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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2023

Zukunft Nord - Baufeld 12 Greenville in Karlsruhe

3. Preis

Freivogel Mayer Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Realisierungswettbewerb Zukunft Nord – Baufeld 12 Greenville / Karlsruhe

Leitidee

Der neue Stadtbaustein am Quartiersplatz übernimmt für die zukünftige Entwicklung des neuen Stadtteils "Zukunft Nord" eine zentrale Vorbildfunktion. Auf die Herausforderungen zukunftsfähigen Bauens antwortet das Gebäude mit ökonomischen Grundrissen, einer einfachen seriellen und flexibel nutzbaren Tragstruktur, Optimierung für einen hohen Vorfertigungsgrad, CO2-minimerter Baukonstruktion, sehr hoher Kompaktheit der thermischen Hülle und der Visualisierung des Nachhaltigkeitskonzepts auch in der äußeren Erscheinung.

Städtebauliches und Architektonisches Konzept

Das Konzept der Schichtung und Addition bildet die Basis einer nachhaltigen und anpassungsfähigen Architektur. Ein durchgängiges Loggiaregal bildet als additiv vorgestellte Konstruktion das zentrale Gestaltungselement. Die Erlebbarkeit der 100 Meter langen Platzfassade des städtebaulichen Rahmenplans bleibt hier erhalten, zugleich erfolgt eine Binnengliederung durch PV-, Begrünungs- sowie variable Verschattungselemente.

Erschließung

Beschränkung auf drei Vertikalerschließungen, direkt vom Platz, überschaubare Nachbarschaften durch gemäßigte Laubenganggrößen, Supermarktanlieferung unabhängig von Straßenraum und kreuzungsfrei zu sonstigen Verkehrswegen, prominente Erdgeschoss-Ecksituationen mit Café bzw. Mobilitätsangeboten.

Entsprechend dem Nutzungs-Schwerpunkt Wohnen sind alle Zugänge zu den Vertikalerschließungen gut auffindbar direkt am Platz angeordnet. Alle Vertikalerschließungen besitzen im EG jeweils direkt zugeordnete, stufenfrei erreichbare Müll-, Kinderwagenräume und einen Teil der Fahrradstellplätze. Die konfliktfrei anfahrbare Supermarktanlieferungszone besitzt eine gestalterisch integrierte Schall- und Sichtschutz-Überdachung zur Aufnahme erforderlicher Müll- oder Palettenstandplätze. Die Organisation der Tiefgarage gewährleistet eine gute Übersichtlichkeit, die Durchfahrt zum angrenzenden Baufeld erfolgt ohne zusätzliche Kurven auf geradem Weg. Alle Fahrradstellplätze im Keller sind gebündelt in unmittelbarer Nähe zur TG-Rampe angeordnet. Diese besitzt eine separate, nur für Radfahrer reservierte Spur.

Wohnen und Freiräume

Großer Wohnungsmix aus kompakten und großzügigen Wohnungszuschnitten, Prinzip des Durchwohnens, hohe Flexibilität der Tragstruktur für Anpassungen der Größen und Wohntypologien, Gemeinschaftsdachterrasse sowie differenzierte private Freiräume mit intensiver Begrünungsmöglichkeit und Balkonkraftwerken.

Der Wohnungsmix aus Laubengang- und Spänner-Erschließungen, kompakten 2-bis-4-Zimmerwohnungen mit minimierter Verkehrsfläche sowie großzügigen Typologien gewährleistet eine ausgewogene soziale Durchmischung und bildet mit kompakten Zuschnitten die Basis für eine erfolgreiche Vermarktung bei weiter anhaltend hohen Bau- und Finanzierungskosten. Die Laubengangwohnungen erhalten zur Gewährleistung der Privatheit eine, zwischen Laubengang und Wohnraum, zwischengeschaltete halbprivate Wohnraum-Vorzone, die als zusätzliches Freiraumangebot Richtung grünem Innenhof zur Aneignung einlädt.

Aufgrund der städtebaulichen Disposition können auf der Hofseite keine ausreichend besonnten halböffentlichen Freiräume angeboten werden. Stattdessen wird eine attraktive Gemeinschaftsdachterrasse auf dem nordwestlichen Gebäudeflügel angeboten, mit Blick Richtung westlich gelegenem Flugfeld und unabhängig von den angrenzenden DG-Wohneinheiten konfliktfrei gemeinschaftlich nutzbar.
Die wirtschaftlich herstellbare vorgestellte Loggiazone bietet attraktive private Freiräume, greift mit den PV-Modulen dem aktuellen Thema Balkonkraftwerke vor und bildet aufgrund der Südorientierung einen leistungsfähigen sommerlichen Wärmeschutz für die dahinter liegenden Wohnräume bei hochstehender Sommersonne. Auf den Loggien wird mit außenliegenden beweglichen Verschattungsvorhängen zusätzlich für zunehmend heißere Sommer vorgesorgt.

Baukonstruktion und Materialien

Einheitlich durchgängiges Tragsystem, gleiche Spannweiten mit Eignung für Holzhybridbauweise, Addition und Schichtung anstatt aufwändiger Einschnitte oder kostenintensiver Kragkonstruktionen. Erlebbarkeit des Nachhaltigkeitskonzepts über sichtbare Materialisierung.

Der Verzicht auf Loggiaeinschnitte, Geschossversprünge im Tragsystem oder thermische Trennelemente bilden die Basis einer dauerhaften, ökonomischen Bauweise. Für tragendende Bauteile werden Brettsperrholzdecken bzw. Holzbetonverbunddecken sowie Brettsperrholzwände bzw. Stahlbetonskelett mit nichttragenden Ausfachungen vorgeschlagen, für die Loggiakonstruktion eine Stahlkonstruktion. Die geschlossenen Fassadenflächen erhalten eine Holzverschalung mit wartungsarmem Vorvergrauungsanstrich.
Für die angekündigten gesetzlichen Anforderungen an die Kreislauffähigkeit der Baukonstruktion wird mit dem vorgeschlagenen Konstruktions- und Materialkonzept eine zukunftsfähige Basis geschaffen.

Energiekonzept

Hoher Autarkiegrad durch Umweltwärmegewinnung. Erdsonden für Wärmegewinnung und optionale sommerliche Kühlung, elektrischer Energiebedarf für Wärmepumpe durch vollflächige Dach-PV sowie Fassaden-PV.

Mit der Kombination aus Erdsonden, Wärmepumpe und maximaler PV-Belegung sowie dem sehr geringen Transmissionswärmebedarf aufgrund der äußerst kompakten Gebäudehülle kann für die Wärmeversorgung problemlos ein sehr hoher Autarkiegrad erreicht werden. Zusätzlich besteht aufgrund der hohen sommerlichen solaren Gewinne aus der PV-Anlage die Option eine komplett energieautarke sommerliche „Temperierung“ anzubieten. Diese unterstützt zusätzlich die Regeneration des Erdsondenfelds und wird bei zunehmend heißeren Sommern zu einem attraktiven Angebot.

Die außenseitig an den Loggien angeordnete PV besitzt aufgrund der natürlichen Hinterlüftung bereits einen hohen Wirkungsgrad. Für die großflächige Dach-PV bietet sich zur Effizienzsteigerung eine Kombination mit Solarthermie als PVT an.
Bei einer zentralisierten Energieversorgung, gemeinsam mit dem nördlich angrenzenden Baufeld erhöht sich aufgrund der unterschiedlich großen Grundstücksanteile je Quadratmeter zugeordneter Wohnfläche die für Tiefengeothermie verfügbare Fläche. Je Quadratmeter Wohnfläche steht dann ein höherer Umweltenergiegewinn zur Verfügung, es wird eine noch höhere Autarkie erreichbar.

Wirtschaftlichkeit

Einfache Kubatur, serielles und additives Trag- und Konstruktionssystem sowie hocheffiziente Erschließung als Basis für sehr wirtschaftliche Erstellung. Hohe Wirtschaftlichkeit im Betrieb durch sehr hohe Kompaktheit und solare Wärmegewinne über große Südverglasungen.

Auch bei weiter bestehenden hohen Bau- und Finanzierungskosten werden mit dem Gebäudeentwurf Spielräume erhalten für Investitionen in ein Energieversorgungssystem, das deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht.

Grün-Blaue Infrastruktur

Grüne Fassade auf allen Balkonen mit vorgerüsteten Rankgerüsten, intensive Begrünung Dach über Ebene 1 und durchgängige Ausführung von Retentionsdächern als wertvoller Beitrag zur blau-grünen Infrastruktur des neuen Quartiers.

Mit Rankgerüsten und großen Pflanzgefäßen auf allen Ebenen des Loggiaregals entsteht eine grüne Fassade, die das Mikroklima verbessert, eine Aneignungsmöglichkeit für die Bewohner schafft und im Vergleich zu anderen Fassaden-Begrünungssystemen ohne technischen Aufwand für künstliche Bewässerung oder ähnliches auskommt. Alle Dachflächen werden mit Retentionskörpern zur Regenwasserrückhaltung ausgestattet, im begrünten Innenhofbereich entsteht eine naturnahe Begrünung, beispielsweise mit Bienenweiden. Für den Quartiersplatz empfiehlt sich zur zusätzlichen Begrenzung der sommerlichen Erwärmung ein hoher Anteil nicht versiegelter Flächen, sowie die Unterbringung weiterer Angebote für die grün-blaue Infrastruktur.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag überzeugt durch einen klaren, in der baulichen Ausführung leicht wirkenden Baukörper. Er ist geprägt durch einen hohen Anteil verglaster Elemente und durch ein davor liegendes Angebot an Freiflächen/Balkonen, die durchgängig den dahinterliegenden Wohnungen zugeordnet sind. Diese grundsätzliche Entwurfsentscheidung ist abgeleitet aus der Forderung eines überdachten Arkadengang im Erdgeschoss und wird durch alle Geschosse weitergeführt. Die Verfasser nennen es ein „durchgängiges Loggiaregal“. Damit entsteht ein sehr überzeugender und stimmiger Baukörperaufbau, der gleichzeitig eine Verschattung für die dahinterliegenden Wohnungen bildet. Spielerisch integriert in die Fassade sind zudem senkrecht angeordnete, transparente Sonnenschutzelemente. Der Erdgeschossbereich selbst ist mit 4,7 m etwas höher als gefordert ausgebildet und wirkt einladend gegenüber dem davor liegenden öffentlichen Platz.

Die Penthäuser auf der obersten Geschossebene sind von dieser Fassade zurückgesetzt und in ihrem Flächenanteil untergeordnet, sodass kein Vollgeschoss entsteht. Aufgrund der Entscheidung für Penthäuser ist eine gemeinsame Nutzung der Dachfläche als erweiterte Freifläche nicht vorgesehen. Die Wohnungsanzahl - bezogen auf die Anteile für den sozial geförderten und frei finanzierten Wohnungsbau - wurde nahezu erreicht, ebenso der Wohnungsgrößenmix. Aufgrund der Schottenkonstruktion ist der Anteil der innen liegenden Bäder vergleichsweise hoch. Die Erschließung erfolgt im östlichen Bauabschnitt, sodass die Anlieferung störungsfrei aus der Seitenstraße erfolgen kann. Die Erschließung der Wohnungen erfolgt durch drei Treppenhäuser, aus denen sich die Gliederung der Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss ergibt, in Ergänzung zu den Laubengang-Erschließungen.

Bei aller positiven Gesamterscheinung stellte die Wettbewerbsjury in Frage, ob die starke Öffnung der Fassade im Hinblick auf die notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen auch im Hochbau noch zeitgemäß sei. Die Ausbildung von Penthäusern entspräche nicht dem Wunsch, eine Gleichwertigkeit von Wohnraum herzustellen.