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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Städtebauliche Entwicklung in Jüchen Süd

Lageplan

Lageplan

3. Preis

Preisgeld: 22.000 EUR

Karres en Brands

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Einleitung
Es ist schwer vorstellbar für uns der Historie dieses Ortes mit einem einfachen Masterplan gerecht zu werden. Ein Ort, der sowohl Trauma für Umwelt, Mensch und Boden bedeutete als auch Prosperität und Möglichkeiten eröffnete. Der Lebenszyklus dieses Ortes, vom Urwald über die Urbarmachung und Rodung hin zur ersten Besiedlung, der Entdeckung erster Braunkohlevorkommen und der dramatischen Zäsur des Tagebaus und der Umsiedlung bzw. des Abrisses ganzer Dörfer und deren Geschichte, verlangte weitererzählt zu werden. Der Begriff Heimat begann durch die scheinbar unaufhaltsam näherkommende Abbaukante eine neue Dimension zu kriegen. Orte und Heimat wurden verhandelbar. Daher war es für uns wichtig im ersten Schritt etwas zu schaffen was langfristig bleibt und als Grundlage für eine weitere Besiedlung dienen kann. Ein funktionierendes Ökosystem. Der Abruptheit und dem Ausmaß der anthropozänen Eingriffe des Tagebaus wollen wir eine feinteilige, organische Entwicklung des Ortes in drei Phasen entgegenstellen.

Jüchen Süd als Stadtlabor/ How to grow a city
Das Jüchener Stadtlabor ist unser Vorschlag für das Innovationsquartier von morgen! Eine Inspirationsquelle, die über Juchen hinausgeht und eine prototypische Entwicklung für Tagebau-Folgelandschaften auf der ganzen Welt vorschlägt. Ein lebendiges Stadtgebiet mit einzigartigen Typologien, Wohnraum und Möglichkeiten für Produktion, Erholung und neue Wirtschaftsmodelle. Das Stadtlabor ist unsere Vision für eine neue Art des Wohnens: ein Quartier, das sich nicht über die fertige Architektur definiert, sondern über den Prozess selbst. Eine Stadt, die sich ständig weiterentwickelt, wächst, lernt und sich anpasst und in der die "vorstädtische Landschaft genauso wichtig ist wie das fertige Produkt selbst.

Reallabor: Nährboden für die Stadt der Zukunft
Das Juchen Stadtlabor ist kein fixierter Plan, es ist keine eingefrorene Architektur, sondern eine lernende Stadt. Ein Ökosystem, das sich ständig verändert und sich an die Bedürfnisse seiner Bewohner anpasst. Es geht nicht nur um Wohnen und Wirtschaft, sondern wird zum Nährboden für die nachhaltige Stadt der Zukunft. Wir schätzen die Prozesskultur und sind der festen Überzeugung, dass Flexibilität und Dialog für die Umsetzung eines Plans entscheidend sind. Durch die Nutzung einer flexiblen Struktur können wir die Stadt schrittweise mit Initiativen wachsen lassen. Gleichzeitig ermöglicht die Beschaffenheit der Entwicklungsfelder die Vermischung von Typologien, und zusammen mit ihrer unmittelbaren Produktionslandschaft oder ihrem öffentlichen Raum (Parks, Gärten, Höfe, Straßen usw.) können sie unabhängig voneinander arbeiten, was die Phasenverschiebung äußerst flexibel macht.

Unser Traum für das Stadtlabor ist nicht nur die Frage, wie das Leben in der Stadt sein wird, sondern auch die Überzeugung, dass eine adaptive Live-Planung die Möglichkeit bietet, sich anzupassen, zu lernen und zu wachsen. Das Stadtlabor nutzt den Prozess als Treibstoff für Experimente, Tests und Innovationen. Es nutzt Raum für temporäre Energiefelder und Energiepflanzen, die Produktion von Nahrungsmitteln sowie Veranstaltungen zur Ortsgestaltung. In den frühen Planungsphasen werden die verfügbaren Felder für den Anbau von Bäumen für die zukünftige Stadt, aber auch für nachhaltige Energie und Ernährung genutzt. Wir haben nicht die Absicht, ein fixiertes und starres Bild zu konstruieren, sondern ein dynamisches und anpassungsfähiges Planungswerkzeug mit langfristiger Nutzbarkeit. Eine Stadt, die mitlernt und Raum für Innovationen lässt.

Plug 'n Play District: Rahmenbedingungen Entwicklungsfreiheit
Das Stadtlabor steht für adaptive Entwicklung. Eine einfache und klare Struktur bildet die Grundlage des Plans und setzt den Rahmen für die Zukunft. Die Struktur wird durch eine großzügige Grundstücksgrößen definiert, die von den dem Tagebau vorangehenden landwirtschaftlichen Nutzung inspiriert ist. Es bietet flexible Entwicklungsmöglichkeiten und Phasierungen. Maximale Flexibilität – ein Plug & Play-Quartier. Der Rahmenplan sorgt dafür, dass Grundstücke individuell und flexibel entwickelt werden können, aber gleichzeitig einen gewachsenen Charakter und Individualität erhalten. Es sorgt auch für Wiedererkennbarkeit und Charakter vom ersten Tag an durch die Einführung temporärer Funktionen. So wird das Rahmenwerk zu einer lebendigen Entwicklungsmatrix für die Zukunft.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit hat eine starke konzeptionelle Prägung mit all den damit verbundenen Vor und Nachteilen. In Summe stellt sie eine große Bereicherung für das Wettbewerbsverfahren dar. Die Anleitung zur Entwicklung der Idee „How to grow a city“ unterteilt sich in 3 Phasen, welche der vorangegangenen Nutzung Rechnung tragen und sie zukunftsorientiert in die Gegenwart überführen will. Der Leitbegriff der „saturierten“ Landschaft ist einprägsam und erscheint im Hinblick auf die Zielsetzung korrekt.

Schritt 1 der Umsetzungsphase sieht die Gestaltung der Eingangssituation und den Übergang von Jüchen zu neu zu gestalteten Jüchen-Süd vor und schafft einen urbanen Auftakt für die Neuausrichtung in der Landschaft. Dieser städtebaulich überschaubare Eingriff findet zeitgleich mit der Wiederherstellung des Ökosystems in den späteren Bauabschnitten statt.

Die in Schritt 2 sehr konzeptionell gestalteten Baufelder suggerieren auf den ersten Blick lediglich ein Wachstum des Ortes von Nord nach Süd, bei genauerem Betrachten wird jedoch ersichtlich, dass sich dieses Band ebenso von West und nach Ost erstreckt und dort mit den baulichen Eingriffen beginnt. Auch die soziale Infrastruktur wird in diesem Schritt umgesetzt. So finden Schule und Kindergarten neben einem der ersten gebauten Stadtblöcke ihren Platz.

Stufe 3 der Realisierung verknüpft eine Nutzung der wiederhergestellten Ökosysteme, integriert den Verbrauch der vorangegangenen angebauten und entstandenen Ressourcen und zeigt die Fortentwicklung in die Landschaft hinein.

Städtebaulich betrachtet muten die einzelnen Blöcke auf den ersten Blick eher starr und sich nicht gut in die Landschaft integrierend an. Bei näherer Betrachtung lassen sich jedoch hier verschiedene Typen identifizieren, die auch in ihrer Bebauungsstruktur durchaus ein heterogenes Verhalten aufweisen. Kritisch betrachtet wird in Summe jedoch die Verhältnismäßigkeit zueinander und es erscheint teilweise nicht dem Raum angemessen. Bei dem Blick auf die Struktur der Bebauung wird deutlich, dass eine Umsetzung in diesen Bereichen stark begleitet werden müsste, da die Anordnung und innere Ausformulierung der „Stadtblöcke“ hinsichtlich ihrer infrastrukturellen, städtebaulichen und freiräumlichen Ausformulierung vieles offen lassen.

Die Haltung zur Landschaft, westlich der Bebauung das System „Wald“ aufzugreifen und sukzessive fortzuentwickeln sowie das entsprechende Pendant der landwirtschaftlichen Flächen im Osten zu entwickeln, erscheint im konzeptionellen Umgang gut darstellbar und logisch Die Übergangsbereiche in die städtischen Strukturen, die Nutzungsangebote und die verkehrliche Erschließung muten im Rahmen des Entwurfes eher konzeptionell an und nicht zwingend in Zukunft baubar.

Leider wird die Thematik der Topographie weitestgehend außer Acht gelassen, weshalb sich die Kernzone der vorgeschlagenen Bebauung mit der vorhandenen Senke flächentechnisch stark überschneidet und damit ein deutliches Manko des Entwurfs aufzeigt.

Im Rahmen dessen wird auch der Umgang mit Wasser vermisst.

Die Realisierung in den 3 Abschnitten scheint prinzipiell machbar und individuell gut umsetzbar, hinsichtlich des Umsetzungszeitraum zwischen 2023 und 2040 vermutlich jedoch sehr optimistisch gedacht, da nicht alle Lebensphasen und deren Abbauzeiten hinreichend zeitlich bemessen erscheinen.

Nichtsdestotrotz sind die schrittweise Umsetzung und konsequente Fortentwicklung der Flächen und ihre Transformation zu den jeweiligen Abschnitten ein sehr logisches und konsequentes Verhalten was in der Ausformulierung überzeugt.

Die grafische Plandarstellung führt bei all der konzeptionell gut ablesbaren Inhalte leider nicht zu einem besseren Verständnis der Pläne.

In Summe leistet dieser Beitrag einen sehr gelungenen Beitrag zu der formulierten Aufgabenstellung und auch wenn man die Plandarstellung kontrovers diskutieren darf, sucht dieser Beitrag seinesgleichen hinsichtlich der Individualität und Innovationskraft.
Lageplan

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Collage

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