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Offener Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil | 03/2023

Neugestaltung Turmstraße und Zehentgasse in Heilbronn

Perspektive Turmstraße

Perspektive Turmstraße

2. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

hochC Landschaftsarchitekten PartGmbB

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Leitidee
Die Turmstraße und Zehentgasse verbinden wie Fugen die Baukörper mit den Freiräumen. Als blaue Fuge wird die Turmstraße eine repräsentative blaugrüne Kulturmeile, die Neckar und den Platz am Bollwerksturm mit dem Theaterplatz verbindet. Die Zehentgasse wird zur grünen Fuge und zum grünen Innenstadtanger. Beide Fugen werden modellhaft zu innerstädtischen Fußgängerverbindungen zwischen Neckar und Sülmerstraße umgestaltet. Sie entwickeln sich zu lebenswerten Freiräumen mit individuellem Charakter und dennoch einheitlichem, identitätsstiftendem Gestaltungskanon. Das Alleinstellungsmerkmal unseres nachhaltigen Entwurfs ist die modellhafte Umsetzung eines urbanen Raums, der sowohl repräsentativ als auch nachbarschaftlich ist. Während die Turmstraße als repräsentative blaugrüne Kulturmeile Neckar und den Platz am Bollwerksturm mit dem Theaterplatz verbindet, wird die Zehentgasse zum grünen Innenstadtanger, vernetzt zwischen Neckar und Fußgängerzone Sülmerstraße.

Turmstraße
Die Turmstraße wird zu einer großzügigen, multifunktionalen Veranstaltungs- und Flaniermeile unter Platanen umgestaltet. Sie öffnet sich zu einem mittigen Platz mit Wasserspiel und geht hier einen räumlichen Dialog mit dem neuen Kultur- und Freizeithub K4 ein. Auch das bestehende Wohngebäude parallel zur Turmstraße kann gut in dieses neue stadträumliche Ensemble integriert werden, bis die längerfristige Entwicklung hier abgeschlossen ist. Die Gestaltung schafft eine klare Raum- und Bewegungsabfolge mit Sichtbezug zwischen Bollwerksturm und Fußgängerzone.

Zehentgasse
Die Zehentgasse wird zu einem blaugrünen Innenstadtanger mit nachbarschaftlichen Treffpunkten und vielen Möglichkeiten der Interaktion. Platzterrassen aus wassergebundener Decke werden in die Grünflächen integriert. Neben Flächen für bestehende Gastronomie könne auch Ausstattungen für konsumungebundenen Aufenthalt integriert werden. Es gibt eine hohe, zur Straße abschirmende Metall- Holztribüne und eine Nachbarschaftsbühne aus Holzterrasse an der Lammgasse. Weitere Ausstattungen sind eine lange Tafel, Hängematten, Bouleplatz und Kicker.

Beide Stadträume folgen einem Gestaltungskanon:

Ausstattung, Grünräume, Bodenbeläge
Die Hauptbewegungsflächen in beiden Straßen bestehen aus hellem, gebrauchtem Kopfsteinpflaster aus Naturstein mit glatt gesägten Oberflächen. Sie umschließen die zentralen Grün- und Aktivitätsflächen barrierefrei. Eine Fahrbahnmarkierung in Natursteinfarbe hebt sich davon ab. Es gibt jeweils ein robustes Band mit einem Rahmen aus teils bodenbündigen Betonbändern und sich zu Bänken formenden Sitzelementen. Ein Teppich aus großformatigen Betonplatten trägt die Ausstattungselemente und erweitert sich an Straßenecken zu Treffpunkten. Die Stellplätze in der westlichen Turmstraße folgen der Gestaltungssprache der Ortbetonbänder und können flexibel für Veranstaltungen genutzt werden. Ein weiteres jeweils grünes Band aus gestreiftem Rasenpflaster und gegliedert durch Staudenpakete nimmt Ausstattung für Bänke, Fahrräder, Lastenräder und Workstations für mobiles Arbeiten auf. Die repräsentative Kulturmeile und der Innenstadtanger haben einen hohen Wiedererkennungswert durch Form und Material. Es gibt großzügige, als grünblaue Mulden auch der Retention dienende, Grünflächen und wassergebundene Platzflächen für freie Aktivitäten. In der Turmstraße werden die Platzränder zu den Fassaden hin wie ein Saum aus Kleinstein mit Splittfugen um die Gebäude der Turmstraße gelegt. Um den grüneren und nachbarschaftlichen Charakter zu unterstreichen, wird in der Zehentgasse das gesägte Kopfsteinpflaster an den Fassaden mit großen wasserdurchlässigen Fugen verlegt, um randseitig eingestreute Gräser und Staudenpflanzungen zu integrieren.

Grünflächen
Unser nachhaltiger Entwurf für die Turmstraße und Zehentgasse umfasst zwei repräsentative Mulden in der Turmstraße, die mit Bäumen, Stauden und Gräsern bepflanzt sind und durch Trittsteine erlebbar gemacht werden. In der Zehentgasse gibt es großzügige Grünflächen für flexible nachbarschaftliche Nutzungen wie Spiel, Aufenthalt und Urban Gardening, die durch Trittsteine und geschotterte Pfade erschlossen sind. Diese Grünflächen sind leicht ausgemuldet, um Regenwasser von den angrenzenden Flächen aufzunehmen. Ein Wiesensaum mit Gräser- und Strauchpflanzungen bietet zudem einen Sichtschutz zur Tiefgaragen-Einfahrt. Wir haben uns außerdem dafür entschieden, bestehende Bäume weitestgehend zu erhalten und mit klimaresilienten Baumarten zu ergänzen.

Unser Ausstattungsmobiliar wird aus europäischem Hartholz und feuerverzinktem teils limegelb- beschichteten Metallelementen gefertigt, um ein ganzheitliches Design und eine hohe Wiedererkennung zu
erreichen. Das robuste Band entlang der Turmstraße beinhaltet Liegen, Kunstautomaten, einen Kulturparkplatz, eine Literaturstation, eine Mobilstation inklusive Radreparaturhub, Bänke mit Solarlademöglichkeiten, Trinkwasserbrunnen sowie eine digitale und barrierefreie Infosäule und Leuchten. In der Zehentgasse sind Bänke, eine Tauschstation und ein Tischtennistisch vorgesehen, während in den wassergebundenen Flächen Sitzgelegenheiten, ein Gastro-Boule-Platz, Hängematten und eine Lange Tafel geplant sind.

Unser intelligentes LED-Beleuchtungskonzept umfasst bodengerichtetes Licht aus seitlichen Strahlern der Mastleuchten entlang der Hauptachsen sowie bewegungsgesteuerte intelligente Pollerleuchten an den Grünflächen. In der Turmstraße wird das eindrucksvoll beleuchtete Wasserspiel zum spielerischen Highlight im Lichtkonzept. In der Zehentgasse gibt es zusätzlich atmosphärische Beleuchtung mit einer an Seilen abgehängten Lichthimmeln für den Bouleplatz und über der Nachbarschaftsbühne.

Wasser
Das Wasserthema spielt eine wichtige Rolle in unserem Entwurf. Die Turmstraße wird zur blaugrünen Flaniermeile mit Kultur und das Wasserthema erstreckt sich von Neckar über den Platz am Bollwerksturm durch die Turmstraße bis zu den Wasserspielen am Stadttheater. Die Gestaltung der Mulden in der Turmstraße zitiert zusammen mit der Brunnenanlage den ehemaligen Pfühlbach. Am zentralen Platz gibt es je nach Witterung wandelbare Wasserspiele mit Sprudlern, Fontänen und Wassernebel. Bei Veranstaltungen kann die Brunnenanlage auch komplett abgeschaltet und die Fläche mitgenutzt werden. In beiden Straßenbereichen werden jeweils zwei Trinkwasserbrunnen im robusten Band angeordnet.
Die Entwässerung der befestigten Flächen erfolgt dezentral über weitestgehend offene Rinnen, die in die Mulden geleitet werden. Teilweise werden die Mulden durch Rohrrigolen ergänzt. Regenwasserzisternen ergänzen die sommerliche Bewässerung der Grünflächen. Sämtliche Flächen werden somit vom Regenwasserkanal abgekoppelt. Die Rinnen als multicodierte Elemente werden zugleich in das Blindenleitsystem eingebunden und verbinden sich in der Turmstraße mit dem bestehenden Leitsystem.

Die fußgänger*innenfreundliche Erschließung des nördlichen Innenstadtgebiets und die Umleitung des MIV durch die Paula-Fuchs-Allee reduzieren den Verkehr und tragen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität bei. Der Parksuchverkehr wird durch kompakte Stellplatzanordnungen geregelt und ein smartes Parkleitsystem angedacht.
Die Turm- und Zehentgasse werden zu Fußgängerzonen und bieten jetzt Platz für Alle. Der Mischverkehrsstreifen in der Lammgasse und die breiten Wege in der Turmstraße reichen aus, um als Mischverkehrsfläche Fuß- und Radverkehr aufzunehmen. Für eine Rad-Schnellverbindung ist die Turmstraße nicht geeignet, straßenbezogene EG- Nutzungen, Gastro, und fußläufiger Verkehr wird priorisiert. Der restliche Hauptverkehr erfolgt über die Mannheimer Straße und Allee, bzw. innerstädtisch über Gerberstraße u. Wolfganggasse. Die Einbahnstraße Zehentgasse führt hier zu stark reduziertem Aufkommen an MIV.

Ideenteil
Unser nachhaltiger Entwurf schlägt ein offenes Quartier mit Mischnutzung vor, welches sich in die städtebauliche Situation durch Gebäudehöhen und Footprint mit einer gewissen Durchlässigkeit zwischen monumentalen Bestandsgebäuden und kleinteiliger innenstädtischer Bebauung einfügt. Es knüpft an den Gestaltungskanon von Turmstraße und Zehentgasse an. Zur Mannheimer Straße bildet das Quartier eine neue Innenstadtkante mit neuem Durchgang und öffnet sich nach Süden zum Turmstraßenplatz. Der freistehende Solitär K4 wird als identitätsstiftender Kulturhub (Vereine, Kultur, Kunst) mit grünem, durchlässigen Wohnhof gestaltet. Das Quartier bietet flexibel gestaltete Wohnungen mit Südbalkonen, Gemeinschaftsflächen und Dachterrassen, Clusterwohnen und Micro-Appartements für Studierende mit ergänzenden Lernräumen. Die Aktivierung der Erdgeschosszonen mit Werkstätten, Gastronomie und stillem Gewerbe sowie die multicodierten Dächer mit Solaranlagen, Dachbegrünung und Urban-Farming Bereichen runden das Konzept ab. Unter dem Gebäude entlang der Mannheimer Straße wird eine Tiefgarage angeordnet und über die Mannheimer Straße erschlossen. Das Alleinstellungsmerkmal unseres Entwurfs ist die Einfügung des Quartiers in die städtebauliche Situation mit Durchlässigkeit und Anbindung an die Umgebung sowie die nachhaltige und vielfältige Nutzungskonzeption.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit nimmt die in Ost-West-Richtung verlaufenden Querachsen der Turmstraße und Zehentgasse als sogenannte Stadtfugen in der Heilbronner Innenstadt als Leitidee des Entwurfs auf.

Die Turmstraße wird ausgebildet als "repräsentative blaugrüne Kulturmeile" zwischen Neckar und Theaterplatz mit multifunktionalen Veranstaltungs- und Flanierflächen unter Platanen. Das Wasserthema erstreckt sich vom Neckar über den Platz am Bollwerksturm durch die Turmstraße bis zum Brunnen am Theaterplatz. Weitere Wasserelemente runden das Angebot zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und Klimaresilienz ab. Unabhängig davon, ob an diesem Ort weitere kulturelle Angebote entsprechend des städtebaulichen Ideenteils zur Umsetzung gelangen, überzeugt die Vielfalt der beschriebenen Nutzungselemente, mit den beiden Muldenelementen und der multifunktionalen Bewegungsfläche aufgrund ihrer Flexibilität.

Die Zehentgasse wird als grüne Fuge zum Innenstadtanger mit nachbarschaftlichen Treffpunkten und vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten ausgebildet. Es gibt großzügige Grünflächen für flexible Nutzungen (Spiel, Aufenthalt, Urban Gardening), die durch Trittsteine und geschotterte Pfade erschlossen sind. Dabei werden Elemente des Wassermanagements als multifunktionale Grünflächen geschickt integriert und den Bewohnern als Aufenthalts- und Nutzungsfläche angeboten. Der Bereich der Zehentgasse ist bezüglich des Nutzungsangebots jedoch fast schon zu überladen und lässt die Leitidee hierdurch in den Hintergrund treten.

Die verkehrliche Erschließung (Anwohnerparken, Andienung etc.) erscheint nachvollziehbar und funktional. Die Einbahnstraßenführung der Zehentgasse führt zu reduziertem Aufkommen an motorisiertem Individualverkehr und trägt so zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität bei. Der Parksuchverkehr wird durch kompakte Stellplatzanordnungen minimiert. In der Turmstraße können die Parkplätze bei Bedarf flexibel für andere Zwecke genutzt werden. Der fußläufige Verkehr wird in der Turmstraße priorisiert. Für eine schnelle Radverbindung ist diese wegen der vorgesehenen EGNutzungen bzw. der Gastronomie jedoch nicht nutzbar. Eine verstärkte Verkehrsbelastung in der Gerberstraße ist für den Bereich nördlich der Wolfganggasse durch den geplanten Zweirichtungsverkehrs zu befürchten.

Die Realisierung der geplanten Bebauung kann zur Aufwertung des gesamten Stadtquartiers beitragen, dieser Bereich ergänzt die Turmstraße als Kulturmeile an Nutzungsvielfalt. Der städtebauliche Ideenteil stellt einen diskussionswürdigen Beitrag zur weiteren Entwicklung dieses Bereiches dar und ist solide durchgearbeitet. Das unmittelbare Anbauen an den Gebäudekomplex des K3 bereinigt zusätzlich die städtebauliche Situation in diesem Bereich.

Insgesamt stellt die Arbeit einen interessanten Beitrag zur Wettbewerbsaufgabe dar. Die Leitidee könnte noch konsequenter herausgearbeitet werden, in der Detailierung konnten einige Bereiche nicht vollständig überzeugen.


Perspektive Zehentgasse

Perspektive Zehentgasse

Die Turmstraße als blaugrüne Kulturmeile in der Innenstadt, Lageplan 1:200

Die Turmstraße als blaugrüne Kulturmeile in der Innenstadt, Lageplan 1:200

Turmstraße und Zehentgasse als blaugrüne Fugen in der Heilbronner Innenstadt, Lageplan 1:500

Turmstraße und Zehentgasse als blaugrüne Fugen in der Heilbronner Innenstadt, Lageplan 1:500

Eine Vielfalt an Aktivitäten finden statt in der Zehentgasse, Schnitt 1:200

Eine Vielfalt an Aktivitäten finden statt in der Zehentgasse, Schnitt 1:200

Zehentgasse - ein lebendiger Innenstadtanger mit Spiel- und Erholungsmöglichkeiten, Lageplan 1:200

Zehentgasse - ein lebendiger Innenstadtanger mit Spiel- und Erholungsmöglichkeiten, Lageplan 1:200