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Einladungswettbewerb | 09/2023

Quartiersentwicklung Ehemalige Daimlersiedlung in Stuttgart-Hallschlag

Perspektivische Skizze Baufeld 1 (Ost) mit neuem Freiraum

Perspektivische Skizze Baufeld 1 (Ost) mit neuem Freiraum

ein 2. Preis

Preisgeld: 22.912 EUR

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Glück Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Auszug aus dem Erläuterungsbericht.

INTRO. Mit dem aktuellen Verfahren bietet sich die Möglichkeit, die Daimlersiedlung stärker in ihre Nachbarschaft zu integrieren und ihre Freiräume aufzuwerten. Eine neue Bebauung verbindet die heute fragmentierte Situation, bindet alleinstehende Gebäude ein und schafft einen Übergang von der niedrigeren Bebauung im Westen zur von Hochhäusern geprägten Ostseite. Die Aufwertung des Freiraums und das vorbildliche Nachhaltigkeits- und Energiekonzept strahlen dabei über das Plangebiet hinaus in das Quartier hinein und lassen den gesamten Hallschlag von der Maßnahme profitieren.

AUSGANGSLAGE. In der umgebenden, überwiegend homogenen Struktur mit niedrigen Zeilen und geneigten Dächern entlang von strahlenförmig angeordneten Straßenzügen stehen unvermittelt die beiden langen Scheiben der Daimlersiedlung. Über dem Gelände aufgeständert und mit ihrer Maisonette-Struktur und skulpturalen Fassade stellen sie in ihrer Fremdheit durchaus eine besondere Qualität dar. Auch der Freiraum zwischen ihnen erscheint ungegliedert und überdimensioniert, Vegetation ist auf dem Deck über der bestehenden Tiefgarage kaum vorhanden. Dem Eventraum am Römerkastell steht hier als Gegenpol also ein siedlungsbezogener Erholungsraum gegenüber, dessen Potenzial nicht ansatzweise ausgeschöpft ist.
Im Westen dieses Raumes bildet die Tiefgarage eine hohe Schwelle, hier ändert sich mit der anschließenden Zeilenbebauung schlagartig der Charakter. Nach Osten verstellen die eingeschossigen Pavillons den Bezug zu den in Höhe und Maßstab mit den Scheiben verwandten Wohnbauten. All diese Fragmente eint ein reichhaltiger, wertvoller Baumbestand rings um die bestehende Garage.

KONZEPT: Die vorgesehene Nachverdichtung ordnet die Fragmente, verbindet sie miteinander und klärt die räumliche Situation. Ein Spannungsfeld zwischen den Scheiben und auch die Bezüge der Zeilen auf beiden Seiten der Rostocker Straße zueinander werden berücksichtigt.
Zwei neue Baufelder östlich und westlich der Scheiben fassen den überdimensionierten Raum an den Stirnseiten und reduzieren ihn auf die Länge der Überschneidung zwischen beiden Baukörpern.
Analog zu den südlich angrenzenden Straßenzügen wird die Rostocker Straße als ordnendes Element nach Osten verlängert: an ihr fädeln sich die Neubauten auf. Ihre Kreuzung mit der vor der Tiefgarage verlaufenden Verbindung von der Dessauer Straße bis zur Fußgängerbrücke über die Löwentorstraße definiert den Schwerpunkt des neuen Freiraumgerüstes, dessen Ost- und Westseite durch die unterschiedliche Bestandsbebauung sehr verschieden ausfällt.
In Fortsetzung der umgebenden Bestandsbebauung bilden sie dabei bewusst keine präzise Raumkante, sondern zwei Cluster beidseits des zentralen Raumes, die die vereinzelten Bestandsgebäude einbinden. So bleibt der fließende Raum erhalten, erhält aber eine klarere Zonierung. In Ihrer Ausrichtung stehen die neuen Gebäude parallel zu den Scheiben und führen als gestaffelte Kuben diese Orientierung bis in die Rostocker Straße, wo sie zwischen den nördlichen und südlichen Zeilen vermitteln.
Im ersten Bauabschnitt entstehen so auf dem Feld 1 ein Trio von unterschiedlich hohen Hochpunkten, auf dem Feld 2 eine Reihe von Punkthäusern gleicher Höhe.
Im zweiten Bauabschnitt werden diese beiden Teile um Baukörper auf den neuen Tiefgaragen der Felder 3 und 4 und in Feld 5 ergänzt. Sie vollenden die Fassung des zentralen Raumes und binden auch die beiden im Feld 5 isoliert stehenden Bestandshäuser mit ein.
In Ihrer Höhenentwicklung orientieren sich die Gebäude damit an ihrer direkten Nachbarschaft und schaffen so innerhalb der Gesamtstruktur kleinere, maßstäbliche Einheiten.

FREIRAUM. Die ehemalige Daimlersiedlung wird zu einem lebendigen, „grünurbanen“ Stadtquartier. In Verbindung mit den baulichen Ergänzungen entstehen neu aktivierte Nachbarschaften als Treffpunkte für die Bewohner*innen und Besucher des Quartiers. Die verlängerte Achse der Rostocker Straße durchspannt die Siedlung als neues Rückgrat und stellt den Bezug zwischen dem östlichen neuen Gebäudecluster und den Zeilen mit ihren neuen Kopfbauten im westlichen Bereich her.
Die Rostocker Straße wird zur Wohn- und Spielstraße weiterentwickelt. Lineare Bauminseln gliedern den Straßenraum und schaffen hier zusätzlichen Schatten und Aufenthaltsqualität. Die notwendigen verkehrlichen Funktionen zur Anbindung der Bestandstiefgarage in der 1. Phase sowie der neuen TG in der Zielplanung bleiben erhalten. Die Rostocker Straße wird als Mischprofil ausgebildet. Ein Pflasterbelag überspannt die Geh- und Fahrbereiche einheitlich, im Sinne von Radfahrern und Fußgängern wird eine rücksichtsvolle Nutzung durch den MIV erzeugt. Die Erschließung der vorhandenen Zeilenbebauung wird mit kleinen Nachbarschaftsplätzchen als Aufenthaltsorte aktiviert, Bankfiguren und aufgefaltete Möbel, die zu Theken anheben, laden zum kleinen Austausch und Aufenthalt ein. Jedes „Pocket-Plätzchen“ erhält einen anderen Solitärbaum, der neben der unterschiedlichen Farbigkeit der Möbel die Identität der einzelnen Nachbarschaften stärkt. Zusätzlich bildet jeweils eine Gruppe aus mehrstämmigen, schirmförmigen Großsträuchern, ebenfalls aus unterschiedlichen Arten, wie beispielswiese Amelanchier oder Parrotia ein Gehölzbouquet auf dem Plätzchen. Ergänzt sind die Pocket-Plätzchen mit Urban Gardening Modulen im direkten Wohnumfeld der Bestands- und Neubebauung. Wie an der Rostocker Straße bilden zwischen den neuen Gebäuden im Osten „Pocket-Plätzchen“ soziale Nachbarschaften für deren Bewohner. Wassergebundene Beläge und offenporige Pflasterungen schaffen eine möglichst geringen Versiegelungsgrad.
Neue Baumgruppen ergänzen die hier zu einem Großteil erhaltenen Bestandsbäume zu einem grünen Volumen, das die neuen Gebäude umspielt. Ein Ringweg umspannt hier die neuen Baukörper als Loop und bindet auch die großen vorhanden Wohnhausscheiben zu einem gemeinsamen Schwerpunkt im Quartier mit ein. Neben der internen Verbindung ist das Quartier über den Loop mit der Umgebung vernetzt und adressiert die Daimlersiedung im Hallschlag. Zwei Ankerpunkte binden den Loop an die U-Bahnstation im Nordosten sowie im Südwesten an die Haupterschließung der Bottroper Straße an. Verschiedene Aktivflächen bilden Stationen am Loop und laden die Bewohner und Besucher zu sportlicher Betätigung ein. Mehrgenerationen-Angebote sind hier ebenso integriert wie Spielstationen und Bewegungsangebote für Kinder.
Das Herz bildet der zentrale Freibereich zwischen beiden bestehenden Hochhausscheiben. Hier werden zwei Entwicklungsphasen aufgezeigt: In der ersten Phase wird der Bereich auf der Bestandsgarage nördlich der Ost-West-Achse mit Container-Bäumen angereichert, die mit unterschiedlichen Baumarten einen großzügigen offenen Baumhain bilden. Bei der Verortung der Baumstandorte werden die statischen Möglichkeiten und die Stützenstruktur des Bestands berücksichtigt und durch eine punktuelle Unterstützung des Tragwerks verdichtet. So entsteht schon während der ersten Phase ein signifikantes Grünvolumen im Freiraum-Herz. Weitere Bereiche werden durch Urban-Gardening-Felder angereichert. In der Zielplanungsphase wird das Freiraum-Herz zum „Grünen Herz“. Durch den Abbruch der Bestandsgarage und den Verzicht auf eine Unterbauung im Zentrum kann mitten im Zentrum des „GrünUrbanen“ Stadtquartiers ein Klimawäldchen angelegt werden. Hierfür werden die „Containerbäume“ in den nun offenen, nicht unterbauten Erdbereich ausgepflanzt. Es einsteht ein Baumhain aus vielfältigen, klimaresilienten Baumarten, der sich zu einem nachhaltigen und langfristigen Grünvolumen entwickeln kann. Schnellwachsende Baumarten werden gemischt mit langsamer wachsenden Hartholzarten, sodass auch schon in den ersten Jahren eine wirkungsvolle und zugleich langanhaltende grüne Substanz entsteht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebauliche Idee ist es, mit präzise gesetzten und in der Höhe gestaffelten punktartigen Gebäuden den Bestand zu ergänzen. Im östlichen Bereich haben die Gebäude bis zu 16 Geschosse, die Anordnung erlaubt Ausblicke und Durchblicke mit spannenden Raumsequenzen. Der Entwurf zeigt überzeugend, dass die Entwicklung von höheren Gebäuden mit einem kleinen Fußabdruck zur Qualifizierung der städtebaulich komplexen Situation beitragen kann. Es wird deutlich, dass eine Hochhausbebauung in diesem Bereich sehr gut möglich ist, auch im Hinblick auf eine großräumigere Betrachtung des Stadtteils im landschaftlichen Kontext.

In den Erdgeschossen gibt es gemeinschaftsorientierte Nutzungen, was ausdrücklich begrüßt wird. Es gelingt eine überzeugende Vernetzung mit dem Freiraum. Es werden sehr gute Grundlagen für eine Belebung des Quartiers gelegt.

Gut funktioniert die Idee einer Freiraumvernetzung quer durch das Quartier in Verlängerung der Rostocker Straße; die städtebaulichen
Cluster bzw. Sequenzen werden verbunden. In der Mitte erfolgt richtigerweise eine Vernetzung in Nord-Süd-Richtung. An dem Achsenkreuz, das am östlichen Ende der Rostockerstraße aufgespannt wird, entsteht leider nur ein breiter Weg, der durch die Anordnung oberirdischer Pkw-Stellplätze und die Zufahrt in die Tiefgarage weiter belastet wird. Eine adressbildende Quartiersmitte wird hier vermisst. Zwischen den Geländeniveaus kann noch keine überzeugende barrierefreie Verbindung erkannt werden.

Es werden drei unterschiedliche Landschaftstypen angeboten, jeder dieser Bereiche hat spezifische Qualitäten und eine ökologische Bedeutung. Etwas überinstrumentiert wirkt der „Loop“, der den östlichen Bereich der Bebauung (Abschnitte 1 und 3) mit der Stadtbahnhaltestelle an der Bottroper Straße vernetzt. Die Betonung der Wegeverbindung zur Stadtbahn ist grundsätzlich ein sehr guter Gedanke. Es wird jedoch hinterfragt, ob ein Loop in der vorgeschlagenen Form das richtige Freiraummotiv hierfür darstellt oder ob dadurch das prägnante Motiv der Freiraumachsen nicht eher geschwächt wird.

Im westlichen Bereich werden Baukörper in gleicher Typologie vorgeschlagen. Die Gleichförmigkeit wird etwas kontrovers diskutiert, einerseits lässt sie Flexibilität hinsichtlich der Nutzungen zu, andererseits wirkt die Reihung etwas seriell. Auch kommen Fragen der Eignung der Typologie hinsichtlich der vorgeschlagenen Nutzungen auf, insbesondere die im westlichen Baustein vorgesehen Kita kann nicht überzeugen.

In Bezug auf vielfältige und qualitätsvolle Wohnungsgrundrisse lässt der Entwurf viele Entwicklungsmöglichkeiten zu. Allerdings sind die Wohnungsgrößen durchschnittlich deutlich zu groß und somit nicht zielgruppengerecht. Zudem entspricht die Zahl der Wohnungen nicht den Vorstellungen der Ausloberin. Ein Großteil der Wohnungen kann von zwei Seiten belichtet werden. Eine gute Mischung von geförderten und frei finanzierten Wohnungen ist sehr gut vorstellbar, ohne eine baulich ablesbare „Zwei-Klassengesellschaft“ zu schaffen.

Die Auseinandersetzung mit dem Tiefgaragenbestand und die phasenweise Entwicklung wird nachvollziehbar dargelegt.
Die mittlere Kompaktheit aller Baukörper ist überdurchschnittlich gut. Grundsätzlich liefert der Entwurf auch ein gutes Potenzial für die PV-Nutzung auf den Dächern und an den Fassaden. Die Angabe zur Dimension der PV-Freiflächen scheint jedoch nicht plausibel.
Das durchdachte Nachhaltigkeits- und Energiekonzept zeugt von einer guten Durcharbeitung und ist insgesamt schlüssig. Zur Konstruktion der Gebäude werden über die Erwähnung eines modularen Ansatzes hinaus keine Angaben gemacht.

Die konzeptionelle Aufteilung der Fassadenflächen PV-Fassaden auf den Südwest- und Südostseiten und Begrünungen auf den anderen Seiten wird begrüßt, ist in den Perspektiven und Ansichten jedoch nur teilweise und sehr schematisch dargestellt.

Die vorgeschlagenen Begrünungen, u.a. mit dem Klimahain, und die Retentionsmulden im zentralen Bereich, die jedoch erst mit dem TG-Umbau umgesetzt kommen können, tragen zu einer guten stadtklimatischen Qualität bei.

Insgesamt liefert der Entwurf überzeugende Antworten auf die gestellte, sehr komplexe Aufgabenstellung. Ein robustes Grundkonzept spannt einen städtebaulich qualifizierten Rahmen auf, der gut weiterentwickelbar ist.
Perspektivische Skizze Baufeld 2 (West) mit neuem Freiraum

Perspektivische Skizze Baufeld 2 (West) mit neuem Freiraum

Lageplan 1:1000

Lageplan 1:1000