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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2022

Städtebauliche Neuordnung und Wohnungsbau Petershausen-West in Konstanz

2. Rundgang

bauquadrat / bqprojekt gmbh

Architektur

Bräuning Architekten

Architektur

Dittmann + Komplizen Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau
Das Quartier des Realisierungsteils „Petershausen-West“ in Konstanz liegt umgeben von einer gewachsenen Struktur mit linearen Geschosswohnungsbauten aus den 50er Jahren. Direkt im Süden, an der Steinstraße, soll in naher Zukunft ein fünfgeschossiger Neubau errichtet werden, ebenfalls mit Wohnnutzung. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Wettbewerbsgebiet, nord-östlich der Hans-Thoma-Straße gelegen, befinden sich mehrere moderne Wohnbauten, die sich in ihrer Kubatur differenzierter darstellen und durch ihre L-Form semi-private Höfe bilden. Im Gegensatz dazu sind die Außenräume im Bereich des zu bearbeitenden größeren Ideenteils eher monoton: Abstandsgrün, welches nur ungenügend Privatsphäre und Aufenthaltsqualität für die Anwohner schafft.
Um das Abstandsgrün zwischen den 50er-Jahre Bestandsbauten aufzuwerten und einen privateren Raum für die Anwohner zu schaffen, schlägt der Entwurf entlang der Steinstraße neue eingeschossige Bauten vor – analog zu den bestehenden garagenartigen Bauten im Norden. Hier sollen Funktionen wie Gemeinschaftswerkstatt, Fahrradstellplätze oder ein Kiosk untergebracht werden, die den unmittelbaren Bewohnern zugutekommen.
Für das Herzstück des Quartiers greifen wir das Bild der neugeformten, semi-privaten Gärten zwischen den 50er-Jahre Zeilenbauten auf. Deshalb sind die vier neugeplanten Wohnbauten auf dem Realisierungsgrundstück so platziert, dass sie einerseits Kanten und Höhen der umgebenden Gebäude aufnehmen und sich dennoch bewusst gegen die reine Nord-Süd-Linearität der Vorgängerbauten entscheiden. Durch ihre unterschiedliche Himmelsausrichtung, einen L-Knick in zwei der vier Häuser und unterschiedlich gestaffelte Höhen (4, bzw.5 Geschosse) werden hier von der Straße abgewandte, ineinanderfließende Höfe geschaffen, die zunächst für die direkten Bewohner des neuen Quartiers gedacht sind, sich aber durchaus als öffentliche Grünräume verstehen.
Die Gebäudearme im Osten und Westen des Realisierungsgebietes sind 5-geschossig und greifen die Kanten des geplanten Neubaus Haus D auf. Nach Norden und Süden und zur Quartiersmitte hin treppen sich die Gebäude ab und sind lediglich 4-geschossig – dadurch vermitteln sie zu den 4-geschossigen Bestandsbauten nördlich der G.-Keller-Straße hin. Im Innern des Quartiers werden die geschützteren hofartigen Außenbereiche durch die Höhenstaffelung in ihrem Maßstab heruntergebrochen und stellen sich als qualitätsvolle Grünbereiche dar, wo auch im Winter die Sonnenstrahlen ungehindert einfallen.

Grünraum
In den nun stärker gefassten Grünräumen der 50er-Jahre Zeilenbauten werden Sitzmöglichkeiten und (Kinder-) spielgeräte angeboten, die zum Sich-Treffen und Verweilen einladen.
Im Inneren der Höfe des Realisierungsgrundstücks gibt es im Ankommensbereich Sitzmöglichkeiten, einen Kinderspielplatz, Pflanztröge für Urban Gardening, einen Grillplatz an den Gelenken zwischen den Gebäuden und das immer wieder kehrende Thema der Wasserbecken, die sich aus der Regenwasserbewirtschaftung speisen.
Um das grüne Straßenbild des gesamten Wettbewerbsquartiers noch weiter zu stärken, pflanzen wir entlang unserer Wegeführung zusätzliche Bäume und bilden so ein „grünes Band“ aus, welches alle Höfe miteinander verbindet.

Erschließung
Das neugestaltete „grüne Band“ zieht sich durch das Quartier des Ideenteils – von Westen kommend entlang der Steinstraße, dann Richtung Norden in den nun verkehrsberuhigten Teil der Gottfried-Keller-Straße hinein und entlang unserem Realisierungsgrundstück.
Es sorgt für eine angenehme fuß- und fahrradläufige Durchwegung des Gebiets, an der sich sowohl die neu gefassten Grünräume als auch die eingeschossigen Bauten mit ihren gemeinschaftlichen Nutzungen anordnen.
Über Verbindungswege, die von unserem „grünen Band“ abgehen, und aufgrund der durchlässigen Anordnung unserer vier vorgeschlagenen Gebäude, kann das nahezu quadratische Grundstück des Realisierungsgebiets sowohl von Norden und Osten als auch von Westen erschlossen werden (und selbst von Süden, nimmt man den Fußgängerdurchgang unter dem geplanten Haus D). Die PKW-Zufahrt zur Tiefgarage ist an der Nord-Ost-Ecke des Grundstücks geplant.
Die Erschließung im Inneren der Gebäude erfolgt über offene Treppenhäuser, die zu den Laubengängen der einzelnen Stockwerke führen, an welchen sich dann die Wohnungen aufreihen.
Am Ende der Laubengänge befinden sich Feuertreppen als zweiter Rettungsweg im Brandfall.

Architektur
Charakterisierend für die Architektur des Quartiers ist die Laubengangerschließung. Diese vorgelagerte Zone orientiert sich jeweils zu den Innenhöfen, so dass sich die Gebäude zur Straße und zum Haus D hin mit einer eher geschlossenen Lochfassade darstellen. Zum Laubengang hin sind die Fassaden durchlässiger gehalten und erlauben. Blickkontakte zu den Höfen. bei den 2- und 3-Zimmer-Wohnungen ist der Eingangsbereich zu einer Loggia-Nische ausgebildet. Die 4-Zimmer-Wohnungen dagegen haben ihre private Loggia an der vom Laubengang abgewandten Seite. Der Gedanke dabei ist, dass ein Familiengefüge diese größere Privatsphäre schätzt, während die Ein-bis-Zwei-Personenhaushalte in den kleineren Wohnungen vom Erweitern des Wohnraums hinein in den halb-öffentlichen Raum des Laubengangs durchaus profitieren.

Das Quartier verfügt über fünf Erschließungskerne, von denen vier nach unten in die Tiefgarage führen. Von jeder der 109 Wohnungen aus ist sichergestellt, dass in max. 30m Entfernung ein Treppenhaus erreicht werden kann. Die Erschließungsbereiche haben einen semi-öffentlichen Charakter, sind sie doch sehr großzügig gehalten, um pro Haus einen Bereich für gemeinsame Begegnung, Grillen, Abstellen von Kinderwagen etc. zu ermöglichen. Für gemeinschaftliche Aktivitäten sind auch die beiden Dachterrassen gedacht.
Jeder Wohnungstyp ist vertikal gestapelt, d.h. in den von Norden nach Süden verlaufenden Riegeln sind vom EG bis DG alle 3-Zimmer-Wohnungen untergebracht. Die 2- und 4-Zimmer-Wohnungen hingegen befinden sich in den von Osten nach Westen verlaufenden Gebäudearmen. Dabei lassen sich zwei Zwei-Zimmerwohnungen genau über eine Vier-Zimmerwohnung stapeln, was eine nachträgliche Anpassung des Wohnungstyps erlauben würde.
Selbst das Erdgeschoss mit seinem Laubengang ist in der Höhe vom Niveau der Hoffläche um 1,26m angehoben, um eine Abgrenzung zum öffentlichen Außenraum hin zu schaffen. Als Nebeneffekt lässt sich im Bereich der angehobenen Laubengänge die Belüftung für die Tiefgarage unterbringen.
Jede Wohnung ist nach mindestens 2 Himmelsrichtungen ausgerichtet und ermöglicht eine natürliche Querlüftung. Auch hat jede Wohnung ein Tageslichtbad um kostspielige Lüftungstechnik zu vermeiden. Die Grundrisse sind offen und klar strukturiert. Bei den kleineren Wohnungen ist der Wohnbereich entlang des Laubengangs platziert und der Schlafbereich an der abgewandten Seite; bei den 4-Zimmer-Wohnungen dagegen wird vom Eingang am Laubengang bis zur außenliegenden Loggia durchgewohnt.
Die Fenster an der Straßenseite sind – auch aus Kostengründen - in einheitlichem Format gehalten, und mit Faltelementen aus Metall versehen. Diese finden sich am Laubengang wieder – im Bereich der Loggien der 2- und 3-Zimmer-Wohnungen, um die Privatsphäre regulieren zu können.

Konstruktion und Materialien
Die Gebäude sind in Holzbauweise entworfen. Dabei sind die Geschossdecken als Holz-Kassettendecken geplant und die Wände in Holzrahmenbauweise, was eine modulare Vorfertigung begünstigt. Die Laubengänge sind aus Brandschutzgründen in Beton geplant, mit Betonfertigteilstützen und einer Fertigteildecke. Die Stützen der Tiefgarage liegen direkt unter den tragenden Wände der Gebäude darüber. Die Technik- und Abstellräume sind direkt neben den Erschließungskernen angeordnet.

Energiekonzept und Nachhaltigkeit
Zum Heizen in der kalten Jahreszeit sollen Wärmepumpentechniken zum Einsatz kommen, unterstützt durch Photovoltaik und additive solarthermische Aufbauten auf den Dächern. Um die Kühllast im Sommer zu reduzieren, dienen die auskragenden Laubengänge der konstruktiven Verschattung. Zusätzlich verschatten die Faltelemente die außenliegenden Fenster, sowie Teile des Laubengangs. Ebenso an der Laubengangkonstruktion angebracht sind Gitterelemente mit Rankpflanzen. Die Querlüftung der Wohnungen trägt zum sommerlichen Wärmeschutz ebenso bei wie die adiabate Kühlung durch die Wasserbecken in den Innenhöfen.
Durch die geplante Nutzung des Niederschlagswassers welches über die Rückhaltebecken ebenso für die Feuchteversorgung der Grünflächen steht entwickelt sich eine ökologische Fauna-Flora-Habitat Diversität die eine nachhaltige Entwicklung im Quartier stärkt.

Soziale Dimension
Ziel der Planung ist das soziale Leben zwischen divers strukturierten Bewohnergruppen zu fördern und Kommunikation zu ermöglichen. Hierzu sind Laubengang und unterschiedliche Gemeinschaftsräumlichkeiten und -flächen vorgesehen. Geplant sind gemeinschaftlich genutzte Grünflächen und Gärten, die durch angelegte Hochbeete zum Gemüseanbau, Raum für Urban Farming Konzepte bieten. So entstehen gleichermaßen Orte für Begegnungen und gemeinschaftliche Aktivitäten. Zusätzlich sind Raumangebote zur gemeinschaftlichen Nutzung geplant, in welchen bspw. kleinere private Feiern stattfinden können. Gleichzeitig können diese auch Raum für junge Künstler (Artists in residence), PopUp Stores oder drop-off Areale für regionale Lebensmittel bieten. Diese wirken somit unmittelbar kommunikationsfördernd, sozial integrierend und verbindend. Diese Atmosphäre strahlt ihre Kreise in die heterogene Bewohnerschaft hinein. Ein gemeinsames Gefühl der Zugehörigkeit wird assoziiert. Atmosphäre spricht die emotionale Wahrnehmung an, das ist die Wahrnehmung, die unglaublich rasch funktioniert, die wir Menschen haben um eine gute Sache in ein kollektives Selbstverständnis zu verwandeln. Dieser gefühlte, durchdringende Raum verstärkt die Zusammengehörigkeit durch die Aspekte des dort kultivierten „Grünen Bandes“. Ein Platz in der Sonne, Gemeinschaftsflächen zum Spielen und Treffen, die Blumen, die richtige Dichte von Menschen, kein Motorenlärm, Vogelgezwitscher in den Bäumen. Das alles gehört der Quartiersgemeinschaft. Diese individuellen Wahrnehmungen verschmelzen und lösen Grenzen der Herkunft auf und bedeuten den Nährboden für eine lebbare menschenfreundliche Ethik.