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Einladungswettbewerb | 07/2023

Assistenzbau zur Villa Baltic in Kühlungsborn

Visualisierung

Visualisierung

3. Preis

Preisgeld: 15.915 EUR

TCHOBAN VOSS Architekten GmbH

Architektur

JKL PartG mbB Landschaftsarchitekten und Stadtplaner Prof. Dirk Junker & Lennart Harmeling

Landschaftsarchitektur

AMA Brandschutz

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

+ Der Ort/ Genius Loci

Kühlungsborn / 05.05.23 / 11.00 Uhr / 16 Grad / frischer Wind

Wir betreten den Ort, spüren den Genius Loci - die Villa Baltic steht wie ein sturmerprobtes Bollwerk im Park und erzählt von einer anderen, opulenten Zeit.
Die Bäume des Parks tanzen, die Räume fließen, der Blick zur See öffnet sich…
Architektur trifft Natur / Orthogonalität trifft freie Form - wie sollte eine Bebauung in diesem Umfeld erlebbar sein? Harte Kante oder weiche Linie?

+ Die Idee

Unsere Entwurfsidee nimmt die Radialität und Kreisförmigkeit der ortsbildprägenden Baumcluster, sowie die Rundungen der Villa Baltic auf. Daraus entwickelt sich eine, wie „vom Wind geformte“ und aus dem Kontext entwickelte, eigenständige Kubatur.
Als räumliches Volumen nimmt sich die Kubatur im Vergleich zu einem „orthogonalen Block“ zurück und fügt sich in die umliegende Baumstruktur des als „Grünes Herz“ bezeichneten Parks subtil ein.
Die Traufkanten „fließen“ in ihrer perspektivischen Wirkung in den Park hinein und lassen das Volumen insgesamt kleinmaßstäblicher wirken.

Die räumlichen Bezüge und Blickbeziehungen in und aus der Umgebung, aus Landschaft, See und Nachbarschaft werden dadurch maximal erhalten.
Mit Hilfe der geschwungenen Kubatur, werden Sicht- und Erlebbarkeit des Hotels gestärkt und diese lädt ferner auch zum Flanieren ein. Die fließenden Fassaden und sich stetig verändernden Blickbeziehungen lassen den Baukörper damit zu einem „Sinnerlebnis“ im Park werden.

+ Der Entwurf

Der Assistenzbau wird wie gefordert durch die Villa im ersten Obergeschoss über einen durchlässigen Verbindungsgang, eine Art „Gangway“ erschlossen. Auf der Basis von vier Kreisen, die „wie eine Baumgruppe zusammenstehen“, werden die unterschiedlichen Funktionen des Hotels miteinander verwoben. Ein zentrales Treppenhaus als Ort der Ankunft im nördlichsten Ring inszeniert die vertikale Erschließung zu einem identitätsstiftenden Ereignis.

Erdgeschoss
Das Erdgeschoss wird seeseitig von einem an den öffentlichen Flächen orientierten Plateau gerahmt. Eingebaute Sitzstufen und Rampen schaffen einen barrierefreien Übergang vom Park zum Hotel mit hoher Aufenthaltsqualität.
In den nordwestlichen Ringen sind Bar, Restaurant, Läden, Shops und Konferenzräume positioniert. Die südöstlichen Bereiche beinhalten den SPA-Bereich mit einer Landschaft aus Pool, Saunen, Wellness und Ruheräumen.
Ein geschwungener Boulevard verbindet die Funktionen zu einem spannenden Raumerlebnis - die Nutzungen gehen fließend ineinander über.
Ein kreisförmiger Außenpool erweitert das Angebot „Schwimmen im Park“.

Obergeschosse
Ab dem ersten Obergeschoss entwickelt sich der Baukörper seine geschwungene Figur aus drei miteinander verschmolzenen Kreisen. Hier beginnen die Zimmergeschosse des ersten und zweiten Obergeschosses mit individuellen Blicken in die unmittelbaren (Stadt-) Landschaften.
Jedes Zimmer hat Blickbeziehungen zu See, Park, Villa Baltic oder in die Stadt und durch die geschwungene Form wird ein Höchstmaß an Zimmern mit Meerblick erzielt Durch das Zurückweichen des Volumens oberhalb des Gastronomiebereich entsteht eine nutzbare Dachterrasse.
Der (Durch-)Blick zur See wird maximiert, im Übrigen auch für die südlich gelegenen Nachbarn. Alle 105 Zimmer erhalten eine windgeschützte Loggia und damit einen privaten Außenraum.
Das dritte Obergeschoss staffelt sich umlaufend zurück und mildert dadurch die räumliche Höhendominanz des Baukörpers. In diesem Bereich sind die Juniorsuiten und Suiten lokalisiert.
Das zurückgesetzte Dachgeschoss erhält eine umlaufende Bepflanzung aus Dünengräsern. Die bauliche Masse wird dadurch gemildert und der obere Baukörperanschluss zu einer grünen (Baum-) Krone transformiert.
Die Anlieferung mit Personalräumen erfolgt, von den Hecken geschützt, über den südlichen Ring unmittelbar an der dortigen Zu-/Abfahrt der Tiefgarage.
Dort sind die notwendigen Park- und Fahrradstellplätze, sowie diverse Technik- und Lagerflächen verortet. Die Anfahrt erfolgt über die südliche Poststraße, wie in den Voruntersuchungen geprüft.

+ Freianlagen
Das Prinzip der kreisenden bzw. fließenden Formen wird in den Freianlagen behutsam fortgesetzt.
Ein Außen Pool vor dem südlichen Spa-Bereich, sowie ein Staudengarten zwischen Villa und Assistenzbau spiegeln die geometrischen Formen des Baukörpers im Freiraum wider. Ein runder Springbrunnen im nördlichen Bereich der Villa zur Promenade könnte eine sinnhafte Fortsetzung dieses Themas sein, um das historische Bild erneut aufleben zu lassen.
Die vorhandene Hecke wirkt als Sichtschutz für den Spa- und Anlieferungsbereich und könnte als bestehende, raumbildendes Gestaltungselement weiterentwickelt werden.
Sämtliche Dachbereiche werden mit einer extensiven Dachbegrünung geplant.

+ Konstruktion / Fassade
Die Konstruktion erfolgt in Schottenbauweise aus Holztafelwänden mit aussteifenden Kernen aus Stahlbeton, sowie quergespannten Holzhybriddecken zwischen den radialen Holzhybrid-Schotten der Zimmer.
Tragende Vollholz-Bauteile, sowie Stahl-/ Stahl-Beton Elemente werden gemäß Statik ausgeführt.
Die Gebäudehülle der Zimmer wird als hinterlüftete Warmfassade mit wetterresistenten Keramikplatten (gem. WSchNw/ ENEV) vorgeschlagen.
Denkt man an die Fassaden der Außenhaut werden automatisch die Bilder der weißen Holzveranden der Ostseebäder präsent.
Wir haben uns im Entwurf für eine wetterresistente Verkleidung mit grauweißen, glasierten Keramikplatten entschieden, die durch ihre gewellte Form sowohl maritime Assoziationen zur See wecken, als auch das Licht und die Umgebung täglich neu reflektieren.
Der Brandschutz wird baulich gelöst. Insgesamt ist der Entwurf des Gebäudes der Gebäudeklasse 3 mit nur zwei Treppenhäusern und zwei Brandabschnitten organisiert. Als geschossübergreifendes Bauteil wird der vertikale nördlichen Kreis des Haupttreppenhauses als ein Brandabschnitt ausgebildet. Der zweite Brandabschnitt erfolgt über horizontal geschlossene Decken in den verbleibenden drei Ringen.

+ Energie/Nachhaltigkeit
Die Ausführung der Gebäudekonstruktion erfolgt in Holz-Misch-Hybrid Bauweise bzw. mit Holz-Modul-Elementen (Schotten und Nasszellen) für die Zimmergeschosse.
Bei Gebäudedämmung werden klimafreundliche Baustoffe verwendet.
Die Rezyklierbarkeit erfolgt nach den Prinzipien des „Cradle-to-Cradle“-Prinzips.
Es wird eine Reduzierung des Heizwärmebedarfs angestrebt, als Standard wird der Effizienzhaus 55 nach GEG 2023 angesetzt.
Für die Lüftung ist ein nutzungsabhängiges Lüftungskonzept: Kombination aus natürlicher Belüftung, thermischer Durchströmung und mechanischer Belüftung mit Wärmerück-gewinnung geplant.
Die Deckung der Warmwasser- sowie Heizbedarfe könnte durch den Anschluss an das lokale Fernwärmenetz der Stadtwerke Rostock gelöst werden.
Sämtliche Dachflächen erhalten Photovoltaik- oder Solarthermie-Anlagen, sowie eine flächendeckende Dachbegrünung mit Regenwasserspeicherung.

In den Außenanlagen werden versiegelungsoffene Beläge eingebaut und Aspekte der Biodiversität und Animal-Aided-Design berücksichtigt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser:innen der Arbeit setzen eine amorphe Form aus drei auf kreisförmig und verschmolzenen / sich überlagernden Grundrissen entwickelten viergeschossigen Baukörpern in den Park neben die Villa Baltic. Ein vierter, eingeschossiger Kreis, wendet sich der Südfassade der Villa zu.

Dieses städtebauliche Konzept ist eine starke Geste, eher zum Park als zur Villa und der Bebauungsstruktur in Kühlungsborn-West. Die Jury erkennt hier den Kontrast der Grundform zur Villa, hergeleitet aus den Baumstrukturen, an. Es wird jedoch auch die Gefahr einer starken Eigenständigkeit der Neubauform gesehen. An die Stelle von ´Assistenz´ des Neubaus zur Villa tritt dominante Konkurrenz als Gefahr im Ortsbild auf. Diese Gefahr wird durch die gewählte, expressive Keramikfassade verstärkt.

Die Jury anerkennt eine sehr gute Umsetzung des Raumprogrammes im Assistenzbau in zumeist sinnfälligen Raumfolgen und Funktionsverbindungen. Die Anordnung und Ausrichtung der Funktionen gewährleistet über entstehende Außenräume eine gute Anbindung an die Villa und Einbindung in den Park. Der Staudengarten fungiert als Empfangsbereich mit dem Hotelzugang in die Villa von Süden und einem Fußgängerumgang nordwestlich um die Villa zu einem Plateauweg mit der Restaurantterrasse nach Nordwesten. Zum Park nach Südosten ist der Außenpool orientiert. Ein Flanieren durch den Park wird durch das Gebäude mehr befördert als behindert

Die barrierefreie Erschließung des Hotelempfanges in der Villa ist nicht gelöst, eine Erschließung über den Plateauweg, den Restaurantbereich, den inneren Boulevard und dann über Aufzüge durch das Assistenz-Foyer über eine ´Gangway´ im 1. Obergeschoss scheint keine gleichberechtigte Lösung. Diese ´Gangway´ realisiert allerdings die in der Auslobung geforderte Anbindung. Das Assistenz-Foyer und die Lobby mit Atrium liegen somit funktional richtig für einen Hotelbetrieb in Verbindung mit der Villa und entsprechen der Auslobung.

Hervorzuheben ist die hohe Lagequalität aller Hotelzimmer mit ihren Blickbeziehungen zur Ostsee, in den Park und auch zur Villa. Die Hotelzimmer werden durch windgeschützte Loggien mit einen privaten Außenraum aufgewertet.

Die Geometrie der Hotelzimmer zeigt eine starke ´Individualität´ (im Sinne auch von Unterschiedlichkeit), diese führt neben kritisch zu betrachtenden Innenräumen, vereinzelt auch zu schwierig möblierbaren Zimmern und wird auch als vergleichsweise wirtschaftlich nicht unproblematisch bewertet. Die Ausbildung der Staffel im 4. Geschoss erfolgt geschickt durch die Reduzierung der Loggiaüberdachung.

Die Erschließung durch den Fahrverkehr und die Anlieferung erfolgen westlich über die Poststraße. Hier werden die Zu- und Abfahrt zur Tiefgarage mit dem Personalzugang und der Anlieferung kombiniert. Der Vorschlag ist funktionell sinnfällig, weist jedoch Defizite für den Wendeverkehr der Anlieferung auf und überschreitet die in Kühlungsborn vorstellbare Verkehrsbelastung im Park. Eine Versorgung der Villa ist durch dieses Versorgungskonzept nur aufwändig händisch durch die Tiefgarage möglich. Hier müsste zumindest für die Gastronomie in der Villa eine gesonderte Erschließung östlich der Villa geplant werden. Die Lage des Hotelempfanges in der Villa und die Beziehung zur Tiefgarage gewährleisten für den Hotelgast keine klare Willkommenslösung. Eine ´Hotelanreise´ durch die Tiefgarage widerspräche dem Anspruch des Ortes.

Die vorgeschlagene Hybridkonstruktion zeigt der Jury zunächst keine besondere Wirtschaftlichkeit. Die rechtwinklige zweigeschossige Tiefgarage unter dem ´Gebäude der verschmolzenen Kreise´ lässt im Detail Probleme und erhöhte Aufwendungen in der statischen Konstruktion erwarten. Hier sind u. a. auch Flächenverluste (Stellplatzanzahl) zu erwarten.

Mit der Keramikfassade wird dem Neubau eine über die Form noch hinausgehende Alleinstellung im Ort zugeordnet, die dem „Assistenzgedanken“ widerspricht.

Das Konzept der Nachhaltigkeit findet die Zustimmung der Jury.

Denkmalpflegerische Einschätzung

Ein origineller ´organischer´ Entwurf, der sich sehr gut in den Baltic-Park einfügt.

Die Höhenentwicklung mit dem zurückversetzten Staffelgeschoss ist denkmalpflegerisch akzeptabel. Zu bemängeln ist, dass sich der Baukörper nach Norden zu weit vor die Westfassade der Villa Baltic schiebt und diese teilweise verdeckt. Zudem besteht die Gefahr, dass die architektonische Gestalt des Baukörpers und seine geplante Keramikfassade die Villa Baltic übertönen und zu sehr vom Denkmal ablenken.

Insgesamt wird der Entwurf aber als denkmalpflegerisch zustimmungsfähig eingeschätzt.


Visualisierung

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Lageplan

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