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Award / Auszeichnung | 08/2023

Deutscher Nachhaltigkeitspreis Architektur 2023

Kunstraum Kassel

DE-34121 Kassel, Menzelstr. 13

Nominierung

Innauer - Matt Architekten

Architektur

Universität Kassel

Bauherren

pape+pape architekten

Architektur

EHS beratende Ingenieure für Bauwesen

Bauingenieurwesen

merz kley partner

Tragwerksplanung

PPC Projekt-Planung & Consulting GmbH

TGA-Fachplanung

keydel bock ingenieure

TGA-Fachplanung

Dl Günter Meusburger GmbH

Bauphysik

schöne aussichten landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Lichtplanung Manfred Remm

Lichtplanung

Glas Marte GmbH

Hersteller

i+R Holzbau

Bauunternehmen

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Museen, Ausstellungsbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2022

Projektbeschreibung

Mit der neuen Ausstellungshalle ist ein weiterer Baustein in der vielfältigen Welt von hochwertigen Kunst- und Kulturbauten der documenta Stadt Kassel entstanden. Am Rande der barocken Karlsaue liegt die Kunsthochschule, ein Bau von Paul Friedrich Posenenske aus dem Jahre 1962. Der Neubau wurde in den Innenhof des denkmalgeschützten Gebäudes gesetzt und greift damit auf einen Standort zurück, den Posenenske für eine mögliche Erweiterung entwickelt hatte.

Der Bau, eine Halle mit rund 450m² Ausstellungsfläche, soll als studentisches „Ausstellungslabor“ ebenso dienen wie zur Herstellung von großformatigen Kunstwerken. Der rechteckige Baukörper platziert sich konzentrisch in den Hof und schafft dadurch qualitätsvolle Aussenräume von unterschiedlichem Charakter. Einen großzügigen Vorplatz, der Besucher angemessen empfangen kann und einen intimen Grünraum mit 7 Beuys-Bäumen. Die Ausstellunghalle kann zu allen Seiten gleichermaßen geöffnet werden – somit sind die Zwischenräume in die Ausstellungsfläche integrierbar. Der Bau hat keine Rückseite, kommuniziert zu allen Seiten und respektiert den Bestandsbau dadurch vollumfänglich.

Der neue Baukörper tritt als hölzern konstruktiver Pavillon mit einer feingliedrigen Architektursprache in Erscheinung. Eine dunkel gehaltene Fassadengestaltung setzt sich deutlich in Material und Farbe vom Gebäudebestand ab, obschon der Farbton dem prägnantesten Bauteil des Posenenskebaus, der außen liegenden Stahlstruktur, entlehnt ist. Die überall sichtbare, vom Tragwerk klar gegliederte, Gebäudestruktur ist ein weiterer deutlicher Bezug zum denkmalgeschützten Bestand.

Die klare, innere Struktur macht die gewünschten Nutzungsvarianten, von der ungeteilten Halle, bis zum, in zahlreiche einzelne Räume geteilten, Arbeits- oder Ausstellungsbereich möglich. Auch im Fassadenbereich sind sowohl unterschiedliche Zugänglichkeiten, als auch jede Lichtsituation, bzw. Verdunkelungen möglich. Ein äußerst flexibler Raum, dessen von rohen und unbehandelten Holzoberflächen dominierter Innenraum subtile Bezüge zu den sägerauh geschalten Sichtbetonflächen der Bestandsgebäude aufbaut.

Eine Besonderheit des Baus sind die im oberen Wandbereich angeordneten Lichtlinsen. Diese 864 eigens für das Projekt entwickelten, gewölbten Glaselemente bringen umlaufend gleichmäßig, diffuses Licht in den Innenraum. Grafisch und identitätsstiftend verleihen sie der Ausstellunghalle die gewünschte Sonderstellung im Ensemble.

Das Gebäude wurde als reiner Holzbau erstellt, welcher die heutigen energetischen und ökologischen Anforderungen insbesondere bezüglich Nachhaltigkeit erfüllt. Brettschichtholz für die stabförmigen Bauteile wie Stützen, Balken und Riegel. Brettsperrholz für die flächigen Bauteile wie Dachschalung und Wandplatten. Die Fügungen sind handwerklich. Tragwerk und Gestalt, Funktion und Wirtschaftlichkeit stehen im Einklang.

Beurteilung durch das Preisgericht

Eine Gefahr bei Ausstellungsbauten besteht darin, dass der architektonische Ehrgeiz die eigentlichen Ausstellungsstücke in den Hintergrund treten lässt. Nicht so beim neuen Kunstraum der Universität Kassel, der nach einem Wettbewerbserfolg vom Vorarlberger Architekturbüro Innauer Matt Architekten geplant wurde. Es entstand ein schlichter Kubus aus dunkel lasiertem Holz, der sich unprätentiös in den denkmalgeschützten Bestand einfügt. Bei aller Reduktion der Mittel entstand dennoch (oder vielleicht gerade dadurch) ein architektonisches Schatzkästlein der ganz besonderen Art und - man darf es so sagen - ein schönes, und sicherlich identitätsstiftendes Haus.

Prägend in der Fassade ist das sägerau belassene Lärchenholz, welches durch schlanke, aus der Fassade hervortretende Blechpaneele gegliedert wird. Eine Besonderheit sind die speziell für dieses Projekt entwickelten 864 Lichtlinsen im oberen Bereich der Fassade, die beim ersten Blick auf das Gebäude wie überdimensionierte Nieten daherkommen und das natürliche Licht gleichmäßig im Innenraum verteilen. Das Innere des Gebäudes steht im starken Kontrast zum Schwarz der Fassade. Hier dominiert das helle Holz der Konstruktion an allen sichtbaren Oberflächen außer am Boden. Der Innenraum ist an Wänden und Decke streng gerastert: die starke optische Wirkung ist jedoch kein Selbstzweck, handelt es sich doch um die Trag- und Unterkonstruktion für ein Schienensystem, welches mit Hilfe von mobilen Trennwänden die unterschiedlichsten Grundrisse ermöglicht. Durch die rundum öffenbaren Zugangstüren kann der umliegende Außenraum in die Bespielung des Hauses integriert werden.

Was ist aber innovativ im Sinne der Nachhaltigkeit? Zunächst ist der Kunstraum Kassel sicherlich eine starke Werbung für den Holzbau abseits der gängigen Wohn- und Funktionalbauten.

Er erkundet beispielhaft neue ästhetische Wege des Holzbaus ohne dessen funktionale Qualitäten zu vernachlässigen. Als Experimentierort für Kunstschaffende und Studierende bieten die mobilen Wände sowie die gleichmäßige Belichtung größtmögliche Flexibilität bei der Nutzung; die Lichtlinsen erzeugen zudem auch eine besondere Atmosphäre im Innenraum.

Im Wesentlichen verfolgt das Haus ein Low-Tech-Konzept mit einfacher Konstruktion und reiner Fensterlüftung. Die für die Ausstellung erforderliche Kühlung erfolgt über Bauteilaktivierung (Boden) und zusätzlich über Nachtauskühlung mittels extra hierfür vorgesehene Lüftungsöffnungen. Der Holzbau ist handwerklich gefügt, also einfach zu montieren und am Ende des Lebenszyklus rückbaufreundlich. Die Holzoberflächen im Innenraum sind zudem unbehandelt, was im Sinne der Kreislaufwirtschaft eine problemlose Wiederverwendbarkeit sichert. Der wesentliche Energieträger für Heizung und Warmwasser ist Nah- bzw. Fernwärme aus 100% erneuerbaren Energien, auf dem Dach ist zusätzlich eine Photovoltaikanlage installiert.

Überzeugend beim Kunstraum Kassel ist das Zusammenspiel aus hoher Architekturqualität, Funktionalität, Einbindung in den denkmalgeschützten Bestand und einfacher aber hochwertiger Konstruktion mit einem nachhaltigen Low-Tech-Konzept im Bereich der Haustechnik. Eine durchweg „runde Sache", die man sich so öfters wünschen würde.
rundes Isolierglas

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