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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2023

Wohnungsneubau in Dortmund-Hörde

2. Preis

Preisgeld: 47.000 EUR

PETERSENARCHITEKTEN

Architektur

Hannes Hörr Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

INGENIEURBÜRO BAUWESEN HORN GMBH

Tragwerksplanung

Janowski Ingenieure GmbH

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Präambel
Der Wettbewerbsstandort an der Wellinghofer Straße bietet für ein Wohnungsbauprojekt mit Wohnungen vor allem für Familien mit Kindern hervorragende Potenziale – eingebettet in einen Grünzug mit weitem Blick auf Phoenix West, einer Schule und einer potenziell guten Position für Gärten mit Süd/West-Orientierung. Leider sind die Festsetzungen des rechtskräftigen Bebauungsplans weit entfernt von den Anforderungen des aktuellen Klimaschutzgesetzes. So wird vorhandener Baumbestand in großem Umfang zur Disposition gestellt, ein hoher Bedarf an PKW-Stellplätzen definiert, der in einer TG allein nicht nachgewiesen werden kann und deshalb zus. oberirdische versiegelte Flächen benötigt. Die Idee der „Schwammstadt“ wird so konterkariert. Die vorgesehene Nord/Süd-Orientierung eines großen Teils der künftigen Bebauung lässt bei max. Nutzung der überbaubaren Fläche - Bautiefe 18m - keine gut belichteten Wohnungen zu. Wir haben uns deshalb entschlossen, von einigen Festsetzungen abzuweichen, damit ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen privaten und halböffentlichen Räumen entsteht und günstige Voraussetzungen für eine klimagerechte und ressourcenbewusste Bauweise erzeugt werden können.

Städtebauliches Konzept
Wir schlagen vor, die Gebäude senkrecht zur neuen Planstraße aufzureihen. Auf diese Weise wird der vom Norden herangeführte Grünzug visuell in die privaten Gärten übertragen. Das Quartier selbst wird im Sinne einer kleinen, einer Gartenstadt ähnlichen Gebäudegruppe entwickelt. Vier einzelne Wohnhäuser mit insgesamt ca. 9.200 m2 Wohnfläche (BGF) in 83 Wohneinheiten. Der östliche Baukörper in Baufeld 3 wird bewusst von der Wellinghofer Straße abgerückt. Es entsteht ein kleiner Platz vor dem EG, das von der Hausgemeinschaft als workspace oder für kleine private Veranstaltungen genutzt wird. Zugleich wird die Einsehbarkeit in die Wellinghofer Straße und umgekehrt auf ein für den Verkehr erforderliches Maß verbessert. Gegenüber wird das Gebäude im Baufeld 2 um ein ähnliches Maß von der emissionsbelasteten Wellinghofer Straße abgerückt. Der städtebauliche Anschluss zum Nachbarn wird durch ein eingeschossiges Gebäude für Fahrräder und Müll-Management hergestellt. So entsteht ein Vorplatz zum Haus und im Zusammenspiel mit der gegenüberliegenden Bebauung ein Eingangs-Motiv in das Quartier hinein - mit gut bemessenem städtischem Freiraum, ohne dabei die Grundstücksressource der privaten Nutzung zu entziehen.

Der Gartenstadt-Charakter unterscheidet sich von geschlossenen Blockstrukturen und modelliert die wohnungsnahen Freiflächen durch Licht, Luft und Grün als selbstverständliches Angebot an die Bewohner. Deshalb wollen wir durch die Positionierung der Gebäude zur Planstraße drei für uns wichtige Themen aktivieren: Durchgrünung, Durchlüftung, Durchwegung. Die Gebäude im Baufeld 3 werden bis zu einer GRZ von 0.6 mit einer Garage unterbaut. Die Garage wird als Sockel ausgebildet, der ca. 1.1m über die natürliche Geländekante hinausragt. Die Erdgeschosse der Gebäude sind um dasselbe Maß angehoben und ebenso die intensiv begrünten Dächer/Gartenflächen über der Garage. Es entsteht ein Hochparterre mit Privatheit und hoher Qualität für die EGWohnungen. Das vierte Gebäude - Baufeld 2 - bildet den nördlichen Abschluss an der Wellinghofer Straße. Dessen Garten geht unmittelbar über in den wertvollen öffentlichen Grünzug.

Erschließung + Wohnungen
Alle Hauseingänge und die Zu-/Abfahrt der Tiefgarage sind zur Planstraße adressiert. Die Eingänge sind barrierefrei und auch für Rollstuhlfahrer selbstverständlich zu bewältigen. Von da erreicht man die Wohnungen über offene Laubengänge, die so angelegt sind, dass sie zugleich Treffpunkte für informellen Austausch sein können. Jede Wohnung ist mindestens zweiseitig, manche dreiseitig orientiert und dadurch sehr gut belichtet und belüftet. Durchlaufende Balkone auf der Westseite oder Loggien auf der Südseite erweitern die Wohnflächen in den Obergeschossen in den Außenraum hinein, wogegen die EG-Wohnungen von Privatgärten profitieren. Im Baufeld 2 bieten wir in der aktuellen Planung große Erdgeschosswohnungen an, die über einen Innenhof und private Vorgärten erschlossen werden. Dieses Gebäude wird nicht unterkellert. Die spezifische Staffelung der Volumen ermöglicht auf jedem Gebäude eine Dachterrasse zur Nutzung durch die Hausgemeinschaft.
In der Garage können ca. 73 PKW-Stellplätze und ca. 150 Fahrrad Stellplätze nachgewiesen werden. Der Freiraum um die Gebäude herum bietet Platz für weitere ca. 50 Fahrrad Stellplätze. PKW-Stellplätze im Außenraum bieten wir nicht an. Mobilität wird zukünftig anders gelebt und ökonomischer/ökologischer organisiert werden. In der Übergangszeit können fehlende Stellplatzkontingente durch ein Doppelbelegungs-Konzept auf dem nahe gelegenen Schulparkplatz kompensiert werden.

Konstruktion + Architektur
Die Häuser sind ressourcenbewusst mit minimalem CO2-Fußabdruck konzipiert. Es entstehen Hybride aus Holz (Außenwände, Innenwände, Stützen) und vorgespannten Stahlbeton-Hohldielen (Decken) mit hohem Vorfertigungsgrad und großer Detailqualität als „lösbare“ Konstruktion - so konzipiert, dass sie sortenrein auseinanderdividiert und getrennt behandelt werden können – zur Wiederverwendung oder Entsorgung. StBn wird dort verwendet, wo Schall- und Brandschutz-Anforderungen andere Konstruktionen unwirtschaftlich machen – in der Garage als monolithische StBn-Konstruktion, in den aufgehenden Geschossen mit Spannbeton-Hohldielen, die sich durch einen minimierten Materialeinsatz auszeichnen: Beton -50%, Stahl – 70%. Holzwände und Stützen (Westseite) bilden das Primärtragwerk mit einem Raster von 7,5m auf dem die Spannbeton-Hohldielen aufgelegt werden. Kerne für TH und Aufzüge bilden einen Teil der Aussteifung. Ebenso wirken geschlossene Wandscheiben aussteifend auf das Gefüge. Die Außenwände werden als Holzrahmenkonstruktion mit einer vorvergrauten Holzbekleidung an die Baustelle gebracht und dort an das Tragwerk montiert. Grundsätzlich soll bei Produktion und Errichtung an der Baustelle das Prinzip „no waste“ eingehalten werden.
Alle Sichtbetonoberflächen werden in Ortbeton hergestellt und bleiben unbehandelt - auch auf den Laubengängen und in den Treppenhäusern. Alle Stahlteile sind feuerverzinkt ausgeführt. Für Absturzsicherungen werden leichte Netzkonstruktionen – z.T. auch geschosshoch eingesetzt. Diese dienen dann als Rankhilfe für Pflanzen. Die Dächer werden extensiv begrünt und mit Photovoltaik-Panels belegt. Das Grün der Dächer und Fassaden hilft, den Staub zu binden und verbessert so den Nahbereich der Wohnungen. Die Balkone auf der Westseite stehen frei, mit eigenem, schlanken Stahltragwerk vor den Fassaden. Sie erhalten an definierten Stellen großformatige Pflanzelemente und Vorhänge, die wahlweise als Sonnenschutz oder zur Stärkung der Privatheit individuell verwendet werden können. Als Fußbodenbelag in den Wohnungen schlagen wir Linoleum auf Heizestrich vor.
Das Grundrisskonzept enthält nur wenige fixierte Bauteile (Schächte, Stützen oder Wände). Die Art der Konstruktion erlaubt eine große Grundriss-Variabilität innerhalb der Tragstruktur und ermöglicht so unterschiedliche Layouts – Wohnungen von 25m2 bis 250m2 – vom Ein-Raum-Apartment bis zur Cluster-Wohnung für Wohngemeinschaften oder integrierte „Stadthäuser“ mit individuellen Hauseingängen und privaten Gärten für Familien. So kann sowohl eine große Zahl kleiner und mittlerer Wohnungen entstehen oder auch eine kleinere Zahl größerer Wohnungen. Im vorliegenden Layout schlagen wir auf ca. 9.200 m2 BGF ca. 83 WE vor, im Wesentlichen Wohnungen für Familien mit Kindern in unterschiedlichen Wohnungstypologien. Eine Auswahl möglicher Wohnungstypen und Durchmischung wird in Piktogrammen auf den Präsentationszeichnungen erkennbar.

Wohnen mit der Natur
Kinder spielen an der frischen Luft, planschen im Naturteich, Nachbarn mit grünem Daumen gärtnern im Gemüsebeet und der Feuerplatz ist der Ort für spontane oder geplante Feste. Der vorhandene Grünzug soll visuell spürbar in die privaten Gärten und halböffentlichen Freianlagen der Hausgemeinschaft überführt werden. Wir wollen damit die ökologische Vielfalt und die Versickerungsfähigkeit der Böden so weit wie möglich sichern. Die Tiefgarage wird mit kleinen Mauern, Treppen und Sitzstufen, verspringenden Wegen, Pflanzbeeten, und Wasserbecken bzw. Versickerungsmulden gestalterisch eingefasst. Die artifizielle Geometrie der Gartenanlage ziehen sich als Grundmuster durch das gesamte Quartier und kontrastiert bewusst die natürliche Wildblumenwiese, blühende Obstgehölze und heimische Sträucher und Hecken. Trockenresistente Pflanzen und Feuchte speichernde Bodendecker werden bei der Pflanzenauswahl bevorzugt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf irritiert auf den ersten Blick durch seine bewusste Neuinterpretation der im Bebauungsplan festgelegten Baufenster und seine um 30% höhere Baumasse wird kontrovers diskutiert. Seine geschickte Konfiguration der Baukörper aber lässt dieses größere Bauvolumen kaum erkennen. Seine Gliederung in Vor- und Rücksprüngen und der Varianz in den Geschossen schafft eine dem Ort angemessene Maßstäblichkeit trotz des größeren Bauvolumens. Die einzelnen »Scheiben«, insbesondere entlang der Planstraße, nehmen gekonnt die Proportionen und Dimensionen der kleinteiligen Bestandsbebauung entlang der Wellinghofer Straße auf.

Die Aufnahme der Ausrichtung des »ausbrechenden« Bestandsgebäudes für den straßenständischen Baukörper wird begrüßt, insbesondere auch die hierdurch erzielte Öffnung des Einmündungsbereiches in das zukünftige Quartier. Die gewählte gemeinschaftliche Erdgeschossnutzung in Kombination mit dem sich öffnenden öffentlichen Freiraum wird positiv bewertet. Kritisch diskutiert wird die statisch wirkende gleichförmige Anordnung der drei Gebäude entlang der Planstraße, da durch das nicht reagieren auf die Bewegung des Straßenraums eine gewisse Starrheit im Straßenraum gesehen wird. Auch wird die Reaktion im Baufeld 2 auf die angrenzende Bestandsbebauung insbesondere im Hinblick auf den Übergang der Baukörperhöhen als verbesserungsbedürftig beurteilt.

Die Qualität der privaten und halb-öffentlichen Freiräume der drei Baukörper wird als gut beurteilt, wo hingegen der Entwurf im Hinblick auf die Außenanlagen des einzelnen Baukörpers qualifizierte Aussagen schuldig bleibt.

Die grundsätzliche Orientierung der Grundrisse zur, vom Verkehrslärm abgewandten, westlichen Seite wird gewürdigt und überzeugt durch den Bezug der Terrassen zum grünen Innenhof. Die lineare Erschließung auf der östlichen Gebäudeseite, teilweise als Laubengang, ist nachvollziehbar und stärkt die Lärmresilienz und die hohe Privatheit der gegenüberliegenden privaten Außensitze.

Die Grundrisse sind grundsätzlich funktional und erscheinen förderfähig.

Insgesamt bietet der Entwurf eine gute städtebauliche, architektonische und landschaftsarchitektonische Lösung unter Berücksichtigung des Ortes, wenn man die bewusste Neuinterpretation einzelner Festsetzungen des Bebauungsplans ausblendet.

Beurteilung Nachhaltigkeit
Der Entwurf ist in klimafreundlicher Holzhybridbauweise erstellt. Weiteres CO2 wird durch die Holzfassade gespeichert. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Fassade in 50 Jahren einmal überarbeitet werden muss.
Das energetische Konzept sieht den Nahwärmeanschluss und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung vor. Durch die Lüftungsanlagen wird der Endenergiebedarf reduziert und gleichzeitig das Schallproblem gelöst. Eine möglicher Schallschutznachteil durch die Hohlraumbetondielen dürfte durch den vergleichsweise dicken Estrich kompensiert werden.