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Konkurrierendes Gutachterverfahren zur Ideenfindung | 08/2023

Neues Wohnquartier Nord in Westerland auf Sylt

Blick in die Quartiersmitte

Blick in die Quartiersmitte

Teilnahme

MOSAIK architekt:innen bda

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Kontext und Körnung
Das Entwurfsgebiet ist geprägt durch sein heterogenes, gewachsenes Umfeld. Verschiedene Typologien vom Einfamilienhaus im Süd-Westen, zum Geschosswohnungsbau im Norden und Gewerbe im Osten schaffen einen vielschichtigen und komplexen Raum. Der Entwurf bedient sich der unterschiedlichen Maßstäbe, Ränder und Geschossigkeiten und vermittelt zwischen ihnen - von dicht zu locker, von urban zu dörflich. Fassadenlängen und Typologien der Umgebung werden aufgegriffen und transformiert. Ein kräftiger und schützender Rand zum Norden sowie ein aufgelockerter, kleinteiliger Übergang zum Süden fassen einen lebendigen, nicht linearen Zwischenraum mit spannungsvollen und abwechslungsreichen Sicht- und Wegeverbindungen. Im Zusammenspiel von Rand und Zwischenraum entsteht ein robuster und dennoch flexibler Städtebau, der sich einerseits in den Kontext der Umgebung einfügt und sich „benimmt“ und auf der anderen Seite ein selbstbewusstes, offenes und inklusives Quartier mit einem hohen Identifikationspotential im menschlichen Maßstab formuliert.

Quartier der Nachbarschaften
In Abgrenzung zur anonymen Zeilenbebauung werden identitätsstiftende, kleinteilige Nachbarschaften entwickelt, die durch Ihre Unterschiedlichkeit differenzierte Möglichkeitsräume zur Entwicklung individueller Lebensentwürfe schaffen. Eine räumliche Umsetzung dieses Prinzips bildet das Grundgerüst der neuen Bebauungsstruktur. Sie gliedert sich in verschiedene, teils gemischt genutzte Hofgruppen, die sich um ein belebtes, dichteres Zentrum anordnen. Dabei bilden sie ein in sich funktionierendes soziales Mikrosystem im Quartier aus und entwickeln jeweils ihre eigene Identität. Die neu entwickelte, städtebauliche Figur besteht aus sechs durchmischten Hofgruppen, welche einen kleinteiligen, fast dörflichen und dennoch dichten Stadtraum formulieren. Jede Nachbarschaft gruppiert sich locker um einen der drei zentralen grünen Anger und reagiert an ihren Rändern differenziert auf die im Bestand vorgefundenen Anknüpfungspunkte. Im Norden begleiten kraftvolle, 3–4-geschossige, städtische Geschosswohnungsbauten den vielbefahrenen Bahnweg. Durch ihre Präsenz wird der Bahnweg als überregionale Verbindung aufgewertet und begleitet. Leicht lassen die Gebäude eine grüne Lärmschutzpufferzone entstehen. Im Inneren des neuen Quartiers entsteht eine einzigartige, erlebbare und vielfältige Ortslandschaft - ein offenes Quartier für Alle.
Das Herz des Quartiers bildet dabei der zentrale grüne Platz an der „Meile“. Dieser beherbergt kleinere Sonderfunktionen wie z.B. ein Nachbarschaftscafé und dient als Treffpunkt und Verteiler. Im Osten und Westen verbinden zwei „Grüne Inseln“, als nachbarschaftliche Anger, sensibel und ruhig, die zentrale Mitte mit den Rändern. Als adressbildende nachbarschaftliche Orte schaffen sie Orientierung, versickern Oberflächenwasser und laden zum Aneignen und Spielen ein. Im Süden dagegen, entlang der Friesischen Straße adressieren locker gestapelte niedrige Doppelhaustypologien ein kleinteiliges Gegenüber und schaffen so den Brückenschlag zur angrenzenden Zweifamilienhausstruktur.

Einfach bauen beginnt im Städtebau
Als inklusives Quartier soll die neue Bebauung Raum für unterschiedliche Lebensentwürfe bieten. Es ist daher erklärtes Ziel des Entwurfes, bereits im Städtebau die wesentlichen Grundlagen für einen wirtschaftlichen und kostengünstigen Wohnungsbau zu schaffen. Gebäudetiefen und Längen werden auf wirtschaftliche Maße abgestimmt, Spännertypologien werden erschließungseffizient und unter Beachtung sowohl des angestrebten Wohnungsmixes, als auch der Bauphasen entwickelt. Vor dem Hintergrund einer effizienten Baukonstruktion werden Nutzungen im Gebäude gestapelt. Die gewünschte Nutzungsmischung erfolgt im Quartier anhand der ausdifferenzierten Typologien. Badzellen, Fertigteile, Fensterelemente können in Serie produziert werden und lassen eine hohe Wirtschaftlichkeit erwarten. Die Abmessungen der Baukörper gewährleisten eine kompakte, tageslichtoptimierte Bauweise sowie einfache und ressourcensparende Konstruktion und Bauteilfügung. Kosten- und materialintensive Bauteilanschlüsse mit hoher Komplexität werden vermieden.

Typologien und Fassaden – Unity in Diversity
Das Projekt ist gekennzeichnet durch einfache und dennoch hochwertige Gebäudetypen. Drei Geschosswohnungstypen, sowie 2 Hausgruppen-Bausteine bilden den Rahmen für eine wirtschaftliche und dennoch flexible und vielfältige Quartiersentwicklung. Jede Nachbarschaft ist geprägt durch eine Mischung aus unterschiedlichen Gebäudetypen, welche ein vielfältiges, lebendiges und abwechslungsreiches Stadtbild erzeugen. Die drei Typologien der Geschosswohnungsbauten mit einer sehr wirtschaftlichen Tiefe von 13m beruhen alle auf einem seriellen, einheitlichen System. Zwei Badezimmertypen, identische Treppenhäuser, gepaarte Loggien, wenige Fensterformate und einheitliche Details ermöglichen eine schnelle Planung und kurze Bauzeiten. Die durchgehende Barrierefreiheit in allen Geschosswohnungsbauten ermöglicht eine Zertifizierung nach QNG und DGNB mit entsprechenden Förderungen. Als kleine Wohngebäude mit weniger als 6 WE können ebenfalls die Hausgruppen auch ohne Aufzug eine Zertifizierung erlangen. Alle Wohnungen erhalten Ihren notwendigen Abstellraum innerhalb der Wohnung. Ebenfalls wird Erdgeschossig ein Hausanschlussraum vorgesehen. Auf kostenintensive und bautechnisch aufwendige Untergeschosse wird komplett verzichtet. Im gesamten Quartier sollen Klinkerfassaden eingesetzt werden. Als ortstypisches Material sind sie langlebig, widerstandsfähig und verursachen keine intensiven Instandhaltungskosten. Eine erste Differenzierung in ihrer Materialität erhalten die Einzelgebäude durch die Anwendung eines aufeinander abgestimmten artverwandten Farbkanons in Braun-, Rotbraun- und Rot-Orangetönen.
Des Weiteren wird ein Vokabular aus regionaltypischen Fassadenelementen, Gesimsen, Mauerwerksverbänden und Stilelementen entwickelt, welches die Einzelgebäude weiter individualisiert, ohne sie aus dem Kontext des Quartiers zu lösen. Trotz Einheitlichkeit in Konstruktion und Duktus der Gebäude entsteht Vielfalt und Abwechslungsreichtum. Das Quartier erhält seine eigene Identität. Lebendigkeit und Adressbildung werden gestärkt.

Phasierung
Die in diesem Quartier geplanten Wohneinheiten sollen gemäß des Wohnraum-Entwicklungskonzeptes der Gemeinde Sylt für Familien, Paare und Singles jeden Alters zur Verfügung stehen. Durch den phasenweisen Rückbau der vorhandenen Bestandsgebäude wird es außerdem notwendig, die ansässigen Mieter*innen in das neue Quartier umzusiedeln. Die Leitidee der nachbarschaftlichen Höfe spielt in dem Phasierungskonzept eine tragende Rolle und ermöglicht, Cluster zu bilden, die auch während der Bauphasen qualitätvolle Wohnhöfe mit gemeinschaftlichen und privaten Freiräumen ausbilden, die geschützt sind vom Baulärm der noch zu errichtenden Gebäude. Im ersten Bauabschnitt wird ein vielfältiger Wohnhof im Osten des Entwurfsgebietes auf der aktuell brachliegenden Fläche hergestellt, der sowohl aus verschiedenen Geschosswohnungsbauten als auch einer Haugruppe besteht. Der kleinteilige Maßstab mit zweigeschossigen Gebäuden an der Friesischen Straße wird aufgenommen aber auch ein viergeschossiges Gebäude an der zukünftigen Quartiersmitte realisiert. Die Mieter*innen der drei südöstlichen Bestandsgebäude können nach Fertigstellung umziehen und der Rückbau dieser Zeilen schafft Platz für das zweite Cluster und die, den Quartiersplatz rahmenden Gebäude. Der dritte Bauabschnitt ergänzt das Quartier im Westen und schafft die Anschlüsse an die benachbarte Bebauung. Der grüne westliche Anger, als nachbarschaftlicher Ort, wird von den drei angrenzenden Nachbarschaftshöfen geformt und auch die Durchfahrt durch das Quartier vom Bahndamm zur Friesischen Straße ist im dritten Bauabschnitt vollumfänglich nutzbar.
Nachdem die Inselverwaltung umgezogen ist, kann auch der vierte Bauabschnitt umgesetzt werden. Die städtebauliche Kante zum Bahndamm wird geschlossen und die letzten Wohnhöfe werden komplettiert.

Erschließung
Im Fokus des Erschließungskonzeptes steht der Ausbau eines barrierefreien und komfortablen Fuß- und Radwegenetzes, sowie die zeitlich angepasste Reduzierung und Verlangsamung des individuellen PKW-Verkehrs. Kleinteilige Wegeverbindungen für den Fahrrad- und Fußverkehr durchströmen das Quartier, schaffen kurze Wege und binden Bahnweg und Friesische Straße an fünf verschiedenen Punkten an. Ein breites Angebot an Fahrradabstellplätzen, sowohl im Freiraum als auch abgeschlossen und überdacht in den Baukörpern, bildet Grundlage eines Mobilitätskonzeptes abseits des individuellen PKW-Verkehrs. Hierzu werden in den Erdgeschosszonen aller Gebäude barrierefreie Fahrradfoyers mit Lademöglichkeiten für E-Bikes eingerichtet, die einen maximalen Komfort und eine niedrigschwellige Nutzung ermöglichen. Als Haupterschließung des nachbarschaftlichen Quartiers dient die zentrale Meile. Die von Bäumen gesäumte Meile verschwenkt sich im Inneren des Quartiers und bildet einen wassersensiblen Grünen Platz als gemeinsame Mitte aus. Hier finden sich Besucher-Stellplätze und Car-, sowie Bike-Sharing Angebote. Von der Mitte aus führen zwei Loops als Shared-Space Bewohner*innen zu den “Grünen Inseln” ihrer jeweiligen Nachbarschaft. Die “Grünen Inseln” bieten wohnungsnah den barrierefreien Stellplätzen, sowie Fahrradstellplätzen Raum. Die Loops dienen auch Rettungsfahrzeugen sowie Müllfahrzeugen als Infrastruktur.

Freiraum
Durch den vorgeschlagenen Entwurf entsteht um die hochbaulichen Strukturen ein Freiraumsystem mit unverwechselbarer Identität im Kontext der angrenzenden Nachbarschaften. Einfache, flegeleichte Maßnahmen gewährleisten die funktionalen Anforderungen wie Müllentsorgung, Flächen für die Feuerwehr, Einstellplätze und Erschließung und leisten darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zur Wohn- und Aufenthaltsqualität sowie dem Mikroklima im Quartier. Im Herzen des neuen Quartiers bildet ein großzügiger Platz die erste prägnante Adresse. Ein wesentlicher Aspekt ist die Bezugnahme und Anbindung des Platzes an die Verkehrs- und Wegeführung. Die neue Quartiersmitte wird bewusst freigehalten von expliziten Funktionszuweisungen, es entsteht ein qualitätsvoller und nutzungsoffener Raum zur freien Aneignung, für Außengastronomie, Märkte oder Feste. Die einheitlichen Materialien bilden einen vielseitig bespielbaren, sowie gut begeh- und berollbaren Belag. Die Einbettung in den städtebaulichen Gesamtkontext dient der Entwicklung eines sozio-kulturellen Zentrums. Im Hinblick auf die Förderung der E-Mobilität und der Micro-Mobility werden entsprechende Stellplätze und Ladestationen vorgesehen.
Im Inneren der Cluster entstehen halb-private, gemeinschaftliche Hofflächen, Orte der Ruhe und Kontemplation vor allem für die Bewohner. Durch lichte Baumdächer entwickelt sich ein Spiel aus Licht und Schatten, Sitzelemente laden zum Verweilen und zur freien Aneignung der Flächen ein. Innerhalb der Quartiershöfe wechseln sich öffentliche, halböffentliche und private Bereiche ab, somit passt sich das Freiraumkonzept an die jeweiligen Nutzungen des Hochbaus an. Im Dialog mit den unterschiedlichen Wohnformen und Bautypologien wird ein vielseitiger Freiraum für gemeinsame und private Nutzung geschaffen. Den Erdgeschosswohnungen werden Terrassengärten zugeordnet, die von halb offenen Heckenstrukturen gegliedert werden, um eine Balance zwischen Rückzug und nachbarschaftlicher Vernetzung zu schaffen. Die auf dem Gelände vorhandene Reliefenergie wird durch entsprechende Modellierung so aufgefangen, dass sämtliche Anschlusshöhen gewahrt werden und ein barrierefreier Zugang in sämtliche Bereiche gewährleistet wird.
Zwischen den Wohnclustern wird das Gestaltungskonzept mit einer großzügigen Freiraumstruktur ergänzt: eine Abfolge von Vegetations- und Retentionsflächen ordnet sich wie selbstverständlich in die städtebauliche Struktur ein. Die Flächen haben eine verzahnende Wirkung und fangen einen Großteil des ruhenden Verkehrs auf. Mit Orten wie der „Grünen Lounge“ wird ein angenehmer Aufenthaltsort geschaffen, insbesondere an warmen Tagen.
Mit der Anordnung der Plätze, Antritte und Wegeverbindungen wird der Versiegelungsgrad im Areal möglichst geringgehalten. Es entstehen zahlreiche Rasen- und Vegetationsflächen z. T. mit Blühstreifen und Wiesenabschnitten. Das Stadtgrün und die potentiellen Versickerungsflächen sind essenzielle Bausteine zur Verbesserung des lokalen Mikroklimas. Das Konzept der „Schwammstadt“ ist eine Option, um Regenwassermanagement und gleichzeitig Trockenheitsvorsorge zu betreiben. Unter diesem Aspekt wird der lokale Wasserhaushalt in ideeller Weise an den natürlichen Kreislaufsystemen orientiert: Regenwasser von nicht befahrenen Wegen wird anteilig in den Grünflächen eingeleitet und versickert. Landnutzungswandel und die Monotonisierung von Flächen haben einen Rückgang der Biodiversität zufolge, so dass den Städten künftig in punkto Artenvielfalt eine „Archefunktion“ zukommt. Blühwiesen mit Insektennährpflanzen bilden neue Biotope und leisten hierzu einen wertvollen stadtökologischen Beitrag.
Die rhythmisierende Gliederung und die räumliche Abfolge verzahnt das Quartier wie selbstverständlich mit den angrenzenden Stadt- und Grünräumen und erzeugt eine angenehme Durchlässigkeit und qualitätsvollen Aufenthalt. Das differenzierte Freiraumkonzept gibt dem künftigen Quartier eine eigene Charakteristik und leistet einen wertvollen Beitrag zum nachhaltigen Wohnen.
Lageplan

Lageplan

Axonometrie

Axonometrie

Piktogramme

Piktogramme

Piktogramme

Piktogramme

Schnitte und Ansichten

Schnitte und Ansichten

Grundriss-Typologien

Grundriss-Typologien

Funktionsplan

Funktionsplan

Bauabschnitte

Bauabschnitte

Blick auf den Pocket-Platz

Blick auf den Pocket-Platz