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Award / Auszeichnung | 11/2023

Architekturpreis Mülheim an der Ruhr 2023

Wohnquartier mit Ruhrtalblick

DE-45470 Mülheim an der Ruhr

Anerkennung

Smyk Fischer Architekten PartG mbB

Architektur

Te Strote GmbH & Co. KG

Bauunternehmen

Bodzian und Partner Planungsbüro für Haustechnik

TGA-Fachplanung

Narberhaus & Steverding Ingenieurbüro GbR

Tragwerksplanung

Grünplanungsbüro Baumann

Landschaftsarchitektur, Landschafts- / Umweltplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    2.594m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 08/2020
    Fertigstellung: 06/2022

Projektbeschreibung

Ausgangslage | Zielvorgabe
Ein freier Blick in das Ruhrtal hinweg über satte Wildwiesen, die versteckte ruhige Lage am Ende eines privaten Stichweges, der angrenzende Buchen- und Eichenwald mit einem darin gelegenen Bachtal sowie die topografische Grundstückssituation mit leichter Hanglage kennzeichnen die örtlichen Besonderheiten und Qualitäten des Planungsgebiets.
Die Zielvorgabe lag in der Entwicklung eines zeitgemäßen, nachhaltigen und identitätsstiftenden Wohnquartiers mit Mietwohnungen, die von der Bauherrschaft langfristig im Bestand gehalten werden sollen.
Die Anzahl der Wohneinheiten wurden im Vorfeld von der Bauaufsicht unter Begründung der eingeschränkten Erschließung über den schmalen Stichweg auf 9 Wohneinheiten begrenzt.

Leitgedanken
Die Qualitäten des Planungsgebiets, die sich im Wesentlichen durch die präsente Naturszenerie in exponierter Lage mit weitläufigem Blick auf das Ruhrtal und die natürliche Topografie kennzeichnen, sollen in der Entwurfskonzeption aufgegriffen und eingebunden werden.
Die neuen Bauvolumen des Wohnquartiers sollen sich dabei unaufdringlich und ruhig in den Kontext einfügen, sich mit diesem verzahnen und in Dialog mit ihm treten.

Architektur | Formensprache
Das Wohnquartier mit 9 Wohneinheiten gliedert sich in drei Baukörper. Zwei von ihnen schreiben auf der dem Tal zugewandten Seite die Flucht der Nachbarbebauung fort. Dahinter bildet der dritte Baukörper ein Gegenüber, durch welches eine gemeinsame Erschließungsachse definiert wird. Aus der umgebenden Bebauung abgeleitete Fluchtlinien sowie die klare Süd- bzw. Tal-Ausrichtung geben dem Quartier ein Grundraster aus sich diagonal kreuzenden Achsen. Die polygonalen Grundrissfiguren gehen daraus unmittelbar hervor und werden tragend für den Entwurf.
Die zwei talseitig positionierten Baukörper stellen sich von der Eingangsebene, die über einen privaten Stichweg vom Steinknappen aus erschlossen wird, als eingeschossige Gebäude mit allseitig zurückspringendem Staffelgeschoss dar. Die Baukörper ruhen auf einem gemeinsamen Sockelgeschoss, welches die Topografie des Grundstücks aufnimmt und nur tal- und waldseitig wahrgenommen werden kann.
Durch die jeweils L-Förmig ausformulierte Grundform der Erd- und Staffelgeschosse werden privatere Bereiche geschaffen und gleichzeitig formal der Bezug zum Ruhrtal und dem prägenden Waldrand hergestellt.
Die Fuge zwischen den Gebäuden öffnet von der Eingangsebene aus die Blickachsen in das Ruhrtal und auf den hoch aufragenden Baumbestand, der den östlichen Rand des Grundstückes säumt. Die besonderen Qualität der Umgebung bleibt trotz der dichten Bebauung so unmittelbar erlebbar. Die Subtraktion des andernfalls unbelichteten Kerns des Sockelgeschosses schafft einen Eingangs- und Lichthof für diese Ebene. Er wird über eine Außentreppe zwischen den Gebäuden erschlossen.
Die Eingangsebene setzt sich zwischen den beiden Gebäuden in Form eines Gründachs bis auf das Sockelgeschoss fort. Dieses bettet sich dadurch wie selbstverständlich in die Landschaft ein. Der visuelle Eindruck, dass sich die Natur über die Gebäude legt, wird durch die Begrünung der sanft geneigten Pultdächer aller drei Gebäude vervollständigt.
Das Gebäude in der zweiten Reihe ruht ebenfalls auf einem Sockelgeschoss, welches nur waldseitig als solches erkennbar ist. Durch das auf der Eingangsebene vorgesehene offene Parkdeck entsteht ein zweigeschossig wirkendes Gebäude mit einem dreiseitig zurückspringenden Staffelgeschoss. Durch den Höhenunterschied zu den beiden talseitigen Baukörpern und dem länglichen, trapezförmigen Grundkörper, werden auch diesem Gebäude die Blickbeziehungen zum Ruhrtal aus allen Geschossen eröffnet. Eine Subtraktion der Baukörper im Ober- und Staffelgeschoss auf der dem Waldrand zugewandten Seite definiert die Außenbereiche der jeweiligen Ebene und schafft auf diese Weise eine unmittelbare Nähe zu den angrenzenden Baumkronen. Das Gebäude tritt mit dem Landschaftsraum in Dialog.
Das filigrane Carport, welches sich aus der Formensprache der drei Baukörper ableitet, komplettiert das neue Wohnquartier. Zwei das Dach durchdringende Bäume verweben das Carport mit dem angrenzenden Baumbestand. Der weitere ruhende Verkehr wird durch zwei innenliegende Garagen in den beiden vorderen Baukörpern und das Parkdeck im hinteren Baukörper fast vollständig der Sicht entzogen.
Das neue Wohnensemble entwickelt durch seine schrägen Anschnitte, die sich sowohl in den horizontalen als auch vertikalen Bauelementen und Baufluchten widerspiegeln sowie durch den klaren, polygonalen Formenkanon, eine eigenständige Identität, die durch eine reduzierte, auf den Ort abgestimmte Materialauswahl abgerundet wird.

Grundrissstruktur
Aus der geometrischen Vielfalt der Grundrissebenen ergibt sich ein breites Spektrum unterschiedlich großer Wohneinheiten mit individuellen Grundrissstrukturen. Größere Wohnungen verfügen über einen Kern, den fließende, von Diagonalen geprägte Wohnräume umgeben. Bäder und Schlafräume befinden sich zumeist auf der dem Tal abgekehrten Nordost-Seite. Allen Grundrissen zu eigen ist der Bezug zum Tal, welches über die gesamte Breite der Wohnung durch die großen Verglasungen allgegenwärtig erscheint.

Materialität
Als subtile Hommage an den im Untergrund anstehend Fels sind die Vollgeschosse mit einem robusten Klinkerriemchen bekleidet. Die Staffelgeschosse hingegen schlagen mit ihrer lebendigen Holzfassade die Brücke zum umliegenden Baumbestand. Die hellen Materialen reflektieren das Sonnenlicht und wirken so der Aufheizung der sonnenexponierten Gebäude entgegen. Metallbauteile wie Geländer, Fenster, Haustüren und Attikaabdeckungen zeigen sich durchgängig in einem warmen, goldähnlichen Farbton, der gut mit dem kühlen Ton des Klinkers als auch mit dem warmen Holz harmoniert. Die Fenster besitzen umlaufende, einige Zentimeter auskragende Metallfaschen, die den Fassaden Plastizität verleihen und besonders saubere Übergänge zu den Fassadenmaterialen ermöglichen.
Die extensive Begrünung der Pultdächer und die intensive Begrünung vom Flachdach des Sockelgeschosses stärkt nicht nur die Verschmelzung des Quartiers mit der umgebenden Natur, sie sorgt durch die Speicherwirkung und Verdunstungskühle auch für ein angenehmes Klima. Zudem wird ein Beitrag zur Entwicklung in Richtung einer zukunftsfähigen Schwammstadt geleistet.

Gebäudetechnik | Energiestandard
Das Quartier erfüllt die Kriterien des KfW-55 Standards. Als Energieträger kommt Erdwärme zum Einsatz. Die Erdwärmepumpe fördert dazu aus sieben jeweils 150 m tiefen Bohrungen genügend Erdwärme zutage, um das Quartier unabhängig von der Nutzung zusätzlicher fossiler Energieträger zu machen. Die zentrale Heizungsanlage ermöglicht über die Fußbodenheizung sowohl das Heizen als auch das Temperieren der Wohnräume. Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral in Wohnungsstationen. Dabei wird die Heizwärme vor Ort an das Trinkwasser abgegeben und auf kurzem Wege zu den Zapfstellen transportiert. Alle PKW-Stellplätze verfügen zudem über E-Ladestationen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Wohnquartier gliedert sich in drei Baukörper mit insgesamt 9 Wohneinheiten und liegt am Ende einer Sackgasse. Die 3 Baukörper sind in ihrer Dimensionierung wohltuend angemessen für den Ort. Die individuelle Formensprache der Baukörper überzeugt als exklusiv wirkende Architektur.

Die vorhandene Topographie und Hanglage wurde geschickt genutzt, sodass viele begrünte Flächen auf und zwischen den Häusern entstanden. Diese dienen auch als Verbindung zwischen den beiden unteren Häusern, ergänzt mit einem Lichthof und einer Treppe. Die Holzverkleidung der oberen zurückspringenden Staffelgeschosse schaffen einen harmonischen Übergang und eine Verbindung zum umliegenden Wald.

Die großzügigen Wohnungen mit den großen Fensterfronten ermöglichen einen Blick in die Landschaft des Ruhrtales. Gefallen hat auch die offene Bauweise für PKW – Stellplätze der 3. Einheit, die das Bauwerk scheinbar schweben lassen. Der Carport wurde durch 2 runde Öffnungen durchbrochen aus denen 2 Bäume herausragen und so den Übergang zum angrenzenden Wald hervorheben.

Die Verwendung der Klinkerriemchen an der Fassade wurde an einigen Sicht Details von der Jury kritisch gesehen. Insgesamt überzeugt das Wohnquartier mit seiner Architektur die geschickt in die Landschaft integriert wurde und energetisch optimiert, einen Hauch von Luxus ausstrahlt. Das verdient, nach Auffassung der Jury, eine Anerkennung.