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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2024

Neue Dorfmitte Sevelen (CH)

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 20.000 CHF

Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT GmbH

Architektur

Balliana Schubert Landschaftsarchitekten AG

Landschaftsarchitektur

merz kley partner

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Basis für die Konzeption bildet die Entscheidung den neuen Dorfplatz parallel zur Hauptstraße zu organisieren. Die Ableitung der Idee folgt der Logik der bestehenden Topografie verknüpft mit dem bestehenden System und Organisationsprinzip der Folgen von baulichen Setzungen im Wechsel mit räumlichen Aufweitungen in Form von kleineren Platzsituationen. Durch die gewählte Konzeption und Setzung der Baumassen wird das bestehende Rathaus gemäß seiner inhaltlichen Bedeutung zum integrativen Element des neuen Platzraumes. Das neue bauliche Ensemble wird aus zwei unterschiedlichen Baukörpern gebildet, welche in Ergänzung jeweils als Passstücke auf ihre unmittelbare Umgebung reagieren. Das platzseitige und platzdefinierende Gebäude ist traufseitig zweigeschossig und analog zu seinen historischen Nachbarn solitär konzipiert. Es übernimmt die typologischen Elemente des Ortes, es integriert sich in Maßstäblichkeit und Ausstrahlung ins größere Ganze, ohne etwas zu kopieren, ohne sich anzubiedern, als Interpretation einer bewährten Typologie reagiert es im Sinne des Weiterbauens und einer baukulturellen Entwicklung zeitgemäß und eigenständig. Ein mittig liegender Kern bildet eine horizontale Gliederung in drei parallelen Schichten, welche eine einfache und flexible Grundstruktur entwickelt, die Grundlage sowohl für das statische als auch für das organisatorische System bildet und eine konsequente Weiterführung bis in die Dachlandschaft findet, welche die Sprache des Ortes aufnimmt und die Maßstäblichkeit unterstützt. Drei große nach Westen gerichtete Giebelelemente übernehmen den historischen Rhythmus der charakteristischen Firstlandschaft. Der ruhig gestaltete Neubau reagiert dezent und ausgewogen auf die bestehenden baulichen Strukturen und entwickelt allseitig gut proportionierte Außenräume. Die neue Baufigur kann formal als Solitär mit drei Giebeln gelesen werden oder auch in Form von drei aneinandergereihten Häusern mit Satteldach, deren Maßstäblichkeit und Proportion sich aus dem historischen Kontext ableiten. In diesen drei Häusern befinden sich mit Restaurant und Ladenflächen im Erdgeschoss sowie Dienstleistungen in den beiden Obergeschossen jene Funktionen, welche frequenzbringend die neue Dorfmitte beleben und bespielen. Im Osten des Grundstückes wird der Saalkörper mit attraktiven Blickbeziehungen zum Storchenbüel situiert, welcher mit leichtem Versatz den Verlauf der Straße Baggastiel nachzeichnet und auch auf die bestehende Bebauung reagiert. Der Baukörperversatz schafft eine zusätzliche Präsenz im Platz- und Straßenraum mit eigener Adressbildung. Ein eingeschossiges Foyer mit überdeckter Vorzone und zugeordneten Nebenräumen fungiert als verbindendes Element zwischen den beiden Hauptvolumen. Mit dem neuen Ensemble entsteht eine neue Dorfmitte, ein neuer Dorfplatz, ein gesellschaftliches und kulturelles Zentrum mit eigener Identität und auf die historische Baustruktur abgestimmter hochwertiger Gestaltung und Architektur, ein Ort für Veranstaltungen zu jeder Jahreszeit, ein neuer belebter Ort, ein Ort des Aufenthalts, ein Ort der Begegnung.

Beurteilung durch das Preisgericht

Zwei mächtige, durch einen Verbindungsbau gekoppelte Baukörper liegen zwischen dem Platzraum an der Histengass und dem Naturraum des Storchenbüel-Hangs. Sie besetzen mit grossem Fussabdruck die Platzmitte. So spielt der Entwurf auf der Hangseite Raum für eine stimmige Erweiterung der prägnanten Flanke des Storchenbüel frei. An der Strasse bleibt ein zwar gut situierter, doch angesichts der Nutzungsansprüche und der Zentrumsfunktion sehr beengter Platzraum frei. Ausserhalb des Planungsperimeters schlägt der Entwurf die Fortführung der Pflästerung über die Histengass hinweg bis zum Rathaus vor. Auch der Baggastiel ist als gepflästerte Strasse vorgesehen. Dieser gestalterische Kunstgriff erweitert den Platz zwar optisch, doch nicht in der Nutzfläche, zudem ist fraglich, ob diese perimeter- und strassenraumübergreifende Lösung umsetzbar ist. Die Platzgestaltung selbst verspricht mit dem raumbildenden und Schatten spendenden Baumkörper und dem Platzbrunnen eine angemessene Dorfplatzatmosphäre.

Nomen est Omen: Dreiklang schafft mit drei Giebeln eine Platzfront gegen die Histengass. Der Platz liegt unmittelbar vor dieser «Häuserreihe».

Gegenüber wird das Potential eines neuen Gebäudes neben dem Rathaus und im Übergang zur bestehenden westlichen Häuserreihe der Histengass aufgezeigt. Der westliche Abschluss des Platzes wird jedoch zu einem grossen Teil auf das Nachbargrundstück verlegt.
Vorerst ist hier eine dichte Baumgruppe als Platzabschluss vorgesehen. Insgesamt sehen die Verfasser in einem nächsten Schritt verschiedene Massnahmen vor, um einen gefassten neuen Dorfplatz zu erhalten. Diese Massnahmen sind südlich und westlich im Übergang zur Histengass absehbar, im wichtigen Norden jedoch nicht. Unabhängig davon stellt sich allerdings auch die Frage, ob der vorgeschlagene Standort des möglichen Neubaus für das Rathaus überhaupt ideal ist. Dieses stand noch nie an einem Platz. Seine Stellung erschliesst sich am besten aus den alten Strassenverläufen. Dabei hat die Sicht aus der Chöchigass eine besondere Bedeutung, die im vorgeschlagenen Fall nicht unbedingt positiv beeinflusst würde.

Der Entwurf gliedert sich in zwei Hauptgebäude die durch einen Zwischenbau verbunden sind. Der Gemeindesaal liegt hinter dem Platzgebäude. Er schiebt sich aus der Flucht heraus ins Blickfeld des Baggastiel. Diese rückwärtige Lage des Dorfsaals ist zusammen mit dem attraktiven Blick durch den Baggastiel auf den Ausläufer des Storchenbüel verständlich und nachvollziehbar. Die Erschliessung des Saals erfolgt dann über eine zu knapp bemessene Terrasse entlang der Südfassade und dem Restaurant. Begleitet wird diese Terrasse mit einer Treppenanlage zum Baggastiel, die jedoch keine besondere Aufenthaltsqualität verspricht.

Die Bauten sind in sich gut und übersichtlich strukturiert. Die betriebliche Organisation ist einfach und klar, die verschiedenen Funktionsbereiche sind sinnvoll angeordnet und verorten den Betrieb gut im Dorf. Das Restaurant gegen Süden und Dorfplatz, das erhöhte Foyer mit Blick auf die Bündner Alpen und der Saal mit der zusätzlichen Aussicht auf die schroffe Felswand des Storchenbüel sind gut inszeniert und versprechen spannende und attraktive Räume. Hingegen vermag das Geschäftshaus mit einem hermetischen und grossen Volumen zusammen mit der strengen geometrischen Struktur nur bedingt auf die spezifischen Bedingungen des Ortes einzugehen. Das zeigt sich exemplarisch mit dem bereits erwähnten nördlichen Platzabschluss. Die Wahl der Höhen ist hingegen gut gewählt, wobei die guten und flexiblen Nutzungsmöglichkeiten des 1. Obergeschosses sich nicht ideal unter das tiefgezogene Dach übertragen lassen.

Der Entwurf überzeugt mit dem für den Ort angemessenen klaren statischen Lösungen. Der Saal besitzt ein intelligentes und attraktives Faltwerk als Dach, welches ohne den Einsatz massiver, linearer Holztragelemente auskommt. Das Wohn- und Gewerbehaus weist eine gute statische Struktur auf, die jedoch auf Grund der ungleichmässigen und bereichsweise grossen Deckenspannweiten noch Entwicklungspotential aufweist. Das Projekt besitzt ein mittleres, gut strukturiertes Gebäudevolumen und kommt mit einer geringen Fassadenfläche bei sehr tiefem Verglasungsanteil aus. Das führt zu vergleichsweisen tiefen Erstellung- und Unterhaltskosten.

Zusammenfassend überzeugt der Entwurf mit einem guten städtebaulichen Konzept, das in sich stimmig ist und bereits die zukünftigen Massnahmen im angemessenen Rahmen anspricht. Nicht überzeugen kann neben der Platzgrösse dessen nördlicher Abschluss und der schmale Zugang zum Saal. Die architektonische und konstruktive Umsetzung wird grundsätzlich begrüsst. Ebenso wie die attraktive Zuordnung und Organisation der Funktionen und Räume.