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Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb gemäß UVgO | 05/2023

Neugestaltung Brandplatz und Schlossgasse in Gießen

Ansicht Brandplatz

Ansicht Brandplatz

1. Rang / Zuschlag

BIERBAUM. AICHELE. landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

infra consult IC GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Brandplatz, Gießen - Ein Park im Platz / Harte Schale – weicher Kern
Der neue Brandplatz als Klimaplatz! Mit vielfältigen Nutzungsangeboten und abwechslungsreichen Aufenthaltsbereichen wird er ein neuer urbaner Freiraum für ALLE. Das Konzept vereint sowohl die programmatischen (Nutzungsvielfalt, Flexibilität) als auch die ökologischen Anforderungen (Klimaresilienz, Klimaausgleichs-/-komfortraum) und schafft durch seine Gestaltung einen modernen, zukunftsfähigen Stadtraum, der „Natur und Mensch“ in den Mittelpunkt stellt. Der neue Brandplatz bietet die Chance Menschen zu treffen, Natur zu erleben, zu spielen, Feste zu feiern oder einfach nur durchzuatmen. Durch eine enge Verwebung mit seinem städtebaulichen und sozialen Umfeld soll der Platz zukünftig eine starke übergeordnete Funktion hinsichtlich Verbindung und Vernetzung der angrenzenden Stadträume übernehmen und zum "Impulsgeber" für mehr Grün und Aufenthaltsqualität in den angrenzenden Quartieren werden.

GESTALTERISCHES GESAMTKONZEPT
Die bestehende Grünachse aus der östlich angrenzenden Wieseckaue findet ihre Fortsetzung ins Zentrum und endet heute auf dem Landgraf-Philipp-Platz. Wir schlagen eine Erweiterung / Fortsetzung dieser grünen Achse vor um auf dem neuen Brandplatz eine Verwebung von Stadt und Landschaft zu schaffen. Diese wichtige Grünverbindung stellt einen wichtigen Trittstein im sogenannten Innenstadtkorridor dar. Die Basis des neuen Platzes bilden ein großer grüner Freiraum im Osten und ein urban geprägter Platz im Westen.
Insgesamt entsteht so ein urbaner Park - ein Hybrid von urbanem Platz und grünem Freiraum – dessen Freiraumgefüge aus drei unterschiedlichen Sphären besteht: Sphäre Stadtnatur (Urban Wetland) // Sphäre Klimahain // Sphäre Quartiersplatz. Die räumliche Komposition des Platzes setzt sich aus drei Hauptelementen zusammen: der steinerne Stadtboden, die grünen Schollen als Stadtnatur und Retentionsmulden, die Baumhaine als schattenspendendes Dach und Klimaregulatoren.

GRÜNER FREIRAUM – PARK / URBAN WETLAND / KLIMAHAIN
Der grüne Freiraum liegt als Urbaner Park in einem städtischen Rahmen aus Promenade, Platz und botanischer Garten und vereint die Themen Park, Urban Wetland und Klimahain.
Die Grünfläche betont deutlich die Ost-West Ausrichtung des Platzraumes und wird so angeordnet, dass in Verlängerung der Landgraf-Philipp-Straße auf dem neuen Platz eine großzügige Promenade entstehen kann. Basierend auf dieser räumlich klar gefassten Platz-Intarsie werden zur besseren Vernetzung mit seiner Umgebung Wegeverbindungen entwickelt, die das Grün in drei charakteristische Rasenparterre teilt und gleichzeitig die Länge des Platzraumes harmonisch gliedern. Die nördliche Promenade wird als Hauptachse für Fußgänger und Fahrradfahrer definiert und von einer Baumallee aus kleinkronigen Bäumen begleitet, die von einem Ausstattungsband aufgenommen werden. Dieses Band beinhaltet neben wegebegleitenden großzügigen Sitz- und Hockerbänke wichtige Infrastruktur wie Fahrradabstellmöglichkeiten, Abfalleimer, Beleuchtung und Trinkbrunnen.
Die südliche Wegeverbindung entlang des botanischen Gartens wird bewusst schmaler gehalten um hier eine ruhigere und intimere Aufenthaltsqualität zu schaffen. Es entsteht eine ruhige Gasse zwischen dem Alten und dem Neuen Schloss.
Während der südliche Rand zum botanischen Garten eine intensivere Bepflanzung erhält, wird der übrige Abschnitt als nutzungsoffene Rasenfläche konzipiert. Sie erhält eine flächenhafte, robuste Raseneinsaat, deren Nutzungsgrade durch das Mäh- und Pflegeregime definiert werden. Die Nutzungsangebote reichen von Picknicken, „Kicken auf dem Rasen“ über Frisbee und weitere informelle Bewegungsangebote bis zur Festwiese. Als Fassung der Wege- und Sichtachse zum Neuen Schloss und zum südlich angrenzenden Botanischen Gartens sowie zur Steigerung der Aufenthaltsqualität im Parkinneren legt sich ein mäandrierendes Band aus pflegeextensiven Stauden/ Gräsern als Saum entlang der Grünfläche. Die intensive Begrünung dient zum anderen dazu, die Biodiversität zu erhöhen, das Mikroklima zu verbessern und Nahrungs- und Überwinterungsmöglichkeiten für Nutzinsekten u.ä. zu schaffen.
Durch eine Absenkung der Grünfläche kann hier temporär ein sogenanntes Urban Wetland aus verdunstungsaktiven Vegetationsflächen entstehen mit einer Anstauhöhe von maximal 30cm. Die Idee ist es das anfallende Niederschlagswasser aus dem Platz- und Straßenraum in diese Fläche einzuleiten und dort zurückzuhalten, zu verdunsten und zu versickern. Entsprechend des Konzeptes eines Urban Wetlands wird hier eine robuste Pflanzung, die mit Trockenheit und Überflutung gleichermaßen umgehen kann vorgesehen. Locker gesetzte Gruppen aus klimaresilienten Baumarten gliedern den Raum und bieten schattige Aufenthaltsbereiche. Die Lage der Abwasserkanäle wird dabei berücksichtigt. Über Notüberläufe kann ein Anschluss an die bestehenden Kanäle hergestellt werden.

QUARTIERSPLATZ
Der Übergang zur Platzfläche wird durch eine besonderes Möblierungselement markiert. Die Gießener Stadtlounge- und -bühne kann zukünftig auf dem neuen Brandplatz erlebt werden. Wir schlagen ein großzügiges Sitz- und Liegeelement vor, das mit den Grünflächen eine gestalterische Einheit bildet und somit einen gleichwertigen Bezug zur Parkfläche und zur Platzfläche aufbaut. Hier entstehen Treffpunkte, Aufenthaltsqualitäten, besondere Nutzungsmöglichkeiten wie Bühnennutzung für Konzerte und Feste etc.

Durch die neue Gliederung spannt sich zwischen der Schlossgasse und der Marklaubenstraße eine neue gut proportionierte Platzfläche auf, die auch dem Alten Schloss eine angemessene Adresse verleiht. So entsteht ein spannungsvolles Dreieck aus Kirchenplatz, Lindenplatz und Brandplatz. Die denkmalgeschützten Gebäude an der Nordseite sowie die historischen Kolonaden werden stärker inszeniert und in das Platzgefüge eingebunden. Der neue Platz bietet auch wertvolle Flächen zur Nutzung von Außengastronomie z.B. der bestehen Pizzeria.
An warmen Sommertagen könnte ein Wasserspiel mit Fontänen und Nebeldüsen aktiviert und so zum Ort des Spielens und der Identifikation werden. Gleichzeitig kann die Verdunstungskälte zu einer Verbesserung des Platzklimas beitragen. Die drei bestehenden Bäume werden erhalten und durch Neupflanzungen zu einem klimaresilienten, lichten Klimahain (Blasenesche, Kiefer, Gleditsie, Sophoren, etc.) ergänzt. Locker eingestreute Sitzelemente laden zum Verweilen unter dem Klimahain und beobachten des Platztreibens ein. Ein Trinkwasserbrunnen ergänzt das Angebot.
Zudem bietet er Platz für den Wochenmarkt und/oder Flohmärkte. Auf dem Quartiersplatz haben zu Fuß Gehende Vorrang. Die Gestaltung ist bewusst so gewählt, dass Radfahrende in ihrem Tempo eingebremst werden und durch die neu gestalteten Verbindungen über die nördliche Platzseite in angrenzenden Gassen und Straßen umgelenkt werden.
Das Wegenetz auf dem Platz ist komplett barrierefrei gestaltet. Der Radverkehr wird künftig auf der großzügigen Promenade geführt. Über Notüberläufe wird das überschüssige Regenwasser den Vegetationsflächen bereichsweise zugeführt, wo es ebenfalls über ein Mulden-Rigolen-System versickern kann. Das Oberflächenwasser des Platzes sowie der angrenzenden Bebauung könnte in Zisternen gesammelt und zur Regenwasserbewirtschaftung genutzt werden.

ZUGANG ALTES SCHLOSS
Ziel ist es die Eingangssituation ins Alte Schloss signifikant zu verbessern ohne mit einer raumgreifenden Treppen-Rampenanlage in das Freiraumgefüge einzugreifen. Daher schlagen wir lediglich vor die Treppe etwas vom Gebäude abzurücken um ein angemessenes Podest vor dem Eingang zu erhalten und mit flacheren Stufen ein angenehmeres Steigungsverhältnis zu schaffen. An der südlichen Seite ordnen wir zurückhaltend einen barrierefreien Lift an.

SCHLOSSGASSE
Hauptaugenmerk bei der Neugestaltung der Schlossgasse liegt auf der Wiederherstellung der wichtigen historischen Achse zwischen dem Kirchenplatz und Brandplatz. Die Gasse wird zu Gunsten des Fuß- und Radverkehrs umgestaltet und mit einer dauerhaften Begrünung aufgewertet. Anlieferung und Anwohner können die Gasse weiterhin anfahren. Zudem wird die Fahrbahnbreite zugunsten breiterer Gehwegflächen und neuer Baumpflanzungen auf die für Begegnungsverkehr erforderlichen 5m reduziert. Atmosphärisch soll sich die Schlossgasse am Kirchenplatz und Brandplatz orientieren. Daher schlagen wir vor den Platzbelag vom Brandplatz, gesägtes Basaltpflaster („Gießener Köpfe) auszubauen. Die grünen Trittsteine aus Stauden- und Gräserpflanzungen mit Baumstandorten liegen analog zum Brandplatz in einem linearen Ausstattungsband. Es entsteht eine südseitige Baumallee, die eine grüne Verbindung zwischen dem Kirchenplatz und dem Brandplatz herstellt ohne die Sichtbeziehung zwischen den Freiräumen einzuschränken. Zwischen den Baumstandorten werden Sitzbänke und Fahrradabstellanlagen angeboten und stärken so die Aufenthaltsqualität und den Nutzungskomfort der Gasse. Auch hier werden die Flächen für Anstauung und Verdunstung von Niederschlagswasser genutzt. Baumrigolen sind hier ein wichtiger Bestandteil des Regenwassermanagements.

KANZLEIBERG
Gemäß der Planung des neuen Eingangs in den Botanischen Garten setzt sich die steinerne Oberfläche des Brandplatzes in den Raum um den Kanzleiberg fort und bindet so das Alte Schloss gleichmäßig in das Freiraumgefüge ein. Die Nord- und Südseite des Schlosses sind steinern wohingegen sich die Ost- und Westseite zum Grün des Botanischen Gartens orientieren. Die bestehenden Stellplätze bleiben erhalten und werden durch Neuplanzungen ergänzt. Die heutige Wendemöglichkeit wird bewusst aus dem sensiblen Vorplatz des Schlosses nach Süden verschoben und über Poller als der Teil Platzfläche vorgeschlagen.
NUTZUNGSMÖGLICHKEITEN UND –KONZEPT
Ziel unserer Gestaltung ist es inklusive Räume zu schaffen, die allen Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten und Einschränkungen (Nutzungs-)Angebote und Teilhabe ermöglichen. So bietet der neue Brandplatz nutzungsoffene Angebote, die Menschen aus allen Kulturräumen ansprechen – wie Wiesenflächen mit Möglichkeiten für Spiel und Sport oder Platzflächen für Tanz und Musik. Präsentier- und Rückzugsräume, neutrale Zonen ebenso wie Transiträume und Aneignungsräume.

AUSSTATTUNG / MATERIALITÄT
Der neue Platz soll durch seine Ausstattung und Materialität einen wertigen, robusten und einladenden Charakter erhalten. Dabei achten wir aufgrund des hohen Nutzungsdrucks auf Robustheit, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit. Für die Platz- und Wegeflächen ist ein gesägtes Natursteinpflaster aus gebrauchtem Basalt, Sandstein und Grauwacke im wilden Verband vorgesehen. Ziel ist es das bestehende Natursteinpflaster wiederzuverwenden und möglichst durch gebrauchtes Natursteinpflaster zu ergänzen um den historischen Charakter des Gesamtensembles gerecht zu werden.
Im Bereich der überbauten Baumscheiben wird der Versiegelungsgrad der befestigten Flächen durch Flächen aus wassergebundener Wegedecke reduziert.
Die Sitzbänke werden aus zertifizierten, heimischen Hölzern auf einer Unterkonstruktion aus Stahl gemäß der Möblierungslinie aus der Fußgängerzone vorgeschlagen. Für die Fahrradstellplätze wird die Verwendung von Anlehnbügeln aus Stahl gemäß Modell aus der Fußgängerzone vorgesehen. Das Lichtkonzept legt besonderen Wert auf eine abwechslungsreiche und stimmungsvolle Inszenierung des Platzes in den Abendstunden. Der Platz soll als das zweite Wohnzimmer wahrgenommen werden. Um das zu erreichen werden die Platzflächen mit asymmetrischen Mastleuchten in ein sanftes Licht getaucht. Die historischen Fassaden werden durch punktuelle Akzentbeleuchtung betont und entfalten so auch in den Abendstunden ihre räumliche Wirkung.


Lageplan Betrachtungsgebiet

Lageplan Betrachtungsgebiet

Lageplan Brandplatz/Schlossgasse

Lageplan Brandplatz/Schlossgasse

Ansicht Schlossgasse

Ansicht Schlossgasse