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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Neubau Verwaltungsgebäude im Freilichtmuseum Hessenpark

2. Preis

Preisgeld: 16.362 EUR

NEUMANN & HEINSDORFF ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

Die Arbeitsplätze der Mitarbeiter des Hessenparks sind derzeit an unterschiedlichen Standorten untergebracht und sollen in einem neuen Verwaltungsgebäude zusammengeführt werden. Dabei soll die Chance genutzt werden, den Zugangsbereich zum Museum neu zu ordnen. Wie könnte das gehen?

STÄDTEBAU
Wir schlagen die Position des Neubaus rechtwinklig zu dem bestehenden Eingangsgebäude vor, so dass ein gemeinsamer Vorplatz entsteht. Dabei wird das Gelände so modifiziert, dass zum einen eine ebene Platzfläche entsteht und zum anderen die Neigung der südlich angrenzenden Wiese erhöht wird, deren Gefälle durch parallel zum Gefälle in das Gelände eingelegte Sitzstufen aus Stampfbeton abgefangen wird. Diese dienen gleichzeitig als Sitzgelegenheit für die Besucher:innen. Auf dem Weg vom Besucherparkplatz hinunter auf den neuen Vorplatz, der mit seinen Dimensionen auch größeren Besuchergruppen Platz zum Sammeln und Ankommen bietet, fällt der Blick unwillkürlich auf den Neubau. Dieser greift die im Freilichtmuseum überall gegenwärtige Form des geneigten Daches auf und sein Giebelwand steht sehr präsent am Platz.

ARCHITEKTUR
Während die beiden Regelgeschosse des Hauses leicht erhöht auf, parallel zum Hang verlaufenden Sockelstreifen aus Stampfbeton ruhen, befindet sich der Eingang barrierefrei auf Platzniveau im Bereich des weit abgeschleppten Daches. Neben dem Zugang befindet sich hier auch die Poststelle mit der Möglichkeit, an besuchsintensiven Tagen einen zusätzlichen Ticketverkauf anzubieten. Das Haus ist so auf dem Grundstück positioniert, daß der vorhandene Baumbestand in Gänze erhalten werden kann. Dabei umschliesst das Haus winkelförmig einen Hof, in dessen Mitte sich ein bestehende Eiche befindet. Es entsteht vom Vorplatz durch den Windfang und die Lobby bis in den Hof eine spannungsvolle Raumfolge, die zwei ganz unterschiedliche Aussenräume miteinander verbindet. Während der weitläufige Vorplatz mit öffentlichem Charakter auch eine repräsentative Funktion als Auftakt für den Besuch des Hessenparks erfüllt, liegt der geschützte Hof auf der Rückseite des Hauses. Dabei öffnet er sich zum Wald mit schönem Blick über die tieferliegende Museumslandschaft und bietet sich für die Pause oder für die Arbeit im Freien an.

Während der Neubau auf Platzniveau Funktionen mit direktem Aussenbezug wie Teeküche, Poststelle und Lobby aufnimmt, liegen die eigentlichen Büroräume ein halbes Geschoss höher. Mit dem Höhenversatz werden zum einen die übergeordneten Bereiche wie Eingang, Teeküche und Poststelle vom eigentlichen Bürobereich separiert, zum anderen fügt sich der Bau ganz selbstverständlich in die gegebene Topografie. Eine Teilunterkellerung bietet sich hier an, so dass Haustechnik und Lager ohne grösseren Eingriff in das Gelände untergebracht werden.

Im Gelenk zwischen den beiden Schenkeln des Hauses befindet sich neben der die drei halbgeschossig versetzten Ebenen verbindenden Treppe ein massiver Kern aus Stampfbeton. Er steift die Gesamtkonstruktion aus und nimmt Nebenräume wie Sanitäranlagen, Garderoben, Schächte und den Aufzug auf. Die Büroflächen schlagen wir als offene Flächen mit eingestellten „Phoneboxen“ vor. Mittels leichter Trennwände werden der Besprechungs- und Projektraum und kleinere Räume zur Nutzung als Zellenbüro oder Think Tank herausgetrennt. Vom ersten Regelgeschoss gelangt man über eine zweiläufige Treppe zunächst auf das Zwischenpodest mit Blick in die hohe Lobby und Zugang zur Garderobe mit den persönlichen Schliessfächern und schliesslich in das Obergeschoss, in welchem die Räume bis unter das geneigte Dach geöffnet sind.

KONSTRUKTION UND ENERGIE
Der neue Verwaltungsbau soll einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und deutlich verringerte CO2-Emmissionen sicherstellen. Der Einsatz nachwachsender Baumaterialien ist in idealer Weise geeignet, diesen Anforderungen zu entsprechen. Die gesetzte Strohballendämmung stellt zusammen mit der Verwendung von Lehm als Innenputz und einer Holzbauweise eine ideale Materialpartnerschaft dar. Die Verwendung von Lehm und Holz findet sich zudem auch bei vielen mittelalterlichen Fachwerkbauten und spannt damit einen spannenden Bogen zu historischen Konstruktionen. Die klare bauliche Struktur bietet eine gute Grundlage für eine optimierte und einfache Konstruktion. Die Gründung erfolgt auf Stampfbetonstreifen und minimiert so, im Sinne der Untouched Earth Idee den Eingriff in den Boden. Folgerichtig wird auf eine klassische Bodenplatte verzichtet und der Fussboden im Erdgeschoss freitragend aus weitspannenden Hohlkastenelementen mit integrierter Holzfaserdämmung vorgesehen. Die Aussenwände werden mit schmalen und breiten Holzständern in einem für Baustrohballen optimierten Achsabstand ausgeführt, wobei die schmalen Fenster eine gleichmässige Lastabtragung begünstigen. Die Planung in einem regelmäßigen Raster mit immer gleichen Fenstern ermöglicht eine Vorfertigung von Aussenwandelementen und gegebenenfalls den Bau als ein „Happening der Eigenleistung“. Auch die Zwischendecke ist als Kastenelement geplant, diesmal mit integrierter unterseitiger Akustikdecke. Der offene Dachstuhl wird von einem traditionellen Sprengwerk im Achsenabstand von 3,60 m getragen. Auf dieser Primärkonstruktion lagern die ebenfalls mit Stroh gedämmten Dachelemente aus Stegträgern.

Die Fassaden sind geprägt von schlanken, präzise gesetzten Fenstern in sägerauher Lärchenholzschalung, die an die Typologie einfacher ländlicher Bauten erinnert. Dem im Zuge des Klimawandels an Bedeutung gewinnenden sommerlichen Wärmeschutz wird mittels der Architektur auf vielfache Weise Rechnung getragen. Neben der hochwärmedämmenden Ausführung der Gebäudehülle wird der Anteil der transparenten Flächen auf ein sinnvolles Mass beschränkt. Die schlanken Holzfenster ermöglichen eine optimale Belichtung, werden tief in der Laibung eingebaut, so dass ein hoher konstruktiver Schutz besteht und ein hohes Mass an Eigenverschattung erreicht wird. Zusätzlichen Sonnenschutz können die aussenliegenden Klappläden leicht gewähren. Die sich gegenüberliegenden Fassaden ermöglichen eine wirkungsvolle Querlüftung und bieten darüberhinaus eine einfache Möglichkeit zur Nachtauskühlung. Der massive Kern aus Stampfbeton bietet thermische Speichermasse, die in Verbindung mit großzügigen Raumhöhen die Temperaturamplituden wirkungsvoll dämpft. Der Einsatz von haustechnischen Anlagen soll damit auf das notwendige Minimum beschränkt werden, ganz im Sinne eines einfachen und robusten Bauens.

Falls für die Grundversorgung neben der Abwärme der Geräte Wärmebedarf besteht, so kann für die Grundversorgung des Hauses die zur Verfügung stehende Fernwärme genutzt werden. Die nach Süden geneigte Dachfläche ist mit einer vollflächigen Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung vorgesehen.

AUSSENANLAGEN
Die in die geneigte Wiese an der Südseite des Vorplatzes eingelegten Sitzstufen aus Stampfbeton führen die Logik der ebenfalls parallel zur Hangneigung gelegenen Gründungsstreifen des neuen Hauses fort, fangen das Gelände ab und bieten hier größeren Besuchergruppen wie Schulklassen eine Möglichkeit zu Aufenthalt und Spiel. Das Grünfläche selbst ist als artenreiche Wildblumenwiese aus heimischen Arten mit einer gestaffelten Blühabfolge geplant. Auf dem Vorplatz sind zwei einzeln stehende Eichen, auch als Schattenspender für die Besucher, vorgesehen.

Auch in dem rückwärtigen Hof des neuen Hauses findet sich ein Streifen aus Stampfbeton als fortgeführter Gründungsstreifen des Hauses, der den Hof in Richtung Norden räumlich fasst und gleichzeitig eine Sitzgelegenheit bietet. Der Hof um die bestehende Eiche ist mit einem wasserdurchlässigen Naturstein gepflastert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich überzeugt diese Arbeit durch eine angemessene und einfache Setzung im Kontext mit dem Eingangsgebäude und dem umgebenden Freiraum. Geschickt wird mit dem flach geneigten Satteldachhaus und integrierter Dachabschleppung an der Ostfassade auf die vorhandene Topografie des Geländes mit einem klar artikulierten und auffindbaren Eingang in das Gebäude geantwortet.

Somit entsteht ganz selbstverständlich eine einladende Lobby mit allen notwendigen Funktionen, ein angenehm proportionierter und nutzbarer Freibereich zum Museumsdorf hin und eine gute funktionale Differenzierung der gewünschten inneren Funktionsbereiche. Die relativ geschlossene Eingangsfassade wird hierbei in der Jury kontrovers diskutiert, bietet aber mit ihrer einfachen und handwerklich gut gemachten Fassadenstruktur eine durchaus oft vorzufindende Analogie zur regionalen Architektur.

Gestalterisch und architektonisch bietet die Arbeit einen handwerklich gut proportionierten Auszug für die einfache Haustypologie, setzt ihre Öffnungen im Verhältnis zu den Arbeitszonen strukturell gut ein und schafft somit gut belichtete und flexible Arbeitsplätze. Konstruktiv ist die Arbeit klar und eindeutig aufgebaut, das explizite Thema des „Strohhauses“ ist fachgerecht umgesetzt und entspricht in seinen Aufwendungen den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Auftraggeber.

Ein etwaig notwendiger zweiter Fluchtweg für die Obergeschosszone ist nicht erkennbar.

Bei den Öffnungen wurde auch über die Notwendigkeit der bodentiefen Fenster kontrovers diskutiert. Im Sinne einer Gesamtbilanzierung von Kriterien aus Nachhaltigkeit zeigt dieser Entwurf viele einfach ausgeführte Effizienzprinzipien, die ohne komplexe technische Unterstützungen für gute raumklimatische Verhältnisse sorgt und somit auch für einen wirtschaftlichen Unterhalt steht.

Bezogen auf den ausgelobten Kostenrahmen liegt die Arbeit knapp über dem Durchschnittswert aller Beiträge und den Vorgaben aus dem „0“ Projekt.

Die Anforderungen des Landes Hessen an die Energieeffizienz zur Übererfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen können mit dem vorliegenden Entwurf sehr gut erfüllt werden. Das vorgeschlagene Energiekonzept folgt konsequent dem Low Tech Prinzip und hinterlässt damit einen überzeugenden Eindruck. Der verbleibende sehr niedrige Energiebedarf soll durch die vorliegende Fernwärme gedeckt werden. Die nach Süden weisende Dachfläche ist vollständig mit einer PV Anlage belegt, was positiv gewertet wird. Insgesamt weist der Entwurf im Teilnehmerfeld einen deutlich niedrigeren Energiebedarf auf als der Durchschnitt.

Insgesamt gesehen zeigt diese Arbeit eine gute und adäquate Antwort auf die gestellte Aufgabenstellung, die mit ihrer Einfachheit und präzisen materialgerechten Gestaltung einen wohltuenden Fingerzeig auf ein regionaltypisches Haus mit besonderer Funktion bietet.