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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2024

Neugestaltung der Deichstraße in Cuxhaven

Visualisierung Deichstraße

Visualisierung Deichstraße

Anerkennung

Preisgeld: 2.000 EUR

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Landschaftsarchitektur

SHP Ingenieure GbR

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Das künftige Deichband ist ein entscheidender Ort der Cuxhavener Identität im Stadtgefüge. Historisch bedeutend übernimmt die Deichstraße wichtige Funktionen in der städtischen Freiraumvernetzung. Maßgeblich ist ihre Funktion als Verbindung zwischen der angrenzenden Innenstadt, dem Hauptbahnhof und der Alten Liebe. Um vorhandene Defizite aufzulösen und die einzelnen Teilräume zu qualifizieren und zu verknüpfen gilt es die Deichstraße mit samt dem Deich, sowie den Platz Am Slippen und den südlichen Antritt am Konrad-Adenauer-Ring als zusammenhängendes Ensemble zu begreifen und entsprechende Strategien zu entwickeln. Durch die vorgeschlagen landschaftsarchitektonischen und verkehrsplanerischen Interventionen entsteht im Kontext der angrenzenden Bebauungs- und Nutzungsstruktur eine markante und hochwertige Freiraumgestaltung die Stadt und Meer miteinander verbindet, vorhandene Potenziale stärkt und einzigartige Qualitäten schafft.
Die Deichstraße und die Kontenpunkte erhalten einen einheitlichen Qualitäts- und Ausbaustandard um künftig als zusammenhängende räumliche Einheit gelesen werden zu können. Die Knotenpunkte werden dabei zu markanten und einladenden Antritten mit urbanem Platzcharakter umgestaltet, die Deichstraße wird in ihrer Funktion als Flanier- und Geschäftsmeile gestärkt.
Der Deichkörper wird zum Teil überformt und durch gezielte Eingriffe stärker in das Gesamtkonzept eingebunden. Ziel ist die Wiederherstellung verlorengegangener Bezüge sowie die Steigerung der räumlichen Aufenthaltsqualität. Neben der Aufwertung und Akzentuierung des Straßenraums werden auch die umliegenden Funktionen gestärkt und in ihrer Bedeutung hervorgehoben.

Die Deichstraße
Mit Hinblick auf die Mobilitätswende und dem klimafreundlichen Städteumbau wird die Deichstraße als Fahrradstraße ausgewiesen und somit stärker in das Hauptradwegenetz der Stadt integriert, der KFZ-Verkehr bleibt weiterhin zulässig. Grundlage hierfür ist der bereits relativ hohe Radverkehrsanteil. Durch die fahrradfreundliche Umgestaltung kann außerdem ein größerer Anteil an Radverkehr, der heute die Kapitän-Alexander-Straße nutzt, auf die Deichstraße verlagert werden. Somit kann der Radverkehr künftig die vorherrschende Verkehrsart in der Deichstraße sein, und sich der Kfz-Verkehr teilweise auf die Kapitän-Alexander-Straße verlagern.
Die Fahrbahnbreite wird auf 5,00 m reduziert, der Begegnungsfall Lkw/Rad und die Begegnung Lkw/Pkw mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen bleiben somit ermöglicht. Der daraus resultierende „Raumgewinn“ dient der gestalterischen Aufweitung der Gehwege, um künftig den Charakter als Flaniermeile zu stärken. Die Vegetationszone des Deichs wird ebenfalls erweitert, somit können am Deichfuß artenreiche Vegetationszonen und Retentionsmulden ausgebildet werden, wodurch die Biodiversität und die Naherholungsqualität erhöht werden. Durch niedrige Borde entlang des Fahrbahnrandes erfolgt eine weiche Trennung, sodass Fahrbahn, Gehwege und Deichkörper künftig als zusammenhängende räumliche Einheit erlebbar werden und ein entschleunigter Freiraumcharakter entsteht.
Der Straßenkörper erhält eine Decke aus aufgehelltem Asphalt mit lärmreduzierenden Eigenschaften, die Gehwegsbereiche werden aus einem rötlich changierenden Klinker im Reihenverband gefertigt. Die Haptik, das Format und die Färbung fügen sich wie selbstverständlich in das Bild der Umgebung ein und lassen einen fließenden und nutzungsoffenen Raum entstehen, der zum Flanieren einlädt und den ansässigen Gastronomien und Geschäften großzügigen Platz bietet. Die Ausgestaltung lässt zudem eine klare Hierarchisierung der Verkehre erkennen, ohne dabei eine physische Barriere zu erzeugen. Die homogenen Materialien ermöglichen einen barrierefreien Zugang in sämtliche Bereiche. Punktuell werden barrierefreie Längsstellplätze sowie Liefer- und Ladezonen in den Seitenraum integriert. In diesen Bereichen wird ein 0,75 m breiter Sicherheitstrennstreifen („Dooring-Zone“) durch Markierungen auf der Fahrbahn gekennzeichnet. Die untergeordnet einmündenden Straßen werden als Gehwegüberfahrten ausgebildet um eine durchgehende Fußwegverbindung zu schaffen. Dezentral (u.a. an der Waldorfschule) werden zahlreiche Fahrradabstellmöglichkeiten u. A. mit E-Ladesäulen vorgesehen. Entlang der Deichstraße, dem Deichfenster und an den Antritten werden insektenfreundliche Tellerleuchten aufgestellt.

Der Deich
Um den Deich stärker in das Freiraumkonzept einzubinden und als strukturgebendes Element zu inszenieren, erhält die Deichkrone einen durchgehenden 2,5 m breiten Weg aus großformatigen recycelten Betonstein. Durch eine teilweise Abflachung des Deichkörpers und die punktuelle Entnahme der Mauer, insbesondere im nördlichen Teil der Deichstraße, wird die Barrierewirkung des Deichs aufgehoben und eine besondere Freiraumqualität geschaffen: Von der neuen Deichkrone aus entstehen charakteristische Blickbeziehungen zum Hafen und den angrenzenden Nachbarschaften. Umgeben vom Grün der Deichanlage entsteht ein qualitätsvolles und ruhiges Pendant zur Flaniermeile mit kontemplativem Charakter. Die Mauer, die im südlichen Teil des Deiches in weiten Teilen erhalten bleibt, erhält in regelmäßigen Abständen Ausklinkungen, die mit komfortablen Sitzauflagen versehen werden. Neben den Antritten im Norden und Süden werden in den Kreuzungsbereichen der Deichstraße barrierefreie Aufgänge durch Rampenanlagen geschaffen. Entlang des Deichkronenwegs werden Pollerleuchten mit Bewegungsmelder für eine atmosphärische Ausleuchtung gesetzt.
Der Kronenweg wird von einer linearen Gehölzsetzung begleitet, die eine angenehme Verschattung, insbesondere an heißen Tagen, erzeugt. Im Rahmen der Klimaanpassung wird die Strategie verfolgt entlang des Deiches so viele Bäume wie möglich zu setzen. Für die Ergänzung der Bestandsgehölze werden stadtklimaverträgliche Arten wie z.B. Alnus x spaethii, Gleditsia triacanthos, Liquidambar styraciflua, Acer campestre, Sorbus aria und Koelreuteria paniculata verwendet. Um die Biodiversität zu fördern werden auf den Deichflächen und am Deichfenster großflächig insektenfreundliche Wiesen angesät, an besonderen Orten wie den Antritten und im Bereich der Rampen entstehen Staudenflächen mit heimischen robusten Arten wie Solidago virgaurea, Verbascum phoeniceum, Hypericum perforatum und Malva sylvestris. Zudem werden heimische Gräser wie Festuca amethystina, Briza media und Carex umbrosa in die Deichflächen eingearbeitet.

Knotenpunkt „Am Slippen“
Im Rahmen der Umgestaltung kommt diesem Kontenpunkt eine besondere Bedeutung zu; die markante Platzgestaltung unterstützt die Gelenkfunktion zwischen Hafen, Innenstadt und Lotsenviertel. Die Steigerung der Aufenthaltsqualität und die Neuorganisation der Flächen ermöglicht eine Verbesserung der bestehenden Nutzungen und eröffnet neue Räume für Aufenthalt und Interaktion. Durch die Entnahme der Fluttore besteht die Möglichkeit die Fahrbahn der Deichstraße kompakt auszubilden wodurch großzügige Seitenräume und eine Priorisierung des Fuß- und Radverkehrs entsteht. Außengastronomie, Außenwaren und freie Aneignung finden reichlich Platz entlang der charakteristischen Bauwerke. Die qualitätsvolle Oberflächengestaltung mit Klinkerpflaster im Fischgrätverband unterstreicht den künftigen Platzcharakter. Prägend für den Ort ist die vorhandene Reliefenergie, welche im Rahmen des Konzepts auf spannende Art inszeniert wird: Aus dem Rückbau der bestehenden Fußgängerbrücke ergibt sich die Chance die verbleibenden Brückenköpfe in das Gestaltungskonzept einzubinden und zu neuen Antritten für den Deichkronenweg umzugestalten. Die Antritte werden jeweils durch skulpturale Stufen- und Rampenanlagen markiert, die eine besondere Atmosphäre und Aufenthaltsqualität am Platz erzeugen. Die südliche Stufenanlage stellt einen formellen Bezug zur City-Marina her und bildet so eine klare Raumkante aus. Das Podest im Norden und die großzügigen Sitzstufen ermöglichen ungezwungenes Verweilen und Ausblick in unterschiedliche Richtungen. Somit wird der künftige Platz zur Bühne des öffentlichen Lebens und ein wichtiges Bindeglied im Kontext der angrenzenden Quartiere.
Die Privatstraße Am Schleusenpriel ist an die Zollkaje angebunden; die Zufahrt für Lastzüge aus der Deichstraße bleibt im Ausnahmefall (wenn die Brücke geöffnet ist) als Gehwegüberfahrt möglich. Die Straße Am Alten Hafen bleibt bevorrechtigt, der Kurvenbereich kann unter Berücksichtigung der Fahrgeometrie verringert werden. (Aufstellbereich für Linksabbieger). Die Funktion als übergeordnete Radwegeverbindung wird durch Piktogramme auf der Fahrbahnoberfläche verdeutlicht. Die Bushaltestelle „Marina“ wird barrierefrei mit Hochborden und breiterem westlichen Seitenraum ausgebildet.

Knotenpunkt Konrad-Adenauer-Allee „Deichfenster“
Am südlichen Knotenpunkt entlang der Konrad-Adenauer-Allee werden der Antritt zur Deichstraße, das Entrée der Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG und das Deichfenster zu einem gestalterischen Ensemble zusammengefasst. Die Deichkrone wird dem Entrée-Niveau der N-Ports angeglichen und in der Flucht zum Schleusenpriel zu einem qualitätsvollen Platz ausgebildet. In Richtung Norden werden Besucher und Passanten eingeladen auf der großzügigen Landschaftstreppe Platz zu nehmen und den malerischen Ausblick über die Marina-Hafenkulisse zu genießen. Durch die Ausformung der Landschaftstreppe wird auch das gegenüberliegende Pumpwerk thematisiert und Bezug auf die Ortshistorie genommen. Die Aufenthaltsqualität und das maritime Flair lassen den Ort von einem Durchgangsort zum Zielort werden und laden zugleich ein, sich auf weitere Entdeckungsreise in Richtung Deichstraße zu begeben. In Verlängerung des Deichfensters in Richtung Osten entsteht eine Verknüpfung mit dem klar strukturierten Entrée des N-Ports-Gebäudes und eine barrierefreie Zuwegung zum Antritt der Deichstraße und des Deichkronenwegs. Als zusammenhängendes Ensemble entsteht ein markantes Eingangstor zur Deichstraße und eine Landmarke im Kontext der angrenzenden Stadtquartiere.
An dem Knotenpunkt wird die Deichstraße auf zwei Fahrstreifen reduziert. Ein aufgeweiteter Radaufstellstreifen (ARAS) mit zuführendem Schutzstreifen ermöglicht direktes Linksabbiegen zum Radweg in der Konrad-Adenauer-Allee bzw. die direkte Zufahrt in die Deichstraße Süd. Die Zufahrt zur Privatstraße Am Schleusenpriel erfolgt hinter der Fußgängerfurt als Gehwegüberfahrt und wird für Lastzüge ausreichend dimensioniert. Im Bereich „Deichfenster“ wird der Einrichtungsradweg an der Konrad-Adenauer-Allee auf 2,00 m verbreitert.

Durch die unterschiedlichen landschaftsarchitektonischen Interventionen werden Einzigartigkeit und Vielfältigkeit des Ortes und seiner markanten stadträumlichen Umgebung herausgearbeitet. Es entsteht ein Freiraumsystem, das sich auf lokaler Ebene in den Bestand integriert und eigene Identität ausbildet. Es entstehen neue Freiraumqualitäten im Stadtgefüge mit besonderen Atmosphären und eigenständiger Charakteristik.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit zeichnet sich bzgl. des verkehrlichen Ansatzes für die Deichstraße durch klare, begreifbare Lösungen mit guter Funktionalität aus. Die Fahrradstraße ist ein angemessenes Element für die Deichstraße und umfasst keine gestalterisch überzogene Betonung des Radverkehrs. Gut gelöst sind die Gehwegüberfahrten an den von Westen einmündenden Straßen, die dem Fußverkehr auf der Gebäudeseite ein durchgängig und attraktiv nutzbares Band zum Flanieren gewähren. Das Stellplatzangebot für den motorisierten Individualverkehr wird deutlich verringert, jedoch werden spezielle Angebote zum Laden/ Liefern geschaffen. Zu hinterfragen ist die vorgesehene Fahrbahnbreite von 5 m, die bei Umleitungssituationen wegen der Klappbrücke oder einem eventuell zukünftigen Busverkehr für Begegnungen mit Lkw oder entgegenkommenden Bussen sehr schmal ist. Eine Bushaltestelle ist nicht vorgesehen.

Auch die Knotenpunkte am südlichen und nördlichen Ende sind funktional gut gelöst. Der aufgeweitete Radaufstellstreifen am Knotenpunkt mit der Konrad-Adenauer-Allee löst das Problem des Linksabbiegens für den Radverkehr aus der Deichstraße. Der Bereich am Slippen wird als einheitlich gepflasterter Platz ausgebildet, in dem mehrere Straßen einmünden. Die Gliederung in Verkehrs- und Aufenthaltsflächen wird durch Linien angedeutet. Inwieweit der Ansatz dem Prinzip der weichen Separation gerecht werden kann, hängt von der Detailausbildung dieser Übergänge ab (z.B. niedrige Borde oder Materialwahl), zu denen keine Aussage erfolgt.

Hinsichtlich der Freiraumgestaltung ist die Arbeit durch eine deutliche Aufweitung des Baumbestands gekennzeichnet. Neue Bäume werden im westlichen Seitenraum und in größerem Umfang auf der Deichkrone entlang der Begrenzungsmauer auf der Seite ‚Am Schleusenpriel‘ gesetzt. Beide Baumstandorte sind hinsichtlich der technischen Machbarkeit zu hinterfragen (z.B. Leitungen auf der westlichen Straßenseite, Flächenverfügbarkeit und Untergrund ‚Am Schleusenpriel‘). Für die Baumstandorte auf dem Deich wird einerseits die Erhöhung der Aufenthaltsqualität auf der Deichkrone thematisiert, andererseits auch auf eine Verstärkung der Trennung zur Hafenseite hingewiesen.

Der Deich behält bis auf eine bereichsweise Abflachung und Öffnung auf dem überwiegenden Teil der Länge seine Höhe einschließlich der Mauer zum Schleusenpriel. Die Öffnung zur Hafenseite wird hier weniger thematisiert als in anderen Beiträgen. Eine raumwirksame Zurücknahme des Deiches erfolgt am Slippen, wo die Wahrnehmbarkeit des Deichs auf der Südseite zugunsten einer flachen Anrampung weitgehend entfällt. Da auch die Fluttore zurückgebaut werden (bis auf eine Andeutung ihrer Lage im Belag), wird damit auf einen deutlichen Bezug zur früheren Funktion des Slippens weitgehend verzichtet. Positiv ist dadurch die durchgängig barrierefreie Nutzbarkeit des Deichwegs in Nord-Süd-Richtung. Das großzügige Angebot an Sitzmöglichkeiten in diesem Raum, insbesondere die Stufenanlage auf der Nordseite des Slippens, könnte für die tatsächliche Bedeutung dieses Bereichs als Aufenthaltsort zu hoch gegriffen sein.

Im Bereich des Deichfensters wird der durchgehende bzw. -fahrende Fuß- und Radverkehr von den aufenthaltsorientierten Bereichen getrennt, wodurch das Konfliktpotenzial in diesem Bereich, dem zukünftig eine erhöhte Aufenthaltsfunktion zukommt, gemindert wird. Die treppenartigen Sitzgelegenheiten, die sich zu den Hafenanlagen öffnen, sind durch die Abflachung des Deichs in diesem Bereich von den Emissionen der stark belasteten Straße vermutlich nur begrenzt geschützt. Ob der über Treppenstufen erreichbare umgestaltete Bereich vor dem Eingang zum NPorts-Gebäude umsetzbar ist, bleibt der weiteren Abstimmung mit dem Eigentümer überlassen.

Zusammenfassend kann die Arbeit bzgl. der verkehrlichen Anforderungen weitgehend überzeugen. Gewisse Defizite (Fahrbahnbreite) könnten in einer Weiterentwicklung der Planung behoben werden. Die freiraumplanerischen Aspekte weisen interessante Ansätze auf, können aber nicht in gleicher Weise überzeugen.
Visualisierung Am Slippen

Visualisierung Am Slippen

Lageplan Quartier

Lageplan Quartier

Detail Deichfenster

Detail Deichfenster

Detail Deichstraße

Detail Deichstraße

Detail Am Slippen

Detail Am Slippen