthaft, ein material für dach und wand verwendend, werden diese zu symbolischen gebäudewunden ausformuliert. so entstehen an den giebelseiten schnittreliefs aus cortenstahl, sie weisen über sich hinaus und verdeutlichen ihre denk- und mahnmalfunktion genauso, wie sie auch den in die zukunft weisenden inhalten einen würdevollen rahmen geben.
beide gebäude erhalten einen freistehenden aufzugsturm, um die anlagen barrierefrei zu erschliessen.

der rote faden
das materialkonzept der gebäudewunden wird im erweiterten betrachtungsraum als lokale intervention im stadtraum fortgeführt (altstädter friedhof, bahnhof, amtsgericht, frauenklinik…). hier sollen infostelen an den historisch relevanten orten den unbeteiligten flaneur irritieren, zum nachdenken anregen und somit orte entstehen lassen, die etwas zu erzählen haben.
das wiedererkennbare grundgerüst stellt eine stele mit bodenplatte aus cortenstahl dar. an der stele befindet sich ein informationsträger für schrift (analoge information) und verlinkbarem digitalen code (digitale audioinformation), welche auf die individuellen schicksale des jeweiligen einzelortes eingehen. die bodenplatten passen sich den im städtischen raum vorhandenen pflastersteinen an und breiten sich scheinbar in den stadtraum aus. in den platten reliefartig versenkte trittspuren machen täter*in und opfer sichtbar. die anordnung der fussabdrücke transportiert symbolhaft die gefühle der ehemaligen patient*innen (ausgeliefertsein, entmachtetsein, in einer warteschlange stehen).
das baukastenprinzip der stelen lässt sich auf andere orte, die in zukunft von wissenschaft und stadtgesellschaft identifiziert werden, übertragen...zentralfriedhof, chirurgische klinik, gut eggenhof...
cortenstahl, abbruchmauern oder waldboden, symbolträger mit patina spinnen einen roten faden zwischen vergangenheit und zukunft. so schaffen der campus und die interventionen im stadtraum eine klammer zwischen zukunft und erinnerung. die besucher*innen durchleben verschiedene räume des gedenkens, lernens und forschens in einem ort des „reflektierten geschichtsbewusstseins“, welcher in der stadtgesellschaft erlangens endlich verankerung erfährt.

Beurteilung durch das Preisgericht


lageplan baumdach

lageplan baumdach

perspektive maximilian

perspektive maximilian

lageplan bodenrelief

lageplan bodenrelief

eingangsgebäude

eingangsgebäude

schwabachanlage grundriss

schwabachanlage grundriss

schwabachanlage ansichten

schwabachanlage ansichten