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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2023

Muslimische Akademie Heidelberg

Piktogramm Städtebau

Piktogramm Städtebau

1. Anerkennung / Realisierungsteil und freiraumplanerischer Ideenteil

Preisgeld: 12.000 EUR

AAg Architekten GmbH

Architektur

GDLA I GORNIK DENKEL landschaftsarchitektur partg mbb

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Erläuterungsbericht Muslimische Akademie:

Architektonisches Konzept:

Das neue Akademiegebäude ist als zeitgenössisches öffentliches Gebäude formuliert, ganz im Sinne seiner zukünftigen Nutzung und Aufgabe, ein Begegnungsort für Menschen in einer offenen Gesellschaft zu sein, die sich in ihrer religiösen Unterschiedlichkeit und Individualität erleben können: Einladend, offen und heiter!

In diesem Sinne beruht die MAHD auf dem Selbstverständnis der europäischen Kultur und für eine religiöse Freiheit, eben „teilseiend“ dieser (Heidelberger Stadt-)Gesellschaft. Das Gebäude verzichtet deshalb bewusst auf vordergründige formale Referenzen anderer Kulturepochen oder -regionen. Der architektonische Ausdruck spiegelt vielmehr den öffentlichen Charakter des Hauses wider.

Die Organisation des Hauses wird der Vielschichtigkeit der Nutzungen gerecht. Die unteren 4 Geschosse nehmen alle öffentlichen Flächen auf. Sie sind über Lufträume und großzügige Treppenläufe miteinander verbunden. Es entstehen Blickbezüge und geschossübergreifende, räumliche Zusammenhänge.

Die offenen Treppen schrauben sich um den Aufzugskern nach oben. Zusammen mit den Kernen, Geschossdecken und Lufträumen entsteht eine räumliche Skulptur, welche sich je nach Nutzung zur Fassade öffnet oder als geschlossener Körper im Raum präsentiert.
Die vertikale Erschließung hängt immer direkt an den Foyer-Flächen, sie wird zum zentralen Begegnungsort.

Ausdruck und Fassade:

Die Grundform des Gebäudes ergibt sich aus den Baulinien des B-Plans. Die nördliche Kannte weicht leicht von der Baulinie ab und verläuft parallel zum Langen Anger. Die Kurze Fassade im Westen ist so gedreht, dass eine Achsensymmetrische Grundstruktur entsteht. Die vorgehängte Hülle legt sich in leichten Bögen um das Gebäude, die daraus entstehende Form unterstricht den besonderen Character des Hauses.

Die Gestaltung der Fassade spiegelt die Vielschichtigkeit des Hauses wider und vermittelt das Gefühl von Offenheit und Transparenz. Gespanntes Textil, Fassadenbegrünung und Holzfenster sind die Prägenden Materialien der Fassade und unterstreichen das umfassende Nachhaltigkeitskonzept des Gebäudes.

Der gewünschte Grad an Transparenz, Einblick, Ausblick und Geborgenheit wird durch innenliegende Vorhänge von den Nutzer*innen gesteuert und der jeweiligen Situation angepasst.

Nutzungsverteilung:

Die vertikale Schichtung des Raumprogramms folgt dem Grad der Öffentlichkeit. Restaurant, Multifunktionsraum und großer Saal liegen ebenerdig zum Langen Anger oder zur Promenade. Sie besetzen die drei prominenten Ecken des Grundstücks, bespielen den Außenraum und markieren die Eingänge ins Gebäude.
Der Gebetsraum, Bibliothek und Seminarbereich folgen im 1. Und 2. Obergeschoss, gefolgt vom Verwaltungsbereich im 3. Obergeschoss und der Kinderbetreuung mit direktem Zugang zur Dachterrasse im 4. Obergeschoss. Der Übernachtungsbereich liegt zurückgezogen im 5. Und 6. OG.

Nachhaltigkeit:

Das Nachhaltigkeitskonzept beruht auf Langlebigkeit, dem Einsatz emissionsarmer Materialien, Ressourceneffizienz im Sinne der Kreislaufwirtschaft und einem generellen Low-Tech Ansatz bei der Gebäudetechnik.

Langlebigkeit: Die Lebensdauer eines Gebäudes spielt bei der Betrachtung der grauen Energie eine entscheidende Rolle. Auf Grund unterschiedlicher Lebenszyklen der verschiedenen Bauteile wird eine konsequente Systemtrennung vorgesehen. So kann die Struktur des Hauses problemlos mehrere Nutzungszyklen überdauern, während Fassade, Ausbau und Technische Installation repariert, ergänzt oder ausgetauscht werden.

Materialität: Grundsätzlich werden Materialien nach ihrer Leistungsfähigkeit eingesetzt. Die öffentlichen Bereiche mit erhöhten Anforderungen und großen Spannweiten werden als Stahlbeton Skelettbau (RC Beton) ausgeführt. Die beiden Hotelgeschosse mit kleinteiliger Zimmerstruktur als Holz Massivbau. Darüber hinaus werden alle nichttragenden Bauteile wie Fassade, Türen, Fenster und Trennwände in Holz ausgeführt. Lehmbauplatten und Lehmputz ergänzen das Materialkonzept im Innenraum und sorgen für ein positives Raumklima.

Kreislaufwirtschaft: Durch die konsequente Systemtrennung in der Konstruktion, können die gewählten Materialien (RC Beton, Holz und Lehm) Rückgebaut, wiederverwendet oder in den Materialkreislauf zurückgeführt werden.

Vorfertigung: Die gewählte Konstruktion ermöglicht ein hohes Maß an Vorfertigung, was sowohl die Bauzeit verkürzt als auch die Präzision und Qualität der Bauteile erhöht. Durch die achsensymmetrische Struktur ergibt sich trotz der besonderen Gebäudeform ein Großteil an gleichen Bauteilen, sowohl im Beton-Skelettbau als auch im Holzbau der Hotelgeschosse. Die immer gleichen Badzellen der Hotelzimmer bieten sich ebenfalls zur Vorfertigung an.

Low-Tech: Es wird ein möglichst geringer Installationsaufwand angestrebt, technische Lüftung und Kühlung wird auf den großen Saal und den Multifunktionsraum begrenzt. Alle anderen Räume werden natürlich belüftet. Dies reduziert die Betriebskosten, ist weniger störanfällig, und erhöht die Langlebigkeit des Gebäudes.

Freiraum:

Die neuen Freiräume rund um die Muslimische Akademie erfüllen vielfältige und ambitionierte Zielsetzungen.

Es entsteht ein spannungsvoller Auftakt der Promenade, in dem die entwurfsprägende Böschung sanft ausläuft und kraftvoll in einem neuen Platz mündet.
Hier treffen Bahnstadt, Promenade und Feld harmonisch aufeinander und verbinden sich mit den Freiräumen rund um die Muslimische Akademie. Eine bedeutsame Lücke im Stadtgefüge wird mit einer bedeutsamen Nutzung gefüllt.
Ein Ort für Begegnung, Inspiration und Weitsicht wird geschaffen. Sitznischen laden zum Verweilen ein – spannende Blickbeziehungen entstehen – einladende Eingangssituationen entstehen.

Der Höhenunterschied zwischen „EG Langer Anger“ und „EG Promenade“ wird mit klaren Treppenanlagen überwunden, welche sowohl in begrünte Terrassen als auch in eine begrünte Böschung überführt und weiterentwickelt werden.
Für eine maximale Barrierefreiheit verschneidet sich eine entsprechend ausgebildete Rampe mit der Böschung der Promenade.

Fahrradstellplätze im Freien werden nahe den Eingängen und im Schnittpunkt mit dem Fahrradweg angeboten.
Lockere Baumpflanzungen mit hohem Kronenansatz ermöglichen zum einen eine gute Verschattung und zum anderen einen guten Durchblick, eine gute Orientierung und Überblick. So entsteht ein spannungsvolles Gleichgewicht zwischen den urbanen, multifunktional nutzbaren Freiflächen und der anschließenden Kulturlandschaft – verbunden durch den neuen Auftakt der Promenade.

Das Konzept lebt von Schlichtheit, Öffnungen, Rückblick und Weitblick und trägt somit gleichermaßen zur harmonischen Einfügung ins Stadtgefüge, sowie zu einer besonderen Prägung und Identifikation bei.

Das zentrale Wasserspiel entwickelt sich zum Treffpunkt, bringt gleichzeitig einen hohen Spielwert und einen positiven Effekt aufs Mikroklima mit sich. Ausgeschalten entsteht an dieser Stelle durch die umliegenden Böschungssituationen eine wunderbare theatralische Situation, die förmlich zu Festen, Veranstaltungen und Vorstellungen einlädt.

Der neue Ort ist ästhetisch-funktional und aneigenbar – schlicht ein Ort für alle.


Städtebaulicher Ideenteil:

Ziel ist eine neue städtische Typologie, die eine Synthese aus Fassung der öffentlichen Räume und Durchbindung der Grün- und Freiflächen erreicht.

Der im östlichen Teil der Bahnstadt bisher durchgeführte Blockrandtyp ist für die schmal geschnittenen Baufelder des Wettbewerbsgebietes nicht optimal geeignet.

Die vorgeschlagenen hybriden Zeilen erlauben eine bessere Belichtung mit geringerer Verschattung in den
Wintermonaten und einen direkten Grün- und Freiraumbezug aller Parzellen und Geschosse.

Sie laden im weiteren Entstehungsprozess zur innovativen und abwechslungsreichen Entwicklung von neuen hybriden gemischten Typologien und Quartieren ein.

Der Grundtypus Zeile besteht aus je 3 Gebäudeteilen, wobei die Köpfe kompakter sind und sich in die Breite entwickeln. So entstehen gefasste Höfe, die sich nach Süden Richtung Feld öffnen und nach Norden Richtung Eppelheimer Straße soweit schließen, dass der Lärmemission begegnet werden kann, eine halböffentliche Durchwegung aber erhalten bleibt.

Die Beispielgrundrisse für das Baufeld ED 5.2. zeigen die aus dem Städtebau resultierenden Vorzüge für die Wohnqualität. Aufgrund von Proportion und Ausrichtung der Baukörper lassen sich hoch effiziente 3-5 Spänner-Erschließungen bei maximaler Wohnqualität realisieren. So sind nahezu alle Wohnungen 2-3 Seitig belichtet und es entsteht keine einzige reine Nordwohnung.

Es entstehen im Sinne des städtebaulichen Konzeptes der Bahnstadt gefasste städtische Konturen, die den westlichen Abschluss bzw. Auftakt der Bahnstadt bilden.

Um dies auch räumlich zu erreichen wurde ein zusätzliches Baufeld an die westliche Spitze ergänzt, um die notwendige Fassung dieses disparaten Bereiches aus Fachmärkten, Studentenwohnheim und Notwohnungen zu erreichen.

Im Baufeld ED 7 wird gegenüber der Muslimischen Akademie ein weiterer öffentlicher Stadtbaustein vorgeschlagen. Eine doppelgeschossige Markthalle mit urbaner Lebensmittelproduktion auf dem Dach wäre eine Nutzung welche sowohl den Nachhaltigkeitszielen der Bahnstadt als auch dem vielfältigen, multikulturellen Ansatz der Muslimischen Akademie als Gegenüber gerecht wird.

Die kleinteilige Struktur der Baufelder erlaubt eine funktionale wie gestalterische Differenzierung, die den urbanen und individuellen Habitus in diesem Bereich der Bahnstadt stärkt und auch darüber hinaus erlebbar macht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Als fünfeckiger Baukörper, mit östlich orientierter Abstufung für eine Dachterrasse, markiert der Baukörper ein pointiertes Ende der Bebauung der Bahnstadt- Promenade. Gegenüber der Promenade bildet der Körper in südöstlicher Richtung eine fünfte Fassade aus, sodass die spitze Ecke vermieden wird, wo sich der obere Haupteingang befindet. Der untere Haupteingang am Langen Anger befindet sich an der nordöstlichen Ecke in Richtung Straßenbahnhaltestelle und mit einem einladenden Einschnitt der Kubatur.
Bereits im westlichen Teil des Baufeldes ED 5.2 zweigt eine barrierefreie Rampe in Richtung Feld und Pfaffengrund ab. Dann weitet sich die Promenade am Abgang in Richtung Langer Anger mit zwei kleinen Stadtbalkonen, der eine in Richtung Marga- Faulstich-Straße am oberen Haupteingang mit Baumpflanzung, der andere in Richtung Feld. Wenige Meter hinter dem Haupteingang beginnt relativ unvermittelt die Treppenanlage zum Niveau Langer Anger. Daneben läuft die Böschung inklusive Baumpflanzungen sanft aus. Rechts lagert sich unten ein durch wenige Stufen vom Straßenniveau abgesetzter Vorbereich des Restaurants an, links gibt ein Wasserspiel dem neuen Stadtplatz einen belebenden Mittelpunkt.
Das Gebäude gliedert sich in eine auf beiden Seiten vollverglaste Erdgeschosszone. Darüber schichten sich Geschossbänder von festen textilen Bespannungen, die im 1. OG höher ausfallen, um den Luftraum im Foyer in Richtung Süden und den Gebetsraum zusätzlich in Richtung Westen und Norden zu verhüllen. Zusätzlich ist farblich abgesetzter Sonnenschutz an allen Seiten vorgesehen.
Im 4. OG wird mittels Materialwechsel und Pflanztrögen eine Fuge etabliert, die der Beginn des eingewachsenen Aufbaus für ein Verwaltungsgeschoss und die Übernachtungsgeschosse ausbildet.
Der Entwurf sucht nach einer gestalterischen Eleganz in einer Einfachheit, die ohne Referenz auskommen muss. Allein die „grüne Krone“ wird als Alleinstellungsmerkmal wahrgenommen. Daher wird die Identitätsstiftung für das neu entstehende Selbstbewusstsein der Muslimischen Akademie als noch nicht ausgeprägt diskutiert.
Die beiden Haupteingänge und die zugeordneten großzügigen Foyers werden über eine breite Treppenanlage verbunden und umspielen so Lounge und Saal als das Doppelherz der Institution. Um den sehr effizienten Erschließungskern herum wird die klare Treppenführung in die Obergeschosse weitergeführt, wo als Nächstes der Gebetsraum liegt, der als Rückzugsort im Westen, aber mit adäquater Gebetsausrichtung orientiert ist, dessen Anmutung jedoch weniger sakral gewünscht wird.
Im nächsten Geschoss folgt das Seminargeschoss mit großer Bandbreite an Raumangeboten, darüber das erste Verwaltungsgeschoss. Im 4.OG ist die Fläche geteilt zwischen Verwaltung im Westen und Kinderbetreuung und Beratungsräume gen Osten, jeweils mit Bezug zur großzügigen und vielfältig programmierten Dachterrasse. Nicht in jedem Geschoss sind Toiletten vorhanden. 5. und 6. OG beherbergen exklusiv die Übernachtungsräume. Restaurant und Küche sind optimal erreichbar und ausgerichtet. Die Barrierefreiheit und der Brandschutz für die Planungstiefe gut nachvollziehbar.
Unter Betrachtung der Lebenszyklen wird eine Mischkonstruktion vorgesehen, welche die jeweiligen Vorteile der Materialien betont. So werden die drei obersten Geschosse gewichtsparend in Holztafelbauweise ausgeführt und mit Faserzement verkleidet. Darunter befindet sich ein Stahlbetonskelettbau mit Holzfassade. Alle Bauteile werden im Sinne der Kreislaufwirtschaft trennbar verbaut und das Gebäude als Low-Tech mit Bauteilaktivierung vorgesehen.
Durch maximale Vorfertigungsgrade in Verbindung mit guten Kennwerten wird mit einer hohen Wirtschaftlichkeit gerechnet.
Die Arbeit bietet der MAHD eine multifunktionale, anspruchsvoll gestaltete und mit unterschiedlichen Raumqualitäten ausgestattete Heimat, die Innovationsanspruch der Institution und Architektur für das 21. Jahrhundert zusammenführt.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss Langer Anger

Erdgeschoss Langer Anger

Grundrisse OG

Grundrisse OG

Ansicht und Schnitt

Ansicht und Schnitt

Fassadendetail

Fassadendetail