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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2023

Konzeptentwicklung Stadtquartier Nierstein in Jülich

Vogelperspektive

Vogelperspektive

Anerkennung

REICHER HAASE ASSOZIIERTE GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Carla Lo Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Grüne Bucht als ökologische und soziale Mitte
Das Entwicklungsgebiet im Westen Jülichs erfährt einen Wandel von einer landwirtschaftlich genutzten Fläche zu einem belebten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadtquartier. Die städtebauliche Einbettung des Plangebiets bietet ideale Voraussetzungen, um die Waldflächen weit in die Entwicklungsfläche hineinzuziehen und so eine grüne Bucht auszubilden. Im Zusammenspiel mit dem angrenzenden Natur- und Landschaftsraum wird der neu geschaffene öffentliche Park zur grünen und zugleich zur identitätsstiftenden Mitte des neuen Quartiers. In Verbindung mit den angrenzenden Nachbarschaftsplätzen dient die grüne Bucht - neben ihrer Funktion als stadtklimatischer Baustein zur Belüftung der Umgebung - zugleich als sozialer Treffpunkt des Quartiersgeschehens.

Historische Analogien und Hochpunkte
Hochpunkte markieren die übergeordnete Stadt- und Quartierseingänge und sollen den städtebaulichen Eindruck fördern, das Tor zu Jülich zu „durchschreiten“. Dieses räumliche Bild ist eine Analogie in Anlehnung an den römischen Städtebau, welcher in der Ausgestaltung vieler weiterer Elemente in der Grundstruktur des Stadtviertels ablesbar ist. So sind die aneinandergereihten Stadthäuser beispielsweise Neuinterpretationen der römischen Streifenhäuser, die sich vor 2000 Jahren am selben Standort entlang der Via Beglica befanden. Auch der zentrale Quartiersplatz ähnelt in seiner Formensprache und seiner Funktion als Ort der Begegnung und des sozialen Austauschs dem römischen „Forum“, das aufgrund seiner städtebaulichen Relevanz stets an den Haupterschließungsachsen verortet wurde.

Historische Wegeachsen und neue Boulevards als Rückgrat
Angebunden ist das Entwicklungsgebiet über die bestehenden Wegeverbindungen, die in der axialen Aufteilung der urbanen Räume aufgegriffen werden. Historische Wegeachsen, die automatische Leitung der Passant*innenströme sowie die Verbindung mit wichtigen Landmarken und der Innenstadt werden hierbei als übergeordnete Prinzipien verwendet. Die Basis des internen Erschließungskonzeptes bilden die beiden Boulevards, die - ausgehend von den Zufahrten im Westen und Osten - das Rückgrat des Stadtteils bilden. An diese sind die Wohn- und Mischnutzungsblöcke angeordnet, die von außen über autoarme Schlaufen erschlossen werden. Ihre grünen Innenhöfe fördern das gemeinschaftliche Zusammenleben und sind in Parknähe zum Grünraum hin geöffnet.

Die drei nach Bauabschnitten aufgeteilten Quartiersgaragen profitieren von der hervorragenden verkehrlichen Anbindung und beinhalten darüber hinaus jeweils eine Paketstation und ein Mobility Hub mit diversen Sharing-Fahrzeugen. Neben den Lademöglichkeiten für Privatfahrzeuge und Elektrofahrräder, ist ein kleiner Anteil der Stellplätze für autonome Shuttlebusse reserviert. Diese sind per App buchbar und erscheinen vollautomatisch auf Anfrage an den beiden Shuttle-Haltebuchten. Mit einer direkten Anbindung an den Bahnhof Jülich, an die Innenstadt (Haltestelle Walramplatz) sowie der Erweiterungsmöglichkeit zum zukünftigen Bahnhof „Neubourheim“ erhalten die Bewohner*innen ein innovatives und flexibles öffentliches Mobilitätsangebot. In Kombination mit dem dichten Netz an Fuß- und Radwegen wird dadurch eine umweltfreundliche und gesunde Mobilität gefördert und der Autoverkehr innerhalb des Quartiers reduziert bzw. vermieden.

Mischung von Typologien und Nutzungen
Die einzelnen Wohnblöcke ermöglichen mit ihrer kleinteiligen Struktur eine lebendige Mischung unterschiedlicher Nutzungen in einem autoarmen und gemeinschaftsprägenden Umfeld. Die innovativen Stadthäuser kombinieren kompakte Wohnungen mit familienorientierten Grundrissen in einer besonderen vertikalen Gliederung, um eine generationenübergreifende Mischung zu fördern. Ein großes Spektrum an Einheiten für betreutes sowie öffentlich gefördertes Wohnen vervollständigen die vielschichtige städtebauliche Gestalt der Blocktypologien.

Gerahmt wird das grüne Stadtquartier von einer Lärmschutzbebauung, die mithilfe von gegenübergestellten Balkonen und rhythmischen Höhenentwicklungen in kleinteilige Baustrukturen gegliedert ist. Die hohe Flächeneffizienz der Bebauung ermöglicht insgesamt eine sparsame Nutzung des verfügbaren Baulands und fördert zugleich den hohen Anteil an Grünflächen im neuen Stadtquartier.

Grünes Netzwerk
Der öffentliche Park, in der Quartiersmitte, ist der grüne Treffpunkt des Stadtteils. Er ist als zeitgemäßer Landschaftspark konzipiert, in dem sich Natur- und Landschaftsraum mit intensiv gestalteten Flächen verweben. Im Norden wird die Waldfläche als klimaangepasste Mischwaldfläche hineingezogen. Es wechseln sich Waldflächen und offene Wiesenfächen ab, die durch Schafe beweidet werden können. Es entsteht ein Gradient von extensiv gestalteten Flächen im Osten und intensiv nutzbaren Flächen im Westen rund um den Quartiersplatz. Ergänzt wird die intensive Nutzung durch eine Wasserfläche, deren Ränder vielfältige Aufenthaltsmöglichkeiten bieten. Die Parkfläche ist zudem leicht modelliert um die Regenwasserretention bestmöglich zu integrieren. So entsteht ein interessantes Vegetationsbild aus feuchten Mulden und trockenen Rändern. Gefasst wird der Park durch einen Hain aus Klimagehölzen, der als Puffer zur Bebauung dient. Das Wegenetz verwebt sich optimal mit der Umgebung und angrenzenden Nachbarschaften.

Der zentrale Platz am Park ist das öffentliche Herz des Quartiers. Die umliegenden Erdgeschosszonen sollen mit öffentlich wirksamen Nutzungen bespielt werden. Hier können Gastronomieangebote, Gewerbefläche, Gemeinschaftsräume und Co-Working Flächen Raum finden. Die Plätzfläche wird durch großkronige Baumgruppen beschattet.

Die drei Quartiersplätze sind als nachbarschaftliche Treffpunkte konzipiert und rhythmisieren den Klimaboulevard. Hier sind kleinere Spiel- und Aufenthaltsangebote geplant, deren Nutzungsschwerpunkte sich an der konkreten Lage im Raum orientieren. Im Bereich der Schule und des Kindergartens soll ein Wasserspielplatz den Platz prägen. Miteinander verbunden sind die Quartiersplätze durch den Klimaboulevard. Dieser ist konsequent als Allee ausgestaltet, der zum Flanieren und Fahrradfahren im Schatten einlädt. Es kommen unterschiedliche Arten des Klimabaumsortiment zur Anwendung, um resilient auf den Klimawandel und damit einhergehende Pflanzenschädlinge reagieren zu können.

Die halböffentlichen Höfe sind als Grünoasen ausgestaltet. Die Höfe sind so dimensioniert das neben privaten Mietergärten auch ein Aufenthalts- und Spielangebot für die Hausgemeinschaft vorhanden ist.

Klimasensible Gestaltung und Schwammstadtprinzip
Die extensiv begrünten Flachdächer begünstigen die Gebäudedämmung, reduzieren den urbanen Wärmeinseleffekt und steigern die Effizienz der darüberliegenden Photovoltaikmodule. Sie erfüllen mit ihrem Pflanzenbewuchs auch eine Retentionsfunktion und leiten Niederschlagswasser bei Starkregenereignissen verzögert in das Kaskadensystem ein. Im Sinne des Schwammstadtprinzips wird das Regenwasser in einer Reihe von verknüpften Retentionsmulden und bepflanzten Sickermulden zurückgehalten und trägt zur Grundwasserneubildung und Umgebungskühlung bei. Im urban ausgestalteten Westen des Plangebiets, wird das Regenwasser in blockeigenen Zisternen gesammelt und kann bei Bedarf als Brauchwasser eingesetzt werden. Das verschmutzte Oberflächenwasser wird ebenfalls dezentral in Tiefbeeten gesammelt und vor der Versickerung mithilfe von „Biofiltern“ aus Schilfgewächsen und einem Sand-Kies-Gemisch gereinigt. Durch den Einsatz von versickerungsfördernden Bodenmaterialien wird die Versiegelung auf Fußwegen, Besucherparkplätzen und Quartiersplätzen auf ein Mindestmaß reduziert. Die ortsprägende Geschichte des Elements Wasser (Rur und Mühlenteich) wird durch die Einbettung von Verdunstungs- und Versickerungsmaßnahmen in die öffentlichen Freiräume inszeniert.

Etappierung
Das neue Quartier ist in unterschiedlichen Phasen realisierbar; die einzelnen Etappen bauen sinnfällig aufeinander auf und stellen zugleich klar abgrenzbare Einheiten dar.
Perspektive

Perspektive

Lageplan

Lageplan

Plan 1

Plan 1

Plan 2

Plan 2

Plan 3

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