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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Neubau Bildungscampus Bau Geradstetten

Anerkennung

Preisgeld: 16.600 EUR

sacker

Architektur

AG FREIRAUM

Landschaftsarchitektur

LINDENKREUZ EGGERT | Bildermacherei & Utopografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Städtebau und Erschließung:
Die Anordnung der Baukörper des neuen Bildungscampus Bau bildet zwei zur Rems hin offene Höfe. Über eine gemeinsame Magistrale werden alle Gebäude erschlossen. Entlang dieser Magistrale entsteht von West nach Ost eine spannungsvolle Abfolge verschiedener Freibereiche. Den Auftakt bildet ein einladender Vorplatz, der die Adresse des Campus entlang der Oberer Wasen-Straße bildet. In die Gestaltung des Vorplatzes wurden die schattenspendenden Bestandsbäume integriert. Gerahmt von Gästehaus und Seminargebäude folgt ein großzügiger Grünraum für sportliche Aktivitäten und Freizeit. Zu guter Letzt bildet das großzügige Freigelände mit seinen angrenzenden Werkhallen den Abschluss des Bildungscampus. Gegliedert wird der Campus durch Querverbindungen mit Baumreihen aus klimaverträglichen Baumarten, welche Blickbeziehungen zur Rems und zur Straße ermöglichen.
Der Grünraum wird gerahmt von den Außenbereichen der Mensa und der Terrasse des Gästehauses. Sitzstufen zonieren die Bereiche zum Entspannen und für sportliche Aktivitäten wie Boule oder Bogenschießen, Outdoor Fitness, Slackline und das Kleinspielfeld für Streetball und Fußball. Im Entwurf werden schattenspendende Baumreihen aus klimaverträglichen gemischten Ahornarten eingeplant und die dazwischenliegenden Bereiche mit unterschiedlichen wasserdurchlässigen Bodenbelägen versehen, die aus wiederverwendeten Platzbelägen gewonnen werden. Die Terrasse des Gästehauses bietet ein „Schaufenster“ zur Rems, ohne direkten Zugang zum Wasser, um die Biotope des Remsufers zu bewahren.
Das Freigelände wird im Süden durch die begrünte Uferzone der Rems gerahmt und bietet genug Fläche für die verschiedenen Übungen sowie benötigten Gerätschaften wie die Kräne. Pumpwerk 1 und 2 bleiben erhalten. Pumpwerk 2 wird durch einen neuen Weg an der Ostgrenze des Geländes erschlossen. Die ehemalige Straßenverlaufsfläche wird von jeglicher Bebauung freigehalten. Mobile Verschattungsmöglichkeiten für die Freifläche können angebracht werden.

Grundriss und Struktur:
Gästehaus – Das Erdgeschoss öffnet sich mit seinen Gemeinschaftsräumen zum belebten Platz. Der Fitnessbereich orientiert sich nach Süden zur Rems und in den gegenüberliegenden Grünraum. Der Verwaltungsbereich orientiert sich zum Vorplatz und ist auf kurzem Weg von dem Foyer aus zu erreichen. Ein zentral gelegenes Treppenhaus erschließt alle Etagen. Die ersten vier Obergeschosse sind mit je 24 Zwei-Bett-Zimmern plus Nasszelle kompakt organisiert. Eines davon ist barrierefrei ausgebildet. Der Clubraum auf jeder Etage orientiert sich zum Platz. Im Staffelgeschoss befinden sich die Einzelzimmer. Der Aufenthaltsbereich ist zur beschatteten Dachterrasse orientiert. Der rundumlaufende Laubengang bietet eine Austrittsmöglichkeit und eine zusätzliche Aufenthaltsqualität.
Seminargebäude – Das Verwaltungs- und Seminargebäude liegt ebenfalls entlang der Magistrale und schließt den Grünraum nach Norden hin ab. Das Erdgeschoss ist an drei Seiten eingerückt, sodass der Durchgang zur Magistrale betont und gleichzeitig eine geschützte Vorzone geschaffen wird. Die Fensterflächen sind öffenbar, sodass die großen zusammenhängenden Aufenthaltsflächen in den Außenraum erweitert werden können. Im Norden befinden sich die dienenden Räume wie das Stuhllager, die Anlieferung und die Küche. Eine einläufige Treppe erschließt das Obergeschoss und endet an einer großzügigen Dachterrasse, die das Gebäude nach oben hin abschließt und als Aufenthalts- und Veranstaltungsfläche dient. Ein Oberlichtband belichtet die Erschließungsflächen und das Foyer. Im Obergeschoss sind die großen Lehrsäle entlang den Fassaden angeordnet und mit Blickbeziehung in die Freibereiche des Campus.
Hallen – Über die Magistrale gelangt man auf das von den Werkhallen gerahmte Freigelände. Entlang des Freigeländes sind die den jeweiligen Hallen zugeordneten Nebenräume und deren Erschließung angeordnet. Die Erschließung erfolgt über einen vorgesetzten Laubengang, welcher zum einen eine formale Verwandtschaft zu den übrigen Gebäuden des Campus herstellt und zum anderen eine Interpretation des klassischen Baugerüstes darstellt. Gleichzeitig dienen sie als geschützter und beschatteter Erschließungsbereich. Im Erdgeschoss befinden sich die der Halle zugeordnete Lagerflächen. Im Obergeschoss sind die Umkleiden und die Büros verortet. Von hier aus haben die Meister einen guten Überblick sowie eine direkte Blickverbindung in das Freigelände und in die Hallen.
Die Werkhallen orientieren sich zur platzabgewandten Seite und können von dort aus konfliktfrei durch LKW angefahren werden. Entlang der Straße Oberer Wasen befinden sich die Freilager der jeweiligen Hallenbereiche.

Architektur und Gestaltung:
Material und Konstruktion des Campus spiegeln die Gegebenheiten des gegenwärtigen und zukünftigen Bauens wider. Wo möglich werden Baustoffe wiederverwendet und auf die Verwendung besonders langlebiger Materialien geachtet. Um trotz der unterschiedlichen Nutzungen einen Ensemblecharakter für den Bildungscampus Bau zu schaffen, wird auf einige sich wiederholende architektonische Motive, wie auf eine einheitliche Farbgebung der Stahlbauteile zurückgegriffen. Ein weiteres Element ist eine vorgestellte Stahlstruktur, die wo funktional sinnvoll eine Interpretation des klassischen Baugerüsts darstellt.
Im Seminargebäude wird der Boden des zentralen Bereichs mit wiederverwendeten Würfelparkett belegt, die raumprägende Wandscheibe besteht aus Abbruchziegeln. Im Kontrast dazu zeigt sich die Tragstruktur aus Beton mit Recyclingzuschlag an den Decken und Stützen als neues Material. Stahlträger aus dem Bestand können für die Laubengänge wiederverwendet werden.
An den Hallenfassaden wechseln sich in einem gleichmäßigen Rhythmus offene und geschlossene Flächen ab. Die transluzenten Flächen bestehen aus Polycarbonat-Stegplatten. Partiell werden einzelne Öffnungen als Schaufenster in die Hallen ausgebildet. Für einen natürlichen Lichteinfall und eine natürliche Belüftung der Räumlichkeiten sorgen regelmäßig angeordnete Oberlichter.

Konstruktion und Tragwerk:
Bei der Konstruktion der Gebäude wird auf eine hohe Recyclierbarkeit geachtet. Die Konstruktion der einzelnen Gebäude wird entsprechend der jeweiligen Funktion gewählt. Das Gästehaus wird als modularer Holzbau, das Seminargebäude als Beton-Skelettbau und die Hallen als leichte Stahlkonstruktion geplant. Um den Hochwasserschutz zu gewährleisten sind die Erdgeschosszonen in Massivbauweise ausgeführt. Die Hallen sind stützenfrei, effizient und modular in Stahlbauweise ausgebildet. Die Aussteifung erfolgt über sichtbare Verbände.

Nachhaltigkeit:
Für den Anspruch an das zukunftsgerechte Bauen wird auf die Langlebigkeit und Recyclierbarkeit geachtet. Die wiederverwendeten Bauteile der Bestandsgebäude werden auf dem Werkgelände bis zu ihrem Einsatz zwischengelagert. Ein Teil des Abbruchmaterials wird in den Zuschlägen für Boden- und Wandbelägen wiederverwendet. Bei dem Verlegen der Außenbeläge sollen idealerweise die Auszubildenden miteingebunden werden, um einen nachhaltigen Lerneffekt zu erreichen. Die Funktion des Campus wird thematischen auch in dem Mobiliar aufgegriffen: alte Werkbänke und Stühle der Werkstätten werden aufbereitet und wiederverwendet. Das gewählte städtebauliche Konzept ermöglicht den Erhalt von Bäumen innerhalb des Plangebiets im Aktivitätsbereich sowie entlang der Straße Oberer Wasen. Das Remsufer mit seinen Biotopen und Erschließungsweg bleibt unberührt. Alle Neupflanzungen sind Baumarten die nachweislich mit extremeren Klimabedingungen auskommen können und deren Wachstum durch z.B. Baumbewässerung mit Dachwasser der begrünten Dachflächen angetrieben wird. Alle Beläge sind, wo möglich, aus örtlichen Recyclingmaterialien zusammengestellt, vor Ort produziert und wasserdurchlässig.

Bauphasen:
Bei der Entwicklung der Bauphasen wurde auf einen nahtlosen Übergang der Funktionen der Bestandsgebäude und der Neubauten geachtet. Die Planungsphasen der Ausführungsplanung werden so gestaffelt, dass die jeweils erforderlichen Planungsstände für die Bauphasen vorliegen. So kann ein lückenloser Lehrbetrieb gewährleistet werden. Alle Gebäude werden mit einem hohen Vorfertigungsgrad geplant und können somit zügig errichtet werden. Gleichzeitig zum Abbruch und den Recyclingarbeiten der Gebäude auf dem östlichen Baufeld wird die Ausführungsplanung des Gästehauses und des Bereiches Ost umgesetzt. So kann nach erfolgten Abbrucharbeiten im östlichen Bereich mit dem ersten Bauabschnitt, dem neuen Gästehaus und den Neubauten im Osten, begonnen werden. Danach ziehen Verwaltung und Lehre vorübergehend in die Erdgeschossräume des Gästehauses. Der Betrieb mit 96 Betten ist durchgehend gewährleistet. Es folgt die zweite Abbruch- und Recyclingphase für den Bereich Nord. Hier werden das neue Seminargebäude, die Tiefbauhallen und die Hallen 10-12 des Baugeräteführers errichtet. Ein provisorisches Ausbildungsgelände und neue Lagerflächen ermöglichen den durchgehenden Betrieb. Nach erfolgtem Umzug aus den südlichen Gebäudeteilen wird die letzte Abbruchphase und anschließend das letzte Gebäude im südlichen Baubereich errichtet.

Technik- und Energiekonzept:
Der notwendige Strombedarf wird vollständig über Photovoltaikmodule auf den ca. 4000 m2 großen Dachflächen gedeckt. Primär soll die gewonnene Energie in der Liegenschaft selbst genutzt werden. Dafür werden entsprechende Batteriespeicher vorgesehen. Darüber hinaus wird die überschüssige Energie in das öffentliche Netz gespeist, respektive zum Laden von E-Fahrzeugen zur Verfügung gestellt. Die Retentionsflächen des Geländes können für die Grauwassernutzung der Hallen hinzugezogen werden.
Die Wärmeversorgung erfolgt über eine hocheffiziente Luft-Wasser-Wärmepumpe. Für eine garantierte Versorgung bei Spitzenlasten wird ein Fernwärmeanschluss vorgesehen. Um die Abwärme des Werksgeländes möglichst gut zu nutzen, werden die Wärmeabgabesysteme konsequent als Niedertemperatursysteme mit 36°C/28°C geplant. Für die Kälteversorgung und -abgabe wird die entzogene Wärme innerhalb der Gebäude zu Heizzwecken verwendet und mit hybriden Rückkühlern die Überschusswärme abgeführt, wenn der Wärmebedarf der Gebäude gedeckt ist.
Im Seminargebäude werden alle Bereiche mechanisch mit hoch effizienter Wärmerückgewinnung be- und entlüftet. Die Volumenströme werden bedarfsgerecht über die CO2-Konzentration geregelt. Die Auslegungsluftmenge ist für eine sinnvolle Grundlüftung ausgelegt. Eine zusätzliche Fensteröffnung durch die Nutzer ist jederzeit möglich. Gästehaus und Werkhallen werden natürlich be- und entlüftet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch die souveräne Anordnung der fünf Baukörper auf dem Grundstück des neuen Bildungscampus entstehen zwei gut proportionierte Höfe, die sich zur Rems hin öffnen und spannungsvolle Blickbezüge aufbauen. Den Auftakt zum Campus im Westen bilden selbstbewusst das Gästehaus und das Seminargebäude, die die Nutzer und Besucher über einen qualitätvollen Vorplatz empfangen. Die beiden Gebäude umrahmen zusammen mit der Halle 9 den Aktivitätsplatz, der von den öffentlichen Bereichen wie Mensa und Fitness belebt wird und eine hohe Aufenthaltsqualität erwarten lässt. Östlich schließen sich die Werkstattgebäude mit gut proportioniertem und ausreichend bemessenen Werkplatz an und bieten belastbaren Außenraum. Kritisch gesehen wird die Körnung und Kantenlänge der Werkhallen im Norden entlang des Oberen Wasens mit direkter Anordnung der Lagerzonen an der Straße, was die Adressbildung und das Erscheinungsbild einschränkt.

Die Anordnung, Funktion und inneren Abläufe von Seminar- und Gästehaus passen und versprechen Qualität.

Die innere Ordnung der Hallenbereiche, die um den gut bemessenen Werkhof gruppiert sind werden kontrovers diskutiert. So wird die Anordnung der dienenden Räume als Spange zwischen Hofraum und Halle hinsichtlich den Abläufen und der Anfahrbarkeit der Hallen vom Werkplatz stark in Frage gestellt. Die direkte Anfahrt und eine Durchfahrbarkeit der Halle fehlt und lange Fahrwege werden somit erzeugt. Halle 9 ist als geschlossenes Volumen geplant und eine überdachte Konstruktion ist hier wünschenswert.

Die vorgeschlagene Materialität und die Fassaden sind nachvollziehbar, angemessen und das Erscheinungsbild des neuen Bildungscampus fügt sich lässig in seinen Kontext ein.

Bezüglich den Kriterien der Nachhaltigkeit ist hervorzuheben, dass vorgesehen ist, in dem Holzhybridgebäude auch Materialien aus dem Rückbau wiederzuverwenden. Der Entwurf bemüht sich die Bestandsbäume zu erhalten. Das Energiekonzept sieht mit PV-Anlagen und Luft-/Wasser-/Wärmepumpe einen CO2 neutralen Betrieb vor.

Der Entwurf ist mit ca. 10% über dem Budget bewertet. Dies liegt im Wesentlichen an der hohen BRI, welche aus im Vergleich erhöhten Raumhöhen resultiert. Es ist zu hinterfragen, ob die Nebenflächen, insbesondere Technikflächen, ausreichend dimensioniert sind. Die verschiedenen Fassaden sind im Vergleich aufwendig gestaltet.

Der neue Bildungscampus überzeugt mit solider städtebaulicher Setzung und gut bemessen Freiräumen. Diese klare architektonische Haltung setzt sich meist in der Grundrissgestaltung fort. Leider erzeugt die Grundstruktur der Werkstätten eine Störung und führt zu Irritationen in den Abläufen.
Lageplan

Lageplan