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Parallele Mehrfachbeauftragung | 10/2023

Nachverdichtung in Holzbau am Beispiel des Neuen Stöckach in Stuttgart

Außen Rendering

Außen Rendering

3. Preis

VON M GmbH

Architektur

Michael Wengert - Energiebüro

Energieplanung

müllerblaustein HolzBauWerke GmbH

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

LEAVE THE CITY TOWARDS THE SKY - ODER - EIN GEBÄUDE DER LEBENDIGEN STADT
Der Bestand des Stöckach 10 ist Ausdruck einer für seine Entstehungszeit typischen Architekturhaltung und Formensprache und für viele ein Ausdruck von Menschenfeindlichkeit. Geschloßen und Abweisend. Für andere wiederum ein inspirierender Ort der Möglichkeiten schafft und kreative Ideen zur Nachnutzung fördert. Der neue Stöckach soll deshalb zu einem Ort transferiert werden der vor allem eines ist - Lebens RAUM.

Zum Leben erweckt
Die Auslobung ist dezidiert und umfänglich. Unser Beitrag geht in den Planunterlagen auf alle gestellten Anforderungen ein. In der vorliegenden Beschreibung beschränken wir uns auf das, was notwendig ist, um die Bearbeitung der Aufgabe zu veranschaulichen. Unser Ziel ist es, das monotone Gebäude in einen Ort zu verwandeln, der sich mit dem Stadt- und dem Naturleben verbindet. 
Wie kann das gelingen?
Das Gebäude wird als Zone verstanden. Als Übergang. Auch als Transitorium, das sich mit der Zeit weiter und weiter hin zur Lebensfreundlichkeit entwickelt. Wir schaffen vielfältige Möglichkeiten Gemeinschaft zu bilden, die auf vielfältige Weise gelebt und weiterentwickelt werden kann. Selbst das Energiekonzept kann sich über die Jahre weiterentwickeln. Nachhaltigkeit zeichnet sich neben den verwendeten Materialien auch in der Langlebigkeit von Konzepten aus, was gelingt wenn diese flexibel auf ihre Umwelt reagieren können.

Die vertikale Stadt. Vom Arbeiten übers Wohnen. Hin zum Grün unter freiem Himmel.
Während sich im unteren Bereich des Gebäudes - in der Straßenzone - städtische Nutzungsformen konzentrieren, verändern sich diese, je weiter man nach oben gelangt, zu Nutzungen im Naturraum. Man verlässt sozusagen die Stadt nach oben, gerät an den Stadtrand und ins Grün unter freiem Himmel. Ganz oben, unterm Himmel, befindet man sich im Grünen, im Garten, der gemeinschaftlich genutzt wird. Von hier aus geht der Blick ins Weite, nur das aus „natürlichen Gründen“ oben anzubringende technische Element Photovoltaik ist dort auch physisch verortet. Ansonsten ist hier Platz für Pflanzen, Tiere und Menschen und das Gefühl der Freiheit unter dem weiten Himmelsdach.

Sockelzone im UG und EG
Das vorliegende Konzept geht davon aus, dass das Gebäude ganz im Stadtleben fußt. Also: Ankommen, Fahrrad parken, ins Gebäude: Arbeiten, Shoppen und Entspannen. In der Sockelzone findet in sinnvoller Funktionsabfolge und locker gemischt städtisches Leben statt. Hier findet man...
• Zweigeschossige Werkstatt für Arbeiten mit Maschinen, Verbindung digitales und maschinelles Arbeiten
• Shared desk Büros im EG und buchbare Besprechungsräume als community work place
• Capuccinería – klar: wo Menschen arbeiten, darf Kaffee nicht fehlen! Und die sitzen auf der Straße, auf
der Gass‘ sagt man in Stuttgart. Früher ein Zeichen von Untätigkeit, heute Ausdruck einer positiven
Verbindung von Arbeiten und Wohlfühlen
• Come in and take away – Shopflächen, Upcycling, microökonomische Läden, Re-Use, Share what u
dare...denn Geschäfte brauchen Laufkundschaft
• Fahrradstellplätze...damit Waren und Kinder bewegt werden können
• Die Boxengalerie. Ausstellen, Reinschauen, drüber Reden. Boxen dienen als Kunstraum und
Outdoorgalerie. 24/7 offen. Für das ganze Quartier zu nutzen.
• Der SUPERAUTOMAT für die Nahversorgung rund um die Uhr. 24/7 kaufen, verkaufen, tauschen.
• Infostand der ENBW und Holzbauoffensive informiert und begleitet die Quartiersentstehung. Zeigt
Innovationen, bildet fort und stellt aus.

Und ab ins OG2

Über dieses halboffene Geschoss erfolgt die Verteilung auf die anderen Nutzungszonen im Gebäude. Die Ebene ist offen gestaltet. Von hieraus erfolgt der Zugang in die Wohneinheiten, die als vorgefertigte Elemente in den Bestandsbau eingeschoben werden. Die Maisonette Lösung stellt sicher, dass alle Wohnungen im 1.und 3.OG von zwei Richtungen natürlich belichtet werden.
Die Türen der Wohnungen sind farblich von der Holzstruktur abgesetzt, was das Ganze nicht nur freundlicher macht, sondern auch Gespräche erlaubt wie: „Wo wohnst Du denn?“ „Ich? Ich bin die gelbe Tür links.“ – so trifft man sich schneller wieder, was schön sein kann, wenn man sich unter Nachbarn verabredet.
Hier trifft man sich dann zum gemeinsamen Cook’n Chill in der Gemeinschaftsküche, zum Lesekreis in der Bibliothek, oder zum Feiern im Gemeinschaftsraum. Die Kleinen machen es vor wenn sie sich gemeinsam auf dem Spielplatz sammeln und zum Spielen, Lachen und Klingeln putzen durchs Gebäude ziehen. Oder
man trifft sich einfach zufällig in der Sitzgruppe oder beim Blumen gießen. Ein Möglichkeiten bietender Lebensraum.
Das OG2 ist also der privat-öffentliche Raum. Das was früher mal der Vorgarten war...da wird man gesehen und schwatzt mit den Nachbarn oder über sie. Beides schön. Früher stand man am Zaun, heute steht man am Geländer und schaut von dort hinaus...

Der Neubau
Vorschlag: der Bestand vom UG bis zur Ebene 3 saniert und ab dort ausschließlich mit Holzraummodulen in den Ebenen 4 und 5 aufgestockt und endet mit einer gemeinsamen Nutzfläche, unserem Garten unter freiem Himmel. Der Anbau wird oberhalb eines massiven Fußes mit Holzraummodulen ergänzt.
Nach der Entkernung des Gebäudes wird Aufmaß genommen. Die neuen Wände im Bestand werden als teilvorgefertigte Holzbauelemente eingestellt. Sichtbar geschraubte Holzplatten oder Lehmbauplatten bekleiden die Wände je nach Anforderung. Die Stufen der bestehenden Treppenhäuser geben die Höhe des neuen Fußboden vor, der in Trockenbau montiert, jederzeit rückbaubar ist. Die Holzraummodule hingegen werden komplett ausgebaut angeliefert und gestapelt, was wirtschaftlich sinnvoll ist und eine zügige Umsetzung des Vorhabens vor Ort erlaubt. So freut sich die Nachbarschaft, dass der Lärm schnell wieder weg ist.
Die Äussere Hülle erfolgt durch das Prinzip des Urban Minings. Die Fassade des Nachbarhauses wird abgenommen und schützt unseren Holzbau in Zukunft vor Witterung. - Urban Mining at it’s best.

After Life: Den Absatz rückwärts lesen.
Die Boxengasse lebt - neu und grün
Für uns ist diese künstliche Schlucht ein Potential und wir verbinden damit eher Bilder von Wasserfällen, als von Rennställen. Ein Lebensraum der besondern Art: Wir begrünen Teile der Fassade, bzw: wir schaffen die Bedingung dafür und die Bewohner pflanzen dort die Pflanzen, die sie gerne hätten.
Wir schaffen neben dem Fahrstuhlschacht im nicht mehr benötigten Installationsschacht einen Kaskadenspeicher als vertikale Zisterne für das Regenwasser, die auf jedem Geschoss Entnahmestellen bietet, damit die Bewohner ihre Pflanzen auch gießen können. Die Kaskade mündet in einen unteren Beckenbereich, der als Brunnen dient. Das restliche Wasser wird als Grauwasser in die Nutzung im Gebäude, z.B. für die Toilettenspülung übernommen. Das reduziert den Trinkwasserverbrauch.
So entsteht in der künstlichen Schlucht zum Nachbarbau hin ein begrünter, lebendiger Bereich, in dem Vögel und Insekten heimisch werden können, man hört das Rieseln und Plätschern der Kaskade, wenn es abends still ist, das Klima ist etwas kühler im Sommer und man schaut als Nachbar auch lieber darauf, wenn sich im Jahresverlauf die Blätter verfärben und im Sommer die Pflanzen blühen...

Drei Worte zur Technik – 1, 2, hoppa 3!
1. Schritt: Das technische Konzept haben wir so konzipiert, dass als Basisversorgung die vorgesehene Fernwärme in Kombination mit einer PVT-Solaranlage genutzt werden kann. Aber seien wir mal ehrlich: das ist noch nicht „the full monty“ - da wird zukünftig noch mehr gehen, vor allem für alle, die unter grün nicht den RAL Ton 6000 verstehen.
2. Schritt: Später soll die Fernwärme als Energielieferant minimiert werden. Wir sehen eine Möglichkeit darin, die PVT-Anlage mit einer Wärmepumpe und einem Eisspeicher als alternatives System zu etablieren. So können Wohnungen beheizt werden und gleichzeitig Kühlung für Dienstleister-Nutzungen im EG/E+1/UG ermöglicht werden.
3. The full monty: Zukunftsmusik: Wenn man dieses System voll ausschöpft, entsteht ein Kälteüberschuss, der dann der Nachbarschaft zur Verfügung gestellt werden kann. Wie cool ist das denn?

Schlusswort:
Das SUPER STÖCKI - ein Vorzeigeprojekt mit Anleitung zum Nachmachen. Digital begleitet vom Wald bis zur Wartung, durch offenlegen des Prozesses und der Planungsdaten, kann dieses Projekt zur Schulung und zum Nachbauen dienen. In der Hoffnung, dass viele abweisende Bürobauten der Vergangenheit eine neue Zukunft finden, graue Energie gewahrt wird und vielen Menschen eine neue Gemeinschaft geschenkt wird. Beides wird morgen noch wichtiger als es heute schon ist. - Wir sind Bereit.

Beurteilung durch das Preisgericht

Leitidee/Umgang mit dem Bestand
Der Entwurf liefert auf eindrucksvolle Weise Lösungsansätze zur Ausarbeitung eines modernen Wohnungsbaus. Mit einem schlüssigen Konzept wird die Bewohner:innengemeinschaft mit einem großzügigen Angebot an Gemeinschaftsflächen in den Mittelpunkt gestellt. Die gelungene Adressierung einer Öffentlichkeit wird positiv hervorgehoben.

Für die neue Fassade werden Abbruchmaterialien aus der umgebenden Bebauung wiederverwendet. Offene zur Stöckachstraße orientierte Geschosserschließungen größtenteils über Laubengänge, prägen in ihrer Horizontalität das neue Gesicht des Gebäudes, stehen der ansonsten wahrnehmbaren Vertikalität der Fassade derweil widersprüchlich entgegen. Die vorgeschlagene Anmutung wirkt folglich in ihrer Gesamtheit noch zu unentschlossen und es bedarf einer weiteren Ausbalancierung der beiden Kräfte.

Die Verfassenden entscheiden sich neben dem Dachgeschoss auch das 4. Obergeschoss abzubrechen und neu aufzustocken. Dies wird in seiner Notwendigkeit kritisch diskutiert und steht dem formulierten Anspruch an Nachhaltigkeit entgegen. Die neue Aufstockung wird konstruktiv per Holzraummodulen vorgeschlagen und kann eine zügige Montagezeit gewährleisten.

Wohnungsbau
In der Arbeit wird eine große Auswahl an kompakten und modularen Grundrissen in einer hohen Nutzungsqualität angeboten. Insbesondere die neuen Geschosse der Aufstockung werden mit ihrer effizienten Erschließung hervorgehoben. Hingegen wird der hohe Anteil an nicht-barrierefrei erschließbaren Maisonette-Wohnungen kritisch eingeschätzt.

Die dem Konzept inhärente Betonung der Bewohner:innengemeinschaft soll durch ein sehr hohes Maß an Gemeinschaftsflächen gewährleistet werden, welche allerdings in ihrer Flächenquantität zugunsten einer höheren Nutzungsqualität und Flächeneffizienz weiter auszubalancieren wäre.

Innovationskraft
Die Verfassenden schlagen einen sehr effizienten Holzbau vor, welcher auf der einen Seite in seinem Realisierungspotential positiv bewertet wird, auf der anderen Seite seinen Spielraum für zukunftsweisende Innovationen jedoch nicht voll ausnutzen kann.
Der Urban-Mining-Ansatz der Wiederverwendung von Fassadenelementen der Nachbarbebauung wird positiv hervorgehoben, berücksichtigt allerdings nicht die Hindernisse einer möglichen fehlenden Gewährleistung und lässt den Wunsch nach einem Plan B offen.

Zusammenfassend zeigen die Verfassenden mit ihrem Beitrag auf sehr hohem Niveau Lösungen für einen modernen Wohnungsbau auf. Indes werden jedoch vielerlei Themen noch nicht abschließend behandelt und der Entwurf kann ohne die nötige Klarheit sein Potential nicht vollends ausnutzen.
Innenraum Rendering

Innenraum Rendering

Lageplan

Lageplan

Ansicht Süd-Ost

Ansicht Süd-Ost

Grundriss Aufstockung

Grundriss Aufstockung

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erschließungsgeschoss

Grundriss Erschließungsgeschoss

Fassadenschnitt

Fassadenschnitt