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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2024

Neugestaltung der Deichstraße in Cuxhaven

Skizze_Deichstrasse

Skizze_Deichstrasse

2. Preis

Preisgeld: 14.400 EUR

Bruun & Möllers GmbH & Co. KG

Landschaftsarchitektur

IDS Ingenieurpartnerschaft Diercks Schröder

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Die Lage an der Elbmündung und dem Hafen prägen seit jeher das Bild und Leben der Stadt Cuxhaven. So wie hier von Meer und Handel gelebt wurde, so war das Meer auch immer eine Naturgewalt, vor der die Stadt und ihre Anwohner:innen geschützt werden mussten. Aus diesem Grunde wurden Schutzdeiche gebaut. Denkt man an Deiche haben die meisten Menschen ein Bild von weiten Marschlandschaften und der offenen See vor Augen – nicht aber an der Deichstraße. Denn dort wo Stadt und Hafen aneinandergrenzen, befindet sich heute ein den Raum trennender grüner Deich mitten im urbanen Kontext. Die Deichstraße selbst ist dabei die Schnittstelle zwischen Stadt und Hafen und ein klarer Maßstabssprung von der städtebaulichen Kleinteiligkeit u.a. des Lotsenviertels und der Großmaßstäblichkeit des Hafens.

Der Entwurf versucht diese einzigartige Situation nachzuzeichnen, zu präzisieren und in die heutige Zeit zu holen.

Konzept
Allein der Name Deichstraße beinhaltet die wesentlichen Aspekte, die diesen Ort ausmachen: Deich und Straße. Beides gilt es zu präzisieren und einen prägnanten und vielfältigen Stadtraum zu erzeugen.

Der Deich soll als solcher wieder klar ablesbar werden. Vier Schritte braucht es dazu:
1. Die Flutschutzmauer wird zurückgebaut. Diese Maßnahme stellt den eigentlichen Gründeich in den Vordergrund und bricht die bisherige Trennung beider Seiten auf.
2. Herstellung einer durchgängigen Deichoberkante auf 4,30m üNN. Jeder Deich stellt immer eine Waagerechte in der Landschaft dar, ein ruhiger Horizont.
3. Präzisierung des Deichkörpers. Das o.g. geringfügige Herabsetzen der Deichkrone ermöglicht zwei wesentliche Schritte: Einerseits kann auf der Südseite zur Deichstraße eine gleichmäßige Neigung von 1:2,5 hergestellt werden, andererseits wird der Höhenunterschied auf der Hafenseite reduziert, so dass im Bereich des heutigen Gehwegs ebenfalls eine grüne Neigung entstehen kann. Durch den geringen Höhenunterschied kann der Weg auf der Deichkrone den bisherigen Gehweg am Schleusenpriel großzügiger und qualitätvoller ersetzen. Vor allem aber entsteht durch die gleichbleibende Neigung und auch die kleine Grünböschung auf der Nordseite ein sehr präzises und ablesbares Deichprofil.
4. Eine Vielzahl an Bäumen verschiedener Arten werden gepflanzt und der Deichfuß erhält entlang der Deichstraße eine Blumenwiesenansaat, so dass ein lebendiger, artenreicher Lebensraum entsteht.

Durch diese Maßnahme entsteht ein klar ablesbarer Deich, der die Geschichte der Stadt Cuxhaven zeigt, gleichzeitig aber eine lebendige, grüne Erdskulptur ist, die ein besonderes Erlebnis für die Bürger:innen und Besuchenden der Stadt darstellt. Treppen, Rampen und Sitzgelegenheiten schaffen Aufenthaltsgelegenheit und verbinden den Deich mit Stadt und Hafen.

Deichstraße
Die Deichstraße selbst soll zusammen mit dem Deich zu einem besonderen Ort für die Menschen der Stadt werden. Auch wenn der Autoverkehr nicht komplett verschwinden soll und der ÖPNV durch eine neue Haltestelle gestärkt wird, soll der Straßenraum der Deichstraße vor allem entschleunigen. Die besondere Lage als Schnittstelle zwischen Stadt und Hafen wird in der Pflasterung ablesbar. Eine etwa 1,20m breite Bordüre aus Klinker zieht sich entlang der Gebäude. Sie zieht damit das Motiv der angrenzenden kleinteiligen Gassen in die Deichstraße, wo es dann aber auf die Großmaßstäblichkeit von Deich und Hafenstruktur trifft, markiert durch ein robustes Granitpflaster. Das gesägte Material in diagonalen Reihen verlegt erzeugt einen ebenen, ruhigen und barrierefreien Teppich, der gleichzeitig dem Raum Textur und Atmosphäre von Küste und Hafen einhaucht. Funktional ist der Straßenraum klar gegliedert. Entlang der Deichstraße wird der Verkehr geführt. Eine 5,50m breite Fahrspur mit beidseitig 50cm Sicherheitsstreifen ermöglicht im Ausnahmefall auch die Begegnung zweier Busse, ist aber so gestaltet, dass der motorisierte Verkehr sich als Gast fühlt und Radfahrende sich sicher auf der Fahrbahn bewegen können. Dort wo Treppen und Rampen zum Deichkronenweg führen wird die Fahrbahn eingeengt, um eine sichere und barrierefreie Querung zu ermöglichen. Während der eine Fahrbahnrand einerseits durch den Deich markiert ist, zeichnet die Entwässerungsrinne kontrastreich und taktil die südliche Fahrbahnbegrenzung nach. Poller, Leuchten und Fahrradbügel im angrenzenden Funktionsstreifen begrenzen darüber hinaus die Fahrbahn. Neben diesen Einbauten entstehen hier auch Flächen für die notwendige Anlieferung, Elektroparkstände & Parkplätze für mobilitätseingeschränkte Menschen, eine weitere Bushaltestelle aber auch Sitzgelegenheiten und Aussengastronomie. Der Gehweg führt entlang der Gebäude und der Klinkerbordüre. Die Materialgrenze von Klinker und Granit ist gleichzeitig eine Führung für Sehbehinderte, die damit nicht von Auslagen oder Aufstellen der Geschäfte behindert werden.

Platz am Slippen
Der Durchbruch durch einen Deich und damit der Küstenschutzlinie stellt immer eine besondere Situation dar. Durch breite Straßen, Schilder, und die Fußgängerbrücke war dieser Moment bisher wenig erlebbar. Der Entwurf räumt den Platz in erster Linie auf, reduziert die Verkehrsflächen optisch und schafft ein ruhiges Plateau, auf dem die beiden Deich-Enden als grüne Skulpturen landen. Die Öffnung im Deich wird dadurch zum zentralen Thema und zu einem erlebbaren Tor zwischen Stadt und Hafen. Von beiden Deichen führen Rampen hinunter auf den Platz, so dass ein Deichspaziergang ganz selbstverständlich über den Platz und Schnittstelle zwischen Stadt und Hafen führt. Bänke und Bäume sorgen für Aufenthaltsqualität und Atmosphäre an diesem bisher identitätslosen Durchgangsort. Ein besonderes Highlight ist der Deichbalkon an der Ecke Am Alten Hafen / Zollkaje. Hinter der Treppe, die vom Deichkronenweg hinunterführt, wird durch präzise Schnitte in den Deich ein Aussichtsbalkon ausgebildet. Cortenstahl zeichnet diese Schnitte präzise nach und markiert diese besondere Stelle. Der Balkon sitzt etwas unter der Deichkrone, um ein wenig Windschutz zu gewährleisten. Er ist nach Süd-Osten ausgerichtet und ermöglicht einen einmaligen Blick auf Hafen und Landwehrkanal.

Deichfenster
An der Konrad-Adenauer-Allee kann man heute am Hafen vorbei fahren, laufen oder radeln ohne es zu merken. Der Deich verliert sich in parkähnlichen Pflanzungen, das Wasser ist nicht sichtbar. Das neue Deichfenster verbindet Sicht- und Erlebbarkeit mit Aufenthaltsqualität. Auch hier wird der Deich als grüne Skulptur zunächst überformt, bevor dann mit präzisen Schnitten ein Fenster geöffnet wird. Während der eine Flügel als klarer Schnitt erneut in Cortenstahl verkleidet wird und Raum schafft für eine vom Verkehrslärm geschützte Sitzbank, ist der andere Schnitt als Gründeich ausgebildet, um die Figur und das Motiv Deich wieder klar ablesbar zu machen. Die Sitzbank und kleine platzartige Öffnung am Kopf des Hafenbeckens generiert einen für die Stadt neuen und besonderen Raum von einmaliger Identität. Die Öffnung im Deich gibt allen Vorbeifahrenden, ob auf dem Rad oder im Auto, einen kurzen Blick auf Wasser und Hafen, einen wichtigen Teil der Stadt.

Auch an der Kreuzung zur Deichstraße werden die Deich-Enden, von Norden und Osten kommend, präzise auf den Platz geführt und ablesbar gemacht. Der Verkehr wird neu geordnet, indem der abbiegende Radfahrende schon in der Konrad-Adenauer-Allee auf die Fahrbahn geführt wird und nun vor dem motorisierten Verkehr durch eine eigene Signalanlage gesteuert in die Kreuzung einfahren kann. Die heutige sehr breite kombinierte Straßeneinmündung von Deichstraße und Schleusenpriel wird reduziert, in dem die Anbindung Schleusenpriel erst nach dem eigentlichen Knoten an die Deichstraße (und damit ausserhalb von querendem Fuß- und Radverkehr) erfolgt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit entwickelt die gestalterische Leitidee eines erlebbaren und lesbaren Stadtdeichs im Wettbewerbsgebiet Deichstraße als stadträumliche Weiterführung des Grünen Deichs und zeigt hierfür angemessene und realisierbare Antworten in weiten Teilen der Fragestellung. Kontrovers wird der Umgang mit den ‚abgewickelten‘ Deichenden im Bereich ‚Am Slippen‘ diskutiert. Auch die komplette Rücknahme der ehem. Hochwasserschutzmauer wird teilweise als Verlust eines spezifischen Elements der Cuxhaven Geschichte gewertet.

Umgang mit dem historischen Deichkörper in der Deichstraße - die Neuinterpretation des Deichkörpers durch den Rückbau der Flutschutzmauer und die durchgehende Abflachung der Deichkorne auf ein gleichbleibendes Niveau von 4,30 m in Verbindung mit der topographischen ebenfalls durchgängigen Ausformulierung der Erdskulptur Deich schafft eine klare und lesbare Raumeinheit in der Deichstraße.

Die jeweiligen Enden des Deichkörpers im Bereich ‚Am Slippen‘, an der ‚Konrad-Adenauer-Straße‘ und im Bereich ‚Deichfester‘ werden ebenfalls in dieser einfachen skulpturalen Gestaltsprache ausformuliert. So wird der historische Deich neu in Wert gesetzt und kann für die Zukunft als Grünes Band neue stadträumliche Funktionen aufnehmen:
> Die Deichkrone erhält eine angemessenen Wegeführung mit rückwärtigen Grünstreifen zum Hafenareal.
> Positiv und gut verortet wird ebenfalls die Zuordnung einer Bepflanzung mit Blühaspekten entlang des Deichfußes bewertet.

In der linearen Zonierung der Deichstraße wird zwischen Deichkörper ein homogener Straßen- und Aufenthaltsbereich gegenübergestellt. Die Gliederung der zukünftigen Deichstraße in Bänder: Fahrstreifen, Aufenthaltsbereiche und ein Ausstattungsstreifen erscheinen gelungen. Die Positionierung von neuen Bäumen am Deichfuß im rhythmischen Wechsel mit Baumstandorten innerhalb des Ausstattungsbands ist ebenfalls gut gelöst.

Die Einbauten in den Deichkörper erscheinen in ihrer Anzahl, Ausformulierung und Platzierung gut gewählt bzw. werden ihrer stadt- und freiräumlichen Funktionen: Ausblick, Übergang, Durchblich etc. gerecht.

Die gestalterische Fassung des Platzes ‚Am Slippen‘ durch die formale Ausbildung der jeweiligen Deichenden definiert den Übergang zwischen Stadtkante und Hafen gut lesbar. In diesem Verständnis wird auch das vergleichbar gefasste Deichfenster als angemessen empfunden.

Im Gremium wird intensiv und kontrovers diskutiert, ob die ‚ Abwinkelung‘ der Deichenden ‚Am Slippen‘ im historischen Kontext vertretbar ist, da hier die Deichlinie geradlinig bzw. durchgängig linear ist. Hintergrund ist die historische Funktion einer sogenannten ‚Verteidigungslinie‘. Diese bezieht sich auf einen durchgängig linear verlaufenden Deich.

Die komplette Rücknahme der Mauer auf dem Deichkopf wird im Preisgericht kritisch bewertet. Die Mauer stellt für Cuxhaven ein ‚Alleinstellungsmerkmal‘ dar.

Die 5,5 m breite Fahrbahn in der Deichstraße ermöglicht auch Busverkehr und mit gewissen Einschränkungen auch den Umleitungsverkehr. Die neue Deichstraße ist von der Materialität und der Gestaltung eher eine Mischverkehrsfläche als das sie dem Prinzip der ‚weichen Separation‘ folgt.

Die verkehrlichen Lösungsansätze und die Platzgestaltung ‚Am Slippen‘ werden der Bedeutung und der Aufgabe dieses Orts nicht gerecht bzw. sind ungenügend gelöst. Sowohl die Betonung einer Fahrrichtung in Richtung ‚Neue Reihe‘ als auch die großzügigen Mischflächen, die auch durch eine Vielzahl von Pollern wieder gegliedert und separiert werden, erscheinen nicht zielführend und überdimensioniert. Dies entspricht nicht der angestrebten ‚weichen Separation‘.
Die Vorschläge zur Anbindung des ‚Schleusenpriels‘ erscheinen machbar.
Übersichtsplan M1000

Übersichtsplan M1000

Konzept Diagramm

Konzept Diagramm

Detaillageplan und Schnitte_Deichstrasse M200

Detaillageplan und Schnitte_Deichstrasse M200

Deichstrasse_Isometrie

Deichstrasse_Isometrie

Materialien und Ausstattung

Materialien und Ausstattung

Skizze_Platz am Slippen

Skizze_Platz am Slippen

Detaillageplan und Schnitte_Platz am Slippen M200

Detaillageplan und Schnitte_Platz am Slippen M200

Detailplan_Deichfenster M200

Detailplan_Deichfenster M200