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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2024

Neubaukomplex für den Deutschen Bundestag, Luisenblock Ost I in Berlin

Aussenperspecktive

Aussenperspecktive

3. Preis

Behnisch Architekten

Architektur

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Die zwei konzipierten Parzellen Luisenblock I und Luisenblock II sollen das „Band des Bundes“ im Osten zu einem Abschluss bringen. Diese ursprünglich aus einem Wettbewerb 1992 als Siegerentwurf von Axel Schultes hervorgegangene Konzeption sah eine stringente Ost-West-Achse über den Spreebogen hinweg vor, im Westen durch das Kanzleramt, im Osten durch die Abgeordnetenhäuser markiert.

In seiner Klarheit und Konsequenz setzte sich der Entwurf über alle gewachsenen Strukturen hinweg und schaffte einen klar geordneten Regierungssitz nördlich des Reichstags. In seiner östlichen Entwicklung jedoch verlangt dieses „Band des Bundes“ nun eine neue Betrachtung der gewachsenen Strukturen, sollte denkmalgeschützte Gebäude und offensichtlich auch politisch gewichtige Eigentumsverhältnisse berücksichtigen. 2009 folgte ein weiterer Wettbewerb, der diese neue Situation zumindest in Bezug auf den Denkmalschutz berücksichtigte. Auch dieses Ergebnis war auf Grundlage der damaligen Situation nicht umsetzbar, sodass dann eine neue Basis mit Unterteilung in die zwei Parzellen für die Luisenblöcke I und II geschaffen wurde.

Tatsächlich treten nun neben den denkmalgeschützten Gebäuden auch historische Strukturen wieder in Erscheinung. Die Gärten der königlichen Residenz aus dem 18. Jahrhundert dominieren die Ordnung vor Ort, die Unterteilung der zwei Parzellen und ebenso auch die Ausrichtung der historischen Industriebauten aus dem 19. Jahrhundert. Diese heute bestimmende Situation verlangt eine Neubetrachtung und lässt eine klare Fortsetzung des „Bandes des Bundes“ nicht zu. Verschiedene Überlegungen könnte man anstellen, so das „Band des Bundes“ rein formal weiterführen, im Dach oder in aufgesetzten Strukturen markieren oder vergleichbare rein gestalterische Ansätze anwenden.
Uns erschien es vielversprechender, die innere Erschließung, eine die Abgeordnetenhäuser dominierende Magistrale, fortzusetzen – also eher eine inhaltliche denn rein formale städtebauliche Ergänzung zu konzipieren. So sind die Bewegungs- und Kommunikationsräume fortgeführt, orientiert an der inhaltlichen Idee und nicht an städtebaulich-formalen Strukturen.
Städtebaulich wird der geschlossene Block mit einem in der Tiefe gestaffelten Hinterhofsystem aufgenommen, angelehnt an das Berliner Thema der Blockstruktur mit den Hinterhöfen. Er fasst so behutsam die historischen Bauten in einem Ensemble zusammen, ohne sie zu dominieren oder zu erdrücken. Das formal freie, die neuen Gebäudespangen überspannende Dach vermittelt zwischen dem historisch bedeutsamen Bestand und dem Neuen, und formuliert so den geschlossenen Block aus.

Erschlossen wird der Luisenblock aus westlicher Richtung über eine Brücke im zweiten Obergeschoss des MELH. Sie kann entweder über die großzügige Freitreppe des MELH aus südlicher Richtung oder aus dem Inneren des Gebäudes erreicht werden und führt Besucher und Abgeordnete in die großzügige Eingangshalle im 2. OG. Unterhalb des Stegs liegen die Vorfahrt und der Eingang von Westen. Die Ankommenden haben beim Betreten des Gebäudes einen guten Blick durch den zentralen Eingangsbereich und einen direkten Zugang zu dem im Innern des Blocks liegenden abhörsicheren Sitzungssaal. Diese lineare „Eingangsspange“ führt über das im Zentrum des südlichen Blocks angeordnete Foyer bis zum östlichen Eingang aus der Richtung Bahnhof Friedrichstraße. Hier befindet sich das denkmalgeschützte Kesselhaus mit einem vorgelagerten Zugangsplatz, dessen Eingangsfassade freigestellt bleibt und diesen Ort dominiert, unterstrichen nach außen durch das hier angeordnete Restaurant. Die Lage dieses Platzes schafft so auch gute Voraussetzungen für eine künftige Entwicklung des östlichen Grundstücks Luisenblock II.
Von hier führt eine großzügige außenliegende Freitreppe auf die Foyerebene im zweiten OG. Die Foyerhalle erstreckt sich über die gesamte Gebäudehöhe und nimmt neben den Erschließungselementen informelle Orte der Begegnung und Kommunikation auf. Hier sind auch einige der geforderten Besprechungsräume angelagert. Grünbereiche mit hohen Aufenthaltsqualitäten ergänzen die großzügig angelegte zentrale Halle, die bis ins Dachgeschoss führt. Unter der bewegten Dachlandschaft befinden sich die Sitzungssäle für die Ausschüsse – von weithin sichtbar als ein Signal der politischen Arbeit.
Im Gegensatz zu den klar und stringent angeordneten Bürogrundrissen der Ebenen darunter ist das Dachgeschoss mit seiner eingestellten Mezzaninebene freier angeordnet und schafft Orte für Begegnung und Kommunikation, erhält großzügige Foyers und Terrassen, um herauszutreten. Von hier führen Treppen und Aufzüge zu den Zugangsbereichen auf einer Mezzaninebene für die Galerien der Sitzungssäle.
Durch die Anordnung im Dachgeschossergeben sich stützenfreie Räume und eine problemlose mechanische Be- und Entlüftung über die nahebei angeordneten technischen Anlagen.
Die Büros ab erstem Obergeschoss der südlichen und nördlichen Block-Spangen sind meistens als Dreispänner organisiert, während die dienenden Funktionen in der dunkleren Mittelzone angeordnet sind. Die Büros und Räume mit Ansprüchen an die Abhörsicherheit sind immer zu den Innenhöfen orientiert, ebenso der abhörsichere Sitzungssaal, der sich im Zentrum des Erdgeschosses nördlich des Eingangsfoyers befindet. In den historischen Bauten sind auch die geforderten Zellenbüros geplant. Wegen der unterschiedlichen Geschosshöhen sind nicht auf jeder Ebene barrierefreie Übergänge zwischen Alt- und Neubauten möglich.

In ihrer Erscheinung nach außen sind die neuen Gebäudeelemente ihren Funktionen entsprechend klar ausformuliert. Das Erdgeschoss wird in seiner gesamten Höhe als Sockel ausgebildet. Den Sicherheitsanforderungen folgend ist er zum Straußenraum weitgehend geschlossen und in einem gebrochenen Kalkstein ausgeführt, der an seinen Stoßkanten präzise geschnitten und in unregelmäßigen Quadern gefügt ist.
Die Bürofassaden darüber, im gleichen Stein, jedoch fein und glatt verkleidet, haben stehende Öffnungen. Der Brüstungsteil dieser Öffnungen ist opak, jedoch in einer gläsernen Anmutung verkleidet, um die äußere Erscheinung der Öffnungen bei Tage homogen zu halten. Der Glasanteil über der Brüstung ist öffenbar, um die natürliche Be- und Entlüftung der Büros zu gewährleisten.
Der Sonnenschutz wird durch feststehende Metallwinkel gewährleistet, welche die Fensteröffnungen oben und an einer Seite umfassen. Diese sind an ihren Rändern perforiert, um Lichtkontraste zu reduzieren und einen weichen visuellen Übergang zu schaffen. Farblich vermitteln sie in einem fließenden Übergang vom rötlich erscheinenden Dach zum eher monochromen Sockel. Im Inneren der Fenster ist ein Blendschutz vorgesehen.

Das formal freie, bewegte Dach ist mit rötlicher Photovoltaik verkleidet. Sie changiert in unterschiedlichen Tönen. In den Randbereichen oder auf Flächen, die für PV ungeeignet sind, werden Blindpaneele gleicher Erscheinung vorgesehen. Die Farbe der Dachlandschaft und der im Verlauf zum EG hin mehr monochromen Sonnenschutzelemente nimmt das Thema der Dächer einiger historischer Bauten und Ziegelfassaden der alten Industriebauten auf.
Das Gebäude wird im Inneren materiell in Erscheinung treten. Über dem betonierten Erdgeschoß sind die Ebenen und das Dach als Massivholzkonstruktion ausgeführt. Wo sinnvoll und möglich soll das Material sichtbar bleiben. Dem vorgegebenen Klimakonzept folgend wird der Holzbau mit aufgeputzten, aktivierten Lehmelementen ergänzt, um die raumklimatische Qualität bestmöglich umzusetzen und die mangelnde thermische Masse der Holzkonstruktion zu kompensieren. Generell tritt das Materielle der Konstruktion in den Vordergrund. Die Flurtrennwände sollen teilweise transparent und dort, wo dies nicht möglich ist, transluzent ausgeführt werden, um die Flurbereiche hell zu halten. Informelle Kommunikationsbereiche in den Flurzonen und in der zentralen Halle werden durch großzügige grüne „Oasen“ ergänzt.
Die historischen Bauten sollten auch im Inneren wo eben möglich ihren Charakter behalten. Dies unterstreicht in konsequenter Weise das Konzept der Ergänzung und Komplettierung der heterogenen Struktur der historischen Bausubstanz mit den neuen Blockspangen in Nord und Süd.

Tragwerksbeschreibung

Das Tragwerk gliedert sich in fünf Obergeschosse in Holz-Hybrid-Bauweise sowie ein Erdgeschoss und zwei bis drei Untergeschosse in Massivbauweise. Das Tragwerk des Dachgeschosses unterscheidet sich durch die großen stützenfreien Räume von den darunterliegenden Stockwerken, welche ausschließlich für Büros vorgesehen sind.

Die Gebäudeaussteifung erfolgt über die mittig liegenden Stahlbetonkerne, in denen sich Treppenhäuser, Aufzüge und Servicebereiche befinden.
Daran schließen die Büroparzellen mit einem effizienten Stützenraster von 3,75m an. In Nebentragrichtung sind deckengleiche Unterzüge aus Stahl-Walzprofilen geplant, die im gestaffelten Abstand von 6,5 m – 4,5m - 6,5m auf Brettschichtholzstützen aufliegen. Zwischen den Stahlträgern spannen 16cm dicke Brettstapelelemente.

Der Brandschutz der Holzkonstruktion wird durch eine redundante Feuerwiderstandsstrategie realisiert: zum einen über eine Abbrandrate (Heißbemessung), die eine zusätzliche Holzdicke vorhält, zum anderen durch die vorhandene Beplankung an der Deckenunterseite.
Der Feuerwiderstand der Stützen erfolgt vollständig über das Einhalten der notwendigen Abbrandrate, wodurch diese holzsichtig sind. Die Stützen haben im EG einen Querschnitt von 36cm/36cm. Der Querschnitt kann in den darüber liegenden Stockwerken sukzessive reduziert werden.
Die Holz-Stahl-Hybrid Konstruktion ist durch die relativ kurzen Spannweiten wirtschaftlich und nachhaltig. Der nachwachsende Werkstoff Holz wird mit minimalem Materialeinsatz vorgesehen; der größte Anteil der grauen Emissionen wird im Hochbau bei den volumenintensiven Deckenkonstruktionen verursacht.
Die Stahlträger ermöglichen deckengleiche Unterzüge; bei einer möglichen Umnutzung sind somit andere Raumteilungen und Installationsführungen uneingeschränkt umsetzbar.
Bei einem Rückbau sind die Standardwalzprofile direkt weiter- oder wiederverwendbar. Für die Konstruktion sollen Baustähle verwendet werden, die auf Basis der Elektrostahlroute (basierend auf Schrottverwendung) mit einem niedrigen Treibhausgaspotential in der Erzeugung verwendet werden.

Das Dachtragwerk ist mit Brettschichtholzbindern und dazwischen spannenden Brettsperrholzelementen konzipiert, die auf V-Stützen, ebenfalls aus Brettschichtholz, auflagern.

Mitarbeiter Behnisch Architekten: Olena Shvab, Tobias Karsten, Chiara Nespoli, Beatrice Pratobevera, Vladislav Kraiushkin, Almira Erdogan

Innenraum

Innenraum

Lageplan

Lageplan

2. Obergeschoss

2. Obergeschoss

Dachlandschaft

Dachlandschaft

Piktogramm Dachlandschaft

Piktogramm Dachlandschaft

Piktogramm Magistrale

Piktogramm Magistrale

Schnitt

Schnitt

Ansicht West

Ansicht West

Modellfoto

Modellfoto