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Award / Auszeichnung | 11/2023

Hugo-Häring-Auszeichnung 2023 BDA Kreisgruppe Bodensee

Strohballenatelier

DE-88299 Leutkirch im Allgäu/Diepoldshofen

Auszeichnung

hochstrasser. gesellschaft für architektur mbh

Architektur, Fassadenplanung, Innenarchitektur

Soho-Projekt GmbH

Bauingenieurwesen, Tragwerksplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Kunst, Museen, Ausstellungsbauten

  • Projektgröße:

    45m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 09/2022
    Fertigstellung: 10/2022

Projektbeschreibung

Dorothea Schrade schreibt:
Ich bin ein Glückskind! Da sitze ich, ohne Atelier (vernichtet durch Brand), eingezwängt in einer Stube, male Kleinformate, fühle mich verklemmt. Da kommt Freund Adrian zu Besuch, wir reden übers Bauen, über Strohballen und Fenster aus Schloss Mochental, die ich habe. Adrian sagt: Wir machen einen experimentellen Bau aus Strohballen und den Fenstern! Ein neues Atelier! Wir bauen selber! Ich habe nur Materialkosten. Aus Begeisterung verschicke ich Einladungen, bevor irgendetwas gemacht ist. Nicht zu glauben: Alles klappt. Am Freitag erscheinen vierzehn Engel in Arbeitsmontur mit Selina, zuständig für Entwurf, Behördengänge, Organisation. Das Räderwerk läuft. In gelassener Stimmung, trotz Regen, wächst ein Wunderwerk aus Stroh, Holz und Glas aus dem Boden. Beim Eintritt fühlt man sich, als betrete man eine Kathedrale. Der Geruch nach Stroh. Das Licht durch die hohen Fenster. Das Laub ist von den Bäumen: Es sieht aus, als wäre es schon immer da gewesen.

Projektbeschreibung:
Nach dem Abbrand des alten Kronengasthofes in Diepoldshofen und damit dem Verlust des Ateliers von Dorothea Schrade haben wir beschlossen, Abhilfe zu schaffen und pro bono ein „Strohatelier“ in Eigenleistung zu bauen.
Der Wunsch der Bauherrin war es mit Strohballen und alten Fenstern zu arbeiten – und fertig war der Entwurf. Zwei Reihen Bestandsfenster in Richtung Süden lassen reichlich Licht in das Innere und geben gleichzeitig einen spektakulären Blick in den Garten frei. Demgegenüber steht die Strohwand aus maximal 8 übereinander stapelbaren Ballen. Verbunden über ein zweigeteiltes Pultdach erhält das Atelier seine letztendliche Form und Struktur. Wichtig war uns - Nachhaltigkeit! Der „Bau“ besteht aus einfachen Holzbaustoffen und natürlichen Dämmstoffen aus Holzfaser. Verschattungen durch den Garten, ein begrüntes Dach und Wände bestückt mit Stroh lassen die Galerie leben. Bauen mit dem was da ist – Recycling ist sowohl bei uns als auch bei Dorothea ein großes Thema. Wir haben uns daher dazu entschieden, vielen bereits benutzten Elementen neues Leben einzuhauchen. So sind beispielsweise die Fenster aus dem Schloss Mochental, gebrauchte Spanngurte aus der Logistik, Fundamentsteine vom Bauhof oder eine Flohmarkttüre zum Einsatz gekommen.
Wir hatten Spaß! Das Projekt war freiwillig und sollte vor allem Freude am gemeinsamen Erschaffen bringen. Im Zuge der Pandemie sind viele im Homeoffice geblieben - hier hatten wir die Möglichkeit alle als Team wieder zusammenzukommen und mit Muskelkraft und Kreativität Abstand vom alltäglichen Bürowahnsinn zu bekommen. Von der gemeinsamen Erfahrung werden nicht nur wir noch lange zehren. Auch Dorothea ist sehr glücklich über ihr neues „Dach überm Kopf“.

Beurteilung durch das Preisgericht

Keine Showadresse. Das Atelier drängt nicht danach, gesehen zu werden. Unglück und Chance für Neues, wie nahe das beieinander liegt – und wie mutig diese Chance ergriffen wurde! Auf kleinem Raum, in stimmigen Proportionen, mit geringem und doch achtsam dimensioniertem Materialeinsatz wurde große Atmosphäre geschaffen. Viel übereinstimmende Radikalität zwischen Bauwerk und glücklicher Bauherrin kommt hier zum Ausdruck.

Vollkommenheit war dabei nicht Ziel, auch nicht die Schaffung eines Kunstwerkes. Künstlerische Haltung wird hier auf anderer Ebene sichtbar. Der Mut zum gelungenen, aber auch entwicklungsfähigen Experiment hat so viel Reibungsfläche wie Zukunft. In diesem Sinne ist das entstandene Atelier nicht nur Erlebnis, sondern ebenso prozesshafte Forschungsstation.
Mit den Worten von Hugo Häring: Eine polierte Metallkugel ist zwar eine phantastische Angelegenheit für unseren Geist, aber eine Blüte ist ein Erlebnis.