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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Ausstellungsneuplanung und -erweiterung im Alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin

1. Preis

Preisgeld: 18.000 EUR

heneghan peng architects

Szenographie

Ralph Appelbaum Associates, Inc.

Szenographie

Kardorff Ingenieure Lichtplanung GmbH

Lichtplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Preisgericht würdigt den Entwurf für die inszenatorisch kraftvolle Weiterentwicklung des ruinösen Turms der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche als Teil des historischen Eiermann-Ensembles. Es gelingt zunächst, das Gebäude für Besuchende diskret und barrierefrei zugänglicher zu machen und darüber hinaus auch auf einfache Weise die Gelegenheit zur Vermittlung geschichtlicher und aktueller gesellschaftlicher Inhalte zu geben. Nicht zuletzt lädt der Entwurf zur Auseinandersetzung durch Partizipation ein.
Besonders besticht die Art und Weise, wie es diesem Entwurf gelingt, dem für das Ensemble typischen Kontrast zwischen bestehender Ruine und moderner Ergänzung im Innenraum des alten Turms eine eigene Wendung zu geben: Aus der Gegenüberstellung zweier Raumzustände des Gebäudes, nämlich der neobyzantinisch güldenen Welt zeittypischen Kaiserkults in der Eingangshalle und dem machtvollen Eindruck der „nackten“ von Krieg und Zerstörung geprägten Ruinenräume in den Geschossen darüber wird ein starker, bleibender Eindruck gebildet, der bereits in seinem architektonischen Erlebnis einen großen Teil der Geschichte dieses Ortes erzählt. Der Schwerpunkt der fein abgewogenen Inszenierung wird in der Kraft des unmittelbaren Erlebens von Bauwerk, Licht, Wasser, Wind und Klang liegen. Angemessene Mittel zur Information ergänzen den Ort mit sachlicher Vermittlung.
Inwieweit und in welcher konkreten Form bei dieser Inszenierung alle Register gezogen werden müssen, die die Autorinnen und Autoren vorschlagen, muss in der weiteren Überarbeitung des Entwurfs im Dialog zwischen Bauherrin und Planungsteam geklärt werden. So kamen im Preisgericht ernste Zweifel auf, ob die Betonung des Wassers im Rahmen der Inszenierung der Ruine in der dargestellten Form tatsächlich geeignet ist. Ein Wasserbecken als säkular-religiöses Symbol wird in der vorgeschlagenen Form nicht gewünscht, um neben dem Kirchengebäude als explizit religiös bestimmtem Raum keinen neuen Ort eines religiös konnotierten Symbols konkurrierend gegenüberzustellen. Auch in anderer Form bedeutet es inmitten denkmalgeschützter Bausubstanz ein langfristiges Risiko und Aufwand für eine Wasseraufbereitung und winterliche Heizung sowie erhebliche Sicherheitsmaßnahmen, die den Betrieb erschweren und verteuern würden.
Auch der Vorschlag des Rückbaus der obersten Betondecke wurde kontrovers diskutiert.
Die Öffnung einer Raumachse zum Licht und zum Himmel schien weitgehend nachvollziehbar, wenngleich nicht allen Preisrichtern essenziell. In jedem Fall ist eine unnötige Gefährdung der ungeschützten Innenseiten des Turmes durch die Witterung zu vermeiden, was bei der Umgestaltung der oberen Ebenen zu beachten ist, ggf. durch eine transparente Deckung. Die Denkmalbehörden müssen sich deshalb ausdrücklich die Prüfung der denkmalrechtlichen Genehmigungsfähigkeit von Turmöffnung und Wasserbecken vorbehalten.
Die Klanginstallation wurde als ein interessantes künstlerisches Angebot wahrgenommen, das allerdings unter Berücksichtigung des im Gebäude stark hörbaren Straßenlärms weiterentwickelt werden müsste.
Die Dimension und Anzahl der Treppen und Balkone über Ebene 2 sind mit Blick auf eine Erhöhung der Kapazitäten und die gefühlte Sicherheit im Rahmen der normalen Besucherführung zu überprüfen, um den Aufstieg für eine größere Anzahl zahlender Besucherinnen und Besucher zu ermöglichen. Gleichwohl wird der Ansatz begrüßt, den Eingriff in den Innenraum des oberen Turms zu begrenzen. Die öffentliche Erschließung der Ebene 6 wird als nicht erforderlich betrachtet. Die Bedeutung dieses Ziels wird mehrheitlich vom Preisgericht unterstrichen.
Die Idee, die Brüstung des kreisrunden Deckenausschnitt in Ebene 3 als Informationsträger einzusetzen, findet Sympathie im Preisgericht, die Ausführung in Bronze erscheint auf den ersten Blick allerdings zu aufwendig und nicht flexibel genug.
Das taktile Modell auf dem Eingangspodium wird hingegen begrüßt, so wie auch die vorgeschlagene Wegeführung in den Alten Turm analog zur historischen Erschließungsrichtung über das Hauptportal als richtig empfunden wird. Die Organisation von Shop und Infotresen seitlich des Haupteingangs sind plausibel und schaffen auf der Innenseite eine gut nutzbare Ausstellungsfläche. Gleichermaßen ist die Wegeführung durch das Gebäude im Grundsatz überzeugend organisiert, wobei die Orientierung in der nichtlinearen Führung im Detail zu klären ist.
Die weitere Planung des Außenaufzugs erfordert aufgrund der prominenten Lage und der Witterungseinflüsse eine Überprüfung der konkreten Anordnung und Gestaltung mit dem Ziel einer dauerhaft wertigen Erscheinung, Vermeidung von Aufheizung im Sommerfall und angemessener Betriebskosten.
Nicht abschließend prüfbar ist die Gestaltung der Abdeckung der südlichen Apsis und deren Wirkung in der Innen- und Außensicht auch im Kontext des noch endgültig zu erarbeitenden technischen Konzepts für die Kühlung des Hauptgebäudes.
Der Vorschlag für die nächtlicher Erscheinung der Ruine besticht durch angenehme Zurückhaltung und nimmt dem Entwurf nichts von seiner poetischen Kraft und Bildgewalt.
Generell empfiehlt das Preisgerichts die Optimierung und Verfeinerung der hier in Frage gestellten Teilaspekte des Entwurfes in enger Zusammenarbeit zwischen dem Planungsteam und den Nutzenden und freut sich auf eine intelligente Neuinterpretation eines historischen Ortes, die Berlin in jeder Hinsicht bereichern wird.