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Award / Auszeichnung | 11/2023

Architekturpreis Vest Recklinghausen und Gelsenkirchen 2023

Josef-Albers-Galerie

DE-46236 Bottrop, Anni-Albers-Platz 1

Preis

Gigon / Guyer Architekten

Architektur

pbr Architekten Ingenieure

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Museen, Ausstellungsbauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2017
    Fertigstellung: 09/2022

Projektbeschreibung

Das im historischen Stadtgarten von Bottrop gelegene «Josef Albers Museum Quadrat» wurde um einen zweigeschossigen Neubau erweitert, um dort künftig neben der Sammlung auch Wechselausstellungen zeigen zu können und Raum für die Museumspädagogik, das Kunstdepot und die Werkstatt zu schaffen.
Das Gebäudeensemble, bestehend aus der 1913 errichteten Amtsrichtervilla und den Museumsbauten von Bernhard Küppers aus den1970er und 80er Jahren, erfährt mit dem Neubau eine Ausdehnung nach Nordosten. Die Form, Materialisierung und Farbgebung der Erweiterung sind so gewählt, dass die Architekturen der unterschiedlichen Zeitabschnitte ablesbar bleiben und gleichwohl ein neues harmonisches Ganzes entsteht. Der neue Baukörper hat einen rechteckigen Grundriss, wie die historische Villa, und rückt leicht nach Südosten vor, um den Baumbestand zu schonen und auch den nordöstlichen Ausblick aus den bestehenden Räumlichkeiten frei zu lassen. Der Teich – nach der letzten Bauetappe in den 80er Jahren angelegt – wurde um einige Meter zur Ankunftsstrasse hin verschoben und gewinnt dadurch mehr Präsenz.
Im Unterschied zu Küppers Pavillons aus Stahl und Glas ist der aktuelle Neubau ein kompaktes Volumen mit wenigen, spezifisch gesetzten Öffnungen. Eine Fassadenhülle aus pulverbeschichteten Metallpaneelen umschliesst den Baukörper und formt eine Krempe um die Oberlichtkonstruktion, ein Sheddach. An der Nordostseite neigt sich die Verkleidung nach aussen und bildet einen Lichttrichter, damit hier gleich viel Licht auftrifft wie bei den übrigen Oberlichtern. Auch die Nordwestfassade faltet sich auf und schafft für die Anlieferung einen geschützten Aussenbereich.
Auf der Ebene des Stadtgartens liegen die Werkstatt, das Kunstdepot, ein Büro, die kleine Bibliothek und die beiden Museumspädagogikräume. Letztere orientieren sich zum Teich. Sie sind sowohl über das Ausstellungsgeschoss als auch über den Stadtgarten zugänglich.
Der grosszügige Haupteingang zur Museumsanlage konnte bestehen bleiben. Eine neue Verbindungsbrücke führt zum Erweiterungsbau. Die Trapezform der Brücke mitsamt den versetzten Holzpaneelen der inneren Verkleidung nehmen Rücksicht auf die raumhohen Durchgangsöffnungen im Bestandsgebäude und die niedrigeren im Neubau - mit dem Resultat, dass die Passage auf dem Hinweg optisch verlängert erscheint und auf dem Rückweg verkürzt.
Im Neubau führt der Rundgang teils mäandrierend, teils geradlinig durch die acht unterschiedlich dimensionierten Ausstellungsräume. Vier grosse Fenster auf je einer Seite eröffnen den Besuchenden Ausblicke in den Stadtgarten und erlauben umgekehrt auch Einblicke in das Museum. Für die gleichmässige Beleuchtung der Kunstwerke mit Tageslicht sorgen aber vor allem die Oberlichter des Sheddachs. Die Justierung des Tageslichts zur Einhaltung der geforderten Lux-Zahlen geschieht wetterunabhängig mit innenseitigen textilen Storen.
Die Proportionen der Räume, die Tür- und Fensteröffnungen sowie die Materialien sind so gewählt, dass sie der Wahrnehmung der Kunstwerke dienen. Die gleiche Grundregel bestimmt auch die ruhige Erscheinung des Gebäudes im Stadtgarten, die den Skultpuren im Freien den Vorrang lässt. Die Kunst hat Vorrang - ihr wird im Inneren aber auch im Park «Raum gegeben».

Der Erweiterungsbau erfüllt sowohl hinsichtlich der niedrigen Bau- und Betriebskosten als auch der Nachhaltigkeit ehrgeizige Ziele, die aber für die meisten Massnahmen deckungsgleich waren: Minimaler Eingriff im Baubestand, kein Untergeschoss, sehr kompaktes Volumen, moderater Öffnungsanteil, Ausrichtung der Shedoberlichter gegen Nordosten, sehr gute Dämmung der Aussenhülle, genügend Speichermasse für ein ausgeglichenes Raumklima, Fussbodenheizung mit Fernwärme, einfache Installationszonen, Sonnenschutz, solide, tragfähige Baukonstruktion, um auch schwere Kunstwerke stellen und hängen zu können, und langlebige, robuste Baumaterialien, die auch Reparaturen erlauben. Zu erwähnen ist die Vielfalt an unterschiedlichen Raumgrössen und -proportionen, die sich für wechselnde Ausstellungen und Kunstobjekte eignen. Die Entscheidung für eine „feste“ Grundrisseinteilung dient im Museumsbetrieb zur Vermeidung aufwändiger, temporärer (räumlicher) Ausstellungseinbauten und -rückbauten und ermöglicht damit eine Minderung des Abfallaufkommens. Eine weitere Verbesserung der Ökobilanz ist erzielbar, wenn die städtische Fernwärme auf nicht-fossile Energieträger wechselt, und wenn Photovoltaikpaneele auf den geschlossenen, südwestorientierten Shedrücken installiert werden – das schlanke Budget sah diese noch nicht vor.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Bau ist eine ikonische Setzung. Zugleich bildet die Josef-Albers-Galerie ein formstringentes Äquivalent zur Qualität des bestehenden musealen Ensembles. Gigon und Guyer gelingt die seltene Vermählung von Zeit und Raum über die Umwidmung einer herausfordernden Bauaufgabe in eine architektonisch zeitgenössiche Zeichensetzung von berührender Erhabenheit:

Die Josef-Albers-Galerie offenbart sich als gediegene Dienerin in der Sache eines angestrebt virulenten Ausstellungsbetriebes und zugleich als souveräne Herrin einer Gestaltsprache, die mehr als ein Objekt zum Klingen zu bringen vermag. Aus der Haut des betörend schlichten Resonanzkörpers der neuen “Galerie” und ihrer monolithischen Textur enfältelt das Architektenteam einen subtilen Formenreichtum, der den Betrachter still gefangen nimmt und zugleich die Freiheit individuell austarierbarer Wahrnehmungsbezüge offenbart.

Es entspinnt sich eine unmittelbar erfahrbare Rhythmik aus feiner Raumpräsenz, Tageslichtlichtführung, großzügigen, sparsam und beglückend punktgenau gesetzten Fensteröffnungen, gleich bildwerter Naturstücke, zu einem fein geklöppelten Netz, das den Ball, den das Auge des Betrachters auf die Objekte der jeweiligen Ausstellung werfen mag, behutsam zurückspielt und erweitert in dem größten Geschenk, das Architektur der Kunst machen kann: einer erhöhten Wahrnehmungsstimulanz - eine in die Knie zwingende multikontextuale Präsenzoffenbarung - maximal sinnliche RaumAskese. Reduktion at its best.

Das innere Geschehen und seine klangvollen Sentenzen an Raumqualitäten, die metallisch-samten umschlossene Kompaktheit der Aussenhaut, quadratische Fensterausschnitte als liebevolle KünstlerReminiszenz natürlich includierend, sowie der souverän-zupackende und doch federleichte Brückenschlag zur Bestandsarchitektur sind auf sich wechselweise in gleichbleibender Schönheit und Anmut verweisende Positionen einer großen Gestaltkraft.

Die umgebende historisch gewachsene Parknatur dankt es dem neuen Gesamtensemble mit einer generösen Umarmung. Natur lässt sich nicht korrumpieren. Gigon und Guyers Bauwerk dient einem Zweck. Diesem Zweck heiligen die Mittel. Das ist die umwerfend hochkarätige Losung dieser absolut konsequenten und hochwertigen Arbeit.

Text: Marion Taube