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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Umgestaltung Johannes-Selenka-Platz in Braunschweig

Visualisierung Platz

Visualisierung Platz

1. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Zusammen mit den Gebäuden der HBK bildet der Johannes-Selenka-Platz den funktionalen sowie ideellen Schwerpunkt im Stadtquartier. Das vorgeschlagene Konzept sieht eine einladende und raumprägende Geste vor, um die Eigenständigkeit und die Lagegunst des Platzes hervorzuheben und zu betonen.

Die räumliche Komposition des neuen Ensembles setzt sich zusammen aus zwei Hauptelementen: Die nutzungsoffene Platzfläche bildet einen ruhigen klaren Rahmen und ein großzügiges Entrée zum Haupteingang der HBK. Das radial geformte „Paradies“ bildet dabei das vegetative Pendant zur Platzfläche und lässt eine eigenständige lebendige Park-Atmosphäre entstehen. Charakteristisch für den Entwurf ist das Zusammenspiel von Offenheit und Geborgenheit und die daraus resultierenden Aufenthaltsqualitäten und Aneignungsmöglichkeiten. Die eigenständige Formensprache zeigt die Transformation des Ortes und lässt die städtebaulich heterogene Situation zusammenwachsen.
Sämtliche Grün- und Freiflächen werden qualitativ aufgewertet um die Erreichbarkeit und die Aufenthaltsqualität selbst zu steigern.

Durch die homogene Platzfläche werden überschaubare Strukturen, direkte Zuwegungen und Querungsmöglichkeiten geschaffen. Der einheitliche Belag aus Betonwerkstein in changierenden Grau- und Beigetönen spannt sich auf wie ein Teppich und geleitet BesucherInnen und Studierende zum HBK Haupteingang. Sicht- und Wegebeziehungen zwischen Straßenraum, Bushaltestelle und Kubus werden bewusst offengehalten. Durch die Haptik und das Format des Steins wird ein Barrierefreier Zugang in sämtliche Bereiche gewährleistet. Neben der Funktion der Adressbildung und des Antritts dient die Fläche als erweiterter Ausstellungsraum für Exponate, Performance oder Festivitäten. Die bestehenden Strukturen wie das Heckenband im Norden und die Radwegverbindung im Süden werden aufgenommen und in das Platzgefüge integriert.

Das „Paradies“ wird eingefasst durch eine skulpturale Kreisform und wird so zum ausdrucksstarken Publikumsmagnet im Kontext der angrenzenden Bebauung.
Die ringförmige Einfassung korrespondiert spielerisch mit der vorhandenen Reliefenergie und ermöglicht einen qualitätsvollen Aufenthalt und eine Vielzahl von Aneignungsmöglichkeiten wie sitzen, liegen und spielen, sowohl von innen wie von außen. Die Dimensionierung und die Materialität suggerieren eine Skulptur aus einem Guss; raumgreifend und identitätsbildend lädt das Paradies zum Verweilen und Erkunden ein. In Teilbereichen werden die Betonstufen mit hölzernen Auflagen versehen und den Sitz- und Liegekomfort zu erhöhen. Einzelne Bestandsgehölze werden ebenfalls von Holzdecks und -Bänken eingefasst. An der nördlichen Platzkante entlang des Heckenbandes werden Altersgerechte Bänke mit Arm- und Rückenlehen situiert. Die differenziert gestalteten Grünflächen dienen in erster Linie zur Aneignung und Identifikation für die HBK. Studierenden und BesucherInnen soll hier ein angenehmer und grüner Aufenthaltsort geboten werden. Zudem entsteht ein Ausstellungsort für unterschiedliche künstlerische Aktivitäten, zugleich wird seitens der Studierenden der Anreiz geschaffen das Paradies nachhaltig zu pflegen und immer wieder neu zu bespielen.

Die sanft Modellierte Topografie bildet zusammen mit dem lichten Blätterdach einen Liegewiesencharakter aus, in Verbindung mit der Leinwand kann in sommerlichen Abendstunden ein Freiluftkino stattfinden, für festliche Anlässe dient die Fläche als Gartenlounge, an warmen Tagen können Seminare im Freien erfolgen. Die freiliegenden Sitzwürfel können je nach Event-charakter neu arrangiert werden, auch Raum für Rückzug und Ruhe ist gegeben.

Neben dem angenehmen Verweilcharakter bedient das Paradies auch die zeitgenössischen Anforderungen an Regenwassermanagement und Stadtökologie: Das städtische Grün und die offenen Versickerungsflächen haben einen kühlenden Effekt im Sommer und bewirken eine Wasserrückhaltung. Vegetationsflächen absorbieren weniger Wärmestrahlung als beispielsweise versiegelte Flächen. Die Entsiegelung und die Qualifizierung von Grünflächen spielen bei der Überplanung Johannes-Selenka-Platz eine entscheidende Rolle. Die Vegetationsflächen speichern Wasser das an warmen Tagen und unter Sonneneinstrahlung vermehrt verdunstet. Auch durch diesen Effekt wirken Grünflächen kühlend. Es entstehen wechselfeuchte Teilräume, in denen das Wasser langsam versickern kann und sich eine eigene Pflanzen- und Insektenwelt ausbildet.

Durch den vorgeschlagenen Entwurf werden neue innerstädtische Biotopflächen, und -Korridore geschaffen. Punktuell werden Aufenthaltsbereiche und Orte zur Naturerfahrung und -Bildung integriert. Landnutzungswandel und Monotonisierung von Flächen haben einen Rückgang der Biodiversität zufolge, sodass den Städten künftig in puncto Artenvielfalt eine „Archefunktion“ zukommt. Heimische Sträucher sowie bienenfreundliche Blühwiesen schaffen einen abwechslungsreichen Freiraumcharakter und einen stadtökologischen Mehrwert. Im Bereich der Bestandsgehölze wird die Einfassungen und Aufkantungen mit Wurzelbrücken ausgeführt um die Wertvollen Gehölze zu schützen. Sämtliche Bestandsgehölze werden Erhalten und sensibel mit stadtklimaresistenten Zukunftsbäumen ergänzt.

Über das gesamte Areal und in den Eingangsbereichen werden Fahrrad- und Lastenradstellplätze dezentral platziert. An der nordöstlichen Platzkante wird ein Bike-Sharing-Pont vorgesehen. Als wegbegleitendes Sitzelement wird eine robuste, schlichte Bank aus Doppel-Massivholzbalken gewählt, welche je nach Bedarf und Lage in unterschiedlichen Längen und Breiten ausgeführt werden kann. Für altersgerechte Sitzen ist die adaptive Ergänzung mit Rücken- und Armlehnen möglich. Begleitend zu den Sitzelementen werden insektenfreundliche Tellerleuchten installiert. Um ein einheitliches Bild zu erzeugen werden Fahrradbügel und Abfallbehälter haptisch und farblich den Sitz- und Leuchtelementen angepasst.

Durch die stadträumliche Neugliederung fungiert der Platz künftig als Knotenpunkt verschiedener Nutzungen, die Neugestaltung des Platzes vermittelt zwischen prägnanter Adresse und der nötigen Zurückhaltung. Durch die landschaftsarchitektonischen Interventionen wird der künftige Platz stärker in das stadt-landschaftliche Netzwerk eingebunden und als Identifikations- und Angelpunkt zwischen den angrenzenden Nachbarschaften verstanden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee dieser Arbeit basiert auf einer Gliederung des Platzes in zwei Hauptelemente: Eine befestigte, nutzungsoffene Platzfläche und einer sehr raumprägenden, radialen, grünen Pflanzinsel. Im Vergleich zu anderen Arbeiten entsteht durch diese richtungslose Hauptfigur auf dem Platz nicht nur eine starke Geste, sondern durch das Fehlen von Vorder- und Rückansichten auch eine gelungene Integration im Gesamtraum, ohne direkte Bezugnahme auf die umgebenden Fassaden. Gleichzeitig schafft es der Entwurf dadurch eine eindeutige Identität des Johannes-Selenka-Platzes zu schaffen und den Platz in seiner Gelenkfunktion in den Stadtraum zu verankern.

Die klare Zonierung des Platzes bildet ein Innen und Außen und erfüllt dabei die vielfältigen Ansprüche der Nutzer:innen. Der Umgang mit dem Verhältnis von versiegelter und unversiegelter Fläche wirkt ehrlich und richtig. Die Möglichkeiten, über die Dimensionierung der Fugenbrei- ten, den Entsiegelungsgrad und damit auch die Versickerung zu erhöhen ergibt Sinn. Das zentrale Sitzelement des Rondells wurde in seiner Dimensionierung stark diskutiert und dabei mehrheitlich positiv bewertet. Es trägt erheb- lich zur Stärkung der Aufenthaltsqualität und Multifunktionalität bei. Die Durchlässigkeit in das Innere der Pflanzinsel soll weiter gestärkt werden.

In Bezug auf die vegetative Ausgestaltung kam es zur Diskussion. Gerade im Hinblick auf die angedachte Multifunktionalität benötigt es einer Nachjustierung. Die Setzung und die Auswahl der einzelnen Großgehölze auf der Platzfläche vor dem Eingang der HBK und die Bepflanzung der radialen Grüninsel bedarf es einer deutlichen Überarbeitung, hinzu einem resilienten und dem Stadtraum und der Nutzung angepasster Bepflanzung. Positiv wurde der Erhalt der Bestandsgehölze gewertet. Der Umgang mit dem ankommenden Radverkehr ist bis dato noch nicht zufriedenstellend gelöst und bedarf der Überarbeitung. Die Arbeit überzeugt insgesamt und fungiert als ein wertvoller Beitrag auf dem Weg zu einer klimaresilienten Stadt.
Lageplan Quartier

Lageplan Quartier

Lageplan Platz

Lageplan Platz

Detail Paradies

Detail Paradies

Schnitt Platz

Schnitt Platz

Visualisierung Paradies

Visualisierung Paradies