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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2023

Städtebauliche Neuordnung Bahnhofstraße und Rathausviertel in Lehrte

Lageplan

Lageplan

3. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

Konermann Siegmund Architekten

Stadtplanung / Städtebau

TGP Landschaftsarchitekten Trüper Gondesen und Partner mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das städtebauliche Motiv des Entwurfs ist die Anbindung des auf der früheren Bahntrasse nach Hildesheim verlaufenden innerstädtischen Grünzuges an den Bahnhof. Dazu wird dieser Grünzug in der Bahnhofstraße in einem grünen Stadtraum bis zu einer neuen Bahnsteighalle fortgeführt.
Eine neue Randbebauung rückt so weit wie möglich an die Bahntrasse, so dass vom Rathaus bis zum Bahnhof ein breiter Stadtraum entsteht: das alte Gleisfeld.
Von Straßenseite zu Straßenseite wird dieser Bereich zur lebenswerten Mitte der Bahnhofsstraße. Naherholung im Grünen vor der Haustür, Cafés, Kinderspiel, Tischtennis und Boule sind Ausgangspunkt für eine neue Nachbarschaft. Der Grünzug integriert die Bestandsbäume und ergänzt sie mit Neupflanzungen. Lineare Hecken, begleitet von Stauden- und Gräserpflanzungen erinnern an die ehemalige Gleisführung an diesem Ort zum Bahnhof. Der heutige Verkehr aus MIV, ÖPNV und auch vor allem Fahrrädern wird in einer gemeinsamen Spur innerhalb des Grüns geführt. Die ausgewiesene Verkehrsberuhigung wird zusätzlich durch die Tempoangebenden Radfahrer unterstützt.
Das alte Gleisfeld mündet in eine neue Bahnsteighalle - architektonisch ein Archetyp in der elementaren Urform einer einfachen Bogenhalle. Diese lichtdurchflutete gläserne Halle überspannt alle Funktionen des westliche Bahnhofsbereichs. Auf der unteren Ebene - direkt an die Unterführung anschließend und die gesamte Hallengrundfläche einnehmend - befindet sich die Fahrradstellplatzanlage (B+R), die über einen weiten Luftraum von oben großzügig belichtet ist und innerhalb der Halle über eine ausschließlich für Radfahrer vorgesehene zweiläufige Rampe (Steigung 6%) angefahren wird. Eine zweite, rollstuhlgerechte Rampe im Außenbereich ist für alle Nutzergruppen gedacht. Ergänzt wird dieses umfassende barrierefreie Erschließungskonzept durch einen Großraumlift. Dieser liegt zusammen mit der Treppenanlage direkt neben dem Busbahnsteig. Die Busse halten innerhalb der Halle, so dass auf kürzestem Weg alle Umsteigebeziehungen witterungsgeschützt möglich sind.
Die Gliederung der Neubebauung in die einzelnen Gebäudeteile berücksichtigt die Randbedingung für die Option eines digitalen Stellwerks durch die Bahn. Ein Gebäudebaustein besetzt exakt die vorgegebene Grundfläche. Diese kann also erst mal freigehalten, mit einer Bebauung wie dargestellt oder mit einem Stellwerk bebaut werden.     
Die neue Gebäudereihe entlang der Bahntrasse endet mit einem bewusst gewählten Abstand zur neuen Bahnsteighalle, die städtebaulich freigestellt ist. Hier sollen Bahnhof und Eisenbahn erkennbar sein und in den Stadtraum hineinwirken. Die verglasten Lärmschutzwände enden an beiden Kopfenden der Halle, deren Glasfassade zu den Gleisen hier quasi die Funktion einer Lärmschutzwand übernimmt. Damit ist in diesem Bereich baulich ein Maximum an Transparenz hergestellt. Eine Realisierung der Neubebauung (ohne Bahnsteighalle) ist in einem 1. Bauabschnitt bei Erhalt des Bestandsgebäudes Bahnhofstr. 66 möglich. 
Als Nutzung können wir uns an dieser Stelle – anders als in der Auslobung formuliert - durchaus urbanes Wohnen mit besonderer Lagequalität vorstellen: unmittelbare Bahnhofsnähe und Südwestausrichtung zum Grünraum. Die zwischen Bebauung und Lärmschutzwand befindliche „Restfläche“ - im Eigentum der Bahn und außerhalb des Bearbeitungsbereichs – könnte als privater Obstgarten von den Bewohnern genutzt und gepflegt werden (?).
Die vorhandene Baustruktur an der Westseite der Bahnhofstraße kann von den Potentialen des neuen Stadtraumes profitieren und mit entsprechenden Nutzungsangeboten entwickelt werden. Auch eine bauliche Nachverdichtung könnte dazu beitragen, das Alt- und Neubauseite zu zwei gleichwertigen Anliegern werden.
   

Neuordnungsbereich – Wohnen am Baumplatz
Gegenüber der Rückseite des Rathauses entsteht ein neues kleines Wohnquartier mit einer diversen Gebäudetypologie. Die vorhandene historische Baustruktur direkt an der Gartenstraße wird durch eine Reihe von Doppelhäusern bis zum „Baumplatz“ fortgeführt. Dieser von dem schützenswerten alten Baumbestand geprägte Platz ist die besondere Adresse des neuen Quartiers und wird entsprechend gestaltet. Auf einem mittigen Rasenparterre stehen die Bestandsbäumen zur Gartenstraße und neu gepflanzte Großbäume. Mit dem grünen Stadtplatz soll ein neuer Kristallisationspunkt für das direkte Wohnumfeld geschaffen werden. Ein Rasenparterre als Spiel- und Liegewiese, Spielelemente und Sitzbänke unter den schattenspendenden Bäumen sind Naherholungsangebote für die Nachbarschaft. Ein viergeschossiger Gebäuderiegel bildet die räumliche Fassung gegenüber dem Rathaus.Ein Wohnturm markiert den Zugang zum rückwärtigen Bereich mit Reihenhäusern und dem Quartiersparkplatz unter einem Solardach. Um den Grünzug der alten Bahntrasse möglichst vom Autoverkehr zu entlasten, erfolgt die PKW-Erschließung des Quartiers von der Gartenstraße über den Platz – der Weg neben dem Rathaus direkt zum Grünzug ist für Fußgänger und Radfahrer.

Quartiers-Parkkonzept
Der Vorgabe, die doch beachtliche Anzahl an Stellplätzen in (oberirdischen) Parkhäusern unterzubringen, möchten wir nicht folgen. Wir wollen in den dafür erforderlichen Bauvolumen lieber Wohn- und Arbeitsräume schaffen. Wir schlagen unter der neuen Bebauung entlang der Bahntrasse eine zweigeschossige Tiefgarage mit 240 Stellplätzen vor, die vom „Alten Bahndamm“ aus angefahren wird und damit den Großteil des PKW-Verkehrs aus dem Plangebiet fernhält. Das baukonstruktive Raster berücksichtigt die Gebäudestruktur der Hochbauten, die Treppenhäuser binden in die jeweiligen Hauseinheiten durch. Eine Wirtschaftlichkeit sollte darstellbar sein. Für die neue Wohnbebauung an der Gartenstraße sind ortsnah im rückwärtigen Bereich 40 ebenerdige Stellplätze unter einem Solardach vorgesehen. Als weitere Option können auf dem schmalen Grundstücksteil neben dem Industriestammgleis im Norden des Plangebietes bis zu 90 Stellplätze in einer vollautomatische Parkgarage (Parkautomat) bereitgestellt werden. 

Beurteilung durch das Preisgericht

Leitidee des städtebaulichen Konzeptes ist die Weiterführung der Grünverbindung auf der ehemaligen Bahntrasse bis an das neue, lichtdurchflutete Empfangsgebäude vor dem historischen Bahnhof Lehrte. 

Den VerfasserInnen gelingt mit diesem geschickten Schachzug, die im Stadtgefüge von Lehrte spürbare und fest verankerte Grundstruktur des Ortes und damit das lokal vorhandene stadträumliche Potential zur Aufwertung der Bahnhofsstraße mit hoher Aufenthaltsqualität für alle NutzerInnen heranzuziehen und wesentlich zu einer attraktiven Adressbildung für bestehende wie auch neu hinzukommende Stadtbausteine in der Bahnhofsstraße beizutragen. 

Die trennende Wirkung, die der Stadtkörper durch die Überformung mit den Gleisanlagen verarbeiten muss, kann mit diesem Konzept ausgeglichen werden. Das Rathaus wird gut an den Stadtraum bis hin zum neuen Empfangsgebäude angebunden, das sowohl gut auffindbar als auch mit genügend Bewegungsraum angeboten wird. Die gute Sichtbarkeit des Empfangsgebäudes könnte das Mobilitätsverhalten stimulieren und so die dringend gebotene Verkehrswende unterstützen. 

Unter einem großen, gläsernen Dach können Fahrradfahrende ihre Fahrräder auf der Ebene der Unterführung abstellen. Rampen, Treppen und Aufzüge erleichtern die barrierefreie Zugänglichkeit des Bahnhofstunnels. Eine in den Freiraum integrierte Rampe, die auf der Nordseite des Bahnhofsgebäudes entlang der Bahnhofsstraße nach Norden angeordnet wird, sichert auch hier die breite, barrierefreie Zugänglichkeit ohne Angsträume zu erzeugen. Richtig angeordnet ist an dieser Stelle auch der vollautomatisch funktionierende, mehrgeschossige Parkautomat. 

Der Freiraum entlang der Bahnhofsstraße schafft Raum für eine Nachverdichtung auf der Nordseite des Grünzuges für Wohnungsbau und erdgeschossige wohnungsnahe Nutzungsbausteine. Die Wertigkeit dieses Freiraumes entlang der Bahnhofstrasse wird kontrovers diskutiert. 

Die konsequente Bevorrangung der langsamen Verkehre und des ÖPNV kann derart überzeugen, dass die Anordnung einer zweigeschossigen Tiefgarage zur Unterbringung des MIV beinahe in Vergessenheit gerät – diese Lösung kann als Quartiersparkhaus nicht überzeugen. Es fehlt die beim Bahnhofsneubau konsequent vorgetragene Haltung zu nachhaltigem Bauen in Gänze. Eine zweigeschossige Tiefgarage ist zudem als gemeinsames Fundament für die fünf darüber angeordneten, kleinteiligen Stadtbausteine nicht vorstellbar.

Die Freistellung und Nutzungszuweisung des Empfangsgebäudes überzeugt genauso wie die austarierte Höhenentwicklung der neu hinzugefügten Baukörper. Auch die Umlenkung der Bahnhofsstraße auf Höhe der Großen Moorstraße gelingt den VerfasserInnen unter Einsatz weniger städtebaulicher Mittel mühelos. Gleichwohl ist die Umlegung einer Straße nicht banal. Zu- und Abfahrt in die Tiefgarage sind zwar konsequent in die „gekappte“ Bahnhofsstraße gelegt, dies hätte aber zur Folge, dass das Stellwerk an der dafür vorgesehenen Stelle auf der Tiefgarage gründen müsste. 

Auf eine Erweiterung des Rathauses „hinter dem Rathaus“ wird zugunsten der herausgearbeiteten, konträren Qualitäten eines steinernen Platzes vor und eines begrünten Baumplatzes hinter dem Rathaus verzichtet. Das denkmalgeschützte Gebäude behält so auf beiden Seiten einen adäquaten Wirkraum. Das daran anschließende, neue Wohnquartier an der Gartenstraße fällt in seiner städtebaulichen Setzung und Durcharbeitung vom übrigen Projekt ab und kann nicht überzeugen. 

Die Rathauserweiterung wird hinter dem Gebäude der Volkshochschule, das ebenfalls Räumlichkeiten der Verwaltung beherbergt, sinnfällig angeordnet. 

Die Stärken der Arbeit liegen eindeutig in der Ausweitung des öffentlichen Raumes entlang der Bahnhofstraße. Die gelungene Setzung und Adressierung des Bahnhofgebäudes mit seiner klaren baulich-räumlichen Ausformulierung könnte eine in die Zukunft weisende Umsteigemöglichkeit zwischen Bahn, Bus und Fahrrad darstellen. 

Beurteilung Deutsche Bahn AG: 
Nur eine Variante der drei Varianten vorhanden, keine Aussage/Berücksichtigung der Trafostation, da nicht dargestellt. Zugangsbauwerk mit markanter und transparenter Fernwirkung markiert den Bahnhofszugang. Die Mobilitätsdrehscheibe wird beispielhaft unter " einem Dach" abgebildet (B+R, OÖPNV, SPNV, Sicherheitsempfinden, Reisendenversorgung, Wetterschutz). Eine spannende Stadtplanung, die mit ihrer Durchmischung eine gute Realisierungsperspektive in einzelnen Baulosen ermöglicht. Die Lage der Quartierstiefgarage ist nicht wie im Konzept geplant möglich und damit zwingend zu verlagern / anzupassen.
Schwarzplan

Schwarzplan

Geländeschnitt und Grundrisse

Geländeschnitt und Grundrisse