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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Umwandlung Fliegerhorst Fürstenfeldbruck in ein Wohn- und Arbeitsquartier

Lageplan

Lageplan

Preisgruppe / 1. Stufe

STUDIO RW | Landschaftsarchitektur + Stadtplanung

Stadtplanung / Städtebau, Architektur, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

PARKQUARTIER FÜRSTENFELDBRUCK

STÄDTEBAULICHE UND FREIRAUMPLANERISCHE HERLEITUNG + KONZEPT

Der Entwurf greift die bestehende Flächenprägung des Gebiets auf und vereint diese in einer symbiotischen Wechselwirkung zwischen Landschaft und Stadt. Die Teilquartiere befinden sich überwiegend auf bereits versiegelten Flächen, wodurch der Parkcharakter erhalten und gestärkt wird. Sanfte Übergänge der Landschaft, die Waldkante im Süden und Westen, sowie die Magerrasenwiesen des FFH-Gebiets im Norden, verschmelzen zentral zum grünen Herz und bilden eine spannende und erlebbare Landschaft inmitten des Parkquartiers aus, welche sich in die landschaftliche Taktung aus Wald, Parkflächen und offener Kulturlandschaft, einfügt. Ein Sport- und Aktivband rahmt das grüne Herz und hält intensive Nutzungen, wie etwa Sport- oder Spielplätze, aus diesem heraus.

Der Städtebau ist an den richtungsgebenden und identitätsstiftenden Solitären im Gebiet ausgerichtet. Durch die Ausrichtung und Einbeziehung der Solitäre in die Teilquartiere, ergeben sich spannende Sichtbeziehungen zur umliegenden und ortsbildprägenden Landschaft. Jedes Teilquartier ist von der Landschaft umgeben und zusätzlich um einen Nachbarschaftsplatz organisiert. Die Typologien sind flexibel angeordnet und können bei Bedarf den Gegebenheiten angepasst werden, ohne dass die städtebauliche Grundstruktur verändert werden muss. Auf jedem Wohnbaufeld befinden sich zudem gemeinschaftliche Innenhöfe, welche als Begegnungsorte und Orte der Aneignung von der Bewohner:innenschaft genutzt werden sollen. Die Geschossigkeit ist auf die Teilquartiere und ihren Gegebenheiten abgestimmt und nimmt vom zentralen Nachbarschaftsplatz im mittigen Teilquartier ausgehend, konzentrisch, aber spannungsvoll ab.

Die Grün- und Freiflächen sind das Herzstück des Parkquartiers und weisen ein differenziertes Angebot auf. Während zur umliegenden Landschaft sanfte Übergänge die Freiräume in Eigenart und Nutzung prägen, ist das grüne Herz der zentrale Freiraum für das Parkquartier. Das grüne Herz ist extensiv und naturnah gestaltet und orientiert sich an der gegenwärtigen Bestandssituation samt Biotopverbunde und schützenswerten Gehölzen. Um den naturnahen Charakter beizubehalten, soll zusätzlich eine Schafbeweidung stattfinden. Am grünen Herz gelegen, befindet sich das Sport- und Aktivband, welches multikodiert ist und verschiedenste Nutzungen auf sich ermöglicht. So sind Pausenflächen der Schulen, gastronomische Angebote, Sportgeräte, sowie kulturelle Einrichtungen mit ihren Außenflächen in das Aktivband integriert und fungieren als der aktive Rand des grünen Herzes. Ebenfalls multikodiert sind die Nachbarschaftsplätze, welche in allen Teilquartieren verortet sind. Um einen zeitgemäßen Umgang mit anfallendem Regenwasser zu ermöglichen sind Retentionsbereiche in den Freiflächen untergebracht, welche zusätzlich die mikroklimatischen Auswirkungen verbessern.

NUTZUNGSKONZEPT / NACHNUTZUNG

Das Nutzungskonzept bedient auf vielfältige Weise die Anforderungen von Wohnen, Arbeiten, Bildung, Freizeit, Kultur und Soziales innerhalb des Gebiets. Im Technologiepark sind überwiegend gewerbliche und forschungsgestützte Nutzungen angesiedelt, welche zusammen mit der Gemeinde Maisach das zukünftige interkommunale Gewerbegebiet bilden sollen.

Im zentralen Teilquartier befindet sich das urbane Wohnen und Arbeiten. Aktive Erdgeschossnutzungen wie beispielsweise Cafés, Bäckereien oder kleine Läden bespielen den Quartiersplatz sowie die Haupterschließungsstraße. Zusätzlich ist das Jugendzentrum, die KiTa, das Pflegewohnheim sowie das Gymnasium als auch die Realschule im zentralen Teilquartier angesiedelt. Die Turnhalle der Realschule soll darüber hinaus in der angrenzenden Flugzeughalle integriert werden und auch weitere, öffentlich zugängliche Sportnutzungen beherbergen. Das Highlight des zentralen Teilquartiers bildet aber die größte und identitätsstiftende Flugzeughalle am Platz. Die Flugzeughalle soll als Markthalle weitergenutzt werden und beinhaltet darüber hinaus auch den Nahversorger.

Im westlichen Teilquartier und als Übergang zur Waldkante, befindet sich kleinteiligeres Wohnen, welche in Kombination mit Geschosswohnungsbauten einen spannungsvollen Gegenpart zum urbanen Wohnen und Arbeiten im Zentrum bieten sollen. Entlang der Haupterschließungsstraße sind ebenfalls aktive Erdgeschosszonen vorgesehen. Des Weiteren wurde ein Handwerkerhof in den „Hofbereich“ der ehemaligen Luftkriegsschule integriert, welcher Raum für nicht störendes Gewerbe bietet. Als Sonderbaustein des Wohnens und in Erwartung daran, dass das Blaue Palais als Hochschule weitergenutzt wird, ist im westlichen Teilquartier studentisches Wohnen vorgesehen, welche Einzug in den südlichen Teil der ehemaligen Luftkriegsschule erhalten soll. Weitere Bildungsbausteine wie etwa die dreizügige Grundschule sowie das Förderzentrum sind ebenfalls im westlichen Teilquartier angesiedelt.

Der Kilometerbau wird weiterhin bespielt und mit verschiedenen Nutzungen wie Wohnen, Arbeiten, und Kultur nachgenutzt. Nutzungen, welche Außenflächen benötigen, können sowohl Teile des Aktivbands nutzen, als auch die rückwärtigen Grünflächen des Kilometerbaus. So kann beispielsweise Urban Gardening in den Hinterhöfen betrieben werden.

Der alte Tower dient als Erinnerungsort für das Olympia-Attentat von 1972 und wird behutsam in die Magerrasenwiesenstruktur integriert.

MOBILITÄT / VERKEHR

Die Mobilität wird im Parkquartier zukunftsgerichtet, flexibel und an den Bedarfen der Menschen organisiert, wodurch ein attraktives Mobilitätsangebot entsteht. Durch die Verlegung der Haupterschließung entlang der Teilquartiere, wird die Mobilität gebündelt und effizient gestaltet.
Im Parkquartier wird der Fokus in besonderem Maße auf Fuß- und Radfahrer:innen gelegt. Gut ausgebaute Fuß- und Radwege vernetzen die Teilquartiere untereinander und schließen an bestehende Wegenetze an, wodurch das Parkquartier stärker in die Umgebung eingebunden wird.
Der ÖPNV wird entlang der Haupterschließung geführt und bindet durch Haltepunkte an den Nachbarschaftsplätzen alle Teilquartiere stark in das Mobilitätsnetz ein. Durch eine flexible Ausgestaltung der Straßenquerschnitte entlang der Haupterschließung, könnte zusätzlich ein schienengebundenes Verkehrssystem (Tram/Stadtbahn) ohne größere Umstände in das ÖPNV-Angebot implementiert werden.
Auch der MIV orientiert sich entlang der Haupterschließung und wird weitestgehend aus den Teilquartieren ferngehalten. Der ruhende Verkehr wird in Quartiersgaragen untergebracht, welche ausreichend Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und PKW ermöglichen sollen. Zusätzlich können kleinere Selbsthilfewerkstätten in den Quartiersgaragen Platz finden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen mit drei flächensparend um ein großzügiges grünes Herz gruppierten Baufeldern eine überzeugende städtebauliche Haltung vor. Sie würdigen den vorhandenen Charakter des Fliegerhorstes, indem sie die neuen Quartiere weitestgehend auf im Bestand bereits versiegelte Flächen konzentrieren und diese in ihren Ausrichtungen an den erhaltenen Solitären und denkmalgeschützten Bauten orientieren. Die eindeutige Schwerpunktsetzung auf Wohnen gegenüber einem geringen Angebot an Gewerbeflächen sieht das Preisgericht kritisch. Versäumt wird zudem die Ausformulierung von städtebaulich prägnanten Quartierszugängen im Westen und Osten des Planungsgebietes. Auch die Gestaltung der verspringenden Quartiersränder vermag noch nicht vollends zu überzeugen.

Positiv gesehen wird, dass sich die grüne Mitte wie selbstverständlich nach Norden in die Weite des Flugfeldes öffnet und nach Süden an den erhaltenen, denkmalgeschützten Landschaftspark anknüpft. Der naturnah gestaltete zentrale Park verknüpft die einzelnen Quartiere durch einen attraktiv gestalteten Parkloop miteinander; der Kilometerbau wird schlüssig als Parkkante integriert. Bildungs-und soziale Einrichtungen markieren mit angrenzenden Platzflächen besondere Orte entlang dieses Rundwegs. Die Ausformulierung eines derartigen Treffpunktes im öffentlichen Raum wäre auch für den Bereich des Gewerbestandortes wünschenswert.

Bei der Erschließung besteht eine maßgebliche Stärke der Arbeit in der umwegigen Führung des Kfz-Verkehrs im Norden, wodurch sich eine Kfz-verkehrsfreie grüne Mitte ergibt und Schleichverkehr vermieden wird. Die Quartiersgaragen liegen günstig an dieser Haupterschließung. Allerdings wird die Haupterschließung durch das Zentrum des urbanen Wohn- und Arbeitsquartiers geführt. Eine weitere Stärke des Entwurfs liegt in der Bündelung des ÖPNV auf einer leicht umwegigen zentralen Achse, wodurch häufige Abfahrten und eine gute ÖPNV-Erschließung resultieren. Ein Defizit besteht darin, dass keine S-Bahn-Trasse vorgehalten wird.

Die Lage der Schulen am Parkloop im Übergang zwischen Wohnquartieren und Park wird als spannender, kinder- und familienorientierter Ansatz gewürdigt, der auch zur Belebung der zentralen Grünfläche beitragen kann. Die Zuordnung der für die Bildungseinrichtungen erforderlichen Freiflächen, auch der Kita, im Übergang vom Loop in den Park bleibt jedoch mancherorts ungeklärt. Kritisch wird die Lage der vorgeschlagenen Grundschule gesehen. Sie blockiert die Frischluftzufuhr von Westen in das Quartier. Bei den weiterführenden Schulen, insbesondere beim Gymnasium, wird die große Entfernung zu den Freisportflächen kritisiert. Problematisch gesehen wird zudem die teilweise Überbauung der bestehenden Sportflächen und der Abbruch einer Bestandssporthalle. Die zwei Wohnquartiere mit ihren Quartiersplätzen erscheinen in der städtebaulichen Körnung schlüssig und bieten einen robusten und flexiblen, wenn auch noch etwas schematisch anmutenden städtebaulichen Rahmen für zukünftige Entwicklungen. Die Bebauung des Paradeplatzes jedoch wird aus denkmalpflegerischer Sicht strikt abgelehnt. Nördlich rückt die Bebauung sehr nah an das Denkmal heran. Der „Nachbarschaftsplatz“ erscheint zur visuellen Freihaltung des Torkomplexes viel zu klein. Auf die Quartiersgarage und mindestens den ersten Wohnkomplex sollte aus denkmalpflegerischer Sicht verzichtet werden. Im Westen rückt die Bebauung auch nah heran, ist jedoch aufgelockerter als bei anderen Entwürfen. Eine Begrenzung auf zwei Vollgeschosse wäre zu begrüßen. Die vorgelagerten Gebäude am Kilometerbau werden nicht befürwortet, erscheinen bei entsprechender Gestaltung aber vorstellbar.

Der Entwurf bietet dem noch zu entwickelnden Erinnerungsort den notwendigen Freiraum, um ihn auch zukünftig als authentischen Ort wahrnehmen zu können und in eine geplante Erinnerungskultur zu implementieren. Das östlich der Zugangsachse zum Erinnerungsort vorgeschlagene Pflegeheim liegt als Baukörper zu dicht am Erinnerungsort. Auch die um die Gedenkstätte vorgeschlagenen rahmenden Baumpflanzungen beeinträchtigen den ursprünglich rauen Charakter des Ortes eher als ihn aufzuwerten.

Die geforderten Konzepte zur Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit werden sichtbar und schlüssig im Entwurf umgesetzt. Bezüglich der Biotopvernetzung und Klimaanpassung wird mit der grünen Mitte eine konsequente Strategie entwickelt. Die Dichte des Technologieparks ist hinsichtlich der Tageslichtverfügbarkeit zu prüfen.

Zu möglichen Erweiterungsflächen trifft die Arbeit bis auf die nördliche Erweiterung des Gewerbegebietes leider keine Aussagen.

Insgesamt handelt es sich insbesondere aufgrund des starken Grünkonzeptes um eine Arbeit mit gutem Potential für einen zukunftsweisenden Stadtteil.
Konzept

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