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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2023

Muslimische Akademie Heidelberg

Preisgruppe / Realisierungsteil und freiraumplanerischer Ideenteil

Preisgeld: 27.750 EUR

ACME

Architektur

Spacehub

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Mitarbeiter ACME (Architekten): Juan Cantu, Nicholas Chrysostomou, Tim Laubinger, Friedrich Ludewig, Heidrun Schuhmann, Ann Ravens-Bennett, Matei Vlasceanu,
Mitarbeiter Spacehub (Landschaftsarchitekten): Giles Charlton, Tom Smith


Das Erdgeschoss der Akademie lädt ein, zum Eintreten, zum Verweilen, Begegnen und Diskurs. Die Formensprache der Architektur ist eindeutig und selbstsicher und drückt aus: alle sind willkommen!

Im Erdgeschoss befinden sich die meisten öffentlichen ‘Resonanzräume’: Foyer, Großer Saal/Auditorium, Galerie/Ausstellungen, Restaurant/Gastronomie. Über das Foyer werden die ruhigeren und privaten Bereiche Obergeschosse erschlossen. Auf den “Schultern” des Erdgeschosses ruhen die Nutzungen des Kernraums und weitere Funktionen des Resonanzraums. Zum Ausdruck gebracht wird dies durch die Tragstruktur, die im Erdgeschoss durch tragende Bögen entlang der Gebäudekanten charakterisiert ist. Die offenen Bögen formen eine unmissverständliche Geste der Einladung. Folgt der/die Besucher/in dieser Einladung und betritt das Erdgeschoss, so findet er/sie im Inneren eine Gewölbestruktur, die die unterschiedlichen Funktionen des Erdgeschosses überspannt und so räumlich definiert und verbindet.

Die kraftvolle Bogenstruktur bringt visuell auch die Verwurzelung und Verankerung der Muslimischen Akademie am Ort zum Ausdruck. Bögen und Gewölbe werden mit Heidelberger Sandstein verkleidet, dessen roter Farbton das Heidelberger Stadtbild prägt.

Die Topografie des Grundstücks und die Anbindung des Erdgeschosses zu allen Seiten hin spielen bei der räumlichen Gestaltung des Erdgeschosses eine wesentliche Rolle: zur Promenade hin eingeschossig, stuft sich das EG zum Langen Anger hin ab.

Die Beziehung von Außen und Innen ist direkt und der Übergang fließend. Der Niveauunterschied wird gestalterisch genutzt, um im Foyer und Café Stufen zu integrieren und ein besonderes gastronomisches Erlebnis zu schaffen. Die Niveaus des Erdgeschosses sind so gestaltet, dass sich die Höhen allseits an die Umgebung anpassen und der Außenraum frei durch das Erdgeschoss fließen kann. Im Innenraum binden Aufzüge alle Ebenen barrierefrei an.
Die Gärten der Akademie sind logische Pausen zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen von Bildung, Arbeit, Schlaf und Gebet und bringen so die Widersprüche zwischen Offenheit und Transparenz, Rückzug, Geborgenheit und Reflexion architektonisch zusammen. Der vertikal erlebbare Freiraum ermöglicht Blicke und Beziehungen aus jedem Stockwerk und lässt das Konzept der Oase Teil des Gebäudes werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das neue Akademiegebäude setzt einen signalhaften Endpunkt an der Promenade der Bahnstadt. Die Zielsetzungen der Akademie als öffentliche Bildungseinrichtung werden durch ein aufgeständertes Gebäude mit einem offenen Sockelbereich und einem darüberliegenden Baukörper, der durch eine signalhafte metallene Fassade umhüllt ist, repräsentiert. Im Sockelbereich wird die Höhendifferenz zwischen Promenade und Straße topografisch vermittelt. Innenraum und Außenraum gehen ineinander über, das Erdgeschoss an der Promenade springt zurück.

Die Planungsziele zu Freiraum, Öffnung des Gebäudes und Umgang mit Topografie sind gut nachvollziehbar, die konkreten gestalterischen Vorschläge für einen fließenden Übergang können aber noch nicht überzeugen.

Das aufgeständerte Gebäude ist klar in zwei Bereiche unterteilt: ein schwebender, mit einem perforierten metallenen Screen umhüllter, bis zu sechsgeschossiger Baukörper ist im unteren Bereich auf bogenförmig verkleideten Stützen aufgelagert. Zwischen einer gewölbeförmigen Decke und dem darunterliegenden Gelände bildet sich eine Fuge. Mit dem offenen Sockelbereich soll der öffentliche Charakter der Einrichtung unterstrichen werden. Ein- und Durchblicke sind gewollt.

Das Signal der Offenheit wird vom Preisgericht als guter Lösungsansatz gewürdigt, auch wenn die dargestellte Transparenz und Durchsicht nicht wie dargestellt realisierbar sein wird. Die bogenförmige Ummantelung der acht großen Stützen und die gewölbeartige Struktur der Decke (lt. Erläuterungsbericht Kunststeinelemente im 3D-Druck mit Aggregat von Neckartäler Hartsandstein) wird kritisch gesehen und kann nicht überzeugen. Der Vorschlag wirkt in seinem Rekurs auf vermeintlich historische Bauformen formal und konstruktiv beliebig.

In dem oberen Baukörper sind die Nutzungen des „Kernbereichs“ untergebracht. Er wird durch zwei Treppenhäuser erschlossen. Im Niveau 01 sind Kinderbetreuung und Seminarräume angeordnet. Im östlichen Bereich sind in jedem Geschoss Apartments für die Übernachtungsgäste untergebracht. Auf Niveau 02 sind neben dem Wohnen Bibliothek und Gebetsraum verortet. In den Geschossen darüber liegen Verwaltungsräume, den Abschluss im obersten Geschoss bildet die Lounge. Ab dem fünften Geschoss springt das Gebäude zurück; Dachflächen sind als Freiräume und Gärten ausgebildet. Loggien und Innenhöfe bilden sich auch in den unteren Geschossen ab und eröffnen auf allen Ebenen ein Wechselspiel zwischen Innen und Außen.

Mit der räumlichen Organisation werden alle Nutzeranforderungen aufgenommen. Im Preisgericht wird diskutiert, ob die Mischung der Kernbereichsflächen mit Übernachtungsbereichen zu Friktionen führen kann; dies wird aber von der Ausloberin als unproblematisch erachtet. Durch die Lage der Verwaltung im 5. und 6. OG ergeben sich lange Wege.

Die formale Ausprägung der Fassade wird in der Jury intensiv diskutiert. Da in den Baukörpern Höfe und Loggien eingeschrieben sind, ergeben sich Vor- und Rücksprünge in der Fassade. Sie zeigen sich in der metallenen Haut nach außen als ein schimmerndes Bild.

Da die Fassade im Modell nicht dargestellt ist, entsteht dort ein ganz anderes äußeres Bild der Akademie. Das einprägsame Erscheinungsbild des Gebäudes wird mit einem Gestaltungsvorschlag beantwortet, der nicht veränderlich ist. Die Frage der Ornamentik erhält ebenso große Bedeutung wie die Themen Transparenz und Durchsicht.

Das Gebäude setzt sich in seiner Gestaltung deutlich von seinem (Wohn-)Umfeld ab, ohne, dass es seine Position in dominierender Form unterstreicht.

Mit diesem Vorschlag gelingt es den Verfassern ein signifikantes und singuläres Erscheinungsbild der Akademie zu schaffen – zwischen Offenheit und Gemeinschaft. Gleichzeitig bleiben mit dem Vorschlag viele Fragen der konkreten Gestaltung offen oder bedürfen der Überarbeitung (Verkleidung Konstruktion Sockelgeschoss, Konkretisierung Metall-„Screen“), insbesondere im Hinblick auf die Risiken einer vermeintlich „muslimisch anmutenden Formensprache“.

Das Akademiegebäude ist als leichtes Holztragwerk geplant und soll vorgefertigt werden. Demontage und Recyclingfähigkeit werden als Teil des Nachhaltigkeitskonzepts hervorgehoben. Weitergehende Hinweise zum Nachhaltigkeitskonzept fehlen.

Der Abstand zur östlich benachbarten Wohnbebauung auf ED 5.2 ist zu gering. Die Zufahrt zu den Stellplätzen im benachbarten Wohngebäude ist so nicht umsetzbar.

Die Wirtschaftlichkeit liegt aufgrund der aufwendigen Konstruktion von Sockel und Fassade voraussichtlich eher im oberen Bereich. Die Arbeit ist ein überraschender Beitrag, der ein identitätsstiftendes Erscheinungsbild für die Muslimische Akademie schafft.
Südansicht

Südansicht

Konzeptdiagramm

Konzeptdiagramm

Souterrain

Souterrain

2. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Dachgeschoss

Dachgeschoss

Lageplan

Lageplan