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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2023

Neugestaltung Polygraphplatz in Leipzig

Teilnahme

Octagon Architekturkollektiv

Landschaftsarchitektur

JUCA Landschaft und Architektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

POLYGRAPHPLATZ - Ein „amphibischer“ Stadtplatz für eine klimagerechte Zukunft

Städtebaulich-freiräumliches Konzept
Die Leitidee des Entwurfs ist die Ausbildung eines klimaresilienten Stadtraums, welcher das Potenzial des Standorts, als Anker des Parkbogens und Entrée ins Quartier, aufnimmt und die umgebenden Grünräume und Quartiere logisch neu verknüpft. Dies gelingt durch die Verbindung der historischen Lindenallee der Gregor-Fuchs-Straße mit der Alleestruktur zwischen Wichernstraße und Saarbrückenstraße. So wird eine wichtige, übergeordnete Grünverbindung zwischen dem Rahmdorschen Park und Trinitatisplatz im Westen sowie dem Stünzer Park und den umliegenden Kleingärten im Osten hergestellt. Dabei wird der Polygraph- ähnlich wie der Trinitatisplatz - an die Allee angebunden und in die Abfolge der Grünräume integriert, die Allee im Bereich des Polygraphplatzes jedoch räumlich neu interpretiert und aufgeweitet. Die strengen Baumreihen lösen sich in Baumgruppen auf, die den südlichen Bereich des Platzes beschatten. Die Setzung der Gruppen erfolgt jedoch so, dass die Wegeverbindung Gregor-Fuchs-Straße – Brückendurchgang – Theodor-Neubauer-Straße deutlich ablesbar ist. Auf der östlichen Platzseite wird die klassische, doppelreihige Alleestruktur wiederaufgenommen.

Der Polygraphplatz fungiert als multicodierter, grüner Stadtplatz/ Grünraum mit wichtiger Klima- und Biodiversitätsfunktion und zugleich als soziale Infrastruktur und Herz des Quartiers. Konzeptionell wird der Platz als zweiteiliger Platz auf beiden Seiten des Parkbogens gelesen, wobei der westliche Abschnitt tatsächlich als Platz im eigentlichen Sinne gelesen wird und der östliche Bereich als Teil der Grünverbindung als großzügige Promenade gestaltet wird. Auf der Westseite spannt sich der Platz von Fassade zu Fassade der beiden denkmalgeschützten Gebäude auf. So wird der Fokus auf einen begehbaren und erlebbaren Freiraum als zentrales Element gelegt, der die verkehrlichen Funktionen integriert, aber nicht von ihnen bestimmt wird. Auf der Ostseite wird die verkehrliche Erschließung inklusive Parken kompakt nach Süden gelegt, sodass ein Maximum an Fläche für Fußgänger zur Verfügung steht.
Mit dem Motiv der „Inseln“ wird der Platzbereich in verschiedene Teilbereiche mit unterschiedlichen ökologischen und sozialen Funktionen gegliedert. Die bisher stark versiegelte Bestandsfläche wird durch die Inseln maximal entsiegelt und durch topographische Modellierung ein blau-grünes System für Regenwassermanagement, Biodiversität/ Pflanzenvielfalt und unterschiedliche soziale Aktivitäten hergestellt.
Die Positionierung der „Inseln“ berücksichtigt die notwendigen Blick – und Wegebeziehungen zwischen Schulcampus, Ostwache, Polygraphgebäude mit neuem Quartier, Quartiersgarage und Parkbogen, der Verknüpfung mit dem östlichen Teil des Platzes sowie die Integration einer Platzfläche vor der Ostwache als Veranstaltungsfläche.
Die einzelnen Inseln und die sich dazwischen aufspannenden Platzflächen fungieren als multicodierte Flächen, indem sie immer mehrere Funktionen übernehmen und vielfältig nutzbar sind. Sie dienen als Spielfläche, Erholungs- und Ruheorte, übernehmen klimatische Funktionen und bieten Lebensraum für Tiere und Pflanzen, fördern die Biodiversität.
Im Sinne eines ressourcenschonenden Bauens wird das identitätstiftende Material der Platzfläche wiederverwendet (Kleinsteinpflaster) und auch auf dem östlich des Parkbogens liegenden Platzabschnitt für die Ausbildung zweier untergeordneter Plätze genutzt. So wird ein einheitlicher Rahmen und Hintergrund geschaffen für Bepflanzung, Materialität und Möblierung. Die topographische Modellierung erfolgt ebenfalls durch die Wiederverwendung des Aushubs vor Ort.

Mobilitätskonzept
Die Gliederung des Platzes ermöglicht eine konfliktfreie Führung der Mobilitätsformen. Die Weiterführung der Gregor-Fuchs-Strasse als Planstraße A / Bühringstraße Richtung Süden. Dies reduziert den Anteil des motorisierten Verkehrs im Platzbereich deutlich. An der westlichen Platzkante (Planstraße A) werden die Bushaltestellen angeordnet. In direkter Nähe zu diesen finden sich nördlich davon in der Gregor-Fuchs-Straße die 5 geforderten Car-Sharing Stellplätze sowie Stellplätze für Tretroller und Fahrradbügel mit E-Ladestationen/ Leihstation Lastenräder am Straßenrand. Der Platzbereich vor dem Polygraphgebäude wird als shared space ausgebildet, um die Zufahrt zur Tiefgarage des Polygraphgebäudes sowie Bus-, Liefer- und Rettungsverkehr zu ermöglichen, wird aber durch Materialität und Anordnung der Inseln als Teil des Platzes gelesen. Der Radverkehr wird ebenfalls an der Südkante über den shared space und durch die Unterführung des Parkbogens geführt, auf der östlichen Platzseite kann wahlweise auf der Straße südlich der Allee bzw. im Bereich der vor den Gebäuden ausgeformten Promenade nördlich der Allee Richtung Stünzer Park gefahren werden. Ein feingliedriges Fußwegenetz zwischen den Inseln (westlicher Teil) und unter der Allee (östlicher Teil) erlaubt kurze, sichere und schattige Wegeverbindungen innerhalb des Quartiers und zu den ÖPNV- Haltestellen, vernetzt die umgebenden Gebäude und Freiräume und stellt Verbindungen in die umliegenden Landschaftsräume her. Zugleich lädt die spielerische Wegeführung zum Erkunden des Ortes ein und bietet zahlreiche Möglichkeiten für Treff– und Verweilpunkte sowie angelagerte Aktivnutzungen.
Auf der östlichen Platzseite wird der MIV als Begegnungsverkehr mit Tempo 30 geführt, entlang der Fahrbahn sind straßenbegleitende Parkplätze angeordnet. Diese sind langfristig potentiell rückbaubar und in die Grünfläche der Alleestruktur integrierbar. Die großzügige Promenade im Norden ist breit genug, um Feuerwehr und Rettungsverkehre aufzunehmen. Die Ladezonen und Wendebereiche sind in die Platzfläche vor den Kleingärten bzw. am Parkbogen integriert.

Stadtklima und Regenwassermanageme¬nt
Der Polygraphplatz ist als „amphibischer Stadtraum“ konzipiert, der sowohl für Extremwettereignisse als auch für Trockenperioden gewappnet ist. Als Zeichen der Stadtökologie wird das dezentrale Regenwassermanagement vor Ort sichtbar und spielerisch erlebbar integriert wird. So können die Folgen von Extremregen direkt am Standort abgefangen werden, das Mikroklima verbessert und eine spezifische Aufenthaltsqualität und Atmosphäre erzeugt werden. Der Umgang mit dem Regenwasser wird an verschiedenen Situationen unterschiedlich gelöst, daraus resultieren unterschiedliche Standorte für Pflanzungen, sodass ein breites Pflanzenspektrum verwendet werden kann. Zugleich fungiert der Platz als optimierte Umweltressource durch Wassergewinnung und natürliche Wasserrückhaltung innerhalb der Pflanzschichten.

In den großflächig in den Platz integrierten tiefer liegenden Retentionsbeeten wird das Wasser durch entsprechende Bauweise länger gehalten und gedrosselt versickert, sodass hier ein feuchterer Standort für Flora und Fauna ausgebildet wird. Die ausreichende Größe der Mulden-Pflanzbeete ermöglicht die Entstehung von Mikroökosystemen. Die Einleitung erfolgt offen über eine Rinne (Beete bei der Feuerwache) bzw. unterirdisch z.B. über einen Quelltopf. Als zweiter Typus werden Mulden in den Randbereichen der Wiesenhügel ausgebildet, in welchen das Wasser schnell versickern kann, sodass hier ein eher trockener Standort entsteht. Die Einleitung erfolgt oberirdisch durch Rinnen bzw. direkt aus den angrenzenden Wegebelägen.
Straßenbegleitend sind Baumrigolen in Kombination mit Rententionsbeeten angelegt, in welche das Oberflächenwasser abgeleitet wird. Bei Starkregen erfolgt die Einleitung zusätzlich unterirdisch über angeschlossene Straßenabläufe. Auch hier wird durch Einbau einer Abdichtung das Wasser gehalten und steht den Bäumen länger zur Verfügung.
In den übrigen unversiegelten Bereichen erfolgt eine Flächenversickerung über Beläge aus wassergebundener Wegedecke sowie Rasen oder Wiesenflächen.
Durch ein Wasserspiel im Zentrum des Platzes wird das Thema der Regenwasserspeicherung erlebbar gemacht. Das Wasser der angrenzenden Dachflächen sowie ein Überlauf der Retentionsbeete wird in einem unterirdischen Tank gesammelt und gefiltert (UV-Filter). Dieses Wasser kann über eine Wippe, die als Pumpe funktioniert, hochgepumpt werden, sodass es die Platzfläche benetzt und ein durch die topographische Modellierung dirigierter Wasserlauf aktiviert wird. Durch verzögerten Abfluss entstehen flache Wasserflächen zum Spielen.

Baumstruktur / Vegetationskonzept
Das Leitthema der Allee wird im westlichen und östlichen Platzteil unterschiedlich interpretiert. Auf der westlichen Platzfläche wird die Allee neu interpretiert und weitet sich zu locker gepflanzten Baumgruppen auf. So werden die historischen Fassaden von Bäumen freigehalten und Sichtbeziehungen zwischen beiden Platzkanten weiterhin ermöglicht. Auf der östlichen Platzfläche wird die klassische Alleestruktur weitergeführt und die fußläufige Durchwegung unter dem Laubdach der Bäume ermöglicht.

Die verschiedenen Standorte ermöglichen eine diverse Auswahl der zu pflanzenden Arten. Die Ergänzung der Alleestruktur erfolgt analog zum Bestand: auf der Westseite als Fortführung der Lindenallee, auf der Ostseite mit gemischten Arten wie Linde, Esche und Ahorn. Für die Bepflanzung der Platzfläche des Polygraphplatz (Wiesenhügel und Retetionsbeete) werden kleinere Bäume und Mehrstämmer als Gruppenpflanzung vorgesehen, mit Blüh- und Fruchtaspekt sowie eher durchlässigem Laub vorzugsweise durch Baumarten, die auch als Bienenweide dienen, z.B. Amelanchier ovalis, Quercus palustris, Lyquidambar styraciflua, ,Fraxinus ornus, Sophora japonica. Gledistsia triacanthos „Shademaster“, Acer campestre „Elsrijk“, Cornus mas, (Ostrya carpinifolia).
Die Retentionsmulden sind mit Gräsern und Stauden bepflanzt. In den Randbereichen der Wiesenhügel und Schottermulden entstehen eher trockene Standorte die sich ebenfalsl für Gräser eignen.

¬Aktivitäten und Aufenthaltsqualitäten
Um eine vielfältige Nutzung des zukünftigen Polygraphplatzes zu ermöglichen sowie seine Funktion als Knotenpunkt für Fuß- und Radmobilität zu integrieren, erfolgt die Bespielung und Aktivierung einer Dramaturgie/Hierarchie von Aufenthaltsorten.
Zentraler Begegnungsort ist der Ostwache-Platz vor dem gleichnamigen Nachbarschaftszentrum Ostwache, hier finden die geplanten Aktivitäten der Ostwache statt (Feste, Freisitz, temporäre Bespielung...). Die umliegenden Inseln begrenzen den Ostwache-Platz und geben Orientierung (bspw. Wegeführung), weiterhin schaffen sie eine kühle und angenehme Atmosphäre für Aktivitäten im Freien. Die Inseln übernehmen verschiedene Funktionen als Liegewiese, Spielwiese oder Bühnenfläche, sowie als dicht bepflanzte Feuchtstandorte, die von den Rändern aus erlebt werden können. Zwischen den Inseln entstehen kleinere räumliche Situationen und vielfältige Treffpunkte, welche die gleichzeitige Nutzung durch verschiedene Aktivitäten fördern. Die Integration der Möblierung und Ausstattung erfolgt an den Rändern der Inseln (Bordüren und Mosaikrahmen), hier sind Sitzmöglichkeiten mit verschiedenen Blickbezügen angeboten sowie die entsprechende Ausstattung (Fahrradständer, Mülleimer, Beleuchtung, Trinkwasserbrunnen, Bedienung Wasserspiel, Erinnerungstafel Zwangsarbeit) angeordnet.
Die Platzierung der Bühne zwischen Haupteingang der Ostwache, Zugang zum Parkbogen und Eingang zum Schulcampus sorgt für eine Verwebung der verschiedenen Orte.
Im Osten zu den Kleingärten wird ein Entréeplatz ausgebildet, der den Auftakt der Allee darstellt. Hier sind nördlich der Allee großzügige Wiesenflächen und Spielbereiche angelegt, die in Zusammenspiel mit einer aktiven Erdgeschosszone (Läden, Cafés) einen weiteren attraktiven Aufenthaltsort im Wohnquartier herstellen.
Alle Platzbereiche sind stufenlos zu erreichen. Die Bord- und Rinnenelemente entlang der Hauptbewegungsrichtungen erleichtern die Orientierung für Sehbehinderte.