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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2023

Neubau Bundesministerium und Wohnungen Postblockareal Süd in Berlin

Anerkennung

Preisgeld: 30.000 EUR

O&O Baukunst

Architektur

TOPOTEK 1

Landschaftsarchitektur

RSP Remmel+Sattler Ingenieurgesellschaft mbH

Tragwerksplanung

ZWP Ingenieur-AG

TGA-Fachplanung

hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH

Brandschutzplanung

Müller-BBM Building Solutions GmbH

Bauphysik

Höhler+Partner Architekten und Ingenieure

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Als ein eigenständiges Ganzes passt sich die polymorphe Figur des Neubaus in die historische Scholle ein. Die geschlossene äußere Kontur und dichte innere Struktur des Blocks wird hierdurch wiederhergestellt. Die unterschiedlichen Nutzungen für das Ministerium im Norden und das Wohnen und Gewerbe im Süden entlang der frequentierten Zimmerstraße bilden ein auch in der Höhenentwicklung differenziertes geschichtetes Gesamtgefüge, das sich als eine vielgestaltige architektonische Einheit darstellt.
Der Bau formuliert drei Höfe unterschiedlicher Art und Größe. Einen halboffenen Eingangshof, der mit einem eingeschossigen Foyer als Hauptadresse des Ministeriums zur Wilhelmstraße fungiert. Einen vierseitig geschlossenen großzügigen Innenhof als Herzstück für das Ministerium sowie einen Wohnhof, der sich über zwei bauliche Fugen nach Süden und Osten öffnet und mit dem umliegenden Stadtraum visuell verbindet.

Wie nach innen so auch nach außen wirkt die Gesamtfigur raumbildend und reagiert in verschiedener Weise auf die sehr unterschiedlichen Nachbarschaften. Der Buchhändlerweg wird an seiner Einmündung zur Wilhelmstraße durch die Parallelität der Baukörperstellung gegenüber dem BMF Neubau gefasst und als offene Passage durch den Block formuliert. Im Blockinneren wird der zentrale Grünraum des Generalpostgartens nach Süden erweitert und orthogonal umrahmt. Auf der Ostseite entsteht eine grüne Fuge zwischen Ministerium und der östlich benachbarten Wohnbebauung.

Der Eingang und das gesamte Erdgeschoss des Ministeriums sind einladend und in der Fläche großzügig transparent gestaltet. Um den von verschiedenen Seiten zugänglichen grünen Innenhof lagern sich die Nutzungsbereiche Foyer, Cafeteria und Bibliothek an und erzeugen im Zusammenspiel eine sich horizontal ausbreitende offene Raumlandschaft. In den Obergeschossen befinden sich die Büros und Abteilungen der Sicherheitsbereiche. Ein lang gestrecktes Atrium mit offenen Treppen dient als ein zentraler Verteiler und ermöglicht eine offene vertikale Verbindung und visuelle Verknüpfung aller Ebenen.

Die innere Fassade ist durchgehend offen und transparent gestaltet mit großen liegenden Fensterformaten, die als modulare Kastenfensterkonstruktionen aus Holz auf die Teilbarkeit in Zellenbüros ausgelegt sind, sich aber gerade auch für größere Raumzusammenhänge sehr gut eignen. Eine warme Materialisierung stellt in Verbindung mit der im Inneren weitgehend unverkleideten Holzhybridkonstruktion eine angenehme und fast wohnliche Atmosphäre her. Mit dem Ziel einer durchweg recyclingfähigen Materialisierung und modularen Bauweise kommen im Innenausbau bevorzugt Werkstoffe aus Holz zum Einsatz.

Der Wohnbau adressiert sich zur Zimmerstraße im Bereich der Gebäudefuge mit einem Hauptfoyer, von dem aus über den gemeinschaftlichen grünen Gartenhof alle Wohnungen erschlossen werden. Die gut belichteten Wohnungen entstehen in modularer Holztafelbauweise; zu den Straßen hin mit Freisitzen als verglasten Wintergärten, die vollständig geöffnet werden können oder Dachterrassen. Die Wohnungen zum ruhigeren Gartenhof erhalten offene Balkone. Zusätzlich entstehen hofseitig für die Hausgemeinschaft auf den Etagen grüne Loggien als informeller Treffpunkt mit Flächen für gemeinsames Urban Gardening und Spielflächen für Kinder.

Die Holzhybridkonstruktionen des Ministeriums und des Wohnbaus erhalten in den Obergeschossen eine Verkleidung aus recyceltem Schmelzglas, das in seiner Oberfläche ein profiliertes Muster in strukturierter Oberfläche aufweist - ein abstraktes Ornament, inspiriert durch die Terrakotta-Motivik historischer Bauten der direkten Umgebung. An den nach Osten, Süden und Westen ausgerichteten Fassadenseiten können auf diese Weise großflächig Photovoltaik-Paneele im Verbund montiert und gestalterisch qualitätsvoll in die Schmelzglasfassade integriert werden. Der Gebäudesockel im Erdgeschoss erhält eine robuste Verkleidung aus bewehrten Recyclingbeton-Fertigteilen, die den Ansprüchen an Sicherheit und Dauerhaftigkeit im urbanen Umfeld in gleicher Weise gerecht wird.



Wettbewerbsteam O&O Baukunst: Florian Matzker, Markus Penell, Martin Rohland, Xhesika Osmani, Johan Rey, Simon Memering, Simon Steffen, Luisa Behrendt, Nico Linnartz, Kevin Karancsi

Beurteilung durch das Preisgericht

Das im B-Plan bestimmte maximal mögliche Volumen transformiert sich über eine subtraktive Methode plausibel zu einer polymorphen Figur. Es resultiert ein achtgeschossiger quadratischer Hauptbaukörper mit einem geschlossenen Hof im Blockinnern. Daran angefügt bilden sich auf zwei Seiten drei konisch geformte Flügelbauten mit einer unterschiedlichen Anzahl von Geschossen. Aufgrund dessen wird die wiederum im B-Plan zugrunde gelegte geschlossen zu wirkende Bauweise im Straßenraum an der Wilhelm- wie auch an der Zimmerstraße teilweise unterbunden. Da das ununterbrochen verlaufende Erdgeschoss davon nicht betroffen ist und die beiden «Öffnungen » sich auf städteräumlich relevante Bauten im unmittelbaren Kontext beziehen, kann der Entscheid der Verfasser nachvollzogen werden. Schade ist nur, dass bei beiden «Stadtschlitzen» auf eine räumliche Verengung verzichtet wird.

Die «Öffnung» an der Wilhelmstrasse markiert den Eingang zum Ministerium. Auf ein viel zu groß dimensioniertes Entrée folgt eine wiederum sehr großflächige Lounge, die an den Nukleus der Anlage, einem dicht bepflanzten und wohl proportionierten Innenhof, angrenzt und zweckmässig ergänzt wird über die weiteren Gemeinschaftsnutzungen Cafeteria, Bibliothek und Lesebereich. Die innere Organisation erfolgt über vier übersichtlich in die Grundrissform eingelegte Erschließungskerne. Sie verbinden einerseits die vier Gebäudeseiten und andererseits die beiden angefügten Gebäudeflügel. Bei der zweibündigen Anordnung wird der Mittelflur für die konischen Flügelbauten zu einer Kombizone ausgedehnt. Der westliche Trakt erhält ebenfalls eine breite Mittelzone, in der sich ab dem 1. Obergeschoss ein grosszügiges und gegenläufiges Treppenpaar befindet. Es ist leider dem Programm geschuldet, dass aus Sicherheitsgründen diese offene vertikale Verbindung nicht bis ins Erdgeschoss geführt werden kann. Stattdessen wird eine unattraktive, einseitig angeordnete und schlecht auffindbare zweiläufige Treppe vorgeschlagen. Für die gesamten Ministeriums-Flächen wird ein zweites Untergeschoss mit vielen doppelgeschossigen Räumen vorgesehen. Es ist fraglich ob für die Haustechnik im Untergrund so viel teuer zu erstellende und nicht nachhaltige Flächen notwendig sind. Die Tiefgaragen Ein- und Ausfahrt an der Wilhelmstraße kommt im südlichen Gebäude Bereich gut zu liegen. Sie bildet gleichzeitig eine städträumlich überzeugende, architektonisch jedoch noch zu wenig dezidiert ausformulierte Zäsur Ministerium – Wohnen. Dass sich der Wohn- und Gewerbebereich über die Zimmerstrasse hinweg bis hinein in die Wilhelmstraße erstreckt wird nachdrücklich begrüßt.

Die «Öffnung» an der Zimmerstraße markiert den Zugang zu den beiden Wohnbauten, deren Hauseingänge über den anschließenden vielfältig bepflanzten Hofraum, der aus sicherheitstechnischen Gründen in der Mitte eine unschöne Trennung notwendig macht, erreicht und mit je einem Treppenhaus erschlossen wird. Währenddem die eine horizontale Erschliessung über eine gut belichtete und begrünte Laube führt, befindet sich der andere lange Flur wenig ansprechend ausschließlich im Gebäudeinneren. Sie erschliessen fünf bzw. acht Wohnungen pro Etage. Insgesamt sind doch neun der dreizehn Wohnungen einseitig orientiert. Die Wohnungen verraten weder spezifisch räumliche Qualitäten noch typologisch inspirierende Eigenschaften. Im Erdgeschoß befinden sich verschiedene Gewerberäume, die allesamt von der Wilhelm- resp. von der Zimmerstrasse erschlossen werden. Die Anlieferung, der Müll- wie auch der Fahrradraum erfolgt auf der südlichen, das MinisterIn Drop-off auf der nördlichen Ostseite.

Um über das Gebäudevolumen möglichst viel Sonnenenergie in elektrischen Strom umzuwandeln, entscheiden sich die ProjektverfasserInnen für eine Solarmodul-Fassade. Auch wenn die vorgehängten Solar-Paneele über ihre Beschaffenheit einen Relief-Effekt erzeugen sollen, erscheinen beide Fassaden-typen (Ministerium und Wohnen) über die effektive Konstruktion und im Gesamten betrachtet indifferent, sehr bündig und in der tektonischen Gliederung und im architektonischen Ausdruck ortsfremd.

Insgesamt weist der Entwurf eine interessante städteräumliche Disposition auf. Die Typologie der Grundrisse können für das Ministerium in weiten, für die Wohnungen jedoch nur in geringfügigen Teilen überzeugen. Die Fassaden leisten außer der Produktion von Solarstrom weder einen städteräumlich noch architektonisch zufriedenstellenden Beitrag zur gestellten Aufgabe.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Regelgeschoss

Grundriss Regelgeschoss