modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Entwicklung Sparkassenquartier in Kempten

2. Preis

Preisgeld: 20.000 EUR

Architekturbüro Huber

Stadtplanung / Städtebau

DIEZINGER ARCHITEKTEN

Stadtplanung / Städtebau

DR. SCHUETZ INGENIEURE Beratende Ingenieure im Bauwesen PartG mbB

Tragwerksplanung

Thomas Egger Modellbau | Frässervice

Modellbau

Simon Schmitt Architekten

Visualisierung

Anke Wollbrink

Nachhaltigkeitskonzept

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept
Ziel des Wettbewerbs ist ein gemischt genutztes, urbanes Quartier zu schaffen, welches zu einem Ort der Begegnung in der Stadt Kempten werden soll. Ein lebendiger Treffpunkt für die Bewohner wie Besucher soll gleichermaßen offen stehen und eine neue Aufenthaltsqualität im Innenhof schaffen. Das städtebauliche Konzept sieht vor, dass die denkmalgeschützten Gebäude behutsam saniert und auf den Originalzustand zurückgeführt werden. Neubauten werden nur punktuell ergänzt und maßstäblich eingefügt, wo keine denkmalpflegerischen Auflagen bestehen. Die kleinteilige Gebäudestruktur mit Satteldächern entlang der Promenade-/Horchlerstraße wird beibehalten. Dem ehemaligen Sparkassengebäude an der Königsstraße kommt - als Bindeglied zwischen Stadtpark und Innenstadt - eine Sonderrolle zu Es wird in der Grundsubstanz erhalten und an die vorgesehenen Nutzungen angepasst. Das Nord-Süd orientierte Gebäude, das den historischen - der ehemaligen Stadtmauer vorgelagerten - Wallgraben besetzt, wird als solitärer Baukörper freigestellt. Im nördlichen Bereich wird aus dem Gebäude ein fünfgeschossiger Kopfbau entwickelt. Die freigelegte Fuge zwischen den beiden Gebäudeteilen stellt einen Sichtbezug zwischen Innenquartier und Stadtpark her. Der Kopfbau bildet das Pendant zum nahen Sparkassenneubau und markiert den Stadteingang in die ehemalige `Bürgerstadt ́. Der Sparkassensaal wird auf den Bestand aufgesetzt, der südlich anschließende Gebäudeflügel auf vier Geschosse reduziert und das bestehende Dachgeschoss durch ein neues ergänzt. Die neu gestalteten Giebelformen stellen den Bezug zur benachbarten, kleinteiligen, Bebauung her. Um den Fokus auf das Innere des Quartiers zu lenken, wird die Kolonnade entlang der Königsstraße aufgelöst und die neue Fußwegverbindung zwischen Horchlerstraße und `ZUM ́ durch das Sparkassenquartier geführt.

Gestaltung / Nutzungsverteilung

Das ehemalige Sparkassengebäude entlang der Königsstraße wird in der Grundsubstanz erhalten und an die neuen Nutzungen angepasst. Die nachträglich hinzugekommene Dachgeschossaufstockung wird entfernt und das verbleibende Bestandsgebäude auf den Rohbau zurück gebaut. Die sog. `Graue Energie ́ des Gebäudes bleibt somit erhalten und bildet einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit des Umbaus. Anstelle des Laubenganges wird nach Osten eine neue Gebäudeschicht über fünf Geschosse vorgelagert. Diese enthält Loggien und Wintergärten für die Wohnungen. Zum Innenhof hin entstehen attraktive private Freibereiche, die flexibel genutzt werden können. Im Kopfbau sind in den Obergeschossen die Büroflächen für die Sparkasse sowie ein exponierter Veranstaltungssaal untergebracht. Im Erdgeschoss wird ein Lebensmittel-Nahversorger untergebracht, wo - durch den Wegfall der Kolonnade - ausreichend zusammenhängende Flächen nachgewiesen werden können. Die vorhandene großflächige Gebäudestruktur des Erdgeschosses lässt eine spätere Änderung der Nutzungen zu, sodass Flächen flexibel nach Bedarf separiert oder zusammengeschaltet werden können. In den vier verbleibenden Obergeschossen des südlichen Gebäudeteils werden Stadtwohnungen mit hoher Wohnqualität geschaffen, die insbesondere familiengerechte Wohnungen beinhalten. Über das bestehende südliche Treppenhaus wird eine barrierefreie Erschließung ermöglicht. Der Wohnungsmix reicht von Ein- bis zu Fünfzimmerwohungen mit Größen von 30 bis 135 qm. Die gewählte Gebäudetypologie beinhaltet barrierefreie Wohnungen auf einer Etage (Flats) sowie größere Maisonettewohnungen, erschlossen über Flure im 1. und 3. Obergeschoss. Zur Unterscheidung von Büro- und Wohnnutzung werden die Fassadenoberflächen differenziert gestaltet. Sockel- und Kopfbau bekommen eine Natursteinverkleidung aus heimischen Nagelfluh. Die Obergeschosse des südlich anschließenden Flügels erhalten eine Putzfassade, wie im unmittelbaren Kontext üblich.

Denkmalgeschützter Bestand

Da der Fortbestand der alten Gebäude nur über eine wirtschaftliche Ausnutzungen gesichert werden kann, müssen die vorhandenen historischen Gebäude und neuen Ergänzungsbauten mit sinnvollen Nutzungen versehen werden, weshalb auf eine gute Durchmischung von Einzelhandel, Wohnen, Büros und Praxen, Wert gelegt wird. Im Erdgeschoss bieten sich Läden an, in den oberen Geschossen - je nach Eignung der Gebäudesubstanz - Wohnungen, Büros oder Praxen. Die Baudenkmäler im Ensemblebereich werden an die jeweilige Nutzung angepasst und die Fassaden im Zusammenspiel mit dem Kontext rückgebaut. Die ortsuntypischen Arkaden im Gebäude Promenadestraße 7 sowie die freie Ecke Promenadestraße 9 werden geschlossen. Der neue, rückwertige, Ergänzungsbau passt sich maßstäblich an das Baudenkmal Horchlerstraße 1 zum Innenhof an. Das denkmalgeschützte Rückgebäude im Innenhof Promenadestraße 5 wird freigestellt und als Stadtteilcafe denkmalgerecht saniert. Insgesamt wird darauf geachtet dass die Maßstäblichkeit des Ensembles gewahrt bleibt und das für Kempten typische Stadtbild wieder hergestellt wird.

Nicht denkmalgeschützter Bestand

Das bestehende, sogenannte, Sparkassenhaus soll nach in Augenscheinnahme vor Ort und nach Analyse der Bestandsstatik aufgrund seiner guten Gebäudesubstanz erhalten bleiben. Das relativ große Bauvolumen wird im Wettbewerb zwar zur Disposition gestellt, bietet aber gleichzeitig die Möglichkeit des Umbaus unter Erhalt der massiven Bauteile wie Ziegelwände, Betondecken, Stützen, etc. Mit dem Rückbau auf den Rohbau, der Ausnutzung der gut verwendbaren Grundrissstruktur, einschliesslich Treppenhaus und Aufzugsschacht, lässt sich eine wirtschaftliche Umsetzung realisieren (Siehe auch Nachhaltigkeitskonzept). Ab zu brechen sind im Wesentlichen nichttragende Bauteile, Verkleidungen und Sanitärobjekte. Teilbereiche der südlichen Kellerdecke werden an das Bodenniveau der nördlichen Kellerdecke angeglichen. Die damit im Erdgeschoss gewonnene durchgehend lichte Deckenhöhe von ca. 4,5 Meter erfüllt die an die Einzelhandelsfläche gestellten Höhenanforderungen. Die nachträglich aufgestockten Dachaufbauten werden entfernt und durch eine neue `Dachlandschaft ́ ersetzt. Mit der Ausbildung eines Kopfbaus an der Horchlerstrasse wird die bestehende Zäsur im Bestandsgebäude zur Differenzierung des Umbaus in ein Wohn- und Bürogebäude genutzt. Mit der Aufstockung um ein überhöhtes Dachgeschoss (Sparkassensaal) bekommt das Gebäude eine angemessene Akzentuierung im Strassenraum. Mit dem Erhalt des Bestandes und der Mitverwertung der darin enthaltenen, sog. `Grauen Energie ́ wird - wie in der Auslobung gefordert - ein bewusstes Zeichen im Sinne der Nachhaltigkeit, Ökologie, und des Klimaschutzes gesetzt. Auch soziale und ökonomische Aspekte werden auf diese Weise berücksichtigt.

Erschließung / Andienung

Das Quartier bildet die Schnittstelle zwischen Fußgängerzone und Stadtpark und liegt in direkter Nachbarschaft zur Zentralen Umsteigemöglichkeit (ZUM). Die Anlieferung des Einzelhandels erfolgt von Süden über die Königsstraße. Hier sind Kurzzeitparkplätze zum Be- und Entladen, Kurierdienste, etc. angeordnet. Der Eingang zum Lebensmittelmarkt erfolgt von der Nordseite, alternativ von Osten. Die vorgelagerte ,neue, `Gebäudeschicht ́ dient als Erschließungs- und Verteilerzone. Das umstrukturierte Sparkassenquartier wird von mehreren Seiten durchwegt, die fußläufige Haupterschließung erfolgt einerseits von Norden über die Horchlerstraße und gleichwertig von Süden über die `ZUM ́, womit insbesondere die aus dem Nahverkehr ankommenden Besucher in das Quartier hineingeführt werden. Die Horchlerstraße wird deutlich aufgewertet und erfährt durch die Öffnung des Quartiers eine zusätzliche Belebung und eine bessere Verbindung zwischen Königsplatz und Innenstadt. Die Erschließung des Kopfbaus mit sparkassennahen Nutzungen erfolgt über ein separat abschließbares Foyer mit Treppenhaus, Aufzug und Zugang auf der Ostseite.

Freianlagen
Das Gebäude an der Königsstraße wird frei gestellt, um den historischen Wallgraben entlang des ehemaligen Stadtmauerverlaufs erlebbar zu machen. Bei der Gestaltung der Freianlagen wird die Idee des Sichtbarmachens des alten Stadtmauerverlaufs konsequent fortgeführt, da ansonsten der vorhandene Stadtmauertorso unverständlich bleibt. Ein Bodenrelief zeigt den ehemaligen Mauerverlauf mittels Belagswechseln und eingelassenen Schriftzügen. Alle Beläge westlich des Mauerverlaufs werden mit Rasenfugen ausgeführt, um die ehemalige Lage des historischen Stadtgrabens anzudeuten. Der in alten Stadtplänen erkennbare, runde, Wehrturm im südlichen Bereich (auf dem Nachbargrundstück) wird im Rahmen des Ideenwettbewerbs ebenfalls in Spuren sichtbar gemacht (Ideal wäre die Freilegung der sicher im Untergrund noch vorhandenen Fundamentreste). Bäume, die aufgrund der notwendigen Zufahrten gefällt werden müssen, werden mit Ersatzpflanzungen auf dem südlichen Grundstück wieder nachgepflanzt. Die Baumreihe in der Horchlerstraße wird weitergeführt. Die östlich vorgelagerten Balkone/ Loggien/Wintergärten können individuell gestaltet werden. Diese sind mit Pflanztrögen ausgestattet, die eine dauerhafte `Grünfassade ́ zum Innenhof bilden und gleichzeitig zur Verbesserung des Kleinklimas im innerstädtischen Kontext beitragen.

Nachhaltigkeit / Wirtschaftlichkeit

Die Weiternutzung der Baustoffe unserer gebauten Umwelt ist einer der Schlüssel zur Einhaltung der Klimaziele im Bausektor. In den massiven Rohbauten unserer Städte sind 50% der grauen Energie und 30-40% der CO2- Emissionen gebunden. Nutzen wir diese – oft sehr variablen – Rohbaustrukturen weiter, können wir maßgeblich zur Reduktion von Emissionen, Energieaufwand und Abfallaufkommen beitragen. Die Weiternutzung des Bestandsgebäudes erfordert eine Vision, aber auch eine realistische Auseinandersetzung mit den Anforderungen der zukünftigen Nutzungen. Variantenuntersuchungen haben gezeigt, dass die angedachten Nutzungen – Gewerbe wie Wohnen – auf dem Grundstück an der Königsstrasse ebenso qualitativ hochwertig in der Struktur des Bestandsgebäudes inkl. Anpassungen und Aufstockungen unterzubringen ist wie in einem Neubau. Mit dem Erhalt der Konstruktion könnte so konkret für dieses Bauvorhaben ein Großteil der Emissionen und des Energiebedarfs zur Herstellung neuer Baustoffe eingespart werden, ohne die Qualität der Nutzungen zu beeinträchtigen. Erste Berechnungen belegen dies eindrucksvoll. Durch die Weiternutzung des bestehenden Rohbaus, welcher einer Masse von ca. 2.000 m3 Beton und Mauerwerk entspricht, können 742 Tonnen CO2 und 6,5 Mio MJ Primärenergie - im Vergleich zum Neubau der Konstruktion in gleicher Bauweise - eingespart werden. Die ergänzten Gebäudeteile - insbesondere im Bereich der Aufstockungen - sollen in Leichtbauweise ausgeführt werden. Dies erlaubt die zusätzlichen Lasten ebenfalls über die bestehende Struktur ab zu tragen und achtet auch bei den ergänzenden Neubauteilen auf eine Minimierung der CO2-Emissionen des Primärenergieinhalts bei der Baustoffwahl. Zusätzlich lässt ein hoher Grad an Vorfertigung eine kurze Bauzeit erwarten und gibt die Möglichkeit die Elemente am Ende des Lebenszyklus im Kreislauf zu halten. Ein identischer Ansatz wird auch für den Innenausbau angestrebt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag 1006 schlägt vor, den Rohbau des Bestandsgebäudes zu erhalten und in einen dreiteiligen Baukörper zu gliedern aus Sockel und darüber liegenden Riegel mit Kopfbau im Norden. Dieser bildet als Hochpunkt ein ablesbares Pendant zur schräg gegenüberliegenden Sparkasse, verfügt aber durch das konsequente Abrücken nach Osten hin über ausreichend Abstand zu den kleinteiligen Bestandsgebäuden der Horchlerstraße. Die in dem Bestandstragwerk eingeplante Gebäudefuge südlich des Hochpunkts schafft eine wohltuende Gliederung der Fassade entlang der Königsstraße. So gelingt es den Entwurfsverfasser*innen nicht nur sehr geschickt zwischen den unterschiedlichen städtebaulichen Richtungen zu vermitteln, sondern auch die Nutzungen sehr konsequent in die vorgeschlagenen drei Gebäudeteile zu verteilen: Im Sockelgeschoss liegt der Einzelhandel, der Riegel ist dem Wohnen vorbehalten und im Kopfbau werden B¸ros und der Sparkassensaal untergebracht.
Diese sehr plausible städtebauliche und nutzungsspezifische Aufteilung hat allerdings einige Schwierigkeiten zur Folge. Zum einen setzt die „Füllung“ der jetzigen Bestands-Arkadenreihe zugunsten des Einzelhandels voraus, dass der Gebäudeanschluss und die Verkehrsführung in der Königsstraße geklärt werden, sonst verbleibt kein Raum mehr für Passanten. Die damit im Zusammenhang stehende Erschließung des Einzelhandels von Osten her, folgt zwar konsequent diesem Gedanken, lässt aber die wichtige Frage offen nach der Gestaltung der „rückwärtigen“ Einzelhandelsfassade zur Königsstraße.
Zum zweiten bleibt der Sparkassennutzung im Kopfbau zu wenig Raum und folgerichtig schlagen die Entwurfsverfasser*innen eine Verteilung in zwei Geschosse vor, was zwar flächenmäßig hinnehmbar ist, aber repräsentative Defizite im Vorbereich des Saals mit sich bringt. Drittens entstehen Nachteile bei der Wohnnutzung im dritten Gebäudeteil, dem Riegel, denn die Wohnungen können nur wenig attraktiv über lange unbelichtete Flure erreicht werden. Die Wohnqualität insbesondere der Maisonettewohnungen ist vielversprechend, die räumliche Integration der Dachlandschaft überzeugend. Die Balkone schaffen eine wohltuende Fassadenteilung, stellen aber die Frage nach der Schnittstelle von privaten zu öffentlichen Bereichen über dem Zugang zum Einzelhandel. Insgesamt ist der Wohnungsanteil mit rund einem Drittel des Flächenanteils zu gering.
Die Aufteilung und Erschließung des Bestandsensembles der Horchlerstraße erscheint angemessen und sorgt für die nötige Orientierung, die dort vorgesehenen Büroflächen könnten teilweise durch Wohnen ersetzt werden. Die Fassade des Neubaus ist sehr passend in der Übertragung der angrenzenden Gestaltungsmerkmale.
Die Fassadengestaltung schafft grundsätzlich einen passenden Rahmen für das Vorhaben im bestehenden Kontext, die Differenzierung von westlicher Lochfassade und struktureller Ostfassade ergänzt nachvollziehbar den Kontext. Das Tragwerk als Massivbau wäre im Weiteren hinsichtlich des Einsatzes nachhaltiger Baustoffe zu überprüfen.
Die Freiflächen wirken großzügig, die Platzierung der Bäume ist folgerichtig, die ehemalige Stadtmauer wird glaubwürdig zitiert. Die vorgeschlagene Auflösung der Königsstraße wäre vor dem genannten Hintergrund der Verkehrsführung noch zu klären. Sehr begrüßt wird die Abtrennung des kleinen Bauteils von dessen seitlichen Hauptgebäude Promenadenstraße 5, was eine überzeugende Pavillonwirkung erzeugt.
Insgesamt ein sehr schlüssiger Entwurf auf dem nachhaltigen Gedanken der Wahrung des Gebäudebestands und einer sehr plausiblen Grundaufteilung mit einigen grundsätzlichen Fragezeichen.

Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

3.OG

3.OG

4.OG

4.OG

Fassade

Fassade

Querschnitt

Querschnitt

Westansicht

Westansicht

Ostansicht

Ostansicht